Landgericht München I, Urteil vom 14.04.2016 – 23 O 23033/15
Zur Rückabwicklung eines Pkw-Kaufs im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 19.01.2016, Az. 23 O 23033/15, wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 17.930,54 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufs im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal.
Die Beklagte ist ein Vertragshändler für Fahrzeuge der Marke S. . Sie ist jedenfalls über Beteiligungen mit der V. AG verbunden.
Mit Kaufvertrag vom 20.05.2014 kaufte der Kläger bei der Beklagten einen S. 1.6 TDI 66 kw. In dem Fahrzeug ist ein von der V. AG hergestellter Dieselmotor vom Typ EA 189 verbaut. Dem Kläger kam es dabei darauf an, dass der Schadstoffausstoß niedrig sei, der CO2-Ausstoß den Angaben entspreche, der Verbrauch des Fahrzeuges niedrig und die Leistung (PS) hoch war. Daraufhin war dem Kläger von einem Verkaufsmitarbeiter der Beklagten der in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motor besonders empfohlen worden, da dieser seit Jahren von V. erprobt sei. Das Fahrzeug sei besonders sparsam im Verbrauch bei niedrigem Schadstoffausstoß. Das Fahrzeug wurde auch in Prospekten entsprechend beworben. Das Fahrzeug bzw. der darin verbaute Motor vom Typ EA 189 ist von dem sog. Abgasskandal betroffen. Dabei werden die Stickoxidwerte (NOx) durch eine Software im Vergleich zwischen Prüfstandlauf und realem Fahrbetrieb verschlechtert (Herstellerschreiben vom 15.02.2016, Anlage K 6 zum Klägerschriftsatz vom 18.03.2016). Die konkreten Auswirkungen auf das streitgegenständliche Fahrzeug sind streitig. Das Fahrzeug ist technisch sicher und fahrbereit, eine Mangelbeseitigung ist nicht erfolgt.
Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 29.10.2015 (Anlage K 3) ließ der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 13.11.2015 zur Mangelbeseitigung auffordern. Andernfalls trete er von dem Kaufvertrag zurück. Mit Schreiben vom 02.11.2015 (Anlage K 4) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass an der Lösung des Problems gearbeitet werde. Fahrzeuge mit Dieselmotoren des Typs EA 189 sollten ein technisches Update erhalten. Die V. AG habe dem Kraftfahrt Bundesamt am 07.10.2015 einen Maßnahmenplan vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 02.03.2016 (dort Bl. 31 d. A.) hat der Kläger die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt.
Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte müsse sich im Rahmen der Anfechtung die Kenntnis der V. AG zurechnen lassen, weil sie eine 100%-ige Konzerntochter sei.
Der Kläger ist der Auffassung, dass jedenfalls ein Sachmangel vorliege, weil der Schadstoffausstoß höher sei als von Verkäufer und Hersteller bezeichnet. Zudem sei davon auszugehen, dass die Schadstoffklasse Euro 5 nicht eingehalten werde. Jedenfalls sei die Abweichung des Schadstoffausstoßes erheblich. Eine Beseitigung sei nicht möglich, jedenfalls nicht ohne eine Erhöhung von Verbrauch und Schadstoffausstoß. Bei ebenfalls von dem sog. Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen vom Typ V. sei zwar zwischenzeitlich eine Mangelbeseitigung erfolgt, Tests hätten jedoch einen Verbrauchsanstieg um 0,5 Liter je 100 km und mehr ergeben.
Weiter ist der Kläger der Auffassung, die Beklagte habe ihm neben dem Kaufpreis abzüglich Gebrauchsvorteil die Kosten für die Anbringung einer Anhängerkupplung, Zulassungskosten, Kraftfahrzeugsteuer, Haftpflichtversicherungsbeiträge und die Kosten einer Garantieverlängerung zu ersetzen. Wegen der Einzelheiten zur Anspruchshöhe wird auf den Vortrag in der Klageschrift (dort Bl. 3/4 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat ursprünglich beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.930,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.11.2015, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw S., zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 562,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.11.2015 zu zahlen.
Der Kläger beantragt nunmehr:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 19.01.2016, Az. 23 O 23033/15, zugestellt am 25.01.2016, wird aufrechterhalten.
