Verweigerung der Zutrittsgewährung zwecks Wartung von Rauchwarnmeldern rechtfertigt fristlose Kündigung

LG Konstanz, Urteil vom 08.12.2017 – 11 S 83/17 A

Verweigerung der Zutrittsgewährung zwecks Wartung von Rauchwarnmeldern rechtfertigt fristlose Kündigung

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Überlingen vom 11.05.2017, Az. 2 C 135/15, wie folgt abgeändert und neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung der Kläger im Anwesen … im 1. Obergeschoss, Nordseite links, bestehend aus 1 Zimmer, 1 Küche, 1 Diele, 1 WC mit Bad, 1 Dusche, 1 Kellerraum und Balkon zu räumen und an die Kläger als Gesamtgläubiger herauszugeben.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Antrag des Beklagten auf Einräumung einer Räumungsfrist wird zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Kläger gesamtschuldnerisch 60 % und der Beklagte 40 % zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

7. In Abänderung des Streitwertbeschlusses des Amtsgerichts vom 07.06.2017 wird der Streitwert für die erste Instanz auf 9.228,00 € festgesetzt.

Tatbestand
1
(ohne Tatbestand nach § 313 a Abs. 1 ZPO):

Entscheidungsgründe
I.

2
Die Berufung der Kläger gegen die amtsgerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.

3
Mit der Berufung haben die Kläger ihren Klageantrag Ziff. 1 aus der Klage vom 02.07.2015 auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung weiterverfolgt. Nicht weiterverfolgt wurde der Klageantrag Ziff. 2 ‒ die Verurteilung des Beklagten zu einer monatlichen Nutzungsentschädigung in Höhe von 462,00 € ‒. Insoweit ist die Klageabweisung durch das Amtsgericht rechtskräftig geworden.

4
Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung, da das Mietverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung, welche im Schriftsatz des Klägervertreters vom 06.05.2016 erklärt worden ist, beendet wurde.

5
Diese fristlose Kündigung konnte zwar zunächst dem geschäftsunfähigen Beklagten nicht zugehen, sie ist jedoch in einem ausreichenden zeitlichen Zusammenhang dem Betreuer des Beklagten zugegangen und dies im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Bestellung des Betreuers.

6
Diese Kündigung wurde im an das Amtsgericht gerichteten Schriftsatz des Klägervertreters vom 06.05.2016 in das Verfahren eingeführt. Unzweifelhaft kann eine Kündigung auch mit Klageerhebung erfolgen oder zu einem späteren Zeitpunkt in einem Schriftsatz im Prozess ausgesprochen werden. Wenn dann der entsprechende Schriftsatz der Gegenseite zugeht, ist diese Kündigung ‒ der Gegenseite ‒ zugegangen. Im vorliegenden Verfahren war die Klage sowie die Kündigung vom 06.05.2016 dem geschäftsunfähigen Beklagten zugestellt worden.

7
Damit war die Klage zunächst unzulässig und die in ihrem Rahmen erklärte Kündigung zunächst nicht zugegangen. Diese „Unzulässigkeit bzw. Nichtigkeit“ der Klage wurde jedoch durch die rückwirkende Genehmigung des Betreuers nach dessen Bestellung geheilt. Möglich ist die Heilung der Nichtigkeit der ganzen Prozessführung auch ohne Zustimmung des Gegners durch den wahren gesetzlichen Vertreter ‒ hier den Betreuer ‒ (BGH, NJW 1999, 3263; NJW-RR 2009, 690, 691).

8
Eine solche ‒ zumindest konkludente ‒ Genehmigung ist hier durch den gesetzlichen Vertreter ‒ dem Betreuer des Beklagten ‒ nach dessen Bestellung erfolgt, indem er inhaltlich umfassend Stellung im Verfahren genommen hat.

9
Damit ist auch die im hiesigen Prozess erklärte Kündigung vom 06.05.2016 dem Betreuer wirksam zugegangen. Ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang ist ebenfalls zu bejahen, da der Betreuer schon im September Akteneinsicht beantragt hat und diese ihm am 05.10.2016 durch das Amtsgericht gewährt wurde. Die Verzögerung ergab sich hier, da sich die Akte zum Zeit der Antragstellung beim Gutachter befand.

10
Folglich ist die Kündigung vom 06.05.2016 dem Betreuer des Beklagten wirksam zugegangen.

11
Die Kündigung vom 06.05.2016 wurde darauf gestützt, dass der Beklagte das Ablesen der Zählerstände und die Durchführung der Jahresprüfung des Rauchwarnmelders verhindert hat, indem er die von der Firma … beauftragte Ableserin ins Gesicht geschlagen und beleidigt hat sowie dem Nachfolgeableser den Zutritt verweigert hat.

12
In diesem Verhalten liegt ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es muss dem Vermieter möglich sein, zur Wartung des Rauchmelders und Ablesen der Zählerstände die Wohnung zu betreten. Der Beklagte hat dies mehrfach verhindert.

13
Indem der Beklagte das Prüfen des Rauchmelders verhindert, gefährdet er das Mietobjekt, das gesamte Wohnhaus und seine Bewohner. Dies stellt eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar, die die sofortige Beendigung des Mietverhältnisses notwendig macht.

14
Die Kammer berücksichtigt hierbei, dass der Beklagte wohl schuldlos gehandelt hat. Aber im Vordergrund muss stehen, dass insbesondere sicherheitsrelevante Überprüfungen durch den Vermieter beim Mietobjekt durchgeführt werden müssen. Wenn der Vermieter die Rauchmelder nicht wartet bzw. warten kann, wird das Mietobjekt und seine Bewohner konkret erheblich gefährdet. Gegebenenfalls droht dem Vermieter auch der Verlust seines Versicherungsschutzes im Falle eines Brandes. Bei einer solch schwerwiegenden Gefährdung des Mietobjekts ergibt die Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung des schuldlosen Verhaltens des Beklagten, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

15
Folglich wurde das Mietverhältnis mit der wirksamen außerordentlichen Kündigung vom 06.05.2016 wirksam beendet, wobei bezüglich des Zugangs der Kündigung auf die Kenntnisnahme durch den Betreuer im Rahmen des hiesigen Verfahrens und der Genehmigung der Prozessführung ab zu stellen ist.

16
Vorliegend war auch eine Abmahnung gem. § 543 Abs. 3 ZPO nicht erforderlich, da diese bei dem Beklagten offensichtlich ohne Wirkung wäre. Der Beklagte ist psychisch krank und, wie das in diesem Verfahren vom Amtsgericht eingeholte Gutachten aufzeigt, nicht einsichtsfähig. So weigern sich z. B. sein Betreuer und die Mitarbeiter der Hausverwaltung, die Wohnung zu betreten, so dass gegenwärtig auch ein etwaiger Wasserschaden nicht überprüft werden kann.

17
Die Einräumung einer Räumungsfrist gem. § 721 ZPO kommt vorliegend nicht in Betracht, da, wie oben bereits ausgeführt, den Vermietern aufgrund der Gefährdung des Mietobjekts, des gesamten Hauses und seiner Bewohner eine weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

II.

18
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 91 ZPO.

19
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf § 92 ZPO. Hier war zu berücksichtigen, dass es bei der rechtskräftigen Abweisung des Anspruchs auf künftige Nutzungsentschädigung verbleibt.

20
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

III.

21
Weiter war der Streitwert für die erste Instanz in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 07.06.2017 auf 9.228,00 € festzusetzen.

22
Der Streitwert für den Klageantrag Ziff. 1 erster Instanz beträgt ‒ wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat ‒ 3.684,00 €, für den Klageantrag Ziff. 2 ‒ künftige Nutzungsentschädigung ‒ beträgt er die 12-fache Monatsmiete und damit 5.544,00 € und nicht wie vom Amtsgericht angenommen 2772 €.

23
Die Kammer hat bereits mit Beschluss vom 12.06.2015 ‒ 12 T 118/15 ‒ ausführlich begründet, dass bei der Bemessung des Streitwertes für künftige Nutzungsentschädigung in der Regel eine Zeitspanne von 1 Jahr sachgerecht erscheint. Das damalige Verfahren wurde wegen der allgemeinen Bedeutung für den Bezirk auf die Kammer übertragen. Bestätigt wurde diese Rechtsprechung von der Kammer mit Beschluss vom 06.12.2016 ‒ A 12 T 210/16 ‒.

24
Der Gebührenstreitwert für die Nutzungsentschädigung bestimmt sich gem. § 3 ZPO (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.01.2011 ‒ 5 O 158/10; a. a. O., LG Konstanz). Gem. § 3 ZPO ist der Streitwert nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Maßgebend ist das Interesse des Klägers zum Zeitpunkt der Antragstellung. Hier ging es den Klägern darum, nach erfolgter Kündigung die Nutzungsentschädigung bis zur voraussichtlichen Räumung zu sichern. Die durchschnittliche Dauer für das Erkenntnisverfahren bis zum Räumungstitel ist regelmäßig auf mehr als 6 Monate zu schätzen. Rechnet man die Durchsetzung der Räumung im Zwangsvollstreckungsverfahren hinzu, erscheint eine Zeitspanne von 1 Jahr sachgerecht (so auch: OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.01.2011 ‒ 5 O 1258/10; OLG Celle, Beschluss v. 17.02.2014 ‒ 2 W 32/14; OLG Dresden, Beschluss v. 02.08.2012 ‒ 5 W 745/12; a. a. O., LG Konstanz).

IV.

25
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor.

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