Zur Ausübung des Frachführerpfandrechts

OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.09.2012 – I-3 VA 4/12, 3 VA 4/12

1. Die rechtskräftige Abweisung einer Zahlungsklage des Pfandgläubigers auf Fracht/Lagerlohn gegen den Eigentümer des mit seinem Einverständnis eingelagerten Frachtguts hindert nicht die Verwertung für Forderungen des Versenders aus dem Frachtvertrag.(Rn.24)(Rn.28)

2. Die Forderung des Pfandgläubigers (hier: Spediteur/Frachtführer) auf Frachtlohn gegen den Versender gilt bis zur Abwicklung der Verwertung des Sicherungsguts als fortbestehend, auch wenn die versendende GmbH aufgelöst und im Register gelöscht ist.(Rn.27)

3. Einwendungen des Eigentümers des Einlagerungsguts gegen den Pfandverkauf hindern den Pfandgläubiger (hier: Spediteur/Frachtführer) nicht, den Verkauf zu betreiben; der Eigentümer muss sie durch Unterlassungsklage geltend machen.(Rn.32)

4. Die Anweisung des Gerichtsvollziehers zur Vornahme der öffentlichen Versteigerung wegen einer Gesamtforderung bestimmter Höhe ist mit Blick auf die eingeschränkte gerichtliche Prüfungskompetenz im Verfahren nach §§ 23 EGGVG im Zweifel nicht auszusprechen.(Rn.33)

(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

Der Bescheid des Antragsgegners vom 07. Mai 2012 wird aufgehoben.

Der Antragsgegner wird angewiesen, die Pfandverwertung nicht unter Bezug auf das klageabweisende Urteil des Landgerichts Krefeld (7 O 87/05) abzulehnen.

Geschäftswert: 26.165,09 Euro

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin richtete an die K. Verwaltungs GmbH (K.) unter dem 21. Oktober 2003 ein schriftliches Angebot zur Durchführung eines Umzuges einschließlich Be- und Entladen von Hamburg über Krefeld nach Grünwald bei München zum Nettopreis von 8.621,- Euro. Den Vertrag unterzeichnete am 24. Oktober 2003 die Geschäftsführerin der K. (B. T.). Mit Blick auf eine Terminverschiebung änderte die Antragstellerin unter dem 16. März 2004 das Angebot auf 11.764,66 Euro; in einem an die Antragstellerin gerichteten Schreiben vom 23. September 2005 hielt die K. fest, der Umzug habe nicht stattgefunden; somit habe man ihr, der Antragstellerin, den Einlagerungsauftrag von monatlich 150,- Euro für das Mobiliar des Herrn T. erteilt; der gesamte Auftrag solle nunmehr bis einschließlich 30. September 2005 komplett abgerechnet werden; man weise darauf hin, dass das Mobiliar nicht Eigentum der K. sei.

2

Die K. ist am 13. April 2006 wegen Vermögenslosigkeit im Handelregister gelöscht worden; zuvor war ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden. B 1. T. ist am 23. Dezember 2005 als Geschäftsführerin ausgeschieden und ihr Ehemann J. T. wurde zum Liquidator bestellt.

3

Zum Teil stellte die Antragstellerin Lagerkosten J. T. in Rechnung.

4

Die Antragstellerin hatte J. T. vor dem Landgericht Krefeld – 7 0 87/05 – klageweise auf Zahlung in Höhe von 9.779,59 Euro in Anspruch genommen und geltend gemacht, dieser sei Vertragspartner geworden und habe als Eigentümer des Umzugsgutes die Kosten für den Umzug und die Einlagerung zu zahlen. Zudem sei die K. zum Zeitpunkt der Auftragserteilung und Durchführung des Transports am 05. April 2004 bereits zahlungsunfähig gewesen. T. sei ausschließlich der Ansprechpartner für die K. gewesen; er habe sie, die Antragstellerin, über die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der K. getäuscht und sei ihr, der Antragstellerin, deshalb jedenfalls „aus Delikt“ zum Schadensersatz, verpflichtet.

5

Das Landgericht hat am 30. März 2007 die Klage abgewiesen, weil T. weder aus einem Vertrag mit der Antragstellerin hafte, noch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder außervertragliche Schadensersatzansprüche bestünden.