Die Beklagte beantragt:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I im Rechtsstreit 23 O 23033/15 vom 19.01.2016 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt vor, dass die anpreisenden Angaben zum Verbrauch, dem geringen Schadstoffausstoß etc. seinerseits nach bestem Wissen und Gewissen gemacht worden seien. Sie habe keine Erkenntnisse über die Verwendung einer speziellen Software im Testzyklus gehabt. Das Verhalten der V. AG sei ihr auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuzurechnen, zumal sie nicht direkt in die V. AG eingegliedert sei. Gesellschafterin der Beklagten sei die M. GmbH & Co. OHG. An dieser sei wiederum die M. GmbH beteiligt, deren Gesellschafterin die V. GmbH sei, an der die V. AG direkte Anteile halte.
Zudem liege auch kein Mangel vor. Das Fahrzeug sei fahrbereit und verkehrssicher. Eine tatsächliche Einschränkung habe der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Das Fahrzeug sei auch nicht von der CO2-Thematik betroffen. Jedenfalls sei der Mangel unerheblich und berechtige daher nicht zum Rücktritt. Schließlich sei sie weiterhin zur Nachbesserung berechtigt.
Weiter ist die Beklagte der Auffassung, unter Berücksichtigung der Umstände, insbesondere ihre Abhängigkeit bei der Mangelbeseitigung von der V. AG und der Vielzahl an betroffenen Fahrzeugen, sei die Frist hierfür besonders lang zu bemessen. Nach derzeitigem Stand sei vorgesehen, dass die technische Maßnahme für den hier streitgegenständlichen Motor in der Kalenderwoche 39 starte. Vorgesehen sei das Aufspielen eines Updates, die Einsetzung eines Strömungsgitters. Die Kosten dafür würden voraussichtlich deutlich weniger als 100,00 € betragen. Die V. AG verfolge dabei das Ziel, durch die Umsetzung der geplanten Maßnahmen die Motorleistung, den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen nicht zu verändern.
Nach Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren vom 19.01.2016, der Beklagten zugestellt am 25.01.2016, hat diese mit Schriftsatz vom 02.02.2016 (Bl. 15/19 d. A.) Einspruch eingelegt. Das Gericht hat am 14.04.2016 über den Einspruch mündlich verhandelt.
Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, das Versäumnisurteil vom 19.01.2016 (Bl. 9/11 d. A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2016 (Bl. 48/52 d. A.).
Entscheidungsgründe
Das Versäumnisurteil vom 19.01.2016 war aufrechtzuerhalten. Die Beklagte hat zwar form- und fristgerecht mit Schriftsatz vom 02.02.2016 Einspruch eingelegt. Die Klage ist indes zulässig und begründet, weil dem Kläger ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zusteht, §§ 812 Abs. 1, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB, nebst Anspruch auf Ersatz der weiteren Schäden nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 282 BGB. Darauf, dass der Kläger auch einen nachrangigen Anspruch wegen wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag hat, kommt es daher bereits nicht mehr an.
I.
1. Der Kläger hat den Kaufvertrag mit Schriftsatz vom 02.03.2016 wirksam angefochten wegen arglistiger Täuschung der Beklagten.
Die Beklagte hat selbst eingeräumt, dass ihre Angaben zum Schadstoffausstoß objektiv unrichtig waren. Jedenfalls für die Stickoxidwerte (NOx) steht aufgrund des Herstellerschreibens vom 15.02.2016 (Anlage K 6) fest, dass sie durch eine Software im Vergleich zwischen Prüfstandlauf und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Auch die Beklagte hat lediglich in Abrede gestellt, dass Abweichungen bei den CO2-Werten bestehen würden. Ob die Angaben hierzu ebenso unrichtig waren, kann insofern dahingestellt bleiben, weil jedenfalls der Ausstoß von Stickoxidwerten unrichtig angegeben wurde.
Arglist erfordert dabei wenigstens bedingten Vorsatz, jedoch keine Absicht oder Schädigungsvorsatz. Der Beklagten ist dabei nach der freien Überzeugung des Gerichts das Wissen der V. AG zuzurechnen. Soweit die Beklagte vorträgt, die V. AG sei nur indirekt an ihr über mehrere zwischengeschaltete Gesellschaften beteiligt, steht dies im Widerspruch zu ihrer Unternehmensbeschreibung im Internet, von der Klagepartei vorgelegt als Anlage K 6 (2) zum Schriftsatz vom 15.04.2016. Danach gehört die Beklagte zur österreichischen P. als Mitglied des V.konzern. Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil die Beklagte jedenfalls über eine durchgehende Beteiligungskette zum V. konzern gehört, über die das Wissen zuzurechnen ist.
