BGH, Urteil vom 26. November 2019 – VI ZR 12/19
1. Zu dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Bestimmungsrecht des Autors über die Veröffentlichung eines von ihm verfassten Schreibens. (Rn.14)
2. Zu dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung. (Rn.26)
3. Zu dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (hier: Veröffentlichung von Zitaten aus einem Anwaltsschreiben). (Rn.46)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Der klagende Rechtsanwalt nimmt die beklagte Verlegerin auf Unterlassung einer Wortberichterstattung in Anspruch.
2
Die Beklagte verlegt die Zeitschrift „Der Spiegel“ (im Folgenden: „die Zeitschrift“). Im November 2016 übersandte ein Redakteur der Beklagten einem bekannten Fußballspieler (im Folgenden: „X“) einen umfangreichen Fragenkatalog zu Sachverhalten, die unter anderem dessen Einkommensteuererklärungen 2011 und 2013 betrafen. Der Kläger nahm als anwaltlicher Vertreter von X mit Schreiben vom 28. November 2016 dazu Stellung. In dem Schreiben heißt es unter anderem:
„Mir liegen Ihre Fragebögen an meine[n] Mandanten vor. Die nachfolgenden Ausführungen dienen nicht der Einlassung zu Ihren Fragen, sondern ausschließlich der presserechtlichen Interessenvertretung im Interesse der Vermeidung einer offensichtlich angedachten und rechtswidrigen Berichterstattung. Die Einlassungen sind daher nicht zur Veröffentlichung bestimmt.
Sämtliche Fragen, die Sie übermittelt haben, betreffen Sachverhalte, die ausschließlich der Privatsphäre (private Vermögensverhältnisse etc.) bzw. dem Steuergeheimnis zuzurechnen sind, so dass sich eine Berichterstattung dem Grunde nach verbietet. … Was erschwerend hinzukommt ist, dass Sie Ihre vermeintlichen Informationen auf Daten gründen, die durch einen Hackerangriff auf die spanische Steuerkanzlei … im April 2016 erlangt wurden. Diesbezüglich sind bereits strafrechtliche Ermittlungsverfahren in Spanien eingeleitet worden. Sofern Sie tatsächlich nunmehr diese Daten nutzen, machen Sie sich selbst der Beihilfe mannigfaltiger Delikte schuldig. …
Hinzu tritt, dass Sie offenbar nur diese Informationen aus dem April diesen Jahres haben und überhaupt keine Kenntnisse über tatsächliche Verfahrensstände etc. Insofern seien Sie auf Folgendes hingewiesen, ohne dass diese Information veröffentlicht werden darf oder als Einlassung zur Sache dient: …
Sollten Sie entgegen dieser Sach- und Rechtslage dennoch berichten, werden wir definitiv nicht nur zivilrechtliche Schritte einleiten. Das ist eine neue Qualität von journalistischer Verrohung, wenn [die Zeitschrift] sich anschickt, Daten, die durch Straftaten erlangt wurden und Sachverhalte auch falsch wiedergeben, zur Grundlage [ihrer] Artikel macht. …“
3
Nachdem die Zeitschrift in der Folge kritisch über den Umgang von X und von einem anderen prominenten Fußballspieler (im Folgenden: „Y“) mit ihren jeweiligen Steuerpflichten berichtet hatte, wurde der Beklagten diese Berichterstattung im einstweiligen Verfügungsverfahren von dem Landgericht H. auf Betreiben der spanischen Kanzlei und von dem Landgericht B. auf Betreiben von X untersagt, wobei die einstweilige Verfügung des Landgerichts B. in der Folge wieder aufgehoben wurde.
4
In der Ausgabe Nr. 25/2017 vom 17. Juni 2017 veröffentlichte die Beklagte daraufhin einen Artikel mit der Überschrift „Bitte bellen Sie leise“ und der Unterüberschrift „… Die Presse soll Wachhund der Demokratie sein. Die Fälle [Y] und [X] zeigen, dass manche Presserichter in Deutschland Schoßhunde bevorzugen“, in dem sie sich kritisch mit den zu ihren Lasten ergangenen einstweiligen Verfügungen und insbesondere mit der Spruchpraxis der Pressekammer des Landgerichts H. befasst. Dabei stellt sie die Vorgeschichte wie folgt dar (Hervorhebung nur hier):
„Am 3. Dezember erschien [die Zeitschrift] mit der Y- und der X-Geschichte und gab sich alle Mühe, die Regeln einzuhalten. Mehr als eine Woche vorher hatte die Redaktion Y, X und ihre Beraterstäbe darum gebeten, die Ergebnisse der monatelangen Recherchen zu kommentieren. Von Ys Seite kam wenig zurück, von Xs vor allem eine Drohung. Dort spielte nun [Kläger] mit, Medienrechtler aus […], bekannt für hohe Honorare und ein erhöhtes Empörungspotential. Diesmal empörte er sich über eine angeblich „neue Qualität von journalistischer Verrohung“. [Die Zeitschrift] nutze Material aus einem „Hackerangriff“, die Fragen seien „der Privatsphäre … bzw. dem Steuergeheimnis zuzurechnen“. Eine Zeile über den Fall im Heft und man werde klagen. Definitiv!“
5
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der zitierten Textpassage im Umfang der Unterstreichung in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
6
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in AfP 2019, 51 ff., veröffentlicht ist, ist der Auffassung, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu.
7
Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers sei gegeben. Zwar werde sein Persönlichkeitsrecht weder durch die einzelnen wörtlichen Zitatschnipsel noch die Wiedergabe der Äußerungen in indirekter Rede oder deren Einbettung im Gesamtkontext verletzt. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG vermittle seinem Träger keinen Anspruch darauf, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm selbst genehm sei. Es handle sich um unstreitig zutreffende Zitate des Klägers aus einem Schreiben an ein Medienunternehmen, die weder verfälscht noch aus dem Zusammenhang gerissen noch sinnentstellend wiedergegeben würden und die seine berufliche Tätigkeit – und damit seine Sozialsphäre – beträfen. Unzulässig sei in diesem Zusammenhang lediglich das Hervorrufen einer Prangerwirkung, wenn ein beanstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werde und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirke. Ein solcher Fall sei hier aber nicht gegeben.
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Das Persönlichkeitsrecht des Klägers sei aber insoweit betroffen, als die Beklagte überhaupt Äußerungen aus dem an sie gerichteten Schreiben öffentlich wiedergegeben und damit in das Bestimmungsrecht des Klägers über die Veröffentlichung seiner Äußerung sowie in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen habe. Vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG sei als Ausprägung des Rechts auf Selbstdarstellung und Selbstbestimmung auch das Bestimmungsrecht über die Weitergabe und Veröffentlichung schriftlicher Aufzeichnungen erfasst. Der Einzelne solle – ohne Beschränkung auf seine Privatsphäre – grundsätzlich selbst entscheiden können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen wolle bzw. ob und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden könne. Stehe allein dem Kläger die Befugnis zu, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form er seine Äußerungen gegenüber der Beklagten öffentlich mache, so habe er diese Entscheidung in dem Sinne getroffen, dass er einer Veröffentlichung widersprochen habe.
9
Soweit mit Blick auf die Veröffentlichung von Teilen eines Anwaltsschriftsatzes auch ein Eingriff in das Recht auf freie Berufsausübung problematisiert worden sei, führe dies nicht dazu, dass Art. 12 GG als eigenes „sonstiges Recht“ im Sinn von § 823 Abs. 1 BGB zu prüfen sei. Vielmehr sei die Frage der Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit des Klägers im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Positionen zu berücksichtigen. Insoweit sei dann ohne praktische Relevanz, ob man auch einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb prüfen könne. Denn im Rahmen der Abwägung würde nichts anderes gelten, als was sogleich zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausgeführt werde.
10
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei nicht rechtswidrig, weil im Rahmen der anzustellenden Abwägung weder seine Berufsausübungsfreiheit – so sie überhaupt beeinträchtigt sei – noch seine persönlichkeitsrechtlichen Belange die schutzwürdigen Interessen der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG überwögen. Wegen des Rahmenrechtscharakters des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs im Wege einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen; ein absolutes Bestimmungsrecht gebe es anerkanntermaßen hier gerade nicht – auch nicht mit Blick auf das ausgesprochene Veröffentlichungsverbot – und insofern gerade kein absolutes Verbot eines wörtlichen Zitierens aus Anwaltsschriftsätzen. Auf Seiten der Beklagten sei die Meinungsfreiheit und ferner zu berücksichtigen, dass sie mit der Wiedergabe der inhaltlich und dem Kontext nach zutreffenden Zitate ein Thema von öffentlichem Interesse sachbezogen erörtere. Demgegenüber könne ein Überwiegen der schutzwürdigen Interessen des Klägers nicht festgestellt werden. Sämtliche Zitate stammten unstreitig vom Kläger selbst und seien zutreffend wiedergegeben worden. Die authentische Form der Ursprungsäußerung werde zwar in der Berichterstattung teilweise dadurch verkürzt, dass lediglich ein paar wenige Schlagwörter aus dem Schreiben des Klägers wiedergegeben und diese dabei in einen größeren Gesamtzusammenhang gerückt würden, in welchem die Äußerungen des Klägers beispielhaft für sein sonstiges Verhalten stehen sollten. Gleichwohl bleibe erkennbar, dass die zitierten Äußerungen die Reaktion des Klägers auf die Aufforderung der Beklagten gegenüber X darstellten, mittels eines Fragebogens zum Vorwurf der Steuerhinterziehung Stellung zu nehmen. Auch bei dem in indirekter Rede gehaltenen Satz „Eine Zeile über den Fall im Heft und man werde klagen. Definitiv!“ handele es sich nicht um ein Falschzitat. Weiter zu berücksichtigen sei, dass die Wiedergabe der Äußerungen des Klägers lediglich seine Sozialsphäre betreffe. Eine Prangerwirkung sei nicht gegeben. Soweit das Landgericht darauf abstelle, dass der Kläger durch die Verwendung der Zitate der Lächerlichkeit preisgegeben werde, treffe das in der Sache nicht zu. Darauf komme es aber auch nicht an, weil allein eine überspitzte Kritik am Verhalten des Klägers keine Prangerwirkung hervorrufe. Aus der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit des Klägers ließen sich keine maßgeblichen Argumente ableiten, die im konkreten Fall bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen für den Kläger streiten würden.
II.
11
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Dem Kläger steht wegen der beanstandeten Äußerungen ein Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
12
1. Ob die angegriffene Wortberichterstattung den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers berührt, § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 EMRK, kann im Ergebnis dahinstehen. Soweit eine Berührung des Schutzbereichs unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles (nur) in Bezug auf die Veröffentlichung des Zitats „neue Qualität von journalistischer Verrohung“ in Betracht kommt, ist die Veröffentlichung jedenfalls nicht rechtswidrig.
13
a) Der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als offenes Rahmenrecht entspricht es, dass sein Inhalt nicht abschließend umschrieben ist, sondern seine Ausprägungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet werden müssen (BVerfGE 54, 148, 153 f. – Eppler; BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13, Rn. 80). So sind als Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt unter anderem die Privatsphäre, Geheimsphäre und Intimsphäre, die persönliche Ehre, das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort und unter bestimmten Umständen das Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen verschont zu bleiben (Senatsurteil vom 5. November 2013 – VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 10 mwN). Diese Ausformungen des verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts müssen entsprechend beachtet werden, wenn es sich um gerichtliche Entscheidungen über kollidierende Interessen nach den Vorschriften des Privatrechts handelt (Senat, ebenda mwN).
14
b) Im Streitfall ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts weder als Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen verschont zu bleiben (BVerfGE 54, 148, 153 f. – Eppler), noch in seinen Ausprägungen der Berufsehre und der sozialen Anerkennung (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2016 – VI ZR 250/13, AfP 2017, 48 Rn. 17 mwN), in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13, Rn. 83 ff.; Senatsurteil vom 5. November 2013 – VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 11 mwN) oder in seiner Ausprägung als Schutz der Vertraulichkeits- und Geheimsphäre (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, NJW 2015, 782 Rn. 15 mwN) betroffen. In Betracht kommt allein, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als Bestimmungsrecht des Autors über die Veröffentlichung eines von ihm verfassten Schreibens berührt ist (vgl. BVerfG NJW 1991, 2339, juris Rn. 16).
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aa) Dem Kläger werden keine Äußerungen beigelegt oder untergeschoben, die er nicht getätigt hat (vgl. dazu auch BVerfG, NJW 1980, 2070, juris Rn. 16).
16
(1) Nach den für die Ermittlung des Aussagegehaltes einer Äußerung maßgeblichen Grundsätzen (vgl. nur Senatsurteile vom 16. Januar 2018 – VI ZR 498/16, VersR 2018, 492 Rn. 20 mwN; vom 10. Januar 2017 – VI ZR 562/15, VersR 2017, 369 Rn. 13 mwN) ist der angegriffenen Textpassage der Sinngehalt zu entnehmen, der Kläger habe sich als anwaltlicher Vertreter des X gegen eine Veröffentlichung von Informationen über das Steuergebahren des X in Spanien gewendet. Er habe sich darüber empört – mithin auch in gewisser Weise emotional darauf reagiert -, dass die Zeitschrift Material aus einem Hackerangriff verwende, dies als neue Qualität von journalistischer Verrohung bezeichnet und auf die Bitte nach einer Kommentierung der Recherchen der Zeitschrift mitgeteilt, die Fragen seien der Privatsphäre und dem Steuergeheimnis zuzurechnen. Er habe ferner mit einer Klage gedroht, wenn über „den Fall“ in irgendeiner Weise („eine Zeile“) berichtet werde. Dazu, was mit „dem Fall“ gemeint ist, kann der unvoreingenommene Durchschnittsleser aus dem Artikel erfahren, X habe mit dem spanischen Fiskus einen „Deal gemacht“. Dieser habe über zwei Millionen Euro nachgefordert. In den Bescheiden der spanischen Finanzbehörden stehe, dass X für die Jahre 2012 und 2013 keine Einkommensteuererklärung abgegeben habe und deshalb „zu einer Strafe verdonnert“ worden sei. Im Gesamtzusammenhang des Artikels ist der Textpassage ferner der Sinngehalt zu entnehmen, dass die Empörung des Klägers im Hinblick auf die später ergangene Entscheidung des Landgerichts B. letztlich nicht gerechtfertigt gewesen sei. Das lässt sich der angegriffenen Textpassage auch durch die Verwendung des Worts „angeblich“ vor dem Zitat „neue Qualität von journalistischer Verrohung“ entnehmen.
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Eingebettet sind die streitgegenständlichen Äußerungen in einen zweiseitigen Artikel, der sich in seinem hauptsächlichen Gegenstand („Die Fälle [Y] und [X] zeigen, dass manche Presserichter in Deutschland Schoßhunde bevorzugen“) kritisch mit der Spruchpraxis der Pressekammern der Landgerichte, vor allem mit der Spruchpraxis der (einzigen) Pressekammer des Landgerichts H. und deren namentlich genannter Vorsitzenden sowie der Spruchpraxis des Landgerichts B. und dessen namentlich genannten ehemaligen Vorsitzenden befasst. Dabei werden auch die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung, insbesondere der Verpflichtung des Presseorgans, vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 12. April 2016 – VI ZR 505/14, VersR 2016, Rn. 39 mwN), am Beispiel der „Fälle“ X und Y erläutert. In diesem Sinnzusammenhang steht die streitgegenständliche Textpassage, in der unter Verwendung der Zitatschnipsel dargestellt wird, wie der Kläger als anwaltlicher Vertreter von X auf die diesem eröffnete Gelegenheit zur Stellungnahme reagiert habe.
