Zur einstweiligen Einstellung einer Teilungsversteigerung bei Kindeswohlgefährdung

LG Bremen, Beschluss vom 28.10.2016 – 3 T 508/16

Zur einstweiligen Einstellung einer Teilungsversteigerung bei Kindeswohlgefährdung

Tenor

Auf die statthafte und zulässige sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 19.09.2016 wird der Beschluss des Amtsgerichts Bremen – Abteilung für Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungssachen – vom 31.08.2016 abgeändert und das Zwangsversteigerungsverfahren aus dem Anordnungsbeschluss des Amtsgerichts Bremen vom 04.03.2016 auf den Antrag des Beschwerdeführers bis einschließlich 01.07.2019 gemäß § 180 Abs. 3 ZVG einstweilen eingestellt.

Dem Beschwerdeführer wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte …, ohne Ratenzahlung bewilligt.

Gründe
I.

1
Die Beschwerdegegnerin hat unter dem 24.02.2016 einen Antrag auf Teilungsversteigerung im Hinblick auf das den Parteien gemeinsam gehörende Hausgrundstück in der … in … gestellt. Mit Beschluss vom 04.03.2016 hat das Amtsgericht Bremen die Zwangsversteigerung des genannten Grundbesitzes zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft angeordnet Daraufhin hat der Beschwerdeführer unter dem 22.03.2016 die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 180 ZVB beantragt, insbesondere im Hinblick auf eine ernsthafte Gefährdung des Wohls des jüngsten gemeinsamen Kindes der Parteien, die am … geborene …. Die Beschwerdegegnerin bestreitet eine ernsthafte Gefährdung des Kindeswohls durch die beantragte Zwangsversteigerung und tritt einer einstweiligen Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens entgegen.

2
Mit Beschluss vom 31.08.2016 hat das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen, da die Voraussetzungen für eine Einstellung der Zwangsversteigerung zur Abwendung einer ernsthaften Gefährdung des Wohls eines gemeinschaftlichen Kindes nicht vorlägen. Gegen diesen ihm am 07.09.2016 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit am 19.09.2016 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage sofortige Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

3
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 180 Abs. 3, 30 b Abs. 3 ZVG i.V.m. § 567 ZPO zulässig, insbesondere auch gemäß §§ 567, 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt.

4
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

5
Gemäß § 180 Abs. 3 S. 1 ZVG ist, wenn ein Miteigentümer die Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft betreibt, der außer ihm nur sein Ehegatte oder sein früherer Ehegatte angehört, auf Antrag dieses früheren Ehegatten die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens anzuordnen, wenn dies zur Abwendung einer ernsthaften Gefährdung des Wohls eines gemeinschaftlichen Kindes erforderlich ist; gemäß §§ 180 Abs. 3 S. 3, 30 b Abs. 2 S. 3 ZVG sind diese Voraussetzungen gegebenenfalls glaubhaft zu machen.

6
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind diese Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung vorliegend gegeben. Insbesondere hat der Beschwerdeführer glaubhaft gemacht, dass die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung zur Abwendung einer ernsthaften Gefährdung des Wohls der gemeinsamen Tochter … erforderlich ist.

7
Ein Ehegatte hat bei der Durchsetzung seines Auseinandersetzungsanspruchs in besonderer Weise auf die Interessen gemeinschaftlicher Kinder Rücksicht zu nehmen. Eine Veräußerung des Familienheimes, die bewirken würde, dass sich die Wohn- oder sonstigen Lebensverhältnisse eines gemeinschaftlichen Kindes nachhaltig verschlechtern, ist bei ernsthafter Gefährdung des Kindeswohls zurückzustellen. Die ernsthafte Gefährdung des Wohls eines gemeinschaftlichen Kindes erfordert, dass das Kind durch die Zwangsversteigerung in seinen Lebensverhältnissen erheblich benachteiligt wird und damit in seiner Entwicklung erheblich beeinträchtigt zu werden droht. Besondere Umstände müssen eine begründete gegenwärtige Besorgnis der Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Kindeswohls nahe legen, die über die mit einem Umzug gewöhnlich verbundenen Unannehmlichkeiten erheblich hinausgeht (Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 20. Auflage 2012, § 180, Rn. 13.4 m.w.N.; Becker in: Schreiber, Handbuch Immobilienrecht, Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen – Immobiliarvollstreckung, Rn. 94, zitiert nach juris).

8
Vorliegend ist aufgrund der vom Beschwerdeführer seinen Schriftsätzen als Anlage beigefügten Unterlagen aus den familiengerichtlichen Verfahren ohne weiteres davon auszugehen, dass eine Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens das Wohl insbesondere des Kindes … ernsthaft gefährden würde. In aller Deutlichkeit folgt dies aus dem Schreiben der Rechtsanwältin … vom 18.05.2015, die in dem Verfahren 65 F 3498/13 UG als Verfahrensbeistand für … tätig geworden ist. Danach habe … erklärt, dass sie nie wieder zu ihrer Mutter, der Beschwerdegegnerin, gehen würde, wenn sie ausziehen müsse, sie wäre dann sehr böse auf sie und würde ihr dies nicht verzeihen wollen. Gesprächswünsche von … zu dieser Problematik blocke die Beschwerdegegnerin ab. In ihrer Stellungnahme hat Frau … ergänzend ausgeführt, dass die drohende Zwangsversteigerung ihres Elternhauses … große Sorgen bereite, sie sich hierdurch aktuell bedroht fühle und ihre Mutter hierfür verantwortlich machen würde.

9
Diese Äußerungen der erst zwölfjährigen … sind für das Gericht uneingeschränkt nachvollziehbar. Zugleich ist aufgrund dessen zur Überzeugung des Gerichts bei einer Fortsetzung des Zwangsersteigerungsverfahrens die konkrete Gefahr gegeben, dass … dann – zutreffend – die Beschwerdegegnerin auch noch für den Verlust des Familienheims verantwortlich machen und den Kontakt zu ihr in der Folge möglicherweise endgültig abbrechen würde. Dass hierdurch das Wohl eines zwölfjährigen Kindes, welches durch die offenkundig rücksichtslos geführte Auseinandersetzung seiner Eltern emotional ohnehin schon über die Maßen stark belastet sein dürfte, weit über die üblichen mit einem Umzug verbundenen Unannehmlichkeiten hinaus gefährdet würde, liegt für das Gericht auf der Hand. Nicht entscheidend ist demgegenüber, ob … auch bei einer Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens von weiteren Auseinandersetzungen ihrer Eltern verschont bleiben würde, also auch aufgrund weiterer Ursachen eine Kindeswohlgefährdung droht.

10
Bei der Dauer der einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung folgt das Gericht ebenfalls dem Antrag des Beschwerdeführers, da die von diesem zur Begründung angegebenen Umstände plausibel erscheinen.

11
Hinweis gemäß §§ 180, 31 ZVG:

12
Das hiermit einstweilen eingestellte, zur Aufhebung der Gemeinschaft betriebene streitgegenständliche Zwangsversteigerungsverfahren darf nur auf Antrag der Beschwerdegegnerin fortgesetzt werden. Wird der Antrag nicht binnen sechs Monaten gestellt, so ist das Verfahren aufzuheben. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, bis zu dem die Einstellung angeordnet wurde.

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