Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 08. März 2013 – 5 UF 9/13
Die Verlängerung einer befristeten Schutzanordnung nach § 1 GewSchG setzt voraus, dass der Antragsteller eine Zuwiderhandlung gegen die Anordnung während ihrer ursprünglichen oder ggf. bereits verlängerten Geltungsdauer glaubhaft macht.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bremen vom 18.01.2013 aufgehoben und der Verlängerungsantrag der Antragstellerin vom 10.12.2013 zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Antragstellerin.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens beträgt € 1.000,00.
Gründe
I.
1
Die Beteiligten sind miteinander verheiratet und leben getrennt. Aus ihrer Ehe ist ein am 30.05.2012 geborenes Kind hervorgegangen, das bei der Antragstellerin lebt.
2
Mit Beschluss vom 27.12.2011 hat das Familiengericht auf den am selben Tag von der Antragstellerin gestellten Antrag im Wege einstweiliger Anordnung bis zum 27.06.2012 befristete Schutzanordnungen nach § 1 GewSchG gegen den Antragsgegner getroffen, ihm unter anderem jegliche Kontaktaufnahme zur Antragstellerin untersagt. Wegen von der Antragstellerin glaubhaft gemachter Verstöße gegen diese Anordnungen hat das Familiengericht mit Beschluss vom 21.02.2012 gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld in Höhe von € 500,00, ersatzweise Ordnungshaft von 5 Tagen, verhängt. Mit Beschluss vom 27.06.2012 hat es mit Rücksicht auf weitere von der Antragstellerin glaubhaft gemachte Zuwiderhandlungen des Antragsgegners gegen die Unterlassungsanordnungen aus dem Beschluss vom 27.12.2011 diese bis zum 27.12.2012 verlängert.
3
Die Staatsanwaltschaft Bremen legt dem Antragsgegner mit Anklageschrift vom 07.08.2012 (Gesch.-Nr.: 180 Js 8360/12) diverse Straftaten, unter anderem Vergewaltigung und Körperverletzung, zum Nachteil der Antragstellerin, begangen zwischen August 2011 und Juni 2012, zur Last.
4
Am 10.12.2012 hat die Antragstellerin beim Familiengericht die erneute Verlängerung der Anordnungen aus dem Beschluss vom 27.12.2011 um weitere 6 Monate beantragt. Nach mündlicher Verhandlung vom 18.01.2013, an der der Antragsgegner aus gesundheitlichen Gründen nicht teilgenommen hat, hat das Familiengericht mit Beschluss vom selben Tag im Wege einstweiliger Anordnung die einstweilige Anordnung vom 27.12.2011 bis zum 17.07.2014 verlängert.
5
Gegen diesen Beschluss, der ihm am 23.01.2013 zugestellt worden ist, wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 04.02.2013 eingelegten Beschwerde, zu der die Antragstellerin sich innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht geäußert hat.
II.
6
Die zulässige (§§ 57 S. 2 Nr. 4, 58 ff. FamFG) Beschwerde ist begründet.
7
Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der einstweiligen Anordnung vom 27.12.2011 über den 27.12.2012 hinaus liegen nicht vor. Die Verlängerung einer bestehenden Anordnung ist nur dann möglich, wenn während der Geltungsdauer Zuwiderhandlungen gegen die Anordnung vorgekommen sind (vgl. von Pechstaedt, NJW 2007, 1233, 1235).
8
Entgegen der Auffassung des Familiengerichts ist hier aber nicht feststellbar, dass der Antragsgegner nach der mit Beschluss vom 27.06.2012 erfolgten Verlängerung der Schutzanordnungen nochmals gegen diese verstoßen hat. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es zu der im einstweiligen Anordnungsverfahren ausreichenden Glaubhaftmachung einer Tatsachenbehauptung (§§ 31, 51 Abs. 1 S. 2 FamFG) nicht der vollen gerichtlichen Überzeugung bedarf, sondern ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung genügt, der bereits dann vorliegt, wenn bei freier Würdigung des gesamten Verfahrensstoffes eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür streitet, dass sie zutrifft (vgl. OLG Saarbrücken, NJOZ 2011, 7). Auch nach diesem Maßstab kann das Vorliegen von Tatsachen, die die mit dem angefochtenen Beschluss vorgenommene weitere Verlängerung der einstweiligen Anordnung vom 27.12.2011 rechtfertigen, nicht bejaht werden.
9
Die vom Familiengericht im Termin vom 18.01.2013 vernommenen Zeuginnen (Mutter und Schwester der Antragstellerin) konnten aus eigener Wahrnehmung lediglich Angaben zu Anrufen einer unbekannten Person machen, bei der es sich jedenfalls nicht um den Antragsgegner handelte. Dass dieser die Anrufe eines Dritten bei der Antragstellerin veranlasst hat, ist zwar nicht auszuschließen, aber weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht. Soweit es in der Vernehmung um einen Anruf des Antragsgegners bei der Antragstellerin ging, haben die Zeuginnen lediglich angegeben, dass die Antragstellerin ihnen von einem solchen Anruf erzählt habe, ohne jedoch nähere Angaben zum Inhalt eines derartigen Gesprächs machen oder sich hinreichend konkret daran erinnern zu können, wann das Gespräch stattgefunden haben soll. Die Antragstellerin selbst hat zu dem von ihr behaupteten Anruf des Antragsgegners vom 06.12.2012 zwar mit Schriftsatz vom 16.01.2013 näher vorgetragen und die Richtigkeit dieses Vortrags eidesstattlich versichert. Der Antragsgegner hat indes mit der im Termin vom 18.01.2013 von seinem Verfahrensbevollmächtigten überreichten eidesstattlichen Versicherung die Kontaktaufnahme zur Antragstellerin in Abrede gestellt. Vor dem Hintergrund der sich widersprechenden eidesstattlichen Versicherungen der Beteiligten und zumal die Antragstellerin sich im Beschwerdeverfahren nicht eingelassen hat, liegen keine Umstände vor, die für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit ihres Vorbringens sprechen, so dass es an einer Glaubhaftmachung einer nach dem 27.06.2012 erfolgten Zuwiderhandlung des Antragsgegners gegen die einstweilige Anordnung vom 27.12.2011, die deren weitere Verlängerung über den 27.12.2012 hinaus rechtfertigen würde, fehlt. Insbesondere hat die Antragstellerin auch angebliche Kontaktaufnahmen des Antragsgegners über Facebook weder hinreichend substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht.
10
Nach alledem waren der angefochtene Beschluss aufzuheben und der Verlängerungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen. Es bleibt der Antragstellerin unbenommen, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, einen erneuten Antrag auf Erlass von Anordnungen nach § 1 GewSchG zu stellen.
11
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG, die Wertfestsetzung auf §§ 40 Abs. 1, 41, 49 FamGKG.