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(2) Mit diesem Sinngehalt wird das klägerische Schreiben weder verfälschend noch sinnentstellend wiedergegeben.
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Entgegen der Ansicht der Revision kann die angegriffene Textpassage schon nicht so verstanden werden, der Kläger habe eine Stellungnahme in der Sache abgegeben. Denn sie betrifft nach den Angaben im Artikel lediglich die Reaktion des Klägers auf die an seinen Mandanten gerichtete Bitte, die Rechercheergebnisse zu kommentieren, nicht aber inhaltlich die X übersandten Fragen, die im Artikel gar nicht wiedergegeben werden. Der angegriffenen Textpassage wird auch nicht dadurch ein anderer Sinn beigelegt, dass – so die Revision – die Intention ihres Verfassers verschwiegen würde, sie nicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie bleibt in ihrem Sinngehalt unabhängig von dieser Intention unverändert. Im Übrigen entnimmt der Durchschnittsleser der Formulierung („Eine Zeile über den Fall im Heft und man werde klagen“) ohnehin, dass der Kläger den Vorgang nicht der Öffentlichkeit zugänglich machen will, so dass ein Verschweigen dieser Intention auch nicht vorliegt.
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Die Aussagen in dem Schreiben des Klägers werden auch nicht dadurch zum Nachteil des Klägers verfälscht, dass bei der Wiedergabe des letzten Satzes der angegriffenen Textpassage („Eine Zeile über den Fall im Heft …“) durch die Autoren der Zeitschrift die Diktion des klägerischen Schreibens verändert und dem in dem Artikel vorherrschenden Schreibstil angepasst worden ist. Denn der unvoreingenommene Durchschnittsleser wird angesichts des durchgängig in einer eher umgangssprachlichen und plakativen Art und Weise verfassten Artikels („lausiger Ball“, „beackern“, „Deal … gemacht“, „spielte … mit“, „in Arbeit“, „Texte … rasiert“, „zu einer Strafe verdonnert“, „wegholzte“, „Spardose in der Karibik“) davon ausgehen, dass der in indirekter Rede – und damit anders als die zuvor in Anführungszeichen gesetzten wörtlichen Zitate – wiedergegebene Satz den Sprachstil der Autoren des Artikels widerspiegelt, nicht aber annehmen, dass der Kläger selbst in dieser Art schreibe.
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bb) Zu Recht nimmt das Berufungsgericht ferner an, dass die angegriffene Textpassage den in dem Artikel namentlich genannten Kläger nicht in seiner Berufsehre und seinem Recht auf soziale Anerkennung (vgl. dazu Senatsurteil vom 27. September 2016 – VI ZR 250/13, AfP 2017, 48 Rn. 17 mwN; BVerfG NJW 2006, 207 Rn. 25; BVerfGE 99, 185, 193 f.; BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 Rn. 80) beeinträchtigt.
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Mit dem oben ermittelten Sinngehalt ist die angegriffene Textpassage nicht geeignet, sich auf das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit, sein berufliches Ansehen und seinen geschäftlichen Erfolg abträglich auszuwirken. Der Kläger wird als Rechtsanwalt dargestellt, der im Namen seines Mandanten mit einer Klage gedroht und sich – wie bereits mehrfach zuvor („bekannt für … erhöhtes Empörungspotential“; „Diesmal“) – über das Vorgehen der Presse empört habe, weil diese Material aus einem Hackerangriff nutze und die Privatsphäre und das Steuergeheimnis seines Mandanten betreffende Fragen stelle. Das ist aber nicht geeignet, sein Bild in der Öffentlichkeit oder sein berufliches Ansehen zu beeinträchtigen. Der Senat tritt vielmehr der Wertung des Berufungsgerichts bei, dass sich daraus (lediglich) ergibt, dass der Kläger die Interessen seiner (prominenten) Mandanten mit Nachdruck verfolge. Die Rügen der Revision greifen demgegenüber nicht durch.
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(1) Soweit die Revision meint, der Kläger werde als eine Person dargestellt, die sich „immer über alles“ aufrege, wobei man dies nicht so ernst nehmen müsse, trifft das nicht zu. Denn der Artikel befasst sich gerade kritisch damit, dass der Zeitschrift die Berichterstattung über X auf Betreiben der Kanzlei des Klägers durch das Landgericht H. untersagt sowie durch das Landgericht B. zunächst untersagt worden war, mithin die Drohung des Klägers durchaus ernst zu nehmen war.
