Zu den Anforderungen an die Gestaltung eines Stumpfes bei einer Amputationsoperation

OLG Köln, Urteil vom 12.11.2014 – 5 U 173/12

Zu den Anforderungen an die Gestaltung eines Stumpfes bei einer Amputationsoperation

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 7. November 2012 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln (25 O 204/10) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

1
Der Kläger nimmt die Beklagten wegen des Vorwurfs ärztlicher Behandlungs- und Aufklärungsfehler auf Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch.

2
Am 6. April 2007 begab sich der Kläger wegen eines akuten kompletten Beininfarktes im linken Bein notfallmäßig in die Behandlung der Beklagten. Am 10. April 2007 erfolgte eine Teilamputation seines linken Beines oberhalb des Knies, nachdem drei Bypass-Operationen seit dem 6. April 2007 erfolglos gewesen waren.

3
Der Kläger wirft den Beklagten Behandlungsfehler vor und erhebt die Aufklärungsrüge im Hinblick auf die konkrete Amputation. Er behauptet, dass die Amputation durch eine fehlerfreie Behandlung – insbesondere durch das Legen eines ausreichend langen Bypasses, eine andere Verlegung und eine hinreichende Kontrolle der Blutgerinnung – hätte vermieden werden können. Zudem sei die Amputation fehlerhaft zu hoch vorgenommen worden.

4
Der Kläger hat beantragt,

5
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 226.160,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30. März 2008 zu zahlen;

6
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn monatlich, beginnend ab dem 1. April 2010 einen Betrag von 2.810,00 Euro zu zahlen;

7
3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeden weiteren immateriellen und materiellen Schaden im Zusammenhang mit der Amputation des linken Beines oberhalb des Knies zu ersetzen, soweit kein Forderungsübergang stattgefunden hat.

8
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie sind dem Klägervortrag entgegengetreten und haben die Behandlungs- und Aufklärungsfehlervorwürfe bestritten.

9
Wegen aller Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

10
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. F [schriftliches Gutachten vom 20. Juli 2011 (Bl. 92 ff. d. A.) nebst mündlicher Erläuterungen am 12. September 2012 (Bl. 165 ff. d. A.)]. In dieser Weise sachverständig beraten hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme schadensursächliche Behandlungs- und Aufklärungsfehler nicht festgestellt werden könnten.

11
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Klaganträge unverändert weiterverfolgt.

12
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzliches Vorbringens insbesondere vor, dass das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Behandlung des Klägers im Hause der Beklagten zu 1. nicht fehlerhaft gewesen sei. Das Landgericht hätte dem Gutachten des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen nicht ohne Weiteres folgen dürfen. Denn bei dem bereits in erster Instanz vom Kläger erhobenen Behandlungsfehlervorwurf, dass bei ihm die Bypässe zu kurz und gestückelt und auch noch quer verlegt worden seien, handele es sich nicht um die Erfindung eines medizinischen Laien. Dies hätten dem Kläger vielmehr hoch spezialisierte Ärzte gesagt, die sein rechtes Bein behandelt und bei dieser Gelegenheit auch den Stumpf des linken Beines und die dort sichtbaren Narben der Gefäßentnahmen angesehen hätten. Bei dem rechten Bein des Klägers sei in einem anderen Krankenhaus in L ein ca. 13 cm langer Bypass verwendet und damit das Bein gerettet worden. Auch dies zeige, dass die im Hause der Beklagten zu 1. vorgenommene Stückelung nicht ordnungsgemäß gewesen sei. In seinem Gutachten habe der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige geschrieben, dass zur Überbrückung der aneurhysmatischen Stelle der Arteria poplitea ein kurzer Bypass gewählt werde. Im Rahmen seiner mündlichen Erläuterungen habe er darauf abgestellt, dass die Ausstrombahn im unteren Teil der Extremität sehr schlecht gewesen sei. Wenn dies der Fall gewesen sei, hätte es umso mehr nahe gelegen, einen langen Bypass zu legen. Der Sachverständige habe auch nicht zu der Frage Stellung genommen, ob anhand verbliebener Schnittnarben Rückschlüsse auf die Länge der Bypässe gezogen werden könnten. Er habe lediglich ausgeführt, dass es verschiedene Methoden der Blutgefäßentnahme gebe, und dass nicht in jedem Falle ein langes entnommenes Blutgefäß auch zu einer langen Narbe führe. Auf den Fall des Klägers habe er diese Theorie indes nicht angewandt und noch nicht einmal festgestellt, mit welcher Methode beim Kläger Blutgefäße entnommen worden sind. Auch in der Dokumentation der Beklagten finde sich hierzu nichts. Die Stellen, an denen Blutgefäße entnommen worden seien, könnten auch heute noch untersucht werden. Mittels MRT, CT o. Ä. sei es möglich zu erkennen, in welcher Länge Blutgefäße entnommen worden sind, auch wenn sich in dem fraglichen Bereich neue Adern gebildet haben sollten. Auch die Feststellung des Sachverständigen, dass die Heparinisierung nur dann sinnvoll sei, wenn der Blutfluss noch funktioniere, und dass die Behandler im Hause der Beklagten zu 1. alles Notwendige versucht hätten, passe nicht zu der Beobachtung der medizinisch vorgebildeten Ehefrau des Klägers, wonach aus den Ablaufdränagen der Wunden dickes Blut herausgetropft sei. Wegen der erkennbaren Verdickung des Blutes hätte sofort Heparin verabreicht werden müssen. Denn ein Bypass könne nichts nützen, wenn das Blut zu dick ist. Der Sachverständige habe sich zu den Fragen im Zusammenhang mit der Heparinisierung insgesamt zu oberflächlich geäußert und insbesondere keine Feststellungen dazu getroffen, durch welche Untersuchungen – wenn nicht durch den bloßen Augenschein – festgestellt werden kann, ob das Blut flüssig genug ist, und ob tatsächlich im Hause der Beklagten zu 1. entsprechende Untersuchungen in ordnungsgemäßer Weise durchgeführt worden sind. Dokumentiert seien solche Untersuchungen nicht. Der Sachverständige habe sich auch nicht hinreichend zu der Frage geäußert, ob die Amputation, erst recht oberhalb des Knies, zu voreilig gewesen sei. Denn am Abend des 9. April 2007 sei das Gewebe im Bereich des Unterschenkels noch vital gewesen, so dass es nicht nachvollziehbar sei, dass die Situation wenige Stunden später bereits so gravierend verschlechtert und lebensbedrohlich gewesen sein soll, dass hätte amputiert werden müssen. Eine so schnelle und gravierende Verschlechterung wäre bei angemessener Blutverdünnung nicht möglich gewesen. Zudem habe der Sachverständige sich nicht hinreichend zu der Frage geäußert, ob die Behandler im Hause der Beklagten zu 1. fehlerhaft weitere möglich gewesene gefäßmedizinische Maßnahmen, mit denen eine Amputation hätte verhindert werden können, unterlassen haben.

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Die Aufklärungsrüge bleibe aufrechterhalten. Die schriftliche Dokumentation zu der Aufklärung sei so zweifelhaft, dass dies als Rechtfertigung der Oberschenkelamputation nicht ausreiche. Insoweit werde auf das erstinstanzliche Vorbringen verwiesen. Das einzige, was es an möglicher Einverständniserklärung gegeben habe, sei eine Handbewegung des Klägers und der unmissverständliche Verweis auf den Unterschenkelbereich gewesen. Diese Handbewegung könne dahin gedeutet werden, dass der Kläger im Notfalle mit einer Amputation des Unterschenkels einverstanden sei. Das Landgericht habe zu Unrecht die Zweifelsfragen zur Aufklärung dahinstehen lassen und darauf abgestellt, dass es sich um einen lebensbedrohlichen Zustand gehandelt habe, und dass der Kläger nur durch die tatsächlich erfolgte Amputation habe gerettet werden können. Dies hätten die insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht bewiesen. Die Ausführungen des Sachverständigen hierzu seien unzureichend und verhielten sich insbesondere auch nicht zu der Frage, ob nicht das Leben des Klägers durch weitere gefäßmedizinische Maßnahmen oder durch eine Unterschenkelamputation hätte gerettet werden können.

14
Selbst wenn eine Oberschenkelamputation angezeigt gewesen wäre, sei diese jedenfalls nicht sachgerecht ausgeführt worden. Auch diese Frage könne der Sachverständige nicht ohne Untersuchung des Klägers beurteilen. Es sei unmöglich, dass ein Sachverständiger ohne eigene Untersuchung des Stumpfes beurteilen könne, ob die Ausbildung des Stumpfes richtig und sachgerecht vorgenommen worden sei. Sämtliche Ausführungen des Sachverständigen insoweit seien letztlich spekulativ. Der Sachverständige gehe auch nicht auf den Umstand ein, dass aufgrund eines von Amts wegen nach dem Schwerbehindertengesetz eingeholten Gutachtens aktenkundig sei, dass an dem Stumpf rezidivierende Schwellungen des Stumpfes sowie Ulcerationen und Druckschmerz am knöchernen Stumpfende aufgetreten seien.

15
Es werde der bereits in erster Instanz gestellte Antrag wiederholt, dass ein Sachverständiger den Kläger persönlich untersucht. Der Gerichtssachverständige müsse sich persönlich vergewissern, ob er im Bereich des Stumpfes und der Stellen, an denen Adern für die Bypässe entnommen worden seien, Hinweise für die Beantwortung der Beweisfragen finde.

16
Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung und treten dem Berufungsvorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.

17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen einschließlich der Schriftsätze des Klägers vom 13. Oktober 2014 nebst Anlagen und vom 3. November 2014 sowie auf das Vorbringen der Parteien in den mündlichen Verhandlungen am 23. September 2013 und am 1. September 2014 Bezug genommen.

18
Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. T, das der Sachverständige in dem Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 1. September 2014 mündlich erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 26. März 2014 [Bl. 268 – 304 d. A.] sowie auf S. 1 – 7 des Protokolls der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 1. September 2014 [Bl. 356 ff., 356 – 362 d. A.] Bezug genommen.

II.

19
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

20
Dem Kläger stehen gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Ersatz für materielle und immaterielle Schäden unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Denn dem Kläger ist der ihm obliegende Beweis dafür nicht gelungen, dass den Behandlern im Hause der Beklagten zu 1. bei der umstrittenen Behandlung schadensursächliche Behandlungsfehler unterlaufen sind; und auch seine Aufklärungsrüge hat sich als nicht berechtigt erwiesen.

21
1. Bei dieser Beurteilung folgt der Senat dem schriftlichen Gutachten des zweitinstanzlich beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. T [Direktor der Klinik für Gefäß- und Endovaskularchirurgie des Universitätsklinikums E; schriftliches Gutachten vom 26. März 2014 (Bl. 268 – 304 d. A.)] und dessen mündlichen Erläuterungen hierzu in dem Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 1. September 2014 [S. 1 – 7 des Protokoll der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 1. September 2014 (Bl. 356 ff., 356 – 362 d. A.)]. Das schriftliche Gutachten in Verbindung mit den mündlichen Erläuterungen überzeugt den Senat nicht zuletzt deshalb, weil es auf der Basis einer sorgfältigen Auswertung der Krankenunterlagen und des Akteninhalts im Übrigen einschließlich des erstinstanzlich eingeholten Gerichtsgutachtens [Gutachten des Prof. Dr. F, Chefarzt einer Klinik für Chirurgie, Viszeral- und Gefäßchirurgie; schriftliches Gutachten vom 20. Juli 2011 (Bl. 92 – 114 i. V. m. 115/116 d. A.) nebst mündlicher Erläuterungen am 12. September 2012 (S. 1, 2 – 4 des Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung u. Beweisaufnahme vom 12. September 2012, Bl. 165 ff., 165, 165R – 166R d.A.)], auf der Basis einer eingehenden körperlichen Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen am 10. Februar 2014 sowie unter eingehender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Parteien umfassend, in sich schlüssig und gut nachvollziehbar begründet worden ist. Hinzu kommt, dass das Gutachten des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T in den wesentlichen Punkten mit dem Gutachten des Prof. Dr. C für die Gutachterkommission [schriftliches Gutachten vom 6. Oktober 2008 (Bl. 9 – 14 d. SH II)] übereinstimmt.

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2. Nach den überzeugend begründeten Feststellungen des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T geht auch der Senat – im Ergebnis ebenso wie das Landgericht auf der Basis des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens – davon aus, dass den Behandlern im Hause der Beklagten zu 1. schadensursächliche Behandlungsfehler nicht unterlaufen sind.

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a) Insbesondere ist der Senat aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die am 10. April 2007 im Hause der Beklagten zu 1. durchgeführte Teilamputation des linken Beines des Klägers oberhalb seines Knies medizinisch indiziert war und die einzig noch verblieben Maßnahme zur Rettung des Lebens des Klägers dargestellt hat, nachdem die Behandler im Hause der Beklagten zu 1. zuvor sämtliche gefäßchirurgischen, gefäßmedizinischen und sonstigen Maßnahmen ergriffen und insbesondere drei gefäßchirurgische Operationen durchgeführt hatten, um die lebensbedrohende Gefäßerkrankung des Klägers zu behandeln, wobei haftungsbegründende Fehler in Bezug auf keine der ergriffenen Behandlungsmaßnahmen festgestellt werden können:

24
aa) Zu der Gefäßerkrankung des Klägers hat der Sachverständige zur Überzeugung des Senates und vom Kläger unwidersprochen insbesondere ausgeführt, dass der Kläger vor seiner notfallmäßigen Einlieferung in das Krankenhaus der Beklagten zu 1. am 6. April 2007 einen akuten Beininfarkt bei Zustand nach arterieller Thrombose der Unterschenkelstrombahnen einschließlich der Arteria poplitea [d. h. der Kniekehlenarterie] sowie bei Vorliegen eines Popliteal-Aneurysmas erlitten habe, dass bereits zwei der drei Strombahnen komplett zugesetzt gewesen seien und dass der Kläger sich somit in einer hoch bedrohlichen Lage befunden habe. Gefäßerkrankungen der beim Kläger vorhanden gewesenen Art und Schwere führten in bis zu 60 % der Fälle zu dem Verlust der betroffenen Extremität und in ca. 12 % der Fälle zum Tode.

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bb) Zu der ersten Operation in der Nacht vom 6. zum 7. April 2007 hat der Sachverständige Prof. Dr. T insbesondere ausgeführt, dass die Behandler im Hause der Beklagten zu 1. das Popliteal-Aneurysma aus der Strombahn ausgeschaltet, einen Ober- auf Unterschenkelbypass angelegt und eine mechanische Extraktion von verschließenden Blutkoageln in den Stammgefäßen vorgenommen sowie ergänzend zu diesen Maßnahmen eine intraoperative Lysetherapie durchgeführt hätten. Damit seien von den Behandlern im Hause der Beklagten zu 1. notfallmäßig und angemessen schnell alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergriffen worden, um eine ausreichende Durchblutung des linken Unterschenkels des Klägers wiederherzustellen. Entgegen der Annahme des Klägers lasse sich eine Stückelung des Venenbypasses nicht feststellen. Vielmehr zeige die intraoperative Angiographie vom 7. April 2007 ein vollkommen unauffälliges Bypasstransplantat und keinerlei Hinweise auf irgendwelche Einschnürungen, die einen Hinweis auf eine Stücklung in diesem Bereich hätten bieten können. Vielmehr ergebe sich aus einer Zusammenschau der Beschreibung in dem Operationsbericht, der Zeichnung in dem Sofortprotokoll vom 7. April 2007 und des Befundes der körperlichen Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen am 10. Februar 2014, dass bei der Bypassoperation im Bereich des linken Oberschenkels die gesamte große Saphena-Vene bis nach zentral entnommen, und dass eine Stückelung des Bypasses nicht vorgenommen worden sei. Die Narbe an der Entnahmestelle zeige, dass eine schonende Entnahme der Vene erfolgt sei, indem der Hautmantel des Oberschenkels nur soweit eröffnet worden sei, wie unbedingt notwendig, was einer weit verbreiteten Technik zwecks Vermeidung einer verzögerte Wundheilung an der Entnahmestelle entspreche. Der Umstand, dass es zu einem erneuten Verschluss gekommen und eine Revisionsoperation am 8. April 2007 erforderlich geworden sei, stelle kein Indiz für ein fehlerhaftes Vorgehen bei der ersten Operation dar. Es entspreche vielmehr einem möglichen schicksalhaften Verlauf bei einer gravierenden Gefäßerkrankung der hier in Rede stehenden Art, dass Versuche, nachhaltig eine ausreichende Durchblutung der betroffenen Extremität wiederherzustellen, scheitern können. Die vorstehend wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen überzeugen den Senat und werden vom Kläger auch nicht angegriffen.

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cc) Zu dem weiteren Behandlungsverlauf hat der Sachverständige ausgeführt, dass sich auch mit der Revisionsoperation am 8. April 2007 ein Rückstrom aus den Unterschenkelgefäßen nicht habe erreichen lassen. Vielmehr sei der Hauptabstrom weiterhin ausschließlich über die Arteria tibialis posterior erfolgt, während die beiden anderen Stammgefäße weiterhin keine echte Funktion übernommen hätten. Auch diese Operation habe dementsprechend eine nachhaltige Besserung der Durchblutungssituation nicht herbeiführen können. Vielmehr sei es zu einem erneuten Verschluss und der Notwendigkeit einer weiteren Revisionsoperation am 9. April 2007 gekommen, was für sich genommen wiederum keinen Rückschluss auf ein fehlerhaftes Vorgehen zulasse, sondern einem möglichen schicksalhaften Verlauf bei Gefäßerkrankungen der hier in Rede stehenden Art und Schwere entspreche. Gleiches gelte für den Umstand, dass auch durch diese zweite Revisionsoperation eine ausreichende Durchblutung des Unterschenkels nicht habe erreicht werden können.

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dd) Zu der Situation vor der umstrittenen Amputationsoperation am 10. April 2007 hat der Sachverständige ausgeführt, dass sich bis zum 10. April 2007 die Lage des Klägers dramatisch zugespitzt habe. Es sei zu dieser Zeit an seinem linken Bein bereits in erheblichem Maße Gewebe abgestorben gewesen. Entsprechend dem Operationsbericht zu der zweiten Revisionsoperation am 9. April 2007 sei zwar noch vitales Gewebe vorhanden gewesen, andererseits habe sich aber aufgrund der Befunde bei der umstrittenen Amputation gezeigt, dass eine bereits beginnende Auflösung der Weichteile zu einer erheblichen Schwellung im Bereich des Oberschenkels geführt habe, und dass in erheblichem Maße Gewebe geschädigt gewesen sei. Auch aus den Laborwerten lasse sich die dramatische Zuspitzung der Situation bis zum 10. April 2007 ablesen. Dies gelte namentlich für den CK-Wert, der anzeige, wie ausgeprägt der Muskelzerfall fortgeschritten sei; denn CK stehe für Creatin-Kinase und damit für einen Stoff, den Zellen und insoweit insbesondere die Muskelzellen absonderten, wenn sie absterben. Dieser CK-Wert sei von 105 am 6. April 2007 auf 7.216 am 10. April 2007 angestiegen und habe eine alarmierend starke Schädigung belegt. Dazu korrespondierend sei auch in Bezug auf die Leukozyten ein gravierender Anstieg festgestellt worden, die sich von einem Wert von 9,9 am 6. April 2007 bis zum 10. April 2007 nahezu verdoppelt hätten auf einen Wert von 19,3, was einen weiteren deutlichen Anhalt auf einen erheblichen Entzündungsprozess gegeben habe. Vor dem Hintergrund wiederholt gescheiterter Revaskulationsversuche und angesichts der alarmierenden Laborwerte sei das Bein des Klägers nicht mehr zu retten gewesen. Denn wenn – wie beim Kläger spätestens am 10. April 2007 – das Maß der infolge unzureichender Durchblutung untergegangenen Zellen ein bestimmtes Ausmaß übersteigt, trete eine sogenannte Ganzkörperentzündung ein, die durch den massiven Gewebezerfall bedingt sei, sich als Blutvergiftung darstelle und die zu einem Multiorganversagen führen könne, also zu einem Versagen von Nieren oder Leber oder Lunge oder Kreislauf, wobei es sich dabei um einen zwangsläufigen Prozess handele, der letztlich zum Tode des betroffenen Patienten führe. In dieser Situation sei die Amputation die einzig verbleibende Maßnahme gewesen, mit der das akut bedrohte Leben des Kläger habe gerettet werden können.

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Auch diese vorstehend wiedergegebenen Feststellungen des Sachverständigen überzeugen den Senat. Und sie werden vom Kläger nicht mit Substanz angegriffen. Insbesondere stellt der Kläger sich ohne Erfolg auf den Standpunkt, dass die Möglichkeit bestanden hätte, mit anderen Operationsmethoden – etwa durch Einsatz einer Fräse – die Thromben zu beseitigen und dadurch die verschlossenen Gefäße bei ihm nachhaltig wieder durchgängig zu machen. Denn hierzu hat der Sachverständige zur Überzeugung des Senates insbesondere ausgeführt, dass beim Kläger mit dem Einsatz einer Fräse kein anderer, für ihn günstigerer Verlauf hätte erzielt werden können. Denn auch dadurch hätte nicht verhindert werden können, dass sich die Gefäße beim Kläger nach dem Eingriff wieder zusetzen, weil durch die mechanische Beseitigung der Thromben – sei es durch Katheter, sei es durch eine Fräse – die Gefäße ihrerseits so geschädigt würden, dass sie sich von selbst und trotz der Entfernung des Aneurysmas wieder zusetzten. Beim Kläger komme hinzu, dass ein weiterer Schädigungsprozess dadurch eingesetzt habe, dass in den Gefäßen über längere Zeit kein Blutfluss vorhanden gewesen sei. Dies überzeugt den Senat. Und auch gegen diese Feststellungen des Sachverständigen wehrt der Kläger sich ohne Erfolg. Insbesondere verweist er in seinem Schriftsatz vom 13. Oktober 2014 ohne Erfolg auf eine in der Zeitschrift „C2“ beschriebene Operationsmethode, bei der mit einer sehr dünnen Lasersonde die Ablagerungen gleichsam verdampft würden. Denn zum einen dürfte auch bei einer solchen Vorgehensweise entgegen der beim Kläger offenbar bestehenden Vorstellung die Gefahr bestehen, dass die fraglichen Gefäße so beschädigt würden, dass sie sich von selbst wieder zusetzen. Entsprechende mechanische Schädigungen durch die Lasersonde selbst werden sich wohl auch dann nicht sicher vermeiden lassen, wenn diese Sonde sehr dünn ist. Und im Übrigen ist dem Senat aus einer Reihe anderer Arzthaftungsprozesse bekannt, dass auch thermische Einwirkungen erhebliche Gewebeschäden bewirken können. Zum anderen blendet der Kläger bei seinem diesbezüglichen Vorbringen offenbar aus, dass der von ihm vorgelegte Artikel aus der Zeitschrift „C2“ in deren Ausgabe 39 aus dem Jahre 2014 erschienen ist und dass die darin angesprochene Vorgehensweise mit einer besonders dünnen Lasersonde als neues Verfahren vorgestellt wird, so dass die Vermutung nahe liegt, dass es dieses Verfahren im Jahre 2007 noch nicht gegeben hat. Entscheidend kommt hinzu, dass der Sachverständige sich umfassend mit den denkbaren Möglichkeiten auseinandergesetzt hat, die zur Wiederherstellung einer ausreichenden und nachhaltigen Durchblutung des Unterschenkels des Klägers zur Verfügung gestanden haben. Und er ist insoweit zu der eindeutigen Feststellung gelangt, dass – wie er es im Rahmen seiner mündlichen Anhörung zusammenfassend formuliert hat – buchstäblich alles ausgereizt worden sei, was es an Möglichkeiten und Techniken gegeben habe, um das Bein des Klägers zu retten, dass sich im Nachhinein dann herausgestellt habe, dass es erfolglos geblieben sei, und dass das Bein des Klägers nicht zu retten gewesen sei. Ferner hat der Sachverständige betont, dass nach der von ihm nachgehaltenen Literatur alle Versuche eines konservativen Vorgehens desaströs verlaufen seien, und dass es auch insoweit zu der hier gegebenen Vorgehensweise keine Alternative gegeben habe [vgl. S. 7 des Protokolls der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 1. September 2014, Bl. 356 ff., 362 d. A.]. Der Senat ist aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen insgesamt und aufgrund seiner zitierten zusammenfassenden Feststellung davon überzeugt, dass der Sachverständige für den Fall, dass es bezogen auf das Jahr 2007 doch noch eine erfolgversprechende weitere Operationsmethode und insoweit etwa die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 13. Oktober 2014 erwähnte Operationsmethode mittels sehr dünner Lasersonde gegeben hätte, diese ausdrücklich angesprochen hätte.

29
Der Kläger stellt sich auch ohne Erfolg auf den Standpunkt, dass mit einer verstärkten Heparingabe oder in sonstiger Weise medikamentös eine ausreichende Durchblutung seines Unterschenkels hätte wiederhergestellt und ein für ihn günstigerer Krankheitsverlauf hätte bewirkt werden können. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen hätte auch mit medikamentösen Maßnahmen zur Blutverdünnung die später tatsächlich erfolgte Amputation nicht verhindert werden können. Hierzu hat der Sachverständige insbesondere ausgeführt, dass dem Kläger während der Operationen am 6. und 8. April 2007 und auch danach kontinuierlich und in angemessenem Maße entsprechende Medikamente verabreicht worden seien. Der Umstand, dass beim Kläger zu einem bestimmten Zeitpunkt die Indikation zur Amputation gestellt worden sei, habe mit den Blutverdünnungswerten wenig zu tun. Entscheidend hierfür sei vielmehr die Eskalation des Geschehens insgesamt gewesen. Es treffe zwar zu, dass in einer Situation, wie sie beim Kläger vorgelegen habe, dafür gesorgt werden müsse, die Fließeigenschaften des Blutes zu verbessern und die festsitzenden Gefäße nicht nur mechanisch zu eröffnen, sondern auch zu versuchen, den Blutfluss durch Verflüssigung des Blutes wieder in Gang zu bringen. Hierfür könne Heparin verabreicht und eine Lyse versucht werden. Dies sei indes beim Kläger in ausreichendem Maße erfolgt. Dies zeige nicht zuletzt auch die Überprüfung der sog. PTT (Partielle Thrombin Time), die den Flüssigkeitszustand des Blutes zeige. Aus den insoweit festgestellten Werten lasse sich ablesen, dass eine zunehmende Blutverdünnung bzw. Verflüssigung vorgelegen habe. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger vorgetragen habe, dass aus dem Ablauf der Wunden „dickes Blut“ herausgetropft sei. Vielmehr beruhe dieser Vortrag offensichtlich auf einem Missverständnis. Denn die Redondrainage werde außerhalb des Gefäßsystems im Weichteilgebiet um die Bypasskonstruktion herum angelegt, um anfallendes Gewebewasser aus dem Operationsgebiet abzuleiten, um dadurch unnötige Druckerhöhungen um die Bypassrekonstruktion herum zu vermeiden und damit einem erneuten Verschluss entgegen zu wirken. Bei der Flüssigkeit, die über die Redondrainage abgeführt werde, handele es sich um ein Gemisch von verschiedenen Körperflüssigkeiten, die keinen Rückschluss auf die Konsistenz des Blutes zuließen. Es sei ein großer Unterschied zwischen den Flüssigkeiten, die sich in der Drainage ansammeln und dem Blut im Blutkreislauf.

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Der Kläger stellt sich schließlich auch ohne Erfolg auf den Standpunkt, dass die Amputation zu früh erfolgt sei, weil es nach den Feststellungen des Sachverständigen Fälle gäbe, bei denen betroffene Patienten in der Lage des Klägers eine beginnende Ganzkörperentzündung infolge massiven Gewebezerfalls 48 Stunden überlebten, und dass dies bei widerstandsfähigen jungen Patienten deutlich länger dauern könne. Denn die vom Sachverständigen angegebenen Zeitspannen stellen keine gewissermaßen garantierten Karenzzeiten dar, die aus der Sicht ex ante sicher eingeplant werden könnten und innerhalb derer zu einem beliebig späten Zeitpunkt gehandelt werden könnte. Vielmehr besagen die vom Sachverständigen angegeben Zeitspannen lediglich, wie lange ein Mensch Ganzkörperentzündungen der hier in Rede stehenden Art, die ohne entsprechende Behandlung zwangsläufig zum Tode führen, theoretisch maximal aushalten kann. Ungeachtet dessen besteht in Situationen der hier in Rede stehenden Art akute Lebensgefahr und entsprechend unaufschiebbar dringender Handlungsbedarf. Ein Zuwarten mit der erforderlichen Behandlung innerhalb des Zeitfensters von 48 [oder bei widerstandfähigen jungen Menschen deutlich mehr] Stunden kann – ohne dass dies aus der Sicht ex ante hinreichend sicher vorhergesagt werden könnte – bedeuten, dass der Entzündungsprozess bei dem betroffenen Patienten bereits in einem Maße fortschreitet, dass sein Leben auch mit einer Oberschenkelamputation nicht mehr zu retten ist.

31
ee) Der Senat ist nach den überzeugend begründeten Feststellungen des Sachverständigen auch davon überzeugt, dass die am 10. April 2007 durchgeführte Amputation des linken Beines des Klägers oberhalb seines Knies die einzige noch verbliebene Möglichkeit war, das Leben des Klägers zu retten.

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Hierzu hat der Sachverständige insbesondere ausgeführt, dass man in Situationen der hier in Rede stehenden Art natürlich versuche, so viel Gewebe zu erhalten, wie nur irgend möglich. Man versuche gerade in der Anfangssituation, den Stumpf so lang wie möglich zu lassen, ihn aber so kurz wie nötig zu gestalten. Dabei müsse man die Stelle finden, an der noch eine Chance auf Abheilung bestehe. Das sei beim Kläger zum gegebenen Zeitpunkt tatsächlich nur die Oberschenkelamputation gewesen. Denn bei ihm sei der Krankheitsprozess schon so weit fortgeschritten gewesen, dass die bereits eingetretene Auflösung der Weichteile zu einer erheblichen Schwellung im Bereich des Oberschenkels geführt habe. Es habe sich bei ihm aufgrund der lokal auf den Körper einwirkenden Entzündung ein Ödem ausgebildet. Der Stumpf sei schon so stark entzündet gewesen, dass er nicht mehr habe verschlossen werden können. Der Umstand, dass die Amputation deswegen nicht – wie an sich üblich – einzeitig, sondern zweizeitig habe durchgeführt werden müssen, zeige, dass eine Operation auch innerhalb des Bereiches des Oberschenkels an tieferer Stelle nicht möglich gewesen wäre. Erst recht habe eine Amputation unterhalb des Knies nicht mehr ernsthaft in Erwägung gezogen werden können. Wie fortgeschritten die Situation beim Kläger gewesen sei, zeige sich nicht zuletzt auch daran, dass selbst ca. sieben Jahre nach der umstrittenen Amputation bei der Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen am 10. Februar 2014 im Bereich des Stumpfes ein Sauerstoffpartialdruck gemessen worden sei, der nur die Hälfte des Normalwertes betragen habe und damit grenzwertig gewesen sei. Es handele sich dabei um eine Durchblutung, mit der gerade soeben der Stumpf noch am Leben gehalten werden könne. Hätte man in der damaligen Situation nur den Unterschenkel entfernt, so wäre die Entzündung nicht mehr aufzuhalten gewesen und das Leben des Klägers hätte höchst wahrscheinlich nicht mehr gerettet werden können.

33
Auch diese Feststellungen des Sachverständigen überzeugen den Senat und sie werden vom Kläger nicht mit Substanz angegriffen. Sein diesbezügliches Vorbringen erschöpft sich vielmehr letztlich darin, dass er zum Ausdruck bringt, sich mit der erlittenen Oberschenkelamputation nicht abfinden zu können. Dies mag menschlich verständlich sein, führt indes nicht zu einer abweichenden, für den Kläger günstigeren Bewertung des Handelns der Behandler im Hause der Beklagten zu 1..

34
b) Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. T ist der Senat auch davon überzeugt, dass die umstrittene Amputation als solche ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, und dass haftungsbegründende Fehler insoweit und insbesondere in Bezug auf die Anlage des Stumpfes bei dieser Operation nicht festgestellt werden können.

35
Dabei ist nach den überzeugend begründeten und vom Kläger nicht angegriffenen und von ihm möglicherweise in ihrer inhaltlichen Tragweite nicht hinreichend zur Kenntnis genommenen Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. T davon auszugehen, dass es bei einer durch einen Beininfarkt veranlassten Beinamputation in erster Linie um eine lebensrettende Notmaßnahme und insofern darum geht, so viel abgestorbenes Gewebe wie nötig zu entfernen, um ein Fortschreiten des Absterbens von Gewebe und die dadurch bedingte lebensbedrohende Ganzkörperentzündung zu verhindern, und dabei zugleich so viel vitales Gewebe wie möglich zu erhalten. Erst in zweiter Linie geht es darum, den Stumpf – etwa mit Blick auf die Möglichkeit des Tragens einer Prothese – optimal zu gestalten. Dabei wäre es selbstredend wünschenswert, wenn die optimale Gestaltung des Stumpfes bereits bei der Amputationsoperation selbst gelänge. Primäres Ziel dieser Operation ist dies hingegen nicht. Und es stellt keinen haftungsbegründenden Fehler der Amputationsoperation dar, wenn eine optimale Gestaltung des Stumpfes bei dieser Operation nicht auf Anhieb gelingt. Die optimale Gestaltung des Stumpfes ist vielmehr erforderlichenfalls Gegenstand einer entsprechenden Revisionsoperation. Dementsprechend vermag das Vorbringen des Klägers zu der aus seiner Sicht nicht optimalen Gestaltung seines Stumpfes bei der umstrittenen Amputationsoperation für sich genommen eine Haftung der Beklagten nicht zu begründen. Aus einer nicht optimalen Gestaltung des Stumpfes bei der Amputationsoperation resultiert lediglich die Veranlassung für eine entsprechende Revisionsoperation, die dem Kläger im Übrigen ausweislich der vorliegenden Behandlungsunterlagen bereits im Jahre 2010 im N-Krankenhaus C4/S von dem dortigen Chefarzt Dr. C3 empfohlen worden war, und die auch der Gerichtssachverständige Prof. Dr. T aufgrund seines Eindruckes bei der körperlichen Untersuchung des Klägers am 10. Februar 2014 für angezeigt und sinnvoll hält, wobei er allerdings darauf hingewiesen hat, dass beim Kläger eine schwierige Sauerstoffsituation vorliege, die im Falle einer Revisionsoperation zu einer deutlich erschwerten Abheilungssituation führen könne.

36
Gemessen an dem primären Ziel der umstrittenen Amputationsoperation können nach dem Gutachten des Sachverständigen haftungsbegründende Fehler bei der Durchführung dieser Operation nicht festgestellt werden. Vielmehr hat der Sachverständige unter Bezugnahme auf seine körperliche Untersuchung des Klägers ausgeführt, dass er keine Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Vorgehen habe feststellen können. Insbesondere habe er bei seiner Untersuchung des Klägers durch einen entsprechenden Tastbefund feststellen können, dass sich bei dem Kläger der Knochen nicht durch die Deckung hindurchgearbeitet habe. Der Umstand, dass der Kläger in der Folgezeit unter Schmerzen im Bereich des Stumpfes gelitten habe bzw. leide, stelle eine typische Komplikation dar, die nach einer Amputation auftreten könne, und lasse nicht auf einen Fehler schließen. Schmerzen dieser Art könnten von sogenannten Neurinomen herrühren, also von veränderten Nerven, oder aber auch vom Knochen selbst. Beim Kläger spreche viel dafür, dass seine Schmerzen im Bereich des Stumpfes durch ein Neurinom verursacht würden, weil Dr. C3 ausweislich der Behandlungsunterlagen entsprechende Untersuchungen durchgeführt und dem Kläger in diesem Bereich eine Spritze gesetzt habe, was zu einer Aufhebung der Schmerzen geführt habe. Theoretisch könne auch eine mangelhafte Deckung mit Weichteilen zu Schmerzen führen; sein [des Sachverständigen Prof. Dr. T] angesprochener Tastbefund habe aber ergeben, dass beim Kläger eine ausreichende Deckung mit Weichteilen vorhanden sei.

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Auch diese Ausführungen des Sachverständigen überzeugen den Senat und werden als solche von dem Kläger nicht angegriffen. Dabei ist der Senat davon überzeugt, dass der Sachverständige Prof. Dr. T als Direktor der Klinik für Gefäß- und Endovaskularchirurgie des Universitätsklinikums E in ausreichendem Maße kompetent ist, auch die Fragen nach der ordnungsgemäßen Anlage des Stumpfes bei der umstrittenen Amputationsoperation zu begutachten. Denn der Sachverständige hat zu dieser Frage zur Überzeugung des Senates und durch den Kläger unwidersprochen ausgeführt, dass er als Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie eine bestimmte Anzahl von Oberschenkel- und Unterschenkelamputationen vorweisen müsse, und dass entsprechende Amputationen, die durch Gefäßerkrankungen bedingt seien, praktisch zum Alltag von Gefäßchirurgen gehörten. Es gebe zwar für die Revisionsoperationen mit dem Ziel, nach einer Amputation den fraglichen Stumpf für bestimmte Anforderungen anzupassen, Spezialisten. Aber auch solche Stumpfkorrekturen könnten durchaus von den Gefäßchirurgen selbst ausgeführt werden, was in der Praxis nicht selten der Fall sei.

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Da der Umstand, dass bei dem Stumpf des Klägers das Bedürfnis und wohl auch die Möglichkeit für eine Korrektur besteht, aus den vorstehenden Gründen für sich genommen keinen haftungsbegründenden Fehler der umstrittenen Amputationsoperation darstellt, läuft das diesbezügliche Vorbringen des Klägers letztlich ins Leere. Nicht zuletzt auch im Hinblick darauf war den Anträgen des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 13. Oktober 2014 und 3. November 2014 auf Einräumen einer gesonderten Stellungnahmefrist und Verlegung des Verkündungstermins, um zu der Frage der aus seiner Sicht nicht optimalen Gestaltung seines Stumpfes bei der umstrittenen Amputationsoperation ein Privatgutachten vorlegen zu können, nicht zu entsprechen.

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3. Die vom Kläger in Bezug auf die Amputationsoperation erhobene Aufklärungsrüge ist nicht begründet.

40
Für diese Beurteilung kann auch für den Senat – ebenso wie für das Landgericht – dahinstehen, ob der Kläger hinreichend aufgeklärt worden ist. Denn es ist jedenfalls von einer hypothetischen Einwilligung auszugehen, auf die sich die Beklagten berufen haben. Die umstrittenen Amputationsoperation war aus den oben angeführten Gründen alternativlos und medizinisch als einzig verbliebene Möglichkeit zur Rettung des Lebens des Klägers indiziert. Und einen Entscheidungskonflikt hat der Kläger nicht plausibel dargelegt. Dabei steht dem Senat vor Augen, dass der Kläger vorgetragen hat, dass er allenfalls in eine Unterschenkelamputation habe einwilligen wollen, und dass er auf ein Leben mit seinem im Bereich des Oberschenkels amputierten linken Bein keinen Wert lege. Dieses Vorbringen des Klägers reicht aber für einen Vortrag zu einem ernsthaften Entscheidungskonflikt nicht aus. Dabei ist dem Kläger zuzugestehen, dass es durchaus Patienten gibt, die vor einem zwar lebensrettenden, aber zugleich folgenschweren Eingriff wegen der Folgen des Eingriffs diesen ablehnen und bewusst das Risiko des Versterbens in Kauf nehmen, und dass eine solche Entscheidung und damit auch der Umstand zu respektieren ist, dass ein Patient ggf. ernsthaft über die Alternativen nachdenken möchte, ob er dem fraglichen Eingriff zustimmt oder das Risiko des Versterbens eingeht. Es kann indes nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich vor der hier umstrittenen Amputationsoperation in diesem Sinne in einem ernsthaften Entscheidungskonflikt befunden hat. Denn das diesbezügliche Vorbringen des Klägers enthält weder ausdrücklich noch sinngemäß den Vortrag, dass er in der damaligen Situation im April 2007 tatsächlich ernsthaft hