LG Kaiserslautern, Urteil vom 13. April 2021 – 4 O 284/20
Bei corona-bedingter Gaststättenschließung hat der Pächter ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung nach §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Pachtverhältnis besteht.
3. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der widerklagend beantragten Herausgabe der Vollmachtsurkunde des Notars xy vom 30.01.2017, Urkundenrollen-Nummer XXXX erledigt ist.
4. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Mit Pachtvertrag vom 24.08.2000 (Anlage K1) hat die Klägerin (mit Beginn zum 15.09.2000 und zunächst endend am 30.09.2005) die Gaststätte … an Frau B. M. (im Folgenden: Pächterin) verpachtet. Wegen der einzelnen Regelungen des Pachtvertrags wird auf Anlage K1 (Bl. 9 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Der Beklagte ist der Sohn, Generalbevollmächtigte und Erbe der Pächterin. Mit Schreiben vom 07.04.2020 (Anlage K5) hat der Beklagte den Pachtvertrag außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich, gekündigt. Als Begründung gab er die Erkrankung der Pächterin und die Covid-19-Pandemie an. Der Beklagte hat die Schlüssel zur Gaststätte per Einschreibebrief und Einwurf in den Briefkasten der Klägerin am 03.06.2020 zurückgeschickt. Mit Schreiben vom 16.06.2020 (Anlage K9) und anwaltlichem Schreiben vom 18.06.2020 (Anlage K8) hat der Beklagte vorsorglich erneut die Kündigung des Pachtverhältnisses erklärt. In diesem Zusammenhang übermittelte der Beklagte der Klägerin die notarielle Urkunde über die Generalvollmacht vom 30.01.2017 (Bl. 50 ff. d.A.) im Original. Trotz mehrfacher Aufforderung hatte der Beklagte diese Urkunde der Klägerin vor der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2021 nicht wieder herausgegeben.
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Die Klägerin rügt den gesamten Sachvortrag des Beklagten als verspätet und trägt vor,
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ein zur Kündigung oder Vertragsanpassung berechtigender Mietmangel liege nicht vor, unter anderem weil der Beklagte die Möglichkeit des Straßenverkaufs oder der Inanspruchnahme staatlicher Coronahilfen gehabt hätte. Der Beklagte habe die Pachtsache verschmutzt und beschädigt zurückgelassen. Zur Instandsetzung seien die im Schriftsatz vom 18.09.2020 aufgelisteten und mit Kostenvoranschlägen (Anlagen K10-K15) belegten Kosten i.H.v. 14.277,41 € erforderlich.
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Die Klägerin beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Pachtzins in Höhe von 1.387,96 € sowie eine Wassergeldpauschale in Höhe von 72,59 € für den Monat Mai 2020 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4.05.2020 zu zahlen.
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2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Pachtzins in Höhe von 1.387,96 € sowie eine Wassergeldpauschale in Höhe von 72,59 € für den Monat Juni 2020 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3.06.2020 zu zahlen.
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3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Pachtzins in Höhe von 1.387,96 € sowie eine Wassergeldpauschale in Höhe von 72,59 € für den Monat Juli 2020 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3.07.2020 zu zahlen.
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4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Pachtzins in Höhe von 1.387,96 € sowie eine Wassergeldpauschale in Höhe von 72,59 € für den Monat August 2020 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4.08.2020 zu zahlen.
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5. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Pachtzins in Höhe von 1.387,96 € sowie eine Wassergeldpauschale in Höhe von 72,59 € für den Monat September 2020 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3.09.2020 zu zahlen.
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6. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Pachtzins in Höhe von 1.387,96 € sowie eine Wassergeldpauschale in Höhe von 72,59 € für den Monat Oktober 2020 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3.10.2020 zu zahlen.
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7. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Pachtzins in Höhe von 1.387,96 € sowie eine Wassergeldpauschale in Höhe von 72,59 € für den Monat November 2020 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4.11.2020 zu zahlen.
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8. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Pachtzins in Höhe von 1.387,96 € sowie eine Wassergeldpauschale in Höhe von 72,59 € für den Monat Dezember 2020 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3.12.2020 zu zahlen.