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(2) Ohne Erfolg rügt auch die Revision, die angegriffene Textpassage beeinträchtige das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit, weil er durch die Zuschreibung „erhöhtes Empörungspotential“ – verstärkt durch das mit einem Ausrufezeichen versehene „Definitiv“ nach den Zitaten aus dem klägerischen Schreiben – lächerlich gemacht werde. Abgesehen davon, dass der Kläger die genannten Äußerungen schon nicht angegriffen hat, reicht der Schutz der von Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten freien Entfaltung der Persönlichkeit nicht so weit, dass das Grundrecht dem einzelnen einen Anspruch darauf verliehe, in der Öffentlichkeit gar nicht benannt (BVerfG NJW 2011, 740 Rn. 52) oder nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden möchte (vgl. BVerfGE 99, 185, 194 mwN). Im Übrigen teilt der Senat nicht die Auffassung des Klägers, dass er durch die angegriffene Äußerung lächerlich gemacht werde. Vor diesem Hintergrund ist die Schwelle zur Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die angegriffene Textpassage nicht überschritten.
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(3) Soweit die Revision schließlich meint, der Kläger werde an den Pranger gestellt (vgl. dazu etwa Senatsurteil vom 27. September 2016 – VI ZR 250/13, AfP 2017, 48 Rn. 21 mwN; BVerfG, NJW 2010, 1587 Rn. 25 mwN), fehlen für eine Prangerwirkung, die mit einem schwerwiegenden Unwerturteil über das Verhalten des Klägers verbunden sein müsste, jegliche Anhaltspunkte.
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cc) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist durch die streitgegenständliche Äußerung gleichfalls nicht beeinträchtigt.
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(1) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stellt eine eigene Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 Rn. 83 ff.; Senatsurteile vom 29. April 2014 – VI ZR 137/13, NJW 2014, 2276 Rn. 6; vom 5. November 2013 – VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 11 mwN). Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6. November 2019 (1 BvR 16/13 Rn. 83 ff.) den verfassungsrechtlichen Schutzgehalt des informationellen Selbstbestimmungsrechts im Verhältnis zu den äußerungsrechtlichen Schutzgehalten des Persönlichkeitsrechts (neu) bestimmt hat, schließt sich der Senat dem auch für den zivilrechtlichen Gehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts an. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht enthält damit keinen gesamthaften Schutzanspruch hinsichtlich jederlei Umgangs mit Informationen, der die übrigen Schutzdimensionen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts allgemein übergreifen und zusammenführen würde, sondern lässt deren Wertungen und Abwägungsregeln unberührt. Es bildet nicht eine gesamthaft übergreifende Schutzgarantie, sondern hat einen von diesen abzugrenzenden eigenen Gehalt (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 Rn. 83, 89 ff. mwN).
28
Ausgehend von dieser Neubestimmung ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung primär als Gewährleistung zu verstehen, die – neben der ungewollten Preisgabe von Daten auch im Rahmen privater Rechtsbeziehungen (vgl. BVerfGE 84, 192, 194) – insbesondere vor deren intransparenter Verarbeitung und Nutzung durch Private schützt. Es bietet Schutz davor, dass Dritte sich individueller Daten bemächtigen, und sie in nicht nachvollziehbarer Weise als Instrument nutzen, um die Betroffenen auf Eigenschaften, Typen oder Profile festzulegen, auf die sie keinen Einfluss haben und die dabei aber für die freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie eine gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 Rn. 90).
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Davon zu unterscheiden ist der Schutz vor der Verarbeitung personenbezogener Berichte und Informationen als Ergebnis eines Kommunikationsprozesses. Der Schutzbedarf gründet hier nicht in der intransparenten Zuweisung von Persönlichkeitsmerkmalen und -profilen durch Dritte, sondern in der sichtbaren Verbreitung bestimmter Informationen im öffentlichen Raum. Gefährdungen für die Persönlichkeitsentfaltung ergeben sich hier vornehmlich aus Form und Inhalt der Veröffentlichung selbst. Schutz gegenüber solchen Gefährdungen bieten die äußerungsrechtlichen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unabhängig von dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 Rn. 91).
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(2) In Anwendung dieser Grundsätze ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers hier nicht betroffen. Der Kläger wendet sich nicht gegen eine Pflicht zur Preisgabe von Daten oder gegen eine intransparente Nutzung seiner Daten, sondern gegen einen Bericht über ihn, der der Information der Öffentlichkeit dient und ihm selbst ohne weiteres zugänglich ist. Er macht geltend, dass dieser Bericht ihn in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Damit geht es hier um die Verbreitung von Äußerungen im Rahmen gesellschaftlicher Kommunikation.
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dd) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist auch nicht in seiner Ausprägung der geschützten Vertraulichkeits- und Geheimsphäre (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, NJW 2015, 782 Rn. 15 mwN) beeinträchtigt.
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(1) Die Vertraulichkeits- und Geheimsphäre (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, NJW 2015, 782 Rn. 15 mwN) schützt das Interesse eines Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt einer privaten Kommunikation nicht an die Öffentlichkeit gelangt und die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, NJW 2015, 782 Rn. 15 mwN). Einen generellen deliktischen Schutz des Geheimhaltungswillens durch das Persönlichkeitsrecht gibt es allerdings nicht (vgl. Senatsurteil vom 10. März 1987 – VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667, juris Rn. 18).
