Zur Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegen Störung des Hausfriedens

AG Frankfurt, Urteil vom 28. Mai 2020 – 33 C 3932/19 (28)

Zur Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegen Störung des Hausfriedens

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, die innegehaltene Wohnung XXX straße 28 EG, rechts, 60389 Frankfurt am Main, bestehend aus 2 Zimmern, Wohnküche, Mansarde, Flur, Bad mit WG und Badewanne, Keller und Boden zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Räumungsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 4.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand
1
Die Parteien sind durch einen Wohnraummietvertrag miteinander verbunden. Mit Mietvertrag vom 15.07.2019 (Bl. 8 ff. der Akte) mietete die Beklagte die streitgegenständliche Wohnung von der Klägerin zu Wohnzwecken an. Die aktuelle Nettomiete beträgt 294,39 € monatlich.

2
Die Beklagte bewohnt die Wohnung im Erdgeschoss rechts. Im Erdgeschoss links wohnt die Zeugin A, direkt über der Beklagten wohnt die Zeugin B und über der Zeugin A, im 1. Stock links, die Zeugin C.

3
Nachdem die Klägerin unmittelbar nach Einzug der Beklagten von den Zeuginnen mehrere Beschwerden wegen Lärmbelästigungen durch die Beklagte erhielt, forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 09.09.2019 (Bl. 33 d.A.) auf, die Nachtruhe einzuhalten und sich vertragsgemäß zu verhalten. Nachdem weitere Beschwerden eingingen, forderte die Klägerin die Beklagte erneut mit Schreiben vom 22.10.2019 (Bl. 39 d.A.) auf, die Lärmstörungen zu unterlassen und sich künftig vertragsgemäß zu verhalten. Weitere Beschwerden von Seiten der übrigen Hausbewohner folgten, so dass die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 19.11.2019 (Bl. 44 ff. d.A.) fristlos und gleichzeitig ordentlich kündigte. Eine weitere Kündigung erfolgte in der Klageschrift.

4
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe immer wieder den Hausfrieden gestört, in dem sie laut geschrieen habe, Türen geschlagen habe, bei Nachbarn Sturm geklingelt habe, auf Gegenstände eingeschlagen habe, insbesondere nachts lautstark telefoniert und Türen geschlagen habe. Auf die von der Klägerin vorgelegten Lärmprotokolle (Bl. 33, 36 ff., 40 ff., 65 ff. d.A.) wird verwiesen.

5
Die Klägerin beantragt,

6
die innegehaltene Wohnung XXX straße 28 EG, rechts, 60389 Frankfurt am Main, bestehend aus 2 Zimmern, Wohnküche, Mansarde, Flur, Bad mit WG und Badewanne, Keller und Boden zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

7
Die Beklagte beantragt,

8
die Klage abzuweisen.

9
Die Beklagte behauptet, sie telefoniere nachts mit ihrer Familie in Sierra Leone und sehe nachts fern. Das Haus sei hellhörig.

10
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeuginnen A, B und C. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2020 (Bl. 107 ff. d.A.) verwiesen.

11
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schrift-sätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
12
I. Die zulässige Klage ist begründet.

13
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB.

14
Die Klägerin hat den Mietvertrag spätestens durch die fristlose Kündigung in der Klageschrift wirksam wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens gem. § 569 Abs. 2 BGB bzw. wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag gem. § 543 Abs. 3 BGB gekündigt.

15
Für eine Kündigung wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens gemäß § 569 Abs. 2 BGB muss (a) einer der beiden Vertragsteile den Hausfrieden stören, (b) die Störung nachhaltig sein, (c) die Störung wegen ihrer Nachhaltigkeit zur Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung führen, (d) der Störende vor dem Ausspruch der Kündigung abgemahnt worden sein (§ 543 Abs. 3 BGB), (e) der Mieter nach Zugang der Abmahnung eine weitere Störung verursacht haben und (f) zwischen der Störung und dem Ausspruch der Kündigung ein zeitlicher Zusammenhang bestehen (§ 314 Abs. 3 BGB). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

16
Der Begriff des Hausfriedens in § 569 Abs. 2 BGB beinhaltet, dass die Nutzung von Wohnräumen durch mehrere Mietparteien ein gewisses Maß an Rücksichtnahme voraussetzt. Jede Mietpartei muss sich bei der Nutzung der Mieträume so verhalten, dass die anderen Mieter nicht mehr beeinträchtigt werden, als dies nach den konkreten Umständen unvermeidlich ist (Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 14. Aufl. 2019 § 569 Rn. 19). Werden die zur Wahrung des Hausfriedens erforderlichen Verhaltenspflichten verletzt, und hat dies zu einer Beeinträchtigung des Vermieters oder einer anderen Mietpartei geführt, so ist der Hausfrieden gestört (LG Berlin WuM 2016, 419).

17
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass die Behauptungen der Klägerin über die zahlreichen Lärmbelästigungen tatsächlich stattgefunden haben und die Beklagte den Hausfrieden nachhaltig stört. Alle drei Zeuginnen haben unabhängig voneinander dem Gericht glaubhaft berichtet, wie sich die Situation durch den Einzug der Beklagten im Haus geändert habe. Die Schilderungen waren sehr eindrucksvoll; die geschilderten Belästigungen zahlreich. Die Zeugin B hat sich sogar dazu entschieden, die Wohnung zu kündigen und auszuziehen. Als Grund für ihren Entschluss gab sie an, dass sie mit der Beklagten nicht unter einem Dach wohnen könne. Die Zeugin A hat zur Überzeugung des Gerichts geschildert, wie sehr sie das Zusammenleben mit der Beklagten psychisch belastet. Sie schilderte, wie sie panische Angst habe und sich kaum noch aus dem Haus traue. Die Beklagte würde an ihre Wohnungstür treten und immer wieder bei ihr Sturm klingeln. Es gab bereits mehrere Polizeieinsätze. An die von der Polizei ausgesprochener Abstandsregelung würde sich die Beklagte nicht halten. Die Beklagte habe auch schon häufiger mit einem Messer vor ihr gestanden und damit herumgefuchtelt. Die Zeugin C bestätigte die Lärmbelästigungen umfassend. Alle drei Zeuginnen berichteten auch übereinstimmend davon, wie die Beklagte in den letzten Wochen immer wieder ihren Müll einfach aus dem Fenster werfe. Alle Zeuginnen schilderten ähnliche Geräusche (lautstarkes Telefonieren, lautes Türenschlagen, Gegenstände aneinander knallen).

18
Das Gericht hat keinen Grund, an den Schilderungen der Zeuginnen zu zweifeln. Alle Aussagen erschienen glaubhaft. Die Zeuginnen schilderten die Vorfälle in ihren eigenen Worten; keine Aussage erschien abgesprochen, obwohl sich die Zeuginnen seit vielen Jahren kennen und in einem Haus zusammenwohnen.

19
Die Zeuginnen waren auch glaubwürdig. So waren die Zeuginnen z.B. unterschiedlich stark in den Vorfall involviert. Frau B hat pragmatisch entschieden, aus dem Haus auszuziehen. Frau A erschien am stärksten betroffen von den Belästigungen durch die Beklagte. Frau C wohnt am weitesten von der Beklagten entfernt und schien die Belästigungen zwar immer deutlich zu hören, berichtete jedoch, dass sie selbst noch gut schlafen könne, wohingegen ihre Ehefrau massiv von den Belästigungen beeinträchtigt sei. Das Gericht hat keinen Grund an der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen zu zweifeln.

20
Das Gericht hatte die Beklagte zum Termin am 25.05.2020 geladen und das persönliche Erscheinen angeordnet. Die Beklagte erschien jedoch nicht.

21
Die Störung des Hausfriedens war auch nachhaltig. Die Belästigungen begannen mit Einzug der Beklagten in das Haus und halten nach wie vor an. Die Störungen waren recht homogen und zahlreich. Es kam maßgeblich zu Ruhestörungen.

22
Aufgrund der Art und der Anzahl der Ruhestörungen ist eine Fortführung des Mietverhältnisses für die Klägerin nicht zumutbar. Als Vermieterin hat sie auch eine Obhutspflicht gegenüber den anderen Hausbewohnern.

23
Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 09.09.2019 und vom 22.10.2019 abgemahnt. Spätestens dann nach der Kündigung vom 19.11.2019 wusste die Beklagte, dass ihr Verhalten in Form der Ruhestörung und Belästigung der übrigen Hausbewohner nicht geduldet werde. Nach den Abmahnungen und der Kündigung kam es zu weiteren Belästigungen. Spätestens die Kündigung in der Klageschrift hat das Mietverhältnis wirksam beendet. Ein zeitlicher Zusammenhang ist bereits darin zu sehen, dass die Beklagte noch nicht einmal ein ganzes Jahr im Haus der Klägerin wohnt.

24
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

25
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Räumung folgt aus §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO. Bei der Sicherheitsleistung zur Abwendung der Räumung hält das Gericht eine Jahresnettomiete zuzüglich der Vollstreckungskosten für angemessen (vgl. Beschluss des KG Berlin vom 04.05.2010, Az. 6 U 174/09). Die monatliche Nettomiete beträgt 294,39 € monatlich.

26
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Zahlungsanspruchs und der Kosten folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

27
IV. Eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO wird nicht gewährt. Bei der Bewilligung einer Räumungsfrist hat das Gericht die Interessen beider Parteien gegeneinander abzuwägen. Die Klägerin hat hier aufgrund von nachhaltiger Störung des Hausfriedens gekündigt. Die Klägerin hat die Beklagte abgemahnt. Die übrigen Mieter der Klägerin haben in der mündlichen Verhandlung die massiven Lärmbeeinträchtigungen durch die Klägerin und die für sie damit einhergehenden psychischen Belastungen eindrücklich beschrieben. Es sind Mietminderungen zu befürchten. Das Gläubigerinteresse überwiegt.

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