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9. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Pachtzins in Höhe von 1.387,96 € sowie eine Wassergeldpauschale in Höhe von 72,59 € für den Monat Januar 2021 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 5.01.2021 zu zahlen.
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10. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Pachtzins in Höhe von 1.387,96 € sowie eine Wassergeldpauschale in Höhe von 72,59 € für den Monat Februar 2021 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3.02.2021 zu zahlen.
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11. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, beginnend ab dem 1.03.2021 bis einschließlich 30.09.2021 eine monatliche Pacht in Höhe von 1.387,96 € nebst einer Wassergeldpauschale von monatlich 72,59 € jeweils bis zum 3. Werktag eines Monats im Voraus an die Klägerin zu zahlen.
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12. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz wegen der Beschädigung der Pachtsache in Höhe von 14.277,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageerweiterung vom 18.09.2020 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte beantragt widerklagend,
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1. im Wege der Hilfswiderklage festzustellen, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Pachtverhältnis besteht.
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2. festzustellen, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der widerklagend beantragten Herausgabe der Vollmachtsurkunde des Notars XY vom 30.01.2017, Urkundenrollen-Nummer … erledigt ist.
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Die Klägerin beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor,
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Klageantrag 11 sei unzulässig, da statt einer Feststellung auch Klage auf zukünftige Leistung nach § 259 ZPO erhoben werden könne. Das Pachtverhältnis sei durch die Kündigung vom 07.04.2020 beendet worden. Die außerordentliche Kündigung sei dadurch gerechtfertigt, dass die Gaststätte coronabedingt nicht nutzbar gewesen sei. Wegen etwaiger Nacherfüllungsansprüche der Klägerin erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.
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Die Klägerin hatte zunächst am 04.05.2020 eine Klageschrift eingereicht, in welcher die Pächterin als Beklagte vorgesehen war. Die Pächterin ist am 09.06.2020, noch vor Klagezustellung, verstorben. Die Klägerin hat seither ihre Klage mehrfach geändert (vgl. Schriftsätze vom 10.07.2020, 18.09.2020 und 12.02.2021). Den noch im Schriftsatz vom 12.02.2021 enthaltenen Antrag Ziffer 14, wonach die Verurteilung des Beklagten nach Maßgabe der vorstehenden Ziffern als Gesamtschuldner mit seinen noch unbekannten Miterben erfolgen sollte, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2021 nicht gestellt. In diesem Termin hat die Klägerin dem Beklagten die Vollmachtsurkunde des Notars XY vom 30.01.2017, Urkundenrollen-Nummer …XX herausgegeben. Diese Herausgabe hatte der Beklagte zunächst mit Schriftsatz vom 16.11.2020 widerklagend beantragt. Nach Empfang der Vollmachtsurkunde im Termin vom 02.03.2021 hat der Beklagtenvertreter diesen Widerklageantrag (Ziffer 2) für erledigt erklärt. Der Klägervertreter hat der Erledigung widersprochen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2021 (Bl. 237 ff. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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A. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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I. Die zwischenzeitlichen Klageänderungen waren gemäß § 263 ZPO auch ohne Zustimmung des Beklagten wegen Sachdienlichkeit zulässig, da der bisherige Prozessstoff verwertet und ein weiterer Rechtsstreit vermieden werden konnte.
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II. Der Beklagte ist passivlegitimiert, auch wenn die materiell-rechtliche Schuldnerin die Erbengemeinschaft nach der Pächterin ist. Mitglieder einer Erbengemeinschaft haften nämlich als Gesamtschuldner (2058 BGB). Die Klägerin durfte sich daher den Beklagten – als unstreitiges Mitglied der Erbengemeinschaft – heraussuchen und die Klage auf ihn beschränken.
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III. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Pachtzinszahlung für den Zeitraum Mai 2020 bis Februar 2021 (Klageanträge Ziff. 1-10).
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1. Das Pachtverhältnis ist durch die Kündigung vom 07.04.2020 beendet worden. Die Wirksamkeit der Kündigung folgt aus §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB.