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(2) Eine die Vertraulichkeits- oder Geheimsphäre betreffende private Kommunikation liegt hier schon nicht vor. Der Kläger wendet sich dagegen, dass in dem Artikel der Inhalt des der Beklagten übersandten Schreibens kurz zusammengefasst und mit Zitaten versehen wiedergegeben worden ist. Das Schreiben betrifft indes nicht den persönlichen Lebensbereich des Klägers; es handelt sich nicht um eine private Kommunikation, mit deren Wiedergabe in der Öffentlichkeit er keinesfalls rechnen musste. Kurz wiedergegeben wird der Inhalt eines Schriftstücks, das der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit verfasst und selbst aus der Hand gegeben hat. Dabei war ihm bewusst, dass an der Reaktion von X auf die von der Zeitschrift angestellten Recherchen ein großes Interesse der Zeitschrift bestand. Ein absolutes Recht, über die Weitergabe der Information, mit welchem Inhalt er sich an die Zeitschrift gewandt habe, zu bestimmen, steht dem Kläger nach den oben ausgeführten Grundsätzen entgegen der Ansicht der Revision nicht zu. Der Kläger kann ein solches Recht – wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt – daher auch nicht durch die einseitige Erklärung begründen, seine Einlassungen seien nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Würde man einer solchen Erklärung Bedeutung beimessen, könnte jeder zu Lasten der dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gegenüberstehenden Freiheitsrechte Dritter (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 Rn. 81 f.) durch einseitige Erklärung zu seinen Gunsten einen Persönlichkeitsschutz begründen, der über die Gewährleistungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Spannungsverhältnis zwischen Schutz und Freiheit hinausreicht.
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(3) Das Schreiben wird entgegen der Ansicht der Revision auch nicht dadurch zu einer die Privatsphäre des Klägers berührenden privaten Kommunikation des Klägers, weil es sich mit Umständen befasst, die die Privatsphäre seines Mandanten betreffen. Bei der Frage, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers berührt ist, kommt es auf die Persönlichkeitssphäre an, die in Bezug auf den Kläger berührt ist. Das ist hier nur die Sozialsphäre. Dagegen ist nicht – auch nicht inzident – zu prüfen, ob und inwieweit durch die Wiedergabe des Schreibens in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des X eingegriffen wird. Das ist hier nicht streitgegenständlich.
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ee) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Bestimmungsrecht des Autors über die Veröffentlichung eines von ihm verfassten Schreibens auch nicht etwa dadurch betroffen, dass die Beklagte bei der zusammenfassenden Wiedergabe des Inhalts des klägerischen Schreibens die beiden kurzen wörtlichen Zitate „Hackerangriff“ sowie „der Privatsphäre … bzw. dem Steuergeheimnis zuzurechnen“ aus dem Schreiben verwendet hat. Ob das auch für das Zitat „neue Qualität von journalistischer Verrohung“ gilt, kann dagegen dahinstehen.
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(1) Anerkannt ist als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts das Recht der Person zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort. Wird dieses – auch mit ihrer Einwilligung – aufgezeichnet, darf über ihren Kopf hinweg nicht über derartige Aufnahmen verfügt werden. Das Festhalten der Stimme auf einem Tonträger, durch das nicht nur die Äußerungen ihrem Inhalt nach, sondern in allen Einzelheiten auch des Ausdrucks fixiert und aus der Sphäre einer von der Flüchtigkeit des Worts geprägten Unterhaltung herausgehoben sowie für eine jederzeitige Reproduzierbarkeit in einem gänzlich anderen Kreis und einer anderen Situation objektiviert und konserviert werden, stellt eine derart intensive „Verdinglichung“ der Persönlichkeit dar, dass über ihren Kopf hinweg nicht über derartige Aufzeichnungen verfügt werden darf. Insoweit bedarf die Person eines entsprechenden Schutzes wie gegen die ungenehmigte Veröffentlichung ihres Bildnisses, vor der sie auch dann geschützt ist, wenn sie gegen dessen Anfertigung selbst keine Einwände erhoben hat (Senatsurteil vom 10. März 1987 – VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667, 2668, juris Rn. 17).
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In einer schriftlichen Aufzeichnung wird die Persönlichkeit demgegenüber regelmäßig in geringerem Maße erkennbar, weil weder ihr Bildnis noch ihr stimmlicher Ausdruck in einem Schriftstück konserviert werden. Gleichwohl ist auch insoweit anerkannt, dass jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts – auch wenn ihr Urheberschutzfähigkeit nicht zugebilligt werden kann – Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers ist, die Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zulässt (BGH, Urteil vom 25. Mai 1954 – I ZR 211/53, BGHZ 13, 334, 338; Senatsurteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, NJW 2015, 782 Rn. 15). Aufzeichnungen vertraulichen Charakters dürfen daher im Grundsatz nur mit Zustimmung des Verfassers und nur in der von ihm gebilligten Weise veröffentlicht werden (BGH, Urteile vom 25. Mai 1954 – I ZR 211/53, BGHZ 13, 334, 338 f. – Aufzeichnungen privaten Charakters, hier: in ihrem Sinn veränderte Wiedergabe eines Anwaltsschreibens; vom 26. November 1954 – I ZR 266/52, BGHZ 15, 249, 257 f. – Tagebücher und private Briefe; Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 – VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 123 – Veröffentlichung der schriftlichen Aufzeichnung eines heimlich abgehörten Telefongesprächs; BVerfG NJW 1991, 2339, juris Rn. 16 – Veröffentlichung eines nicht zur Veröffentlichung bestimmten Schreibens eines Amtsträgers an einen anderen Amtsträger). Geschützt wird das Interesse des Verfassers daran, dass – über den Inhalt der Aufzeichnungen hinaus – seine persönliche Ausdrucksweise nicht nach außen dringt, weil dies Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zulassen kann (Senatsurteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, NJW 2015, 782 Rn. 15 – private E-Mails).
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In der Vergangenheit hat die Rechtsprechung allerdings den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts weder durch die Veröffentlichung von Zitaten aus Geschäftsbriefen, die der Autor selbst aus der Hand gegeben hat, berührt gesehen (Senatsurteil vom 24. Oktober 1961 – VI ZR 204/60, BGHZ 36, 77, 83 f.) noch durch die Veröffentlichung eines zwanzig Jahre zuvor gefertigten Anwaltsschriftsatzes als Zeitdokument (BVerfG NJW 2000, 2416, juris Rn. 21; vgl. auch BVerfG NJW 2010, 1587 Rn. 24 zu der Veröffentlichung eines anwaltlichen Schreibens; OLG München NJW 2008, 768, juris Rn. 29 f. sowie Heinz, jurisPR-ITR 5/2008 Anm. 4; KG NJW-RR 2007, 842 Rn. 12). Auch sind die genannten Grundsätze nicht ohne weiteres auf Äußerungen zu übertragen, die nicht in der genannten Weise die Persönlichkeit fixieren und konservieren, sondern von einem Gesprächspartner, sei es auch aufgrund eigener Gesprächsnotizen, aus eigenem Wissen weitergegeben werden. Insoweit steht nicht die Verfügung über die Person im Vordergrund, sondern das enttäuschte Vertrauen in die Diskretion des Gesprächspartners, der sich über den Geheimhaltungswillen des sich Äußernden hinwegsetzt. Wie bereits ausgeführt, gibt es keinen generellen deliktischen Schutz des Geheimhaltungswillens (Senatsurteil vom 10. März 1987 – VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667, 2668 juris Rn. 18).
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(2) Nach diesen Grundsätzen ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers im Hinblick auf den Umstand allein, dass die Beklagte bei der Wiedergabe des Inhalts des klägerischen Schreibens die beiden Zitatschnipsel „Hackerangriff“ sowie „der Privatsphäre … bzw. dem Steuergeheimnis zuzurechnen“ verwendet hat, nicht berührt. Die kurzen, auf ein Wort sowie wenige Worte beschränkten Zitate aus dem im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit versandten und damit der Sozialsphäre zuzurechnenden Schreiben konservieren und fixieren die Persönlichkeit des Klägers nicht in einer Weise, dass ihre Veröffentlichung ohne die Einwilligung des Klägers sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berühren könnte. Bei den zitierten Worten handelt es sich um üblicherweise verwendete allgemein gebräuchliche Bezeichnungen oder Rechtsbegriffe, die keine persönliche Prägung erkennen lassen. Das lässt es ausgeschlossen erscheinen, dass aufgrund der Ausdrucksweise Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers gezogen werden könnten.
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(3) Anders mag dies im Hinblick auf das Zitat „neue Qualität von journalistischer Verrohung“ liegen. Dieses Zitat weist eine Wortwahl auf, die geeignet erscheint, Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers und die Art seiner in gewisser Weise emotionalen Argumentationsweise zu ziehen. Auch wenn der Kläger das Wort „Verrohung“ nach den getroffenen Feststellungen bereits zuvor bei verschiedenen Gelegenheiten zu Veröffentlichungszwecken verwendet hatte und das Zitat lediglich aus wenigen Worten besteht, erscheint daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Kläger durch die ohne sein Einverständnis erfolgte Veröffentlichung seines schriftlichen Ausdrucks insoweit in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht berührt ist. Das kann indes letztlich dahinstehen, weil der – unterstellte – Eingriff jedenfalls nicht rechtswidrig ist.
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c) Soweit nach alledem das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers – im Folgenden unterstellt – dadurch berührt ist, dass sein Schreiben wörtlich („neue Qualität von journalistischer Verrohung“) von der Beklagten veröffentlicht worden ist, war die Veröffentlichung nicht rechtswidrig. Die gebotene (vgl. zu den insoweit geltenden Grundsätzen Senatsurteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, NJW 2015, 782 Rn. 19 mwN) Abwägung des durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Interesses des Klägers am Schutz seines Selbstbestimmungsrechts mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit geht zu Lasten des Klägers aus.
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aa) Zugunsten des Klägers ist in die Abwägung zum einen sein Interesse einzustellen, dass seine persönliche Ausdrucksweise in dem nur an die Beklagte gerichteten Schreiben nicht nach außen dringt. Darüber hinaus ist sein Interesse daran zu berücksichtigen, als auf dem Gebiet des Medienrechts tätiger Anwalt in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübung (vgl. BVerfGE 110, 226, 251 f.) nicht eingeschränkt und in der effektiven Rechtswahrnehmung für seine Mandanten insbesondere nicht dadurch behindert zu werden, dass er die Veröffentlichung seiner persönlichen Ausdrucksweise gewärtigen muss, was zu einer Selbstzensur führen könnte.
