Zu den Grenzen der Anforderungen an die ärztliche Aufklärung des Krankenhauspatienten über Behandlungsalternativen

BGH, Urteil vom 22.09.1987 – VI ZR 238/86

Solange dem Patienten im Krankenhaus eine Behandlung geboten wird, die dem jeweils zu fordernden medizinischen Standard genügt, ist er nicht darüber aufzuklären, daß dieselbe Behandlung andernorts mit besseren personellen und apparativen Mitteln und deshalb mit einem etwas geringeren Komplikationsrisiko möglich ist. Anderes gilt, sobald neue Verfahren sich weitgehend durchgesetzt haben und dem Patienten entscheidende Vorteile bieten.

(Leitsatz des Gerichts)

Tatbestand
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Die Klägerin wurde am 24. Januar 1980 als Kassenpatientin zur Durchführung eines medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruches in die Landesfrauenklinik K. eingewiesen, deren Träger das drittbeklagte Land ist. Dort untersuchte sie der damals als Stationsarzt tätige Zweitbeklagte. Vorgesehen war zusätzlich zu der Schwangerschaftsunterbrechung eine laparoskopische Tubensterilisation mittels Elektrokoagulation. Der Zweitbeklagte, der die Klägerin über Verlauf und Risiken des Eingriffs und insbesondere auch über die Gefahr einer etwaigen Verletzung des Darmes aufgeklärt haben will, händigte der Klägerin eine sogenannte Einwilligungs-Erklärung aus, die die Klägerin und ihr Ehemann unterzeichnet haben. Seinerzeit wurden in der Landesfrauenklinik K. Elektrokoagulationen nur mit sogenanntem monopolarem Hochfrequenzstrom vorgenommen. Auf die Möglichkeit der Verwendung bipolaren Hochfrequenzstromes und die dabei geringere Gefahr von Darmverletzungen wurde die Klägerin nicht hingewiesen. Die Landesfrauenklinik K. erhielt ein entsprechendes Gerät erst Ende 1980.

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Am 25. Januar 1980 operierte der Erstbeklagte, damals Assistenzarzt an der Landesfrauenklinik, die Klägerin, die noch am 30. Januar 1980 aus der stationären Behandlung entlassen wurde. Wegen erheblicher Beschwerden am Unterbauch kehrte sie am 2. Februar 1980 in die Klinik zurück und mußte am 3. Februar 1980 erneut operiert werden. Es stellte sich heraus, daß es bei der ersten Operation zu einer Darmverletzung gekommen war, die zu Entzündungen geführt hatte. Die Klägerin wurde am 15. Februar 1980 aus der Klinik entlassen und mußte sich weiteren ärztlichen Behandlungen unterziehen.

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Die Klägerin, die von den Beklagten Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden sowie Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für Zukunftsschäden begehrt, wirft den beteiligten Ärzten vor, sie nicht ausreichend über die Risiken der mit monopolarer Hochfrequenztechnik ausgeführten Operation aufgeklärt zu haben. Vor allem hätte sie, so meint sie, darüber informiert werden müssen, daß die Technik der Koagulation mit monopolarem Hochfrequenzstrom nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entsprochen und daß es die weit risikoärmere Technik mit bipolarem Hochfrequenzstrom gegeben habe. Dementsprechend aufgeklärt hätte sie sich im Krankenhaus P. operieren lassen, das seinerzeit schon mit bipolarem Hochfrequenzstrom gearbeitet habe.

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Die Beklagten halten die Verwendung von monopolarem Hochfrequenzstrom zur damaligen Zeit nicht für einen Behandlungsfehler und sind der Ansicht, die Ärzte hätten die Klägerin über die im eigenen Krankenhaus nicht zur Verfügung stehende Alternative der Verwendung von bipolarem Hochfrequenzstrom nicht aufzuklären brauchen. Sie machen weiter geltend, die Klägerin hätte sich auch nach einer Aufklärung über diese Alternative mit dem Eingriff in K. einverstanden erklärt. Das drittbeklagte Land beruft sich darüberhinaus darauf, es habe die beteiligten Ärzte ordnungsgemäß ausgesucht und überwacht. Es treffe auch kein Organisationsverschulden.

