Zur Verhängung von Ordnungshaft nach Verstoß gegen eine Gewaltschutzanordnung

Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 12.06.2017 – 5 UF 14/17

Es begegnet keinen Bedenken, wenn das Familiengericht – bei fehlenden Anhaltspunkten für eine vom Schuldner darzulegende und zu beweisende Schuldunfähigkeit – im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens bei Anordnung einer Ordnungshaft von 40 Tagen wegen zweier Verstöße gegen eine Gewaltschutzanordnung u.a. auf Unterschiede in Alter und körperlicher Verfassung der Beteiligten sowie die aus anderen Verfahren bekannte Neigung des Antragsgegners abstellt, schwächeren Personen gegenüber bedrohlich aufzutreten, um vermeintliche Ansprüche durchzusetzen.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bremen vom 23.11.2016 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 1.000 festgesetzt.

Gründe
I.

1
Der Antragsgegner wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde vom 6.12.2016 gegen die mit dem ihm am 25.11.2016 zugestellten Beschluss des Familiengerichts vom 23.11.2016, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, erfolgte Festsetzung einer Ordnungshaft von 40 Tagen wegen zweier – Anfang Februar 2016 und am 10.5.2016 begangener – Verstöße gegen vom Familiengericht auf Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 15.12.2015 im Wege einstweiliger Anordnung getroffene, bis zum 15.5.2016 befristete Unterlassungsanordnungen nach § 1 Gewaltschutzgesetz. Zur Begründung seines Rechtsmittels macht er im Wesentlichen geltend, mit der Frage seiner Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Verstöße gegen die Gewaltschutzanordnung habe sich das Familiengericht trotz Kenntnis seines Suchtproblems und bestehender rechtlicher Betreuung nicht auseinandergesetzt. Hätte es dies getan, hätten sich durchgreifende Zweifel an der Schuldfähigkeit ergeben. Ergänzend nimmt der Antragsgegner Bezug auf ein im Ermittlungsverfahren 211 Js 14526/16 von der Staatsanwaltschaft Bremen eingeholtes psychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 8.11.2016.

2
Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 23.2.2017, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

3
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

4
Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Die objektiven Voraussetzungen für die Festsetzung von – in der einstweiligen Anordnung vom 15.12.2015 angedrohten (§ 890 Abs. 2 ZPO) – Ordnungsmitteln nach dem über § 96 Abs. 1 S. 3 FamFG anwendbaren § 890 Abs. 1 ZPO liegen unstreitig vor.

5
Das Familiengericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die beiden Verstöße gegen die Gewaltschutzanordnung von dem Antragsgegner schuldhaft vorgenommen worden sind. In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 23.2.2017 hat das Familiengericht im Einzelnen – und von dem Antragsgegner unwidersprochen – dargelegt, dass und wie es die Frage der Schuldfähigkeit – mit positivem Ergebnis – geprüft hat. Dies findet seine Bestätigung in der vom Senat unter anderem beigezogenen Akte des Verfahrens des Familiengerichts zur Gesch.-Nr. 65 F 3108/16, bei dem es sich ersichtlich um das vom Familiengericht im Nichtabhilfebeschluss vom 23.2.2017 genannte Parallelverfahren handelt. In den Gründen des dortigen Beschlusses hat das Familiengericht festgestellt, dass sich aus dem im Betreuungsverfahren des Antragsgegners eingeholten psychiatrischen Gutachtens unter anderem ergebe, dass der Antragsgegner an einer chronischen Suchterkrankung leide, jedoch als voll steuerungsfähig anzusehen sei. Zutreffend weist das Familiengericht im Nichtabhilfebeschluss vom 23.2.2017 – von dem Antragsgegner ebenfalls unwidersprochen – darüber hinaus darauf hin, dass sich auch nichts anderes aus dem von dem Antragsgegner vorgelegten, im Auftrag der Staatsanwaltschaft Bremen erstellten Gutachten ergibt. Im Gegenteil wird dort unter anderem (S. 73 f. des Gutachtens) bezogen auf die Zeitspanne Dezember 2015 bis Februar 2016 (vgl. S. 72 des Gutachtens) ausgeführt, dass sich bei dem Antragsgegner keine „über die chronische Reizbarkeit, eine gewissermaßen xenophobische Einstellung des Probanden und die, lt. polizeilicher Einschätzung beim Einsatz am 25.1.2016 vorgefundene, „leichte Alkoholisierung“ hinausgehenden Merkmale, die für die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bzgl. des verbal aggressiven Verhaltens des Probanden sprechen könnten“ fänden. Vor diesem Hintergrund fehlender konkreter Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit des Antragsgegners sowie unter Berücksichtigung des Umstands, dass den Antragsgegner für seine Schuldunfähigkeit im Zeitpunkt der in Rede stehenden Zuwiderhandlungen die Beweislast trifft (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 890 Rn. 5; Prütting/Gehrlein/Olzen, ZPO, 7. Aufl., § 890 Rn. 23 a. E.), kann seine – nicht näher substantiierte und durch nichts belegte – Behauptung mangelnder Schuldfähigkeit dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen.

6
Der angefochtene Beschluss ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für die vom Familiengericht getroffene – vom Antragsgegner im Übrigen gar nicht gerügte – Auswahl des konkreten Ordnungsmittels. Die Anordnung von 40 Tagen Ordnungshaft erscheint dem Senat im vorliegenden Fall aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, nicht unverhältnismäßig. Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO haben eine Doppelfunktion. Sie dienen sowohl der Prävention als auch der strafähnlichen Sanktionierung pflichtwidrigen Verhaltens des Schuldners (vgl. Prütting/Gehrlein/Olzen, a. a. O., Rn. 2). Das Gericht entscheidet über die Auswahl des Ordnungsmittels nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Prütting/Gehrlein/Olzen, a. a. O., Rn. 16). Dabei sind alle Gründe des Einzelfalles, unter anderem Art, Dauer, Umfang und Gefährlichkeit des Verstoßes, der Verschuldensgrad und der Zweck der Ordnungsmittel zu berücksichtigen (vgl. Prütting/Gehrlein/Olzen, a. a. O., Rn. 17). Ermessensfehler des Familiengerichts sind weder vom Antragsgegner aufgezeigt noch sonst erkennbar. Insbesondere begegnet es keinen Bedenken, dass das Familiengericht unter anderem auf Unterschiede in Alter und körperlicher Verfassung der Beteiligten sowie auf die ihm aus diversen anderen Verfahren – dem Senat haben zu Einsichtnahme Gewaltschutzverfahren gegen den Antragsgegner zu den Geschäftsnummern 65 F 3108/16, 65 F 6671/15, 65 F 4643/15 und 65 F 1024/17 vorgelegen – bekannte Neigung des Antragsgegners, schwächeren Personen gegenüber bedrohlich aufzutreten, um vermeintliche Ansprüche durchzusetzen, abgestellt hat.

7
Ob – worauf das dem Senat vorliegende Vollstreckungsblatt (Bl. 197 d. A.) hindeutet – der Antragsgegner die hier in Rede stehende Ordnungshaft bereits verbüßt hat, kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob durch die Verbüßung ggf. das Rechtsschutzbedürfnis für die sofortige Beschwerde entfallen ist, da aus den vorgenannten Gründen das Rechtsmittel unabhängig von der Frage seiner Zulässigkeit offensichtlich unbegründet ist (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 572 Rn. 20).

8
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 87 Abs. 5 FamFG, die Wertfestsetzung auf §§ 41, 49 Abs. 1 FamGKG, 25 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 RVG.

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