Rechnung über 944,68 EUR für Türöffnung ist sittenwidig

AG Bonn, Urteil vom 3. Dezember 2009 – 2 C 237/08

Rechnung über 944,68 EUR für Türöffnung ist sittenwidig.

Tenor

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bonn vom 20.11.2008 (2 C 237/08) wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 654,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.05.2008 zu zahlen, und dass sich seine vorläufige Vollstreckbarkeit nach diesem Urteil richtet.

Darüber hinaus wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 17,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Rückerstattung eines Teilbetrages, den er an den Beklagten, der durch einen Mitarbeiter die Wohnungstür des Klägers hat öffnen lassen, gezahlt hat. Der Kläger ist Mieter einer Wohnung in der K-Straße … in C, der Beklagte ist Inhaber eines Schlüsselnotdienstes. Am 08.11.2007 fiel dem Kläger die Eingangstür zu dessen Wohnung in C zu. Der herbeigerufene Mitarbeiter des Beklagten war zwischen 16.50 Uhr und 20.30 Uhr des genannten Tages mit der Türöffnung befasst und nahm eine zerstörende Auswechslung des Türschlosses vor. Hierbei wurde ein Riegelbruch festgestellt. Anschließend präsentierte der Monteur des Beklagten dem Kläger eine Rechnung in Höhe von 944,86 Euro, die sich wie folgt zusammensetzte:

1 Pzl 35×50 Dom: 98,50 Euro

1 Einsteckschloss 65×62: 68,50 Euro

1 Sicherheitsbeschlag 65×72: 148,50 Euro

4 Monteurstunden zu je 60,00 Euro: 240,00 Euro

3 x Spätzuschlag zu je 60,00 Euro: 180,00 Euro

1 Hartmetallfräser: 30,00 Euro

1 Kfz-Kostenpauschale: 28,50 Euro

Zwischensumme: 794,00 Euro

Mehrwertsteuer 19 %: 150,86 Euro

Total: 944,68 Euro.

Diesen Betrag beglich der Kläger vor Ort in bar.

Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 15.04.2008 wurde der Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 654,86 Euro bis zum 01.05.2008 aufgefordert. Eine Zahlung des Beklagten erfolgte jedoch nicht.

Der Kläger ist der Ansicht, Opfer eines wucherischen Rechtsgeschäftes geworden zu sein, bei dem Beklagte das mehr als zweihundertfache über dem ortsüblichen Betrag berechnet habe. Dies verstoße gegen die guten Sitten, so dass der Beklagte in Höhe eines Betrages von 671,86 Euro ungerechtfertigt bereichert sei.

Auf Antrag des Klägers ist am 20.11.2008 ein Versäumnisurteil erlassen worden, mit dem der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 654,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2008 zu zahlen.

Gegen dieses Versäumnisurteil, das dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 27.11.2008 zugestellt worden ist, hat dieser mit einem am 01.12.2008 eingegangen Anwaltsschriftsatz Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und den Beklagten zu verurteilen, an ihn weitere 17,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2008 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen für mechanische Sicherheitstechnik W T sowie Einholung einer ergänzenden Stellungnahme. Wegen des Inhalts wird auf das bei den Akten befindliche Gutachten, bzw. die bei den Akten befindliche Stellungnahme Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist in der Hauptsache in vollem Umfang begründet.

Aufgrund des Einspruchs des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 20.11.2008 ist der Prozess in die Lage vor dessen Säumnis zurückversetzt worden, § 342 ZPO. Der Einspruch ist nämlich zulässig; er ist statthaft sowie form- und fristgemäß im Sinne der §§ 338 ff. ZPO eingelegt worden.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 671,86 Euro aus § 812 Absatz 1 Satz 1, 1. Alternative BGB zu. Denn der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag ist wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Absatz 1 BGB nichtig. Ein Vertrag ist dann sittenwidrig, wenn ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung sowie eine verwerfliche Gesinnung besteht. Bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht nach der Rechtsprechung eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung, die in der Regel eine weitere Prüfung subjektiver Voraussetzungen entbehrlich macht und die Sittenwidrigkeit des Vertrages begründet (BGH NJW 1992, 899). Ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung liegt vor, wenn der Wert der Leistung „knapp“ doppelt so hoch ist wie der der Gegenleistung (BGH NJW 2007, 2841).

Ein solches besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist im vorliegenden Fall gegeben. Der Sachverständige T hat in seinem Gutachten vom 09.06.2009 ermittelt, dass bei einer Notöffnung durch Zerstörung und Verwendung der jetzt montierten Ersatzteile folgende Kosten ortsüblich durchschnittlich entstanden wären:

Zylinder 35i/ 50a: 48,00 Euro

Schild: 95,00 Euro

Schloss 72/65/20: 30,00 Euro

Montage inklusive Demontage max. 2 Stunden zu je 50,00 Euro: 100,00 Euro

Gesamtpreis: 273,00 Euro.

Dass dieser Preis ortsüblich ist, hat der Sachverständige T in seiner Stellungnahme vom 24.09.2009 dadurch plausibel gemacht, dass er 3 Schlüsseldienstunternehmen, die Notöffnungen tagtäglich durchführen, zur Abgabe entsprechender Angebote aufgefordert hat, wobei diese Schlüsseldienste auch im Branchenbuch aufgeführt sind. Hierzu hat er den 3 Schlüsseldienstunternehmen die Parameter der Situation des Klägers am 08.11.2007 mitgeteilt. Eines der Schlüsseldienstunternehmen ist in L ansässig und ist vom Sachverständigen deshalb zur Angabe eines Angebots aufgefordert worden, um die Durchschnittlichkeit der Preise auch bei längerer Anreise zu verdeutlichen. Die Gesamtpreise der 3 lokalen Schlüsseldienstunternehmen belaufen sich nach Bruttopreisangaben unter Beachtung der ausgetauschten Materialien laut Rechnungsstellung des Beklagten auf folgende Werte:

H-E GmbH: 255,90 Euro C1 T1: 169,66 Euro L1 T2 S: 329,00 Euro.

Der ermittelte Durchschnittspreis unter Zugrundelegung dieser 3 Angebote beläuft sich sogar auf nur 251,00 Euro. Gleichwohl hat der Sachverständige zugunsten des Beklagten ortsübliche Durchschnittskosten von 273,00 Euro zugrundegelegt.

Damit hat der Beklagte dem Kläger das 3,5 fach dessen berechnet, was für eine solche Reparaturleistung ortsüblich und angemessen ist. Nach den vom BGH aufgestellten Kriterien ist die weitere Prüfung der subjektiven Voraussetzungen entbehrlich. Der Beklagte kann vom Kläger nur den objektiven Wert der von ihm erbrachten Leistungen beanspruchen, der nach den Feststellungen des Gutachtens maximal 273,00 Euro beträgt. Dieser Betrag ist von der Rechnungssumme in Höhe von 944,86 Euro abzusetzen, so dass ein vom Beklagten zurück zu gewährender Betrag von 671,86 Euro verbleibt.

Der Zinsanspruch gegen den Beklagten folgt aus den §§ 280 Absatz 2, 288 Absatz 1 BGB, wobei bezüglich des ursprünglich beanspruchten Betrages von 654,86 Euro Schuldnerverzug erst ab dem 02.05.2008 eingetreten ist. Der Schuldnerverzug bezüglich des im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Betrages von weiteren 17,00 Euro ist erst mit Rechtshängigkeit, also erst am 20.07.2009 eingetreten. Darüber hinausgehende Zinsansprüche sind unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Absatz 2 Nr. 1 ZPO, da die Zuvielforderung des Klägers verhältnismäßig geringfügig war und keine höheren Kosten veranlasst hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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