LG Rostock, Urteil vom 06. September 2002 – 4 O 176/02
1. Droht Dritten aus der Durchführung einer Jagdveranstaltung ein Eingriff in ihre durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter und unterlässt der Jagdausübungsberechtigte die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Abwehr solcher Gefahren, kann er für den daraus resultierenden Schaden ersatzpflichtig sein.
2. Der Veranstalter einer Treib- oder Drückjagd hat der Gefährdung des Straßenverkehrs infolge eines wesentlich erhöhten Wildwechsels durch wirksame Vorkehrungen bei der Jagddurchführung zu begegnen.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 173,84 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2001 zu zahlen.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt aus Amtshaftung Schadensersatz wegen eines Unfallereignisses, welches sich am 01.12.2000 gegen 9.30 Uhr auf der B 105 … ereignete.
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Der zugleich als Zeuge für das Unfallgeschehen benannte Ehemann der Klägerin H. S. befuhr am Unfalltage mit dem PKW Volvo (amtliches Kennzeichen …) die Bundesstraße mit etwa 90 km/h zwischen A. und G. in Richtung R., als er mit einem ca. 70 kg schweren Wildschwein, das die Fahrbahn querte, kollidierte. Die dadurch entstandenen Reparaturkosten in Höhe von 15.178,62 DM beglich die Teilkaskoversicherung.
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Die Selbstbeteiligung in Höhe von 300,– DM begehrt die Klägerin nunmehr neben der Aufwandspauschale in Höhe von 50,– DM mit der Begründung:
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Zum Unfallzeitpunkt habe im Bereich des Unfallortes eine Ansitz-Drückjagd stattgefunden. Allerdings seien Vorkehrungen zur Sicherung des Straßenverkehrs nicht getroffen wurden. Dem Jagdausübungsberechtigten, nämlich der beklagten Hansestadt, habe es im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht oblegen, notwendige Maßnahmen zum Schutze des Straßenverkehrs zu ergreifen. So sei das Wild nicht in Richtung auf eine befahrbare Straße, sondern von dieser wegzutreiben. Da bei jeder Drückjagd Keiler auch nach hinten wechseln könnten, seien in unmittelbarer Nähe stark befahrener Straßen zur Vorbereitung der Jagd das Zeichen 142 StVO „Wildwechsel“ mit dem Zusatzzeichen 1001-30 bzw. 1001-31 und einem Zusatzschild „Heute Jagd“ oder „Achtung Jagd“ oder „Treibjagd“ anzubringen. Diese Schilder seien deutlich sichtbar mit einem Mindestbodenabstand von 0,60 m am Straßenrand aufzustellen, wobei eine zusätzliche Kennzeichnung mit roten Fähnchen empfohlen werde. Diese Vorgaben entsprächen den Empfehlungen des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr … vom 03.10.1998, welches an die Landräte und Oberbürgermeister gerichtet gewesen seien und hätten ihre Wiederholung in der Anordnung des Landkreises … vom 30.10.2000 gefunden, wonach die Verkehrssicherheit bei Gesellschaftsjagden in unmittelbarer Nähe stark befahrener Straßen dadurch zu erhöhen sei, dass die Anbringung der vorbezeichneten Verkehrszeichen angeordnet würden.
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Diese Kennzeichnung habe die Beklagte unterlassen, obwohl bei einer Drückjagd immer damit zu rechnen sei, dass einzelnes Wild nach hinten, mithin in Richtung Straße durchbreche. Als Jagdausübungsberechtigte sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Anordnung zur Aufstellung der Verkehrszeichen zumindest zwei Wochen vor dem Tag der Jagd bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde zu beantragen. Auch dies habe die Beklagte unterlassen.
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Die Kausalität zwischen Drückjagd und dem unfallursächlichen Wildwechsel erschließe sich allein daraus, dass während des Wildwechsels die Jagd noch durchgeführt worden sei. Bei einer ordnungsgemäßen Beschilderung und des Hinweises auf die durchgeführte Jagd hätte der Fahrer sein Augenmerk verstärkt auf die Seitenränder gerichtet und die Geschwindigkeit reduzieren können. Gegen das Sichtfahrgebot sei nicht verstoßen worden. Dieses verlange nicht, dass der Kraftfahrzeugführer die Seiten außerhalb des Straßenrandes ständig im Blickfeld behalte. Ein häufiger Wildwechsel an der Unfallstelle sei nicht zu verzeichnen. Mit der bloßen Möglichkeit von querendem Wild brauche nur bei besonderen Umständen gerechnet zu werden.