6

Die Antragstellerin forderte darauf J. T. mit Schreiben vom 17. November 2009, 25. März und 12. September 2011 auch zur Zahlung der Kosten von 1.999,20 Euro für das Verkehrswertgutachten des Sachverständigen W. auf und drohte für den Fall, dass er die Forderung nicht binnen Monatsfrist ausgleiche, den Pfandverkauf der (unter der Anschrift in Krefeld) eingelagerten Gegenstände an.

7

Die Antragstellerin bat unter dem 28. Oktober 2011 die Gerichtsvollzieherin L. um Pfandverkauf, wobei sie die Auffassung vertrat, dass das Pfandrecht ungeachtet des Urteils des Landgerichts Krefeld vom 30. März 2007 bestehe, weil sie das Umzugsgut des J. T. mit dessen Willen in Besitz genommen habe.

8

Die (nicht zuständige) Gerichtsvollzieherin L. lehnte unter dem 19. Oktober 2011 das Gesuch der Antragstellerin um Pfandverkauf ab, weil J. T. das Urteil des Landgerichts Krefeld vorgelegt habe, das dem Pfandverkauf entgegen stehe.

9

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner unter dem 14. Februar 2012 mit der Verwertung der gepfändeten – vom Sachverständigen mit etwa 21.015 Euro bewerteten – Gegenstände wegen einer Gesamtforderung von angeblich 26.165,99 Euro beauftragt, was dieser mit Bescheid vom 07. Mai 2012 unter Bezugnahme auf die Begründung der Gerichtsvollzieherin L., die nach wie vor gelte, abgelehnt hat.

10

Nunmehr sucht die Antragstellerin unter dem 22. Mai/11. Juni 2012 um gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG nach, mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, den Pfandverkauf durchzuführen.

11

Sie beantragt,

12

den Antragsgegner anzuweisen, den Pfandverkauf der in dem Wertgutachten des Sachverständigen W. vom 07.03.2011 und der in dem Schreiben vom 12.09.2011 an Rechtsbeistand B. beigefügten weiteren Liste aufgelisteten Gegenstände wegen einer Gesamtforderung in Höhe von 26.165,09 Euro durchzuführen.

13

Die Antragstellerin macht geltend, der Absender brauche nicht Eigentümer des Gutes gewesen zu sein, damit das Pfandrecht an den zur Beförderung übergebenen Gegenständen entstehe; Verfügungsmacht genüge, je nach den Umständen auch ein konkludentes Einverständnis des Eigentümers mit der Beförderung. Die Firma K. habe bei der Auftragserteilung im Einverständnis des Eigentümers J. T. gehandelt. Er habe die Verhandlungen für den Absender mit der Antragstellerin geführt und damit zu erkennen gegeben, dass er mit der Beförderung durch die Antragstellerin einverstanden gewesen sei. Im Übrigen fungiere er auch als Liquidator der erloschenen Firma K.. J. T. habe überdies gegen die Antragstellerin schon vergeblich unter Berufung auf sein Eigentum auf Herausgabe des Umzugsgutes geklagt; auf den gerichtlichen Hinweis, dass nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ein Pfandrecht der Antragstellerin bestehe, habe er die Klage zurückgenommen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

II.

15

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.

1.

16

Anerkanntermaßen ist gegen eine von einem Gerichtsvollzieher ausgesprochene Ablehnung einer öffentlichen Versteigerung in einem ihm gesetzlich zugewiesenen Bereich, insbesondere bei einem Pfandverkauf nach §§ 1234 ff BGB aufgrund gesetzlicher Ermächtigung, ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff EGGVG eröffnet (Senat, MDR 2008, 1365; OLG Hamm, Beschluss vom 02. März 1998 in Sachen 15 VA 1/98; OLG Frankfurt DGVZ 1998, S. 121 f.; OLG Köln OLGR 2000, S. 340 ff.; OLG München, Beschluss vom 15. März 2006 in Sachen 9 VA 1/06; Zöller-Lückemann, ZPO, 29. Auflage 2012, § 23 EGGVG Rdz. 10). Um einen Pfandverkauf aufgrund gesetzlicher Ermächtigung geht es hier, da sich die Antragstellerin eines gesetzlichen Pfandrechts berühmt.

2.

17

Der Antrag hat – in dem aus dem Beschlussausspruch ersichtlichen Umfang – Erfolg.

18

Die Verneinung von Zahlungsansprüchen der Antragstellerin gegen J. T., den Ehemann der früheren Geschäftsführerin der K., steht der Pfandverwertung durch den Antragsgegner nicht entgegen.

a)

19

Nach § 26 Nr. 1 der Gerichtsvollzieherordnung (GVO) hat ein Gerichtsvollzieher nur Aufträge zur Vornahme unzulässiger Amtshandlungen abzulehnen; nach den bestehenden Vorschriften zulässige Aufträge, für deren Erledigung er zuständig ist, darf er nur dann ablehnen, wenn er dies nach der Geschäftsanweisung oder sonstigen Verwaltungsbestimmungen muss oder kann (§ 26 Nr. 2 Satz 1 GVO). Ein derartiger Ablehnungsfall ist in § 238 Nr. 2 Satz 5 GVGA geregelt, wonach der Gerichtsvollzieher einen Auftrag zu einem offenbar unzulässigen Pfandverkauf abzulehnen hat.

b)

aa)

20

Der Frachtführer hat wegen aller durch den Frachtvertrag begründeten Forderungen sowie wegen unbestrittener Forderungen aus anderen mit dem Absender abgeschlossenen Fracht-, Speditions- oder Lagerverträgen ein Pfandrecht an dem Gut, §§ 441 Abs. 1 Satz 1, 475b HGB.

21

Das Pfandrecht gemäß § 441 HGB sichert allein vertragliche Forderungen und setzt daher voraus, dass zwischen dem Frachtführer und dem Absender ein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist (Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 2. Auflage 2009 § 441 Rdz. 2). Der Frachtführer muss den Besitz an dem Gut mit dem Willen des Absenders erlangt haben, wobei dieser entweder selbst Eigentümer oder auf Grund des Einverständnisses des Eigentümers mit dem Transport (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1546; Baumbach/Hopt-Merkt, HGB, 35. Auflage 2012, § 441 Rdz 1) insoweit gemäß § 185 BGB verfügungsberechtigt oder immerhin gemäß § 366 Abs. 3 HGB in der Lage gewesen sein muss, dem Frachtführer – in Bezug auf konnexe Forderungen – einen gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts zu vermitteln (Schaffert, a.a.O. Rdz. 3).

22

Der beim Fehlen eines Einverständnisses in dem oben dargestellten Sinn gemäß § 366 Abs. 3 HGB mögliche gutgläubige Erwerb des Pfandrechts setzt bei durch den betreffenden Frachtvertrag begründeten Forderungen voraus, dass der Frachtführer ohne grobe Fahrlässigkeit auf das Eigentum des Absenders oder dessen Verfügungsbefugnis im Sinne des § 185 BGB vertraut hat und es sich auch nicht um im Sinne des § 935 BGB abhanden gekommenes Gut handelt. Wenn der Frachtführer das Gut von einer anderen Person als dem Absender erhält, die nur scheinbar auf dessen Weisung handelt, genügt, wie der Umkehrschluss aus § 366 Abs. 3 Halbsatz 2 HGB ergibt, der gute Glaube an den Anschein der Weisung (Schaffert, a.a.O. Rdz. 4).

bb)

(a)

23

Auf dieser Grundlage kann der Antragsgegner zwar nicht annehmen, dass die Antragstellerin das von ihr beanspruchte Pfandrecht deshalb erworben hat, weil die Versenderin bzw. Absenderin (K.) Eigentümerin des Gutes war. Denn es handelte sich – wie die Liste zeigt und was der Antragstellerin ausweislich ihres Schreibens vom 16. März 2004 bekannt war – um Haushaltsgut des J. T.

(b)

24

Allerdings spricht alles dafür, dass die Antragstellerin den Besitz an dem Gut mit dem Willen des Absenders auf Grund des Einverständnisses des Eigentümers mit dem Transport erlangt hat.

25

Die K. hat, vertreten durch ihre damalige Geschäftsführerin B. T., die Ehefrau des J. T., am 24. Oktober 2003 den „Umzugsvertrag“ unterschrieben und mit Schreiben vom 23. September 2005 bestätigt, dass es bei den erteilten Auftrag um den Umzug des Mobiliars des J. T. geht. Dass die K. ohne Einverständnis mit J. T. den Transport seines Haushaltsguts in Auftrag gegeben hat, würde nicht nur der Lebenserfahrung widersprechen; hierfür besteht nicht der geringste Anhalt. Damit durfte die Antragstellerin annehmen, dass, wenn ihr das Transportgut nicht sogar von J. T. übergeben worden ist, dieser jedenfalls mit der Übergabe an sie zum Zwecke des Transports einverstanden war.

26

Hiernach muss auch der Antragsgegner davon ausgehen, dass die Antragstellerin den Besitz an dem Gut mit dem Willen des Absenders (K.) und auf Grund des Einverständnisses des Eigentümers (T.) mit dem Transport erlangt hat.

cc)

27

Die Forderung der Antragstellerin gegen die K. auf Frachtentgelt besteht als solche in pfändungsrelevanter Form fort. Dagegen steht nicht, dass die Firma K. aufgelöst und im Register gelöscht ist. Das Schuldverhältnis erlischt zwar, wenn der Schuldner ersatzlos wegfällt, was bei Juristischen Personen vorstellbar ist. Erforderlich ist, dass die Rechtspersönlichkeit endgültig erloschen ist; die Löschung im Register genügt wegen ihrer nur deklaratorischen Bedeutung nicht (BGH NJW 1968, 297; Palandt-Grüneberg, BGB 70. Auflage 2011, Überbl v § 362 Rdz. 4). Jedenfalls haften die Sicherheiten weiter (BGH NJW 1982, 875), mit der Folge, dass die Forderung bis zur Abwicklung der Sicherheit als fortbestehend gilt (MünchKomm-Fetzer, BGB 6. Auflage 2012, Vorbemerkung § 362 Rn. 5; Palandt-Grüneberg, a.a.O.).

28

Hiernach darf der Antragsgegner die Pfandverwertung nicht unter Bezug auf das klageabweisende Urteil des Landgerichts Krefeld (7 O 87/05) ablehnen, was der Senat gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 EGGVG auszusprechen hat.

dd)

(a)

29

Mit Eintritt der Pfandreife ist der Pfandgläubiger zur Verwertung berechtigt. Für diesen Zeitpunkt stellt § 1228 Abs. 2 BGB einzig und allein auf die gänzliche oder teilweise Fälligkeit (§ 271 BGB) der gesicherten Forderung ab. Weder ist Verzug des Schuldners erforderlich, noch stehen ein Bestreiten der Forderung oder Einreden der Pfandreife entgegen (Sosnitza in BeckOK- Bamberger/Roth BGB Stand 01.03.2011 § 1228 Rn. 4).

30

Der Gesetzgeber hat eine gerichtliche Feststellung der Pfandreife nicht für erforderlich gehalten und deshalb auf weitere Voraussetzungen wie einen vollstreckbaren Titel oder eine gerichtliche Verkaufsermächtigung verzichtet (Staudinger-Wiegand, BGB Neubearbeitung 2009 § 1228 Rn 12 unter Hinweis auf Mot III 818).

31

Eine weitere Prüfung der Berechtigung der Pfandverwertung findet demnach im vorliegenden Verfahren nicht statt. Einer gerichtlichen Feststellung der Pfandreife oder eines Vollstreckungstitels bedarf es nicht. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Betrag der Forderung unstreitig ist (OLG München – 9 VA 1/06 – vom 15.03.2006 bei Juris).

32

Erhebt der Eigentümer Einwendungen gegen den Pfandverkauf, so hindert das den Pfandgläubiger nicht, den Verkauf zu betreiben. Der Eigentümer muss vielmehr Klage auf Unterlassen des Verkaufs erheben (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB; MünchKomm- Damrau, BGB 5. Auflage 2009 § 1234 Rn 8).

(b)

33

Hiernach kann der Senat nicht die von der Antragstellerin begehrte Verpflichtung des Antragsgegners zur Vornahme der öffentlichen Versteigerung wegen einer Gesamtforderung in Höhe von 26.165,09 Euro aussprechen, denn die nähere Überprüfung einzelner Bestandteile bzw. der Höhe der von der Antragstellerin geltend gemachten Gesamtforderung ist dem Senat in diesem Verfahren verwehrt.

II.

34

Ein Ausspruch über die gerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem Senat erübrigt sich, §§ 30 Abs. 1 Satz 1 EGGVG, 131 Abs. 1 Satz 2 KostO. Eine Erstattungsanordnung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin nach § 30 Abs. 2 Satz 1 EGGVG ist nicht veranlasst. Eine derartige Erstattung ist die Ausnahme, hierfür müssen besondere Billigkeitsgründe sprechen. Daran fehlt es. Der ablehnende Bescheid des Antragsgegners stellt kein offensichtlich oder gar grob fehlerhaftes Verwaltungshandeln dar.

35

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 30 Abs. 3 Satz 1 EGGVG, 30 Abs. 1 KostO

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