Landgericht Frankenthal, Urteil vom 12.05.2016 – 8 O 208/15
Zum Rücktritt von einem Fahrzeugkauf im Zusammenhang mit dem sog. VW-Abgasskandal“
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 23.490,– € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages im Zusammenhang mit dem sog. „VW-Abgasskandal“.
Bei der Beklagten, die in Bad D. eine Niederlassung betreibt, handelt es sich um eine Vertragshändlerin u.a. der Audi AG. Der Kläger, ein Arzt, erwarb dort durch Kaufvertrag vom 21.12.2012 einen PKW des Typs Audi A3 2,0 TDI zum Preis von 23.490,– €. Das am 23.04.2012 erstzugelassene Fahrzeug hatte damals eine Laufleistung von 26.500 km und ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgerüstet. Die Auslieferung des Fahrzeuges erfolgte am 09.01.2013. Der Kläger legte mit dem Fahrzeug bis zum 08.02.2016 rund 90.000 km zurück.
Nachdem die US-Umweltbehörde im September 2015 den sog. „VW-Abgasskandal“ publik gemacht und der Kläger festgestellt hatte, dass sein Fahrzeug hiervon betroffen war, wandte er sich durch Anwaltsschreiben vom 13.10.2015 an die Beklagte und machte im Hinblick auf „das nunmehr bekannt gewordene Problem der Abgaswerte“ Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche geltend und bat hierzu um Stellungnahme. Die Beklagte reagierte hierauf nicht. In einem weiteren Anwaltsschreiben vom 16.11.2015, dessen Zugang die Beklagte in Abrede stellt, ließ der Kläger die Beklagte auffordern, den Kaufvertrag im Wege der Nacherfüllung bis spätestens 27.11.2015 vollständig und mangelfrei zu erfüllen. Mit Anwaltsschreiben vom 28.12.2015 ließ er sodann die Wandelung des mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrages erklären und diese auffordern, den gezahlten Kaufpreis Zug um Zug gegen Übergabe des Kfz zurück zu erstatten (GA 27).
Mit seiner am 30.12.2015 eingegangenen Klage fordert der Kläger die vollständige Rückzahlung des an die Beklagte gezahlten Kaufpreises.
Hierzu trägt er vor:
Das streitgegenständliche Fahrzeug sei mangelhaft, denn es sei – insoweit unstreitig – vom „VW-Abgasskandal“ betroffen und erfülle damit nicht die Normen, die ihm, dem Kläger, seinerzeit zugesichert worden seien. Das Fahrzeug verfüge über eine Software, die erkenne, wenn es sich im Testbetrieb befinde und verschiebe dann das Motorenkennfeld zum Zwecke der Reduzierung der gemessenen Stickoxide. Da diese Software bereits beim Verkauf des Fahrzeugs installiert gewesen sei, verstoße es gegen die geltenden Normen zur Belastung der Umwelt mit derartigen Abgasen und befinde sich damit nicht in einem Zustand wie konkludent zugesichert (Beweis: Sachverständigengutachten).
Die den Mangel begründende Software sei vom VW-Konzern zu Manipulationszwecken bewusst eingesetzt worden und den Kunden, also auch ihm, dem Kläger, gegenüber arglistig verschwiegen worden. Da die Beklagte auf ihrer Homepage damit werbe, eine Audi-Zweigniederlassung zu sein und sie auch sonst eng mit diesem Hersteller verknüpft sei, müsse sie sich dessen arglistiges Verhalten zurechnen lassen. Da die Beklagte somit rechtlich gesehen selbst den Mangel arglistig verschwiegen habe, könne sie sich nicht auf das Recht des Verkäufers zur Nachbesserung berufen. Erschwerend komme hinzu, dass die Beklagte seinen, des Klägers, Aufforderungen zur Nacherfüllung vor Erklärung der Wandelung nicht nachgekommen sei.