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Nachdem die Beklagte den geltend gemachten Anspruch mit am 04.05.2001 eingegangenen Schreiben vom 02.05.2001 abgelehnt habe, sei die Klägerin gemäß §§ 280, 286, 288 BGB auch zur Forderung der beantragten Zinsen berechtigt, weil der Verzug 30 Tage nach Geltendmachung des Schadens, die am 12.01.2001 erfolgt sei, eingetreten sei.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 178,95 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2001 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verteidigt sich gegen ihre Inanspruchnahme mit der Begründung, dass sie alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um ihrer Verkehrssicherungspflicht gerecht zu werden. Die Jagd sei so veranstaltet worden, dass sie von der Straße weg geführt worden sei, sich die Straße also im Rücken der Jäger befunden habe. Es sei deshalb nicht zu erwarten gewesen, dass Tiere auf Grund der Jagd aufgescheucht und nach hinten zur Straße laufen würden. Das Aufstellen von Warnschildern sei auch deshalb nicht erforderlich gewesen, weil zwischen dem Grundstück, auf dem die Jagd stattgefunden habe, und der Straße sich sowohl eine Bahnstrecke als auch ein breiter Graben befänden. Diese Örtlichkeiten im Zusammenhang mit dem Treiben des Wildes von der Straße weg hätten ausgereicht, um den Straßenverkehr zu schützen.
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Unabhängig davon sei ein Zusammenhang zwischen dem überraschenden Ausbrechen des Wildschweines und der Kollision weder dargetan noch bewiesen. Vielmehr bestünden auch andere denkbare Möglichkeiten, warum das Tier gerade zu diesem Zeitpunkt aus dem Wald hervorgekommen sei, ohne dass dies auch nur mittelbar auf die stattfindende Jagd zurückgeführt werden könne. So habe sich kurz nach dem Verkehrsunfall des Klägers am 06.12.2000 im gleichen Ort erneut ein Unfall, nämlich eine Kollision zwischen einem PKW und einem Stück Schwarzwild ereignet, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine Jagd geführt worden sei.
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Die Klägerin müsse sich ein haftungsausschließendes Eigenverschulden ihres Ehemannes entgegenhalten lassen, weil dieser gegen das Sichtfahrverbot verstoßen habe. Ein leichtes Abbremsen hätte genügt, um den Zusammenstoß mit dem Schwarzwild zu vermeiden. Wolle die Klägerin aber geltend machen, der Keiler sei so kurz vor dem Auto auf die Straße gelaufen, dass eine Kollision unvermeidbar gewesen sei, hätte auch eine Beschilderung nichts ändern können. Schließlich sei die geltend gemachte Auslagenpauschale übersetzt.
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Wegen des weiteren Parteienvorbringens wird auf den vorgetragen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
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Auf die nachstehende in den die Entscheidungsgründen näher dargelegte Rechtsauffassung sind die Parteien in der mündlichen Verhandlung umfassend hingewiesen worden, ohne dass die Erörterung Anlass zur abweichenden Beurteilung der Rechtslage oder die Durchführung weitergehender prozessualer Maßnahmen, insbesondere die Erhebung von Beweisen, geboten hätte.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache mit Ausnahme einer geringfügigen Zuvielforderung an Zinsen und der Höhe der geltend gemachten Auslagenpauschale überwiegenden Erfolg.