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2. Nach § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Beispiele für wichtige Gründe sind in § 543 Abs. 2 BGB aufgezählt, bei deren Vorliegen die Interessensabwägung nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB entfällt (Kraemer NZM 2001, 553, 557 f.; BeckOGK/Mehle, 1.1.2021, BGB § 543 Rn. 6; einschränkend: BeckOK BGB/Wiederhold, 56. Ed. 1.11.2020 § 543 Rn. 8). Nach 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt ein wichtiger Grund insbesondere vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird.
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3. Maßstab dafür ist allein der dem Mieter auf Grund des Mietvertrags und der Verkehrsanschauung zustehende Gebrauch. Jedes Zurückbleiben der Leistung des Vermieters hinter diesen Standard rechtfertigt eine Kündigung, wenn auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 3 BGB vorliegen, kein Ausschlussgrund nach § 543 Abs. 4 S. 1 BGB gegeben ist (Staudinger/Emmerich, 2018, BGB, § 543 Rn. 17) und die Gebrauchsbehinderung nicht unerheblich ist (BGH NJW 2007, 147; OLG Hamburg ZMR 2005, 856; BeckOK BGB/Wiederhold, 56. Ed. 1.11.2020 Rn. 25, BGB § 543 Rn. 25). Ein Verschulden (§§ 276, 278 BGB) des Vermieters ist nicht erforderlich. Ebenso wenig kommt es auf die Behebbarkeit des Mangels an. Die Anwendbarkeit des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu Gunsten des Mieters ist nämlich allein schon durch die Verletzung der dem Vermieter obliegenden Pflicht gerechtfertigt, der dem Mieter die vertragsgemäß geschuldete Mietsache nicht überlässt (BGH NJW 2007, 2474 Rn. 10; OLG Düsseldorf NZM 2009, 281; BeckOK BGB/Wiederhold, 56. Ed. 1.11.2020, BGB § 543 Rn. 20).
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4. Zwar liegt kein Kündigungsgrund in der Erkrankung der Pächterin. Auch eine schwere Erkrankung des Mieters stellt keinen Kündigungsgrund iSd § 543 Abs. 1 BGB dar; vielmehr bleibt der Mieter gebunden. Denn auch gewerbliche Mietverhältnisse unterfallen dem Leitbild des § 537 BGB, das eine persönliche Verhinderung des Mieters in dessen Risikosphäre weist (OLG Rostock NJOZ 2020, 1137).
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5. Die außerordentliche Kündigung ist jedoch gemäß §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB durch die pandemiebedingte Untersagung des Gaststättenbetriebs gerechtfertigt. Außer reinen Beschaffenheitsfehlern der Mietsache können auch behördliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen ihre Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise aufheben, dass sie einen Mangel begründen (BGH – XII ZR 153/15 – NJW 2017, 1104; BGH NJW 1992, 3226, 3227; BeckOK MietR/K. Schach, 23. Ed. 1.2.2021, BGB § 543 Rn. 13; a.A. für Corona-Maßnahmen: BeckOGK/Mehle, 1.1.2021, BGB § 543 Rn. 12). Ein Mangel liegt aber nur dann vor, wenn der Mieter durch die öffentlich-rechtliche Beschränkung in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt wird (BGH NJW 2009, 3421 Rn. 6). Diese Voraussetzung ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjekts durch ein rechtswirksames und unanfechtbares Verbot bereits untersagt hat (BGH NZM 2014, 165 unter Hinweis auf BGH BeckRS 1971, 31126177). Auch kann ein möglicher Sachmangel im Einzelfall darin gesehen werden, dass eine lang währende Unsicherheit über die Zulässigkeit behördlichen Nutzungsuntersagung die begründete Besorgnis bewirkt, das Grundstück nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen zu können (BGH NZM 2014,165). Diese Besorgnis lag im April 2020 vor. Jedenfalls zum Teil war der vertragsgemäße Gebrauch aufgehoben, was nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB genügt.
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6. Im vorliegenden Fall wurde das Objekt gemäß § 1 des Pachtvertrags als „Gaststätte“ verpachtet, wozu insbesondere ein „Gastraum (…) nebst sämtlichem zum Betrieb der Gaststätte erforderlichem, gebrauchsfähigem Inventar“ gehörte. Gemäß § 10 des Pachtvertrags war die Pächterin gehalten, die Pachtsache zu dem in § 1 genannten Zweck zu nutzen und war nicht befugt, den Charakter der Pachtsache zu verändern. Danach liegt ein Pachtmangel vor, soweit durch die behördlichen Maßnahmen dieser vertraglich vorgesehene Betrieb der Gaststätte aufgehoben war.