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Nicht betroffen ist dagegen – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt und ausgeführt hat – das durch Art. 12 Abs. 1 GG abgesicherte Recht und die Pflicht zur Verschwiegenheit des Rechtsanwalts (§ 43a Abs. 2 BRAO; vgl. BVerfGE 110, 226, 252, juris Rn. 101) und damit eine Grundbedingung für das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Denn das anwaltliche Recht zur Verschwiegenheit schützt nicht das Interesse daran, dass ein der Verschwiegenheitspflicht nicht unterworfener Dritter keine Informationen weitergibt oder veröffentlicht, die der Rechtsanwalt ihm im Namen und Auftrag seines Mandanten gegenüber offenbart hat. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Veröffentlichung des Zitats eine Störung des Vertrauensverhältnisses zu X oder auch zu anderen (potentiellen) Mandanten hätte verursachen können. X, dem als Mandant eine Kopie des Schreibens zur Verfügung zu stellen war, wusste, dass der Kläger alles dafür getan hatte, um eine Berichterstattung über ihn zu verhindern. Ferner musste – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – damit gerechnet werden, dass sich die Beklagte im Rahmen einer Veröffentlichung auch mit der Reaktion des X auf die Bitte einer Kommentierung der Recherchen auseinandersetzen werde.
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bb) Für die Beklagte streitet die Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK. Grundsätzlich kommt dem Grundrecht der Meinungsfreiheit dabei umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG kommt dagegen umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Äußerung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr in Verfolgung eigennütziger Ziele abgegeben wird (Senatsurteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, NJW 2015, 782 Rn. 20 mwN). Auch wörtliche Zitate, die – wie im Streitfall – geeignet sind, zu einer Bewertung des Zitierten beizutragen, fallen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, NJW 2010, 1587 Rn. 21). Dem wörtlichen Zitat kommt wegen seiner Belegfunktion ein besonderer Dokumentationswert im Rahmen einer Berichterstattung zu. Es dient als Tatsachenbehauptung dem Beleg und der Verstärkung des Aussagegehalts und hat deshalb eine besondere Überzeugungskraft. Aus diesem Grund kommt ihm eine erhebliche Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zu (Senatsurteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, NJW 2015, 782 Rn. 30 mwN).
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cc) Im vorliegenden Fall überwiegt das Schutzinteresse der Beklagten an ihrem Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit die Schutzinteressen des Klägers. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Veröffentlichung des Zitats den Kläger nur in der Sozialsphäre und angesichts seiner Kürze in seinem Bestimmungsrecht als Autor allenfalls nur sehr geringfügig beeinträchtigt. Zudem hatte der Kläger das Wort „Verrohung“ nach den getroffenen Feststellungen bereits zuvor bei verschiedenen Gelegenheiten zu Veröffentlichungszwecken verwendet, so dass Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit, die aus der Wortwahl hätten gezogen werden können, der Öffentlichkeit ohnehin bereits möglich waren. Demgegenüber leistet die Beklagte – wenn auch im streitgegenständlichen Fall vor dem Hintergrund eigener presserechtlicher Auseinandersetzungen mit dem Kläger – mit der Veröffentlichung einen Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf. In dem Artikel thematisiert sie die Frage, ob sie ihrer Rolle als „Wachhund der Öffentlichkeit“ vor dem Hintergrund der Rechtsprechung der Pressekammern der Landgerichte H. und B. und im Hinblick auf die Tätigkeit von Medienanwälten wie dem Kläger ausreichend nachkommen kann. In diesem Zusammenhang verwendet die Beklagte das Zitat aus dem klägerischen Schreiben als plastischen Beleg dafür, wie eine solche Auseinandersetzung geführt wird, was den Aussagegehalt des Artikels verstärkt. Der Kläger muss es daher im Ergebnis hinnehmen, dass die Beklagte das streitgegenständliche Zitat aus seinem Schreiben veröffentlicht hat.
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2. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich schließlich nicht aus einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
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a) Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt, also betriebsbezogen ist und nicht von diesem ohne weiteres ablösbare Rechte betrifft. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 15. Mai 2012 – VI ZR 117/11, NJW 2012, 2579 Rn. 19, 21; vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rn. 13; vom 15. Januar 2019 – VI ZR 506/17, NJW 2019, 781 Rn. 16; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03, VersR 2006, 1219 Rn. 98 ff.; jeweils mwN). Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen (Senatsurteil vom 15. Januar 2019 – VI ZR 506/17, NJW 2019, 781 Rn. 16 mwN). Das Recht am Unternehmen ist dabei nicht auf Gewerbebetriebe im handelsrechtlichen Sinn beschränkt, sondern steht auch den Angehörigen freier Berufe zu (Senatsurteil vom 15. Mai 2012 – VI ZR 117/11, NJW 2012, 2579 Rn. 19).
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b) Ob nach diesen Grundsätzen in der Wiedergabe des Inhalts des klägerischen Schreibens unter Verwendung der Zitatschnipsel ein betriebsbezogener Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb liegt, kann offen bleiben. Jedenfalls würde für die Abwägung nichts anderes gelten als wie zuvor unter 1 c ausgeführt.