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1. Zweifelhaft ist allerdings die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes. So hat die Beklagte die Zuständigkeit des zunächst angerufenen Amtsgerichtes mit der Begründung angezweifelt, mit der Klage seien Ansprüche aus Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht geltend gemacht, deren Wahrnehmung gemäß § 10 des Landesstraßengesetzes der Beklagten als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit obläge. Indes steht allein im Streit, ob die beklagte Hansestadt als Jagdausübungsberechtigte ihrer nach den einschlägigen Jagdgesetzen obliegenden Verkehrssicherungspflicht hinreichend nachgekommen ist. Diese Verkehrssicherungspflichten sind aber privatrechtlich ausgestaltet und allein aus § 823 BGB ableitbar. Nichts anderes lässt sich der Klageschrift entnehmen. Hinzu kommt, dass für den streitigen Streckenabschnitt eine Verkehrssicherungspflicht der beklagten Hansestadt mangels örtlicher Zuständigkeit auch nicht aus dem Straßen- und Wegegesetz Mecklenburg-Vorpommern entnommen werden kann. Streitgegenstand ist vielmehr die Verletzung einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht aus § 823 BGB, wie sie jedem anderen auch privatrechtlichen Jagdausübungsberechtigten obliegt. Es bestehen deshalb erhebliche Zweifel an der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts R., weil dort lediglich § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG in Bezug genommen wird, die Entscheidung aber offen lässt, warum die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sein sollen. Mangels jeglicher nachvollziehbarer Begründung der Verweisungsentscheidung, die sich insoweit als willkürlich erweist, vermag ihr die Kammer Bindungswirkung nicht beizumessen.
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2. Haben sich die Parteien auf die Verhandlung vor dem angerufenen Gericht rügelos eingelassen, lässt sich bereits aus dem unstreitigen Vorbringen der Parteien eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten herleiten. Hierzu ist zunächst auszuführen, dass der Jagdausübungsberechtigte nicht, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB, gehalten ist, den Straßenverkehr vor den allgemeinen Gefahren zu schützen, die von über die Straße wechselndem Wild in seinem Jagdrevier ausgehen (vergl. BGH VersR 1976, 593). Die Beherrschung derartiger durch die Widmung der Straße geschaffenen Gefahren obliegt nicht der Beklagten als Jagdausübungsberechtigte, sondern den für die Unterhaltung und Sicherung der Straße verantwortlichen Stellen.
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Allerdings kann der Jagdausübungsberechtigte zur Gefahrenabwehr verpflichtet werden, wenn er – etwa als Veranstalter und Organisator einer Jagd – die Wahrscheinlichkeit von Wildwechsel über eine verkehrsreiche Straße erhöht, er es also zu verantworten hat, dass sich die hieraus ergebenden Gefahren für den Straßenverkehr vergrößern. Diese Haftung erschließt sich bereits aus dem aus § 823 Abs. 1 BGB abgeleiteten allgemeinen Grundsatz des Deliktsrechts, wonach, wer eine Gefahrenquelle schafft, im Rahmen des Erforderlichen und Zumutbaren Maßnahmen treffen muss, damit sich diese potentiellen Gefahren nicht in einem Schaden Dritter auswirken können (BGHZ 5, 378, 380; BGH a.a.O.).
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Droht Dritten aus der Veranstaltung der Jagd und ihrer Durchführung ein Eingriff in ihre durch § 823 Abs. 1 geschützten Rechtsgüter und unterlässt der Verantwortliche solche Maßnahmen, kann er für den daraus resultierenden Schaden ersatzpflichtig werden, der auf seinem Unterlassen beruht.
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Andererseits können nicht alle nachteiligen Auswirkungen der Jagd von dem Verkehr ferngehalten werden; das gilt gerade für die Beeinträchtigung des Straßenverkehrs durch bei der Jagd aufgestörtes Wild. Müsste die Gefahr solcher Verkehrsberührungen mit über die Straße wechselndem Wild unterbunden bleiben, könnte angesichts heutiger verkehrsmäßiger Erschließung der Landschaft ein sinnvolles Bejagen nicht mehr stattfinden. Auf Straßen, die über Land oder durch Wald führen, gehören solche Begegnungen mit flüchtendem Wild zu den gewöhnlichen Gefahren des Straßenverkehrs. Solche Unfälle sind im Verhältnis zum Jäger als Lasten des Straßenverkehrs anzusehen, für die der Geschädigte den zur Jagdausübung Berechtigten nicht zur Verantwortung ziehen kann.