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Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen die Beklagten zur Zahlung von 39.170 DM nebst Zinsen und die Beklagten zu 1) und 2) zusätzlich zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 18.000 DM verurteilt, ferner gegenüber allen Beklagten deren Ersatzpflicht für Zukunftsschäden der Klägerin festgestellt. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung dieser Rechtsmittel im übrigen alle Beklagten zur Zahlung von 20.000 DM nebst Zinsen und die Beklagten zu 1) und 2) zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 20.000 DM verurteilt, ferner die Verurteilung aller Beklagten auf Feststellung ihrer Ersatzpflicht für Zukunftsschäden bestätigt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

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Mit ihren Revisionen begehren die Beklagten weiter die volle Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe
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I. Das Berufungsgericht stellt fest, daß die Klägerin über Verlauf und Risiken der geplanten Sterilisation mittels Tubenkoagulation ausreichend durch den Zweitbeklagten aufgeklärt, vor allem auch auf die Gefahr einer etwaigen Verletzung des Darmes mit der Folge der Notwendigkeit eines weiteren Eingriffs hingewiesen worden ist. Es sieht eine unzureichende Aufklärung der Klägerin, die deren Einwilligung in die Operation zum Zwecke der Sterilisation unwirksam gemacht habe, darin, daß die Ärzte des drittbeklagten Krankenhausträgers, insbesondere auch die Beklagten zu 1) und 2), es unterlassen haben, die Klägerin darauf hinzuweisen, daß bei einer Elektrokoagulation mittels bipolarem Hochfrequenzstrom das Risiko einer Darmverletzung geringer gewesen sei. Das sei schon längere Zeit vor 1980 in der medizinischen Literatur erörtert worden und habe zu der Empfehlung in gynäkologischen Fachkreisen geführt, nur noch bipolaren Hochfrequenzstrom zu verwenden. Anfang 1980 habe man sich zwar noch in einer Übergangsphase befunden, in der noch eine erhebliche Anzahl von laparoskopischen Tubensterilisationen mit monopolarem Hochfrequenzstrom durchgeführt worden seien. Indessen hätte im Hinblick darauf, daß Darmläsionen ein typisches Risiko bei der Verwendung monopolaren Hochfrequenzstroms seien, dieses Risiko bei der Verwendung bipolaren Hochfrequenzstromes erheblich geringer und der Eingriff zum Zwecke der Sterilisation nicht dringlich gewesen sei, der Klägerin die Entscheidung über die anzuwendende Methode überlassen werden müssen. Eine Wahlmöglichkeit habe sie gehabt, weil etwa in P. schon mit bipolarem Hochfrequenzstrom koaguliert worden sei.

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Nach Ansicht des Berufungsgerichtes entlastet es die beklagten Ärzte nicht, daß das Regierungspräsidium K. keine Einwände gegen das verwandte Aufklärungsformular („Einwilligungs-Erklärung“) gehabt habe, was der Chefarzt Prof. W. den Ärzten mitgeteilt habe. Auch der Erstbeklagte habe die Bedenken gegen die monopolare Hochfrequenztechnik schon kennen müssen. Er habe gewußt, daß die Patientin über eine Alternative von anderen Ärzten nicht aufgeklärt worden sei. Deshalb hätte er, auch wenn ihm die Klägerin schon im narkotisierten Zustand zugeführt worden sei, den Eingriff in Kenntnis der unzureichenden Aufklärung nicht vornehmen dürfen. Das drittbeklagte Land, so meint das Berufungsgericht, habe den Entlastungsbeweis für die beiden beklagten Ärzte nicht geführt, mindestens hafte es wegen eines Organisationsverschuldens. Schließlich hält das Berufungsgericht den Einwand der Beklagten, die Klägerin hätte auch bei vollständiger Aufklärung sich dem Eingriff in der Landesfrauenklinik K. unterzogen, nicht für bewiesen. Vielmehr erscheine die gegenteilige Behauptung der Klägerin glaubhaft.

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II. Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht Stand. Das Berufungsgericht verkennt die Anforderungen, die an eine Aufklärung des in die Klinik zum Zwecke eines operativen Eingriffs eingewiesenen Patienten über alternative Behandlungsmöglichkeiten zu stellen sind. Eine spontane Information der Klägerin darüber, daß in anderen Häusern die Möglichkeit einer laparoskopischen Elektrokoagulation der Tuben mittels bipolarem Hochfrequenzstrom mit geringerem Risiko einer Darmverletzung bestand, war von den beklagten Ärzten vielmehr nicht zu fordern. Deshalb bestehen mangels einer Verletzung des Krankenhausaufnahmevertrages und mangels Vorliegens einer unerlaubten Handlung nach §§ 823 Abs. 1, 847 BGB keine Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten.

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1. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichtes, das sich auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. stützt, war es Anfang 1980 noch kein Behandlungsfehler, zur Sterilisation mittels Tubenkoagulation wie bisher einen Elektrokoagulator zu verwenden, der mit monopolarem Hochfrequenzstrom arbeitete. Die Anschaffung eines Koagulators für bipolaren Hochfrequenzstrom, dessen Verwendung in medizinischen Fachkreisen empfohlen worden war und der vor allem größere Sicherheit vor Darmverletzungen bot, hatte das drittbeklagte Land bereits in die Wege geleitet. Bis das neue Gerät da war, durften die Ärzte in der Landesfrauenklinik K. weiter mit monopolarem Hochfrequenzstrom koagulieren, ohne sich damit dem Vorwurf auszusetzen, unter Verletzung ihrer ärztlichen Pflichten eine veraltete und unsicherere Behandlungsmethode anzuwenden. Über Verlauf und Risiken der Elektrokoagulation mit dem vorhandenen Gerät war die Klägerin vollständig aufgeklärt worden, insbesondere auch über die Gefahr einer selbst bei sorgfältigem Vorgehen nicht vermeidbaren Darmverletzung.

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2. Eine Verpflichtung der Ärzte zu einer weitergehenden Aufklärung der Klägerin darüber, daß die insoweit deutlich risikoärmere Elektrokoagulation mit bipolarem Hochfrequenzstrom sich inzwischen weitgehend durchgesetzt hatte, daß in anderen Krankenhäusern schon mit den neuen Geräten gearbeitet wurde (so auch im nicht allzuweit entfernten Krankenhaus P.), und daß auch die Landesfrauenklinik K. in absehbarer Zeit einen mit bipolarem Hochfrequenzstrom arbeitenden Elektrokoagulator verwenden werde, kann indessen nach Ansicht des Senates nicht anerkannt werden.

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a) Im allgemeinen hat ein Arzt dem Patienten ungefragt nicht zu erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen und was für und gegen die eine oder andere dieser Methoden spricht, solange er eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt. Die Wahl der Behandlungsmethode ist, wie der Senat bereits ausgesprochen hat, primär Sache des Arztes (Senatsurteil vom 11. Mai 1982 – VI ZR 171/80NJW 1982, 2121, 2122 = VersR 1982, 771 = AHRS Kza 5000/5). Der Arzt darf in der Regel davon ausgehen, daß der Patient insoweit seiner ärztlichen Entscheidung vertraut und keine eingehende fachliche Unterrichtung über speziell medizinische Fragen erwartet.

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b) Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten, dem stets die Entscheidung darüber zusteht, ob und in welchem Umfange er einem ihm angeratenen ärztlichen Heileingriff mit den damit verbundenen Chancen und Risiken für seinen Körper und seine Gesundheit zustimmen will, kann darüber hinaus freilich auch die Unterrichtung über alternativ zur Verfügung stehende Behandlungsmöglichkeiten erfordern. Der erkennende Senat hat das für bestimmte Fallgruppen bereits ausgesprochen. Stehen für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere Behandlungsmethoden zur Verfügung, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten, muß der Patient – selbstverständlich nach sachverständiger und verständnisvoller Beratung des Arztes – selbst prüfen können, was er an Belastungen und Gefahren im Hinblick auf möglicherweise unterschiedliche Erfolgschancen der verschiedenen Behandlungsmethoden auf sich nehmen will (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1974 – VI ZR 141/72NJW 1974, 1422, 1423 = VersR 1974, 752 = AHRS Kza 4230/1, vom 11. Mai 1982 aaO und vom 19. November 1985 – VI ZR 134/84NJW 1986, 780 = VersR 1986, 342). Es geht auch dabei um die dem Patienten geschuldete Verlaufs- und Risikoaufklärung und nicht um dessen therapeutische Beratung (a.A. offenbar OLG Celle VersR 1987, 591). Ähnliches gilt dann, wenn die vom Arzt vorgeschlagene Behandlungsmethode ernsthaft umstritten ist (Senatsurteil vom 27. September 1977 – VI ZR 162/76NJW 1978, 587 = VersR 1978, 41). Ist schließlich eine Spezialbehandlung angezeigt, die in der betreffenden Klinik nicht durchgeführt werden kann, ist ohnehin eine Weiterverweisung des Patienten erforderlich; die Unterlassung wäre im allgemeinen bereits ein ärztlicher Behandlungsfehler (insofern zutreffend OLG Celle aaO).

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c) Die Verpflichtung zur Aufklärung über Behandlungsalternativen hat aber Grenzen. Sie kann, wie der Senat ebenfalls schon ausgesprochen hat, einmal nur da verlangt werden, wo der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat. So ist er ungefragt nicht über neue diagnostische und therapeutische Verfahren, die sich erst in Erprobung befinden und erst in einigen Großkliniken zur Verfügung stehen, zu unterrichten (Senatsurteil vom 28. Februar 1984 – VI ZR 106/82NJW 1984, 1810 = VersR 1984, 470 = AHRS Kza 5000/8). Darüber hinaus muß eine etwaige Kenntnis über theoretisch in Betracht kommende, möglicherweise anderswo praktizierte Behandlungsalternativen für den Patienten in seiner jeweiligen Situation entscheidungserheblich sein. Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn diese anderen, theoretisch in Betracht kommenden ärztlichen Maßnahmen keine besonders ins Gewicht fallenden Vorteile hinsichtlich der Heilungschancen und möglicher Komplikationen derselben Risikogruppe haben und nach medizinischer Erfahrung jedenfalls nicht besser indiziert sind, schließlich wenn die ärztliche Versorgung des Patienten mit den vorhandenen persönlichen und operativen Möglichkeiten im Vordergrund steht (vgl. dazu das Senatsurteil vom 11. Mai 1982 aaO). Die Beteiligung des Patienten an dem ärztlichen Entscheidungsprozeß über das Therapieprogramm ist zur Wahrung seines Bestimmungsrechtes nur in dem Umfang erforderlich, der durch sein Interesse als medizinischer Laie an dem Erhalt der für sein weiteres Patientenschicksal wesentlichen medizinischen Fakten bestimmt wird. So hat der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung auch stets die Ansicht vertreten, daß eine Verlaufs- und Risikoaufklärung „im großen und ganzen“ ausreicht.

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d) Grenzen der Aufklärungspflicht über Behandlungsalternativen ergeben sich aber auch aus nachstehenden allgemeinen Erwägungen, die Inhalt und Umfang der dem Patienten geschuldeten ärztlichen Sorgfalt bei der Durchführung des Heilauftrages bestimmen.

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aa) Der Arzt schuldet seinem Patienten neben einer sorgfältigen Diagnose die Anwendung einer Therapie, die dem jeweiligen Stand der Medizin entspricht. Indessen bedeutet das nicht, daß jeweils das neueste Therapiekonzept verfolgt werden muß, wozu dann auch eine stets auf den neuesten Stand gebrachte apparative Ausstattung gehören müßte. Der Zeitpunkt, von dem ab eine bestimmte Behandlungsmaßnahme veraltet und überholt ist, so daß ihre Anwendung nicht mehr dem einzuhaltenden Qualitätsstandard genügt und damit zu einem Behandlungsfehler wird, ist jedenfalls dann gekommen, wenn neue Methoden risikoärmer sind und/oder bessere Heilungschancen versprechen, in der medizinischen Wissenschaft im wesentlich unumstritten sind und deshalb nur ihre Anwendung von einem sorgfältigen und auf Weiterbildung bedachten Arzt verantwortet werden kann (Deutsch, Arzthaftungsrecht und Arzneimittelrecht, S. 35). Da aber schon aus Kostengründen, anfangs möglicherweise auch wegen eines noch unzureichenden Angebotes auf dem Markt, nicht sofort jede technische Neuerung, die den Behandlungsstandard verbessern kann, von den Kliniken angeschafft werden kann, muß es für eine gewisse Übergangszeit ferner gestattet sein, nach älteren, bis dahin bewährten Methoden zu behandeln, sofern das nicht schon wegen der Möglichkeit, den Patienten an eine besser ausgestattete Klinik zu überweisen, unverantwortlich erscheint. Der rasche Fortschritt in der medizinischen Technik und die damit einhergehende Gewinnung immer neuer Erfahrungen und Erkenntnisse bringt es mit sich, daß es zwangsläufig zu Qualitätsunterschieden in der Behandlung von Patienten kommt, je nach dem, ob sie sich etwa in eine größere Universitätsklinik oder eine personell und apparativ besonders gut ausgestattete Spezialklinik oder aber in ein Krankenhaus der Allgemeinversorgung begeben. In Grenzen ist deshalb der zu fordernde medizinische Standard je nach den personellen und sachlichen Möglichkeiten verschieden. Er kann in einem mittleren oder kleineren Krankenhaus gewahrt sein, wenn jedenfalls die Grundausstattung modernen medizinischen Anforderungen entspricht. Erst eine deutliche Unterausstattung müßte zur Haftung führen, wenn es deswegen zu vermeidbaren Schädigungen der Patientin kommt (vgl. Steffen, Neuere Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., S. 28; Deutsch/Matthies, Arzthaftungsrecht – Grundlagen, Rechtsprechung, Gutachter – und Schlichtungsstellen, 2. Aufl., S. 83f). Freilich wird, wie schon ausgeführt, stets der Patient, dessen Krankheit der Behandlung durch Ärzte mit besonderen medizinischen Kenntnissen und Erfahrungen bedarf, in eine dazu geeignete Spezialklinik weiterverwiesen werden müssen. Im übrigen aber wird das Vertrauen des Patienten in eine sorgfältige und gute ärztliche Behandlung nicht enttäuscht, wenn ihm diejenige Behandlungsqualität geboten wird, die jeweils von dem Krankenhaus und dessen Ärzten nach dem Stand der medizinischen Kenntnisse und Erfahrung erwartet werden muß.

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bb) Das hat Auswirkungen auf den Umfang der geschuldeten Aufklärung über die Wahl der Behandlungsmethode. Der Patient, mit dem Verlauf und Risiken des geplanten, dem im jeweiligen Krankenhaus zu erwartenden medizinischen Standard entsprechenden Eingriffs zutreffend erörtert worden sind, hat damit im allgemeinen eine ausreichende Entscheidungsgrundlage, um eine wirksame Einwilligung nach Abwägung des Für und Wider abzugeben. Daß es häufig personell und apparativ besser ausgestattete Kliniken gibt, daß der medizinische Fortschritt sich zunächst in der Hand von Spezialisten und anfangs nur in wenigen Kliniken entwickelt und durchsetzt, bevor gesicherte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen die neuen Therapiemöglichkeiten zum medizinischen Standard werden lassen, der dann freilich jedem Patienten zu gewähren ist, darf als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Selbstverständlich kann nicht jederzeit jedem Patienten eine Behandlung nach den neuesten Erkenntnissen, mit den modernsten Apparaten und durch ausgesuchte Spezialisten geboten werden. Solche, möglicherweise überzogenen Erwartungshaltungen können im medizinischen Alltag nicht befriedigt werden. Ihnen muß auch nicht dadurch entgegengekommen werden, daß der Patient auf solche, andernorts gebotene, vielleicht dann bessere und risikoärmere Therapiemöglichkeiten hingewiesen wird.

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Das kann anders sein, sobald neue Verfahren sich bereits weitgehend durchgesetzt haben und derart entscheidende Vorteile bieten, daß auch ein Patient, der die auch bei solcher Entwicklung noch dem zu fordernden Standard entsprechende medizinische Grundversorgung in Anspruch nimmt, davon erfahren muß, um für sich entscheiden zu können, ob er sich um die Behandlung nach dem neuesten Stand bemühen oder, sofern das möglich ist, mit der Behandlung abwarten will, bis auch der von ihm aufgesuchte Arzt oder seine Klinik über solche Therapiemöglichkeiten verfügen.

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3. Für den Streitfall bedeutet das: Es bestand in Fachkreisen Einigkeit darüber, daß Sterilisationen mittels Elektrokoagulation, eben wegen des erhöhten Risikos einer Darmverletzung, nicht mehr mit monopolarem, sondern nur noch mit bipolarem Hochfrequenzstrom durchgeführt werden sollten. Von der besonderen Situation der Klägerin, die die Sterilisation im Zusammenhang mit der Schwangerschaftsunterbrechung hatte durchführen lassen wollen, abgesehen – sie könnte schon für sich das Absehen von einer Aufklärung über in der Landesfrauenklinik K. nicht verfügbare Behandlungsalternativen rechtfertigen -, war der geplante Eingriff, eine Sterilisation, sicher nicht dringlich. Die Klägerin hätte ihn ohne Not aufschieben können, bis etwa die Landesfrauenklinik K. über ein mit bipolarem Hochfrequenzstrom arbeitendes Koagulationsgerät verfügte. Andererseits waren die Vorzüge, die das verbesserte Verfahren der Koagulation mit bipolarem statt monopolarem Hochfrequenzstrom hatte, unter Berücksichtigung dessen, daß der Eingriff mit dem vorhandenen Gerät ärztlich noch zu verantworten war und dem zu beachtenden Behandlungsstandard entsprach, noch nicht von einem derartigen Gewicht, daß sie die Verpflichtung herbeiführen mußten, über die im eigenen Krankenhaus noch nicht verfügbare, risikoärmere Methode aufzuklären. Anders als in den Fällen, in denen neue Therapiemöglichkeiten entwickelt worden sind, die jeweils verschiedene Komplikationen und Erfolgschancen gegenüber den bisherigen Verfahren aufweisen, ist im Streitfall die Behandlungsmethode der Elektrokoagulation nicht geändert worden. Sie ist nur durch technische Verbesserung unter Herabsetzung gleichgearteter Risiken fortentwickelt worden. Das gehört zu den Neuerungen und Verbesserungen, die im Medizinbetrieb an der Tagesordnung sind und die nicht überall gleichzeitig eingeführt und übernommen werden können. Die Verbesserung ist freilich durchaus nicht von untergeordneter Bedeutung, denn die Herabsetzung des Risikos einer Darmverletzung, die für die Patientin schwerwiegende Folgen haben kann, hat sicher für ihre Entscheidung, ob sie sich den Gefahren einer Sterilisation mittels Elektrokoagulation aussetzen will, Gewicht. Anderseits geht es aber nur um eine Verringerung der Komplikationsrate, die ohnehin im Promille-Bereich liegt. Jedenfalls unter solchen Umständen ist die Annahme einer ärztlichen Aufklärungspflicht über eine andernorts verfügbare patientenfreundlichere Operationstechnik mit Hilfe eines verbesserten Gerätes nicht gerechtfertigt, weil ihr auch bei voller Berücksichtigung der Interessen der Patientin hier die praktischen Möglichkeiten der Krankenversorgung entgegenstehen. Es versteht sich von selbst, daß es dem Patienten stets unbenommen bleibt, den Arzt über etwaige neue und überlegenere, noch nicht überall zur Verfügung stehende Behandlungsmöglichkeiten zu befragen. Dann hat er Anspruch auf eine vollständige und wahrheitsgemäße Auskunft.

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4. Nach allem kann dahinstehen, ob die Revision darin Recht hat, daß ein Verschulden der beklagten Ärzte wegen eines Verbotsirrtums entfallen könnte. Ebensowenig braucht erörtert zu werden, ob insbesondere dem Erstbeklagten als Operateur, dem arbeitsteilig nicht die Aufklärung der Patienten oblag, ein Schuldvorwurf gemacht werden könnte. Letztlich ist auch den durchaus beachtlichen Rügen der Revision nicht nachzugehen, daß das Berufungsgericht unter Verletzung seiner Aufklärungspflichten zu Unrecht eine hypothetische Einwilligung der Klägerin in den Eingriff bei Aufklärung auch über Behandlungsalternativen nicht für bewiesen angesehen hat. Die Klage ist schon deswegen unter teilweiser Aufhebung und Abänderung der vorinstanzlichen Urteile abzuweisen, weil ein objektives Fehlverhalten des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) sowie eine Einstandspflicht des drittbeklagten Landes nicht festzustellen sind.

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