Die Arglist der Beklagten führte auch dazu, dass er, der Kläger, sich keinen Abzug für die von ihm gezogenen Nutzungen gefallen lassen müsse, sodass er den vollen Kaufpreis zurückverlangen könne.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 23.490,– € zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Audi A3 Sportback 2,0 TDI DPF, Fahrzeug-Identnummer: …;
2. festzustellen, dass die Beklagte sich in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor:
Das streitgegenständliche Fahrzeug weise schon keinen Mangel auf, jedenfalls habe der Kläger einen solchen nicht substantiiert und damit einlassungsfähig vorgetragen. Der Kläger trage weder vor, dass und wodurch „Normen“ zugesichert worden seien, noch, inwieweit das Fahrzeug hinter diesen Normen zurückbleibe. Jedenfalls sei das Fahrzeug technisch sicher und in seiner Fahreigenschaft in keiner Weise eingeschränkt. Es besitze die erforderliche EG-Typengenehmigung, die auch unverändert wirksam und nicht etwa aufgehoben worden sei und könne deshalb vom Kläger uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden.
Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass bei dem fraglichen Fahrzeug nach den Vorgaben des Kraftfahrtbundesamtes ein Software-Update erforderlich sei. Dies beruhe auf einer freiwilligen Maßnahme des VW-Konzerns, woraus nicht das Eingeständnis eines Mangels geschlossen werden könne. Vielmehr werde der VW- Konzern bzw. die Audi AG mit dem beabsichtigten Software-Update ihrer unternehmenspolitischen Verantwortung gerecht.
Gehe man von einem Mangel aus, so sei dieser jedenfalls geringfügig. Das SoftwareUpdate sei mit einem Aufwand von voraussichtlich deutlich unter 100,– € pro Fahrzeug zu installieren, womit sich die Kosten der Mangelbeseitigung auf weniger als 0,5 % des Kaufpreises beliefen, was nach der Rechtsprechung des BGH einem wirksamen Rücktritt in jedem Fall entgegenstehe.
Jedenfalls habe der Kläger ihr, der Beklagten, auch keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Im Schreiben vom 13.10.2015 sei keine Frist gesetzt worden, das Schreiben vom 16.11.2015 sei ihr nicht zugegangen. Unabhängig hiervon sei die dort gesetzte Frist viel zu knapp bemessen, da sie, die Beklagte, abwarten müsse, bis das erforderliche Software-Update vom VW-Konzern zur Verfügung gestellt werde, um dann in einem mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan installiert werden zu können. Es sei dem Kläger zumutbar, diesen Zeit- und Maßnahmenplan abzuwarten, denn er könne sein Fahrzeug bis dahin ohne Einschränkungen nutzen.
Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger ist nicht gem. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB wirksam von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten und hat deshalb auch nicht gem. § 346 Abs. 1 BGB Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises.
1. Dabei kann zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Tatsache, dass das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig vom sog. VW-Abgasskandal betroffen ist, also mit einer Software ausgestattet ist, die den Schadstoffausstoß im Testbetrieb manipuliert und es die geltenden Abgasgrenzen deshalb nur scheinbar einhält, als Fahrzeugmangel anzusehen ist. Dies folgt im Grunde genommen schon daraus, dass das Fahrzeug auch nach dem Vorbringen der Beklagten im Laufe des Jahres 2016 einem Software-Update unterzogen werden muss, um den entsprechenden Auflagen des Kraftfahrtbundesamtes zu genügen und nicht den Verlust der Allgemeinen Betriebserlaubnis zu riskieren. Wenn es dem Kläger m.a.W. nicht freisteht, dem Rückruf seines Fahrzeugs im Laufe des Jahres 2016 Folge zu leisten und dessen Zulassung zum Straßenverkehr damit zu erhalten, dann kann aus dem derzeitigen Fehlen des beim Rückruf aufzuspielenden Software-Updates auch auf die Mangelhaftigkeit des klägerischen Fahrzeugs geschlossen werden. Ergänzend wird in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen in den von der Beklagten zitierten Urteilen des Landgerichts Münster vom 14. März 2016 (- 11 O 341/15, 011 O 341/15 -, Rn. 18, juris) und des Landgerichts Bochum vom 16. März 2016 (- 2 O 425/15, I-2 O 425/15 -, Rn. 17, juris) Bezug genommen.
2. Ein wirksamer Rücktritt des Klägers wegen dieses Mangels scheitert jedenfalls daran, dass der Kläger der Beklagten vor Erklärung seiner „Wandelung“, die als Rücktritt auszulegen ist (§§ 133, 157 BGB), keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat bzw. eine solche weder bei Klageerhebung noch zum gem. § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen gewesen wäre. Gem. §§ 437 Nr. 3, 323 Abs. 1 BGB setzt der Rücktritt des Käufers wegen eines behebbaren Mangels voraus, dass der Mangel nicht nur erheblich ist (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB), sondern dass der Käufer dem Verkäufer vor dem Rücktritt erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat.
a) Eine derartige Fristsetzung war entgegen der Auffassung des Klägers nicht entbehrlich, weil die Beklagte den streitgegenständlichen Mangel arglistig verschwiegen habe. Zwar ist richtig, dass der Bundesgerichtshof insbesondere in Fällen, in denen der Verkäufer den Käufer bei Vertragsschluss über die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes getäuscht hat, regelmäßig ein berechtigtes Interesse des Käufers annimmt, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen, und deshalb dem Verkäufer gem. § 440, § 281 Abs. 2, § 323 Abs. 2 BGB eine Fortsetzung der Vertragsbeziehungen durch Nachbesserung zugunsten eines sofortigen Schadensersatz- oder Rücktrittsrechts des Käufers versagt (BGH, Urteil vom 10. März 2010 – VIII ZR 182/08 -, Rn. 19, juris). Ein arglistiges Verhalten kann der Beklagten indes nicht vorgehalten werden.
Der Kläger teilt schon nicht mit, wer aus dem VW-Konzern für die Entwicklung und den Einsatz der fraglichen Software verantwortlich war und wer hiervon Kenntnis hatte. Damit können bereits die Voraussetzungen für eine etwaige Haftung des VW- Konzerns nach § 31 BGB nicht festgestellt werden.
Abgesehen hiervon müsste sich die Beklagte aber auch ein etwaiges arglistiges Verhalten des VW-Konzerns nicht zurechnen lassen. Bei der Beklagten handelt es sich um eine rechtlich selbstständige Vertragshändlerin, die als solche Produkte aus dem VW-Konzern vertreibt, was aber nichts daran ändert, dass die Beklagte eine rechtlich selbstständige Verkäuferin dieser Produkte, die sie nicht selbst hergestellt, ist. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Homepage der Beklagten (http://www.audi-m….de/) verweist, wo davon die Rede ist, dass „es hier zu unseren Audi Zweigniederlassungen geht“, belegt dies nicht eine „enge Verflechtung“ der Beklagten zum VW-Konzern, die eine Repräsentantenhaftung nach § 31 BGB begründen würde. Der fragliche Passus auf der Homepage der Beklagten stellt lediglich diejenigen Niederlassungen der Beklagten vor, in denen der Kunde Audi-Fahrzeuge erwerben kann. Dies ändert aber nichts daran, dass die Beklagte rechtlich selbstständiger Vertragshändler der Audi AG ist. Der Kläger muss sich darauf verweisen lassen, dass ein Vertragshändler kein Handelsvertreter, sondern ein sonstiger Absatzmittler ist, für den der Geschäftsherr schon nicht nach § 31 BGB haftet (vgl. MüKoBGB/Arnold BGB § 31 Rn. 22). Noch weniger haftet umgekehrt der Vertragshändler für ein etwaiges Verschulden des Herstellers, dessen Produkte er vertreibt. Auch findet im Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller keine Wissenszurechnung in entsprechender Anwendung von § 166 BGB statt (vgl. LG Bielefeld, Urteil vom 03. Februar 2010 – 3 O 222/09 -, Rn. 25, juris).
Vielmehr gilt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Vorlieferant des Verkäufers nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer ist; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft (BGH, Urteil vom 02. April 2014 – VIII ZR 46/13 -, BGHZ 200, 337-350, Rn. 31 m.w.N.). Deshalb haftet der Verkäufer auch nicht dafür, dass sein Lieferant ein mit Mängeln behaftetes Produkt in den Verkehr bringt und dies arglistig verschweigt. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn dies dem Verkäufer (hier also der Beklagten) bei Abschluss des Kaufvertrages bekannt oder für diesen zumindest erkennbar war, wofür jedoch im Streitfall nichts ersichtlich ist.
b) Der Kläger hat der Beklagten vor seine „Wandelungserklärung“ keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass das Schreiben des Klägervertreters vom 13.10.2015 keine Fristsetzung enthält. Zwar bedarf es insoweit nicht der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins. Für eine Fristsetzung im Sinne der vorgenannten Vorschriften genügt es vielmehr, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Dem Schuldner soll mit der Fristsetzung vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird durch eine Aufforderung, sofort, unverzüglich oder umgehend zu leisten, hinreichend erfüllt (BGH, Urteil vom 18. März 2015 – VIII ZR 176/14 -, Rn. 11, juris). Indes hat der Kläger die Beklagte im Schreiben vom 13.10.2015 gerade nicht zu einer bestimmten Leistung aufgefordert, sondern lediglich allgemein „Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht“ und um Stellungnahme hierzu gebeten. Dies genügt auch bei großzügiger Auslegung nicht den Anforderungen an eine Fristsetzung zur Nacherfüllung, was wohl auch der Klägervertreter selbst so gesehen hat, da er dann im Schreiben vom 16.11.2015 eine derartige Fristsetzung ausdrücklich erklärt hat (GA 28). Den Zugang dieser Aufforderung hat die Beklagte indes in Abrede gestellt. Da der Kläger die Beweislast für den Zugang der Fristsetzung trägt (BeckOK BGB/H. Schmidt BGB § 323 Rn. 12-12b, beck-online) und er keinen Beweis für den Zugang anbietet, ist zu seinen Lasten davon auszugehen, dass die Fristsetzung vom 16.11.2015 der Beklagten nicht zugegangen ist, so dass es vor der als Rücktrittserklärung auszulegenden „Wandelung“ vom 28.12.2015 an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung fehlt.
c) Eine solche war hier auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Beklagte innerhalb angemessener Frist den streitgegenständlichen Mangel ohnehin nicht hätte beheben können, weil ihr nach ihrem eigenen Vorbringen das hierzu erforderliche Software-Update erst im Laufe des Jahres 2016 von der Herstellerfirma bzw. dem VW- Konzern zur Verfügung gestellt werden wird, nachdem es vom Kraftfahrtbundesamt freigegeben sein wird.
aa) Allerdings ergibt sich aus der Wertung des § 440 BGB und dem Grundsatz, dass rechtsgeschäftliche Erklärungen, die auf eine reine Förmelei hinauslaufen würden, zur Vorbereitung eines Gestaltungsrechts nicht verlangt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 – VII ZR 58/13 -, Rn. 29, juris) sowie letztendlich auch aus § 275 BGB, dass vom Käufer eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht verlangt werden kann, wenn von vornherein feststeht, dass der Verkäufer den Mangel innerhalb der gesetzten – angemessenen – Frist nicht wird beseitigen können. Dies wäre hier etwa der Fall, wenn man dem Kläger entgegenhalten würde, er habe der Beklagten vor der Erklärung seines Rücktritts am 28.12.2015 noch eine Frist zur Nacherfüllung von jedenfalls 4 oder 6 Wochen setzen müssen, denn die Beklagte hätte ohnehin keine Möglichkeit gehabt, innerhalb einer solchen Frist das SoftwareUpdate aufzuspielen, da ihr dieses nicht zur Verfügung stand und sie als Händlerin auch nicht befugt gewesen wäre, einseitig, also ohne die erforderliche Zulassung durch das Kraftfahrtbundesamt, Eingriffe in die Motorsteuerung des fraglichen Fahrzeugs zu nehmen.
bb) Aus dem gleichen Grund, nämlich dem der faktischen Unmöglichkeit einer kurzfristigen Mangelbeseitigung, verfängt auch der Einwand der Beklagten nicht, der Kläger könne deshalb nicht vom Vertrag zurücktreten, weil die Nacherfüllung im Sinne der Installation des Software-Updates für sie, die Beklagte, nur mit Kosten von maximal 100,– €, also weniger als einem Prozent des Kaufpreises, verbunden sein werde, weshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13 -, BGHZ 201, 290-310, Rn. 19; vom 29. Juni 2011 – VIII ZR 202/10 -, Rn. 19, juris) in jedem Fall von einem nur unerheblichen Mangel auszugehen sei, bei dem ein Rücktritt nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen sei. Die Beklagte übersieht dabei, dass für die Beurteilung der Frage, ob die in der Lieferung eines mangelhaften Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung unerheblich ist und deswegen das Rücktrittsrecht des Käufers ausschließt, auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen ist und es dem erklärten Rücktritt deshalb nicht die Wirksamkeit nimmt, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der zum Zeitpunkt des Rücktritts nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand behebbare Mangel mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand korrigiert werden kann (BGH, Urteil vom 15. Juni 2011 – VIII ZR 139/09 -, Rn. 9, juris). Für den Streitfall bedeutet das, dass man dann, wenn man dem Kläger das Recht zubilligen wollte, von der Beklagten am 28.12.2015 eine Mangelbeseitigung innerhalb einer Frist von 4 oder 6 Wochen zu verlangen, nicht von einem nur unerheblichen Mangel ausgegangen werden könnte, weil die Beklagte innerhalb dieser Frist gerade nicht Möglichkeit gehabt hätte, den Mangel mit einem geringfügigen Kostenaufwand zu beheben. Vielmehr war es der Beklagten innerhalb einer solchen Frist unmöglich, den Mangel zu beheben, da ihr das hierzu erforderliche Software-Update nicht zur Verfügung stand und sie auch nicht Möglichkeit gehabt hätte, ein solches zu entwickeln und dessen Zulassung zum Straßenverkehr zu erreichen. Dies hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 10.03.2016 auch bestätigt (GA 77).
d) Indes wäre eine Frist zur Mangelbeseitigung von 4 oder 6 Wochen nicht angemessen i.S. v. § 323 Abs. 1 BGB; vielmehr wäre eine angemessene Frist noch immer nicht abgelaufen.
aa) Die Angemessenheit der Frist beurteilt sich zwar vorrangig nach dem Interesse des Käufers, der gerade bei den Alltagsgeschäften die kurzfristige Reparatur oder den sofortigen Austausch der mangelhaften Sache beanspruchen kann (vgl. BT- Drucks. 10/6040, S. 234). Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Verkäufer dem Käufer die Zeit zugestehen muss, die dieser für die geforderte Art der Nacherfüllung bei objektiver Betrachtung benötigt, weshalb letztendlich die Frage der Angemessenheit der Frist nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles beantwortet werden kann (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rn. 902f). Anders ausgedrückt bestimmt sich die Angemessenheit der Frist nach den Umständen des konkreten Vertrags, wobei die Interessen beider Vertragsparteien zu berücksichtigen sind. Einerseits hat der Gläubiger ein Interesse an alsbaldiger Klarheit darüber, ob der Schuldner die Leistung erbringen wird; andererseits soll dem Schuldner die letzte Möglichkeit gegeben werden, die Leistung tatsächlich noch zu erbringen. Die Frist muss daher so lang bemessen sein, dass der Schuldner in der Lage ist, die bereits begonnene Erfüllung zu beschleunigen und zu vollenden. Sie braucht jedoch nicht so lang zu sein, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, erst jetzt mit der Leistungsvorbereitung, z.B. der Beschaffung von Gattungssachen, zu beginnen (vgl. Alpmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 323 BGB, Rn. 24).
bb) Nach diesen Grundsätzen kann, bezogen auf den Zeitpunkt 28.04.2016 (§ 128 Abs. 2 S. 2 ZPO), nicht davon ausgegangen werden, dass eine vom Kläger der Beklagten zuzugestehende Frist zur Nacherfüllung bereits abgelaufen wäre.
Aus der von der Beklagten vorgelegten Pressemitteilung der Volkswagen AG vom 25.11.2015 (GA 93), die auch dem Kläger bei Erklärung seines Rücktritts zugänglich war, ergibt sich, dass für die Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge in Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrtbundesamt und in Abstimmung mit diesem ein ServiceKonzept erarbeitet werden soll, dessen Umsetzung sich für alle Motorvarianten über das Jahr 2016 erstrecken wird. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die betroffenen Fahrzeuge auch bis zu ihrer Umrüstung weiterhin technisch sicher und fahrbereit sind und deshalb uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden können. Letzteres wird auch vom Kläger, der selbst keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Benutzbarkeit seines Fahrzeugs geltend macht, nicht in Zweifel gezogen.
Bei dieser Sachlage war es dem Kläger aus Sicht des Gerichts aber zumutbar, es der Beklagten zu ermöglichen, das „Service-Konzept“ des VW-Konzerns auch an seinem Fahrzeug zunächst einmal umzusetzen, anstatt der Beklagten eine so kurze Frist zur Nacherfüllung zu setzen, die ihm, dem Kläger, ermöglichte, sich von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zu lösen, bevor das Software-Update für sein Fahrzeug überhaupt zur Verfügung stand. Es trifft zwar durchaus zu, dass im Hinblick darauf, dass diese Frist nach der zitierten Pressemitteilung ein Jahr betragen kann, dem Kläger als Käufer damit ein ungewöhnlich langes Zuwarten zugemutet wird, das deutlich über demjenigen liegt, das Käufer von Kraftfahrzeugen sonst hinnehmen müssen. Andererseits gilt aber auch, dass – anders als in sonstigen Mängelfällen – der Kläger sein Fahrzeug bis zum Aufspielen des Software-Updates uneingeschränkt nutzen kann. Der Kläger muss sich in diesem Zusammenhang darauf verweisen lassen, dass dann, wenn der „VW- Abgaskanal“ nicht aufgedeckt worden wäre, er überhaupt keine Veranlassung gehabt hätte, über eine Nacherfüllung oder über einen mangelbedingten Rücktritt vom Kaufvertrag auch nur nachzudenken.
Ein objektiv erkennbares Interesse, dass das fragliche Software-Update vor Ende des Jahres 2016 aufgespielt wird, macht der Kläger auch nicht geltend. Für den Kläger stellt sich die Situation, jedenfalls was die Nutzung des fraglichen Fahrzeugs anbelangt, derzeit nicht anders dar als in den über 2% Jahren vor Aufdeckung des „VW – Abgaskanals“, in denen er – jedenfalls soweit ersichtlich – keinerlei Beanstandungen hinsichtlich des fraglichen Fahrzeugs hatte. Sonstige denkbare Einwände gegen eine „Stillhalten“ bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Fahrzeug des Klägers mit dem Software-Update „an der Reihe ist“, werden vom Kläger nicht einmal geltend gemacht.
So macht der Kläger nicht geltend, er habe sein Fahrzeug unabhängig vom Auftreten des „VW- Abgaskanals“ veräußern wollen und sei nunmehr hieran gehindert, weil er nicht mehr den ansonsten zu erwartenden Verkaufserlös erzielen könne. Es kann deshalb dahinstehen, ob dies ein Gesichtspunkt wäre, der dem Kläger die Möglichkeit geben könnte, sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zu lösen.
cc) Hinzu kommt, dass es dem Kläger im Ergebnis auch nicht darum geht, im Wege der Nacherfüllung ein Kraftfahrzeug zu erhalten, das den geltenden Normen entspricht, sondern dass er offenbar beabsichtigt, aus dem „VW- Abgaskanal“ Profit zu schlagen, was sich insbesondere daraus erschließt, dass der Kläger den vollen Kaufpreis für das Fahrzeug zurück verlangt, obwohl er mit diesem bereits eine Fahrstrecke von 90.000 km beanstandungsfrei zurückgelegt hat. Der Kläger muss sich insoweit darauf verweisen lassen, dass er diese – für ihn äußerst lukrative – „Problemlösung“ selbst dann nicht einfordern könnte, wenn er bei Abschluss des Kaufbetrages arglistig getäuscht worden wäre, da er auch dann im Rahmen des Vorteilsausgleichs sich die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsste (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 06. November 2014 – 8 U 163/13 -, Rn. 99, juris).
Für den vorliegenden Fall würden sich diese wie folgt berechnen: Da es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um ein Dieselfahrzeug eines namhaften Herstellers handelt, kann von einer geschätzten Gesamtlaufleistung von 250.000 km ausgegangen werden (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 02. Oktober 2015 – 17 U 43/15 -, Rn. 48, juris), sodass sich bei einer Laufleistung von 26.500 km bei Übergabe eine Restlaufleistung von 223.500 km ergibt. Hiervon hat der Kläger mit gefahrenen 90.000 km ca. 40,2 % „verbraucht“, so dass er sich einen entsprechenden Abzug vom gezahlten Kaufpreis, hier also von ca. 9.443,– €, gefallen lassen müsste, weshalb seine Klage in dieser Höhe selbst bei Erfolg seiner Rücktrittsverlangens unbegründet wäre.
dd) Letztendlich gilt aber, dass dem Kläger im derzeitigen Zeitpunkt überhaupt kein Rücktrittsrecht zuzugestehen ist, weil er aus den dargelegten Gründen zunächst einmal den Erfolg der noch ausstehenden Nacherfüllung abzuwarten hat.
Wie das Landgericht Münster in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 14. März 2016 zutreffend ausgeführt hat, ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der vom Kläger gerügten Mangelhaftigkeit nicht um einen Einzelfall handelt, sondern dass vielmehr allein in Deutschland bekanntermaßen Millionen von Fahrzeugen betroffen sind, weshalb insofern dem VW-Konzern und auch seinen Vertragshändlern zuzugestehen war und ist, zunächst eine Problemlösung zu entwickeln und eine Strategie zur Umsetzung derselben zu entwerfen, insbesondere auch unter Einbeziehung der beteiligten Behörden (LG Münster, Urteil vom 14. März 2016 – 11 O 341/15, 011 O 341/15 -, Rn. 20, juris).
ee) Ein Zuwarten, ggfls. bis zum Ende des Jahres 2016, ist für den Kläger schließlich auch nicht deshalb unzumutbar, weil er ansonsten die Verjährung seiner Gewährleistungsrechte befürchten müsste. Soweit der Kläger sich insoweit – allerdings zu Unrecht, s. O. – auf eine arglistige Täuschung seitens der Beklagten beruft, ist im Hinblick darauf, dass der „VW-Abgasskandal“ erst im Lauf des Jahres 2015 bekannt wurde, eine Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs nicht vor Ende des Jahres 2018 zu besorgen (§ 438 Abs. 3 BGB i. V. m. §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die „gewöhnlichen“, kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte des Klägers, für die gem. §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB eine zweijährige Verjährungsfrist, beginnend mit der Ablieferung der Kaufsache, gilt, waren im Hinblick darauf, dass die Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs am 09.01.2013 erfolgt ist, bei Aufdeckung des „VW-Abgasskandals“ im September 2015 bereits verjährt, sodass auch insoweit ein Rechtsnachteil durch Vollendung der Verjährung nicht zu besorgen war.
Auch unter dem Gesichtspunkt der drohenden Verjährung ist es dem Kläger also zuzumuten, noch so lange zuzuwarten, bis sein Fahrzeug nach dem zwischen dem VW-Konzern und dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmten bzw. abzustimmenden Maßnahmenplan „an der Reihe ist“, denn ein besonderes, anerkennenswertes Interesse an einem sofortigen Rücktritt macht der Kläger nicht geltend und versucht dies noch nicht einmal. Zum gem. § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO im Streitfall maßgeblichen Zeitpunkt des 28. April 2016 ist die der Beklagten zuzugestehende Frist zur Nacherfüllung somit noch nicht abgelaufen.
3. Ob dann, wenn das erforderliche Software-Update für das Fahrzeug des Klägers zur Verfügung stehen wird, durch dieses eine ordnungsgemäße Nacherfüllung gewährleistet sein wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt ebenso wie die Frage, ob dann der Geringfügigkeitseinwand der Beklagten durchgreifen wird, dahinstehen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage jedenfalls verfrüht erhoben und deshalb als unbegründet abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1 ZPO.