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Anderes gilt, wo der Straßenverkehr über das Maß normaler Verkehrserwartungen hinaus durch bei der Jagd hoch gemachtes Wild beeinträchtigt wird. Gefahren der Jagd, die durch jene Zwänge der Verhältnisse nicht gefordert werden, braucht der Straßenverkehr nicht ohne weiteres hinzunehmen. Ebensowenig darf er den Gefahren eines wesentlich erhöhten Wildwechsels ausgesetzt werden, selbst wenn sie mit einer bestimmten Art der Jagdausübung notwendig verbunden sind. Solchen erhöhten Gefahren muss entweder durch wirksame Maßnahmen begegnet werden, oder die Jagd muss unterbleiben. Deshalb wird der Jagdausübungsberechtigte für verpflichtet gehalten, bei Treib- oder Drückjagden das Wild nicht in Richtung auf eine befahrbare Straße zu treiben oder zu drücken, sondern das Treiben von der Straße möglichst weg zu führen und dabei durch möglichst dichte Treiberketten einem Auswechseln des Wildes nach rückwärts zusätzlich vorzubeugen, etwa durch Anbringung von sogenannten Jagdlappen, sodass entlang der gefährdeten Straßen ausbrechendes Wild von einem Wechsel über die Straße abgehalten wird, oder durch Warnbilder und Warnposten die Verkehrsteilnehmer auf die Jagd hingewiesen werden (vergl. BGH a.a.O., S. 594 m.w.N.). Diese Maßnahmen erachtet der Bundesgerichtshof in vorbezeichneter Entscheidung, der sich die Kammer uneingeschränkt anschließt und deren Inhalt sie sich für die Entscheidung des vorliegenden Falles zu eigen macht, mit Rücksicht auf das regelmäßig nicht unerhebliche Ausmaß von Treib- und Drückjagden, vor allem aber deshalb für angebracht, weil ein Treiben in Richtung auf eine befahrene Straße die Verkehrsteilnehmer geradezu in die Gefahren von Wildbegegnungen hineinführt. Dies vorausgeschickt, führt die Anwendung vorgenannter Grundsätze zu nachfolgender Bewertung des streitgegenständlichen Geschehens:
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Nachdem nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung nunmehr insoweit unstreitigen Parteienvorbringen ist das aufgestörte Wild nicht auf die Bundesstraße zugehetzt, sondern von dieser fortgetrieben worden. Allerdings ist die Beklagte ihrer Verpflichtung, durch möglichst dichte Treiberketten einem Auswechseln des Wildes nach rückwärts zusätzlich vorzubeugen, nicht gerecht geworden. Auch hat sie nicht durch die Anbringung von sogenannten Jagdlappen entlang der gefährdeten Straßen ausbrechendes Wild von einem Wechsel über die Straße abgehalten. Sie hat weder Warnbilder noch Warnposten aufgestellt, die die Verkehrsteilnehmer auf die Jagd hätten hinweisen können. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Schützenkette das aufgestörte Wild hätte zur Strecke bringen können. Das aufgeschreckte Wildschwein ist nach dem Ergebnis der Erörterung in der mündlichen Verhandlung danach vor einem Schützen in leichtem Troll in Richtung Straße vorbeigelaufen, und zwar ca. 100m von dieser entfernt. Die Geländeformation war nicht geeignet, aufgeschrecktes Wild von einer rückwärtigen zur Straße führenden Flucht abzuhalten. Dazu diente weder der Graben noch die davor vorlaufende Bahnstrecke. Denn diese Örtlichkeiten verhinderten weder durch ihre bauliche Eigenart noch dadurch, dass sie als unüberwindliches Hindernis gelten können, die Fluchtrichtung des aufgeschreckten Wildes in Richtung Straße. Dafür hätte es des Aufstellens einer Postenkette bedurft, die den Straßenverkehr vor aufgemachtem Wild hätte schützen können. Selbst wenn das Wildschwein, weil es maximal 5 Jahre alt war, nicht für den Abschuss während der Jagd freigegeben war, hätte es zur Vermeidung erheblicher Gefahr für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer auf Grund einer Güterabwägung zwischen akuter Gefährdung menschlichen Lebens und waidgerechter Hege und Pflege des Wildbestandes abgeschossen werden müssen, nachdem es von einem Jäger beobachtet auf die Straße zulief. Dies gilt umso mehr, als die Jagd während der Hauptrauschzeit stattfand, das Wild deshalb unberechenbar war und nicht erwartet werden konnte, es werde sich durch Verkehrsgeräusche von einem Queren der Straße abhalten lassen.
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Die durchgeführte Drückjagd war für das Aufschrecken des Wildschweines und seiner Flucht zur Straße hin auch kausal. Jedenfalls kann die Klägerin dafür den Anscheinsbeweis für die Unfallursächlichkeit der Drückjagd des Jagdausübungsberechtigten in Anspruch nehmen, weil sich der Unfall mit dem die Straße überquerenden Wild während einer in unmittelbarer Nähe der Straße durchgeführten Jagd ereignet hat und zudem die Jagd in ihrer konkreten Ausgestaltung, nämlich ohne schussbereite Postenkette, einen erhöhten Wildwechsel auf der Straße erwarten ließ. Ein die Beklagte entlastender allgemeiner Erfahrungssatz, dass Schwarzwild, wenn es durch Jäger aufgestört wird, erst nach geraumer Zeit in seiner Flucht verhält und darüber hinaus hinsichtlich des Fluchtweges kaum zu beeinflussen sei, existiert in dieser Allgemeinheit nicht.
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Hat die Beklagte den Anscheinsbeweis, auf den sich die Klägerin vorliegend berufen kann, weder durch entsprechenden Vortrag noch durch Beweisangebote erschüttert, steht die Unfallursächlichkeit damit zugunsten der Klägerin fest.
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Dagegen lässt sich eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 20 Abs. 1 BJG nicht herleiten. Letztere Vorschrift verbietet das Jagen an Orten, an dem nach den Umständen des Einzelfalles die öffentliche Sicherheit gestört oder Menschenleben gefährdet werden kann und ist deshalb Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (Lorz, BJG, § 20 Rdn. 1).
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Allerdings kann dieser Vorschrift ein generelles Verbot, in der Nähe von Bundes- oder anderen Straßen die Jagd auszuüben, nicht entnommen werden. Maßgeblich sind vielmehr, wie sich bereits dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen lässt, die Umstände des Einzelfalles. Ob also die öffentliche Sicherheit oder das Leben von Menschen gefährdet war, ist unter vergleichbaren Kriterien zu beurteilen wie die Frage, ob der Jagdausübende die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht beobachtet hat. Nach den insoweit unstreitigen Örtlichkeiten lässt sich ein grundsätzliches Jagdverbot an der Unfallstelle nicht herleiten. Andernfalls würde in Anbetracht eines solchen Sachverhaltes eine Jagd mit mehreren Teilnehmern nicht nur die Grenzen des Zumutbaren für den Jagdveranstalter überschreiten, sondern sich auch im Widerspruch zu den Erwägungen setzen, nachdem die normalen Gefahren einer Begegnung mit flüchtendem Wild, sei es auch bei einer Jagd aufgeschreckt, den allgemeinen Lasten des Straßenverkehrs zuzurechnen sind. Vielmehr gilt insoweit, dass die Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters und Organisators einer Jagd aus den allgemeinen Grundsätzen herzuleiten sind, wenn Dritten aus der Veranstaltung der Jagd und ihrer Durchführung ein Eingriff in ihre durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter droht. Vermögen die vorliegenden Umstände die Voraussetzungen für die Annahme eines jagdpolizeilichen Verbots des § 20 Abs. 1 Bundesjagdgesetz nicht erfüllen, unterlässt der Verantwortliche aber solche Maßnahmen, die eine Gefährdung des Straßenverkehrs zumindest reduzieren, so kann er auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden, der auf seinem Unterlassen beruht.
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Hinreichende Anhaltspunkte dafür, aus denen sich ein der Klägerin zurechenbares Mitverschulden gem. § 254 BGB a.F. herleiten ließen, sind nicht dargetan noch sonstwie ersichtlich geworden. Insbesondere kann nicht angenommen werden, der Ehemann der Klägerin habe bei Unterschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gegen das nach § 3 StVO zu beachtende Sichtfahrgebot verstoßen.
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Gemäß § 249 BGB a.F. ist die Beklagte zum Ersatz des aus dem Unfallereignis herrührenden Schadens, hier also der Selbstkostenbeteiligung in Höhe von 300,– DM nebst des Pauschalaufwendungsersatzes in Höhe von 40,– DM verpflichtet. Dass der Klägerin ein darüber hinausgehender Schaden entstanden ist, hat sie hinsichtlich der Auslagen und Pauschale nicht dargetan.
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Im Hinblick auf die der beklagten Hansestadt einzuräumende Überlegungszeit trat Verzug erst mit der endgültigen Verweigerung des Schadensausgleichs, mithin am 04. Mai 2001 ein.
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Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO nicht zuzulassen, weil der Sache keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist. Die Zulassung erweist sich auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich, weil die Kammer die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgebenden höchstrichterlichen Entscheidungen ihrem Urteil zugrunde gelegt hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.