Jedenfalls muss sich die Beklagte aber aus Gründen des Rechtsscheins als 100%-ige Konzerntochter behandeln und das Wissen der V. AG zurechnen lasse. Die Beklagte hat durch ihr Auftreten besonderes Vertrauen als Konzerntochter in Anspruch genommen. Dabei kann dahinstehen, ob hierfür der Auftritt als S. Vertragshändler mit prominenter Verwendung des V. Logos im Auftritt ihrer Geschäftsräume ausreicht (vgl. Foto Anlage K 6 (2). Jedenfalls aber wirbt die Beklagte in ihrem Internetauftritt unter der Überschrift „Gemeinsame Wurzeln“ wie folgt:
„Seit 1. März 2011 ist die P. eine 100%-Tochter der V. AG und somit Teil des erfolgreichsten europäischen Automobilherstellers. “
Damit hat die Beklagte bewusst nach außen werbend besonderes Vertrauen als 100%-ige V. tochter in Anspruch genommen. Daran muss sie sich nun auch festhalten, soweit die V. AG bewusst unrichtige Angaben zu Schadstoffemissionen des streitgegenständlichen Motors gemacht hat, die unstreitig Gegenstand der Anpreisungen des Verkaufsmitarbeiters der Beklagten waren. Diese waren auch unstreitig mitursächlich für die Kaufentscheidendung des Klägers. Dies gilt umso mehr, als der Verkäufer der Beklagten unbestritten als seit Jahren von V. erprobt beworben hat. Nach dem objektiven Empfängerhorizont lag damit keine bloße Bezugnahme auf Herstellerangaben vor, deren Richtigkeit sich der Kenntnis der Beklagten entzog, sondern die Beklagte machte die Herstellerangaben als 100%-ige V. Tochter und damit Mitglied des „Unternehmens V. “ bzw. des „V. Konzerns“.
2. Der Anfechtung steht auch nicht das Ausmaß des Mangels entgegen. Unabhängig davon, dass der Mangel nicht unerheblich ist, kommt es für die Anfechtung nur auf die Täuschung und deren Ursächlichkeit bei der Willensbildung an. Im Übrigen wäre es treuwidrig von der Beklagten, zunächst die Schadstoffemissionen des Fahrzeuges als besonderes Verkaufsargument heranzuziehen, und dann der Anfechtung entgegenzuhalten, dass die ihr zurechenbare gezielte Manipulation der gemessenen Schadstoffwerte unerheblich wäre.
3. Als Folge der Anfechtung hat der Kläger zunächst Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Abzug des von ihm gezogenen Gebrauchsvorteil. Letzteren schätzt das Gericht angesichts der erfolgten Laufleistung von 27.359 km bei einer nach Schätzung des Gerichts aufgrund der allgemein bekannten grundsätzlichen Langlebigkeit von Dieselmotoren zu erwartenden Laufleistung von 300.000 km auf 1.594,89 €.
4. Der Kläger hat auch Anspruch auf Ersatz der weitergehenden Schäden einschließlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 282 BGB aufgrund der arglistigen Täuschung der Beklagten. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die von dem Kläger geltend gemachten weiteren Schadenspositionen ihm nicht entstanden wären, wenn er den Vertrag in Kenntnis der wahren Umstände nicht abgeschlossen hätte. Soweit der Kläger Kraftfahrzeugsteuer und Haftpflichtversicherungsbeiträge geltend macht, sind auch diese zu ersetzen, nachdem der Gebrauchsvorteil bereits im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung berücksichtigt wurde.
II.
Im Übrigen hätte der Kläger auch einen nachrangigen Anspruch auf Ersatz in gleicher Höhe, weil er wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, §§ 434 Abs. 1 Satz 1, 437, 440, 323 BGB.
1. Unstreitig waren die Angaben zum Schadstoffausstoß objektiv unrichtig, weil jedenfalls der Stickoxidausstoß des streitgegenständlichen Fahrzeuges höher ist als bei Vertragsschluss als Beschaffenheit vereinbart war.
2. Es ist bereits zweifelhaft, ob eine erfolgreiche Nachbesserung überhaupt möglich ist. Insbesondere trägt die Beklagte nicht vor, dass die von den Parteien hier getroffene Beschaffenheitsvereinbarung von ihr im Rahmen einer Nachbesserung erreicht werden kann. Sie macht lediglich geltend, dass die V. AG das Ziel verfolge, durch die Umsetzung der geplanten Maßnahmen die Motorleistung, den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen nicht zu verändern. Ob dies gelingen wird, ist damit auch nach dem Beklagtenvortrag offen. Eine bloße Absichts- oder Zielerklärung reicht hierfür nicht aus.
3. Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil jedenfalls eine angemessene Frist zur Nachbesserung ungenutzt verstrichen ist, § 323 Abs. 1 BGB.
In Anbetracht der Umstände dürfte zwar die ursprünglich von dem Kläger mit Schreiben vom 29.10.2015 gesetzte Frist von rund zwei Wochen zu knapp bemessen gewesen sein. Dies führt aber nur zur Ingangsetzung einer angemessenen Frist.
Im Rahmen von § 308 BGB ist eine Nachbesserungsfrist von mehr als 6 Wochen oder mehr als 2 Monaten als Verstoß gegen die grundsätzliche gesetzgeberische Wertung unzulässig (vgl. Palandt/Grüneberg, 74. Auflage 2015, § 308 Rdnr. 13). Diese Frist hat die Beklagte ungenutzt verstreichen lassen.
Jedenfalls ist aber eine Frist von über einem halben Jahr nach der freien Überzeugung des Gerichts auf keinen Fall mehr angemessen. Selbst mit Schriftsatz vom 04.05.2016 (dort Bl. 75 d. A.) hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass der Beginn der technischen Maßnahmen an dem streitgegenständlichen Motortyp für die 39. Kalenderwoche vorgesehen sei. Mit einer Mangelbeseitigung wäre damit frühestens am 26.09.2016 zu rechnen, ohne dass die Beklagte – die gleichzeitig die hohe Anzahl der betroffenen Fahrzeuge betont – einen konkreten Termin für das streitgegenständliche Fahrzeug benennt.
Eine Nachbesserungsfrist von mehr als sechs Monaten oder hier fast einem Jahr (bei Durchführung gleich zu Beginn der Maßnahme in der 39. Kalenderwoche) ist aber mit der gesetzgeberischen Grundentscheidung zur Kaufgewährleistung im allgemeinen und dem Verbraucherkauf im besonderen auch unter Berücksichtigung der hier vorliegenden besonderen Umstände nicht mehr vereinbar. Das Kaufrecht ist – gerade für Verbraucher – auf eine zeitnahe Regulierung von Gewährleistungsrechten ausgerichtet. Dies gilt auch für das Nachbesserungsrecht des Verkäufers. Der Gesetzgeber verfolgt damit sowohl die Gewährung effektiver Gewährleistungsrechte als auch die zeitnahe Herbeiführung von Rechtsfrieden. Dies zeigt sich insbesondere an der verkürzten Verjährungsfrist von 2 Jahren ab Ablieferung der Sache. Ohne den Verjährungsverzicht der Beklagten wären daher vorliegend Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag vom 28.05.2014 mit Auslieferung im August 2014 im Zeitpunkt des mitgeteilten frühest möglichen Nachbesserungstermins im September 2016 bereits verjährt.
4. Die Pflichtverletzung ist unter Würdigung aller Umstände auch nicht unerheblich im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB.
Die Erheblichkeitsprüfung nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB erfordert eine umfassende Interessenabwägung. Zu berücksichtigen sind vor allem der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand, aber auch die Schwere des Verschuldens des Schuldners, wobei bei Arglist eine unerhebliche Pflichtverletzung in der Regel zu verneinen ist. Der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung indiziert die Erheblichkeit (Palandt/Grüneberg, 74. Auflage 2015, § 323 Rdnr. 32). Nach diesen Grundsätzen, die sich das Gericht vollumfänglich zu eigen macht, liegt im streitgegenständlichen Fall kein unerheblicher Mangel im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB vor.
Danach ist der Aufwand der Mangelbeseitigung nicht allein maßgeblich. Nach der freien Überzeugung des Gerichts ist aber bereits der Aufwand vorliegend auch bei Unterstellung des Beklagtenvortrages als richtig nicht unerheblich. Zwar trägt die Beklagte vor, die Durchführung der Mangelbeseitigung werde nur ca. 1 Stunde dauern und weniger als 100,00 € kosten. Bei der Frage des Aufwandes kann aber die eigentliche Durchführung nicht isoliert betrachtet werden. Für die technische Vorbereitung der beabsichtigten Mangelbeseitigung ist vorliegend aber nach dem Beklagtenvortrag ein Vorlauf von fast einem Jahr erforderlich. Erst dann soll der Mangel innerhalb einer knappen Stunde behoben werden können. Es handelt sich daher offensichtlich nicht um eine einfache technische Maßnahme, die kurzfristig und ohne weitere Vorbereitungen hätte vorgenommen werden können.
Hinzu kommt, dass die Mangelbeseitigung hier nicht im Belieben der Beklagten stand. Vielmehr musste der Hersteller nach dem Beklagtenvortrag hierfür zunächst die Genehmigung des Kraftfahrtbundesamtes einholen. Eine Mangelbeseitigungsmaßnahme, die der vorherigen behördlichen Prüfung und Genehmigung bedarf, ist aber ebenfalls nicht als unerheblich anzusehen.
Zudem haben die Parteien vorliegend eine Beschaffenheitsvereinbarung über den Schadstoßausstoß gemäß Herstellerangaben getroffen, der von der Beklagten ausdrücklich zugesichert wurde. Wie bereits ausgeführt, indiziert ein solcher Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung bereits für sich genommen die Erheblichkeit des Mangels im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB. Die Beschaffenheitsvereinbarung hat nach der gesetzgeberischen Wertung gerade besonderes Gewicht. Zudem steht es dem Verkäufer frei, ob und in welchem Umfang er bestimmte Eigenschaften zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung oder Zusicherung macht und damit eine besondere Einstandspflicht übernimmt. Insofern besteht auch ein gewisser Widerspruch, wenn die Beklagte einerseits den geringen Schadstoffausstoß des streitgegenständlichen Fahrzeuges besonders hervorhebt und anpreist, andererseits aber Abweichungen davon als unbeachtlich bezeichnet.
Hinzu kommt, dass hinsichtlich des Mangels eine der Beklagten zuzurechnende arglistige Täuschung vorliegt. Auf die vorstehenden Ausführungen unter I. wird insofern vollumfänglich Bezug genommen. Auch dies führt bereits für sich genommen dazu, dass der Mangel nicht als unerheblich zu werten ist.
Schließlich kann die Beklagte auch nicht sicher sagen, ob die geplanten technischen Maßnahmen tatsächlich erfolgreich und ohne Nebenwirkungen sein werden. Sie verweist lediglich auf das entsprechende Ziel der V. AG. Nach dann rund einem Jahr Wartezeit nach Fristsetzung muss sich der Käufer aber nicht auf eine bloße Absichtserklärung verlassen. Hinzu kommt, dass jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2016 noch keine Genehmigung des Kraftfahrtbundesamtes für die geplante Mangelbeseitigung vorlag.
Schließlich ist derzeit noch nicht absehbar, ob und in welchem Umfang sich aufgrund des Mangels bzw. des sog. Abgasskandals ein merkantiler Minderwert des streitgegenständlichen Fahrzeuges realisieren wird. Der sog. Abgasskandal ist Gegenstand breiter öffentlicher Wahrnehmung und Diskussion, einschließlich der Nachbesserungsversuche von Herstellerseite. Dies zeigt nicht zuletzt der vom Kläger vorgelegte Pressetest zu einem möglichen Mehrverbraucht bei Fahrzeugen vom Typ V. nach Nachbesserung. Bereits das Bestehen eines naheliegenden Risikos eines bleibenden merkantilen Minderwerts führt aber dazu, dass der Mangel nicht als unerheblich angesehen werden kann.
Danach ist der streitgegenständliche Mangel bereits aus mehreren Gründen für sich genommen nicht unerheblich im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB. Jedenfalls ist er bei einer Gesamtbetrachtung der vorstehenden Gründe nicht unerheblich.
Ob die Mangelbeseitigung zu einem Mehrverbrauch von 0,5 Litern auf 100 km führen würde, bei einer Restlaufleistung auch nach dem Beklagtenvortrag von über 200.000 km also auch wenigstens 1.000,00 €, kam es daher bereits nicht mehr an.
III.
Nachdem es sich um eine Einzelfallentscheidung über das Vorliegen einer arglistigen Täuschung, deren Zurechnung an die Beklagte, das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits, der Lauf der streitgegenständlichen Frist zur Nachbesserung sowie der Erheblichkeit des streitgegenständlichen Mangels unter Berücksichtigung aller hier maßgeblichen Umstände handelt, kam es auf die von der Beklagten in Bezug genommenen anderweitigen erstinstanzlichen Entscheidungen in Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal nicht an.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
V.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 4, 5 ZPO, 39, 48 GKG und entspricht der Höhe der Klageforderung in der Hauptsache.