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7. Zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums, d.h. am 01.05.2020, ordnete § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der 4. Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (CoBeLVO) die Schließung von „Restaurants, Speisegaststätten“ (…) „Kneipen und ähnliche[n] Einrichtungen“ an. Eine entsprechende Regelung fand sich in der 5. CoBeLVO, die bis einschließlich 12.05.2020 in Kraft war. Erst ab dem 13.05.2020 unter der 6. CoBeLVO durften Gaststätten wieder öffnen, allerdings unter strengen Hygieneauflagen. So sah etwa § 2 Abs. 2 Nr. 4 der 6. CoBeLVO folgendes vor:
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Im Innen- und Außenbereich ist der Mindestabstand zwischen den Stühlen von einem Tisch zu den Stühlen des nächsten Tischs von mindestens 1,5 Metern stets zu gewährleisten. Der Bar- und Thekenbereich ist für den Verbleib von Gästen geschlossen.
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Erst ab dem 15.07.2020 war der Thekenbetrieb für Gäste wieder erlaubt, jedoch nur mit Maske (Art. 1 Ziff. 2 der Zweiten Landesverordnung zur Änderung der 10. CoBeLVO vom 14. Juli 2020). Neben der Maskenpflicht blieben die Pflicht zur Kontakterfassung, das Abstandsgebot und die Begrenzung der Öffnungszeiten auf den Zeitraum 06:00 bis 24:00 Uhr gemäß § 7 Abs. 2 und 3 der 10. CoBeLVO bestehen.
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Seit dem 02.11.2020 sind Gaststätten wieder geschlossen (vgl. § 7 Abs. 1 der 12. CoBeLVO vom 30.10.2020 sowie der 16. CoBeLVO vom 26.02.2021) und es ist bis heute nicht absehbar, wann sich dies ändert. Obschon Abhol-, Liefer- und Bringdienste sowie der Straßenverkauf (ohne Alkoholausschank) und Ab-Hof-Verkauf erlaubt sind, war und ist die Tauglichkeit der Pachtsache zum vertragsgemäßen Gebrauch (§ 536 Abs. 1 BGB) jedenfalls teilweise aufgehoben. Hieran ändert auch nichts die – unterstellte – Möglichkeit der Inanspruchnahme staatlicher Coronahilfen, welche die coronabedingten Einschränkungen des vertragsgemäßen Gebrauchs der Gaststätte nicht beseitigt, sondern allenfalls finanziell kompensiert. Der Zweck dieser Coronahilfen besteht in der Unterstützung des Unternehmers und würde konterkariert, wenn die Coronahilfen als Rechtfertigung zur Beschneidung der Rechte des Unternehmers gegenüber seinen Vertragspartnern (hier: Verpächterin) herangezogen werden könnten.
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8. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist nicht durch § 12 des Pachtvertrags ausgeschlossen, wonach die Pächterin für die Einholung eventuell erforderlicher behördlicher Genehmigungen, insbesondere der Genehmigung für den Betrieb des Gewerbes verantwortlich ist. Denn die verbindlichen Regelungen der jeweiligen CoBeLVO konnten nicht durch Einholung einer Genehmigung umgangen werden.
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9. Eine Frist oder Abmahnung hätte offensichtlich keinen Erfolg versprochen (§ 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB), denn die verbindlichen Regelungen der CoBeLVO standen nicht zur Disposition der Klägerin. Die in § 543 Abs. 4 BGB genannten Ausschlusstatbestände sind nicht einschlägig. Das Kündigungsrecht wird auch nicht durch Art. 240 § 7 EGBGB ausgeschlossen, wonach durch Coronabekämpfungsmaßnahmen eine Störung der Geschäftsgrundlage von Gewerberaummietverhältnissen begründet wird. Die Rechtsinstitute der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) und der außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 543 BGB) haben jeweils eigene Voraussetzungen und schließen sich nicht gegenseitig aus.
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IV. Klageantrag Ziffer 11 ist zulässig. Die Möglichkeit einer Klage auf künftige Leistung gemäß § 259 ZPO beseitigt das Feststellungsinteresse nicht (BGH NJW 86, 2507; RGZ 113, 411; Greger in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 256 Rn. 8). Die Feststellungsklage ist aber unbegründet, weil der Pachtvertrag wirksam am 07.04.2020 gekündigt wurde (s.o.).
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V. Klageantrag Ziffer 12 (Schadensersatz wegen Beschädigung der Pachtsache i.H.v. 14.277,41 €) ist unbegründet.
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Diesbezüglich ist zu differenzieren zwischen Positionen, die aus der behaupteten Verletzung des Äquivalenzinteresses resultieren einerseits und Positionen, die eine Verletzung Integritätsinteresses betreffen andererseits (vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, 14. Aufl. 2019, BGB § 546a Rn. 81).
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1. Zur erstgenannten Gruppe gehören im vorliegenden Fall diejenigen Beschädigungen, Abnutzungen oder Verschmutzungen, die im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs entstanden sind:
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a) Reinigungskosten (Anlage K 10): 904,80 €
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b) Reparatur Edelstahltisch mit eingebauten Kühlschränken (Anlage K 11): 290,00 €
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c) Malerarbeiten (Anlage K 12): 6.797,60 €
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d) TÜV + Wartung des Lastenfahrstuhls (Anlage K 15): 520,52 €
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e) Instandsetzung Lastenaufzug (Anlage K 13): 4.152,09 €
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Durch das Unterlassen dieser Maßnahmen hat die Pächterin keine Rechtsgüter der Klägerin, aber möglicherweise ihre vertraglichen Pflichten aus §§ 5, 17 Abs. 1 des Pachtvertrags verletzt. Für diese Positionen ist als Anspruchsgrundlage §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB anwendbar, d.h. es ist insbesondere eine Fristsetzung zur Nacherfüllung erforderlich (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 1.10.2009 – 10 U 58/09, BeckRS 2009, 28073). Eine solche Fristsetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt und war auch nicht entbehrlich. Die Entbehrlichkeit ergibt sich insbesondere nicht dadurch, dass der Beklagte die Schlüssel zur Gaststätte per Einschreibebrief und Einwurf in den Briefkasten der Klägerin am 03.06.2020 zurückgeschickt hat. Insbesondere liegt hierin keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung i.S.d. § 281 Abs. 2 BGB. Dies liegt schon deshalb fern, weil der Beklagte nicht zur Nacherfüllung aufgefordert wurde und daher völlig unklar ist, wie er auf eine solche Aufforderung reagiert hätte. Der Besitz eines Schlüssels durch den Beklagten ist jedenfalls für eine Nacherfüllung nicht erforderlich, da die Klägerin ihm die Gaststätte zu diesem Zweck auch hätte aufschließen können. Inzwischen ist der Nacherfüllungsanspruch der Klägerin gemäß § 548 Abs. 1 BGB verjährt und der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben, weshalb die Klage insoweit nicht nur derzeit, sondern endgültig unbegründet ist.
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2. Demgegenüber geht die Position „Reparatur Eingangstür (Anlage K 14) 1.612,40 €“ auf eine Beschädigung zurück, die über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgeht und auch deliktischen Charakter aufweist. Als Anspruchsgrundlage ist §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB oder auch § 823 Abs. 1 BGB anwendbar. Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen sind nicht erfüllt. Zwar ist auf dem Lichtbild auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 17.08.2020 erkennbar, dass das Metall auf Schlosshöhe gewaltsam verbogen wurde. Hierfür ist jedoch die Pächterin nicht verantwortlich. Der Beklagte hat diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2021 unwidersprochen vorgetragen, dass die Beschädigung von einem Einbruchsversuch herrührt. Damit fehlt es jedenfalls an dem für einen Schadensersatzanspruch erforderlichen Verschulden der Pächterin oder des Beklagten.
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VI. Der Sachvortrag des Beklagten war nicht gemäß § 296 ZPO zurückzuweisen. Dabei kann dahinstehen, ob der Sachvortrag des Beklagten verspätet erfolgte. Denn jedenfalls hat seine Berücksichtigung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert.
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B. Die Widerklage ist zulässig und begründet.
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I. Widerklageantrag 1 ist zulässig.
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1. Dieser Widerklageantrag wurde „für den Fall der Abweisung des Antrags zu 1“ gestellt. Mit „Antrag zu 1“ war der zwischenzeitlich mit Klägerschriftsatz vom 18.09.2020 gestellte Klageantrag 1 gemeint, mit welchem die Klägerin Zahlung des Pachtzinses für die Zeit von Mai bis September 2020 in Höhe von 7.302,75 € nebst Zinsen beantragte. Diesem Antrag entsprechen die nunmehr gestellten Anträge 1 bis 5. Diese Anträge wurden abgewiesen (s.o.), weshalb die Bedingung erfüllt ist, unter welcher der Widerklageantrag gestellt war.
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2. Der Beklagte hat ein Interesse an der Feststellung, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Pachtverhältnis besteht. Das Feststellungsinteresse wird insbesondere nicht durch Klageantrag Ziffer 11 beseitigt, mit welchem die Klägerin die Feststellung der Pachtzinszahlungspflicht für den Zeitraum 01.03.2021 bis 30.09.2021 beantragt. Eine Zurückweisung dieses Antrags ist nämlich nicht gleichbedeutend mit der – widerklagend beantragten – Feststellung des Nichtbestehens des Pachtverhältnisses. Über die Pachtzinszahlung hinaus können nämlich aus dem Pachtverhältnis Obhutspflichten sowie die Betriebskostentragungspflicht aus § 2 Abs. 2 des Pachtvertrages erwachsen. Derartige Pflichten werden durch die Rechtskraft der Abweisung des mit Klageantrag 11 gestellten Feststellungsantrags nicht erfasst (vgl. BGH NJW 1965, 693).
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3. Widerklageantrag 1 ist auch begründet. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht kein Pachtverhältnis. Dieses wurde durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 07.04.2020 beendet (s.o.).
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II. Widerklageantrag 2 ist zulässig und begründet.
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1. Die Erledigungserklärung des Beklagten war nach dem Widerspruch der Klägerin dahin auszulegen, dass insofern die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits beantragt wird (BeckOK ZPO/Jaspersen, 40. Ed. 1.3.2021 § 91a Rn. 47). Das Interesse des Beklagten an der Feststellung der Erledigung des mit Schriftsatz vom 16.11.2020 gestellten Widerklageantrags Ziffer 2 (Herausgabe der Vollmachtsurkunde des Notars XY vom 30.01.2017, Urkundenrollen-Nummer… ) ergibt sich aus der Relevanz für die Kostenentscheidung.
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2. Widerklageantrag 2 ist begründet. Der Rechtsstreit ist hinsichtlich des mit Schriftsatz vom 16.11.2020 gestellten Widerklageantrags Ziffer 2 (Herausgabe der Vollmachtsurkunde des Notars XY vom 30.01.2017, Urkundenrollen-Nummer …) erledigt. Dieser Widerklageantrag war ursprünglich zulässig und begründet und ist erst durch die Rückgabe der Vollmachtsurkunde im Termin vom 02.03.2021 unbegründet geworden. Die Vollmachtsurkunde steht unstreitig im Eigentum des Beklagten. Dessen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hat die Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht entgegengesetzt. Ein solches Zurückbehaltungsrecht besteht nicht. Da es sich bei dem Herausgabeanspruch bezüglich der Urkunde nicht um eine synallagmatische Pflicht aus dem Pachtvertrag handelt, kommt nur das allgemeine Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB in Betracht. Auch dieses fordert jedoch einen Gegenanspruch „aus demselben Rechtlichen Verhältnis“ (§ 273 Abs. 1 BGB) oder bezüglich der herauszugebenden Sache einen Anspruch wegen „Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens“ (§ 273 Abs. 2 BGB), was mit Blick auf die Urkunde offensichtlich nicht der Fall ist.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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Beschluss
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Der Streitwert wird auf 47.061,99 € festgesetzt. Davon entfallen 37.061,99 € auf die Klage und 10.000,00 € auf die Widerklage.