Zur einstweiligen Einstellung der Teilungsversteigerung wegen Gefährdung des Wohls eines gemeinschaftlichen Kindes durch Wechsel der Grundschule

LG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 11.08.2016 – 4 T 5/16

Zur einstweiligen Einstellung der Teilungsversteigerung wegen Gefährdung des Wohls eines gemeinschaftlichen Kindes durch Wechsel der Grundschule

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 22.12.2015 (2 K 67/15) aufgehoben und das vorliegende Zwangsversteigerungsverfahren zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft gemäß § 180 Abs. 3 ZVG bis einschließlich 10.02.2017 einstweilen eingestellt.

2. Der Antragsteller und Beschwerdegegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe
1
Die mit Schreiben vom 12.01.2016 (AS. 161 ff.) eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 22.12.2015, mit dem der Antrag auf einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft zurückgewiesen wurde (AS. 155 ff.) ist zulässig und begründet.

I.

2
Das Zwangsversteigerungsverfahren ist gemäß § 180 Abs. 3 Satz 1 ZVG für sechs Monate – mithin bis einschließlich zum 10.02.2017 – einstweilen einzustellen, da andernfalls das Wohl des gemeinschaftlichen Kindes ernsthaft gefährdet wäre.

3
Im Rahmen von § 180 Abs. 3 Satz 1 ZVG wird davon ausgegangen, dass bei Durchsetzung eines Auseinandersetzungsanspruches ein Ehegatte mit seinem eigenen Interessen an einer schnellen Teilung eines Vermögensgegenstands in besonderer Weise auf die Interessen gemeinschaftlicher Kinder Rücksicht zu nehmen hat. Voraussetzung ist jedoch, dass Beeinträchtigungen besonderer Art vorliegen, die über Unzuträglichkeiten hinausgehen, die mit einem Umzug aus dem Familienheim stets verbunden sind. So müssen sich die Wohn- und Lebensverhältnisse eines gemeinschaftlichen Kindes nachhaltig verschlechtern, dem Kind muss drohen, durch die Zwangsversteigerung in seinen Lebensverhältnissen erheblich benachteiligt und in seiner Entwicklung erheblich beeinträchtigt zu werden. Dies wird regelmäßig bei einer Gefährdung der schulischen Entwicklung des Kindes angenommen (Popp in: Depré, Zivilprozess-, Vollstreckungs- und Zwangsversteigerungsrecht, 1. Aufl. 2014, § 180 ZVG, Rn. 26).

4
Eine solche Gefährdung ist vorliegend anzunehmen.

5
Angesichts der gerichtsbekannt angespannten Wohnraumsituation im Bereich der Stadt bestünde bei einer ungehinderten Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens die konkrete Gefahr, dass die Antragsgegnerin mit den beiden bei ihr lebenden Kindern keine angemessen große und – ohne Unterhaltsleistungen des Antragsstellers – bezahlbare Wohnung im Stadtgebiet findet und nachfolgend ein Grundschulwechsel für den mittlerweile neunjährigen notwendig werden würde.

6
Aus den von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen Agg 4 – namentlich der Einschätzung der familiären Situation durch die Schulsozialarbeit , der Stellungnahme der Schulsozialarbeiterin und der Stellungnahme der Klassenlehrerin – ergibt sich jedoch mit hinreichender Deutlichkeit, welche überragende Bedeutung einem konstanten und verlässlichen Verbleib im Klassenverband seiner bisherigen Grundschulklasse zukommt, um seine schulischen Leistungen zu stabilisieren, die durch die seelischen Belastungen, die mit der Trennung der Eltern in Verbindung standen, bereits ohnehin beeinträchtigt wurden.

7
Da bei regulärem Schulverlauf die vierte Grundschulklasse im Juli 2017 beenden wird, ist eine Verfahrenseinstellung bis zum 10.02.2017 zeitlich notwendig – vor dem Hintergrund der weiteren noch folgenden Verfahrensschritte – aber auch ausreichend, um von einem sicheren Verbleib in der Familienwohnung bis zum Ende der Grundschulzeit ausgehen zu können.

II.

8
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer Schätzung des Interesses der Antragsgegnerin an einer sechsmonatigen Einstellung des Verfahrens und der damit verbundenen Weiterbenutzungsmöglichkeit bezüglich der verfahrensgegenständlichen Immobilie.

III.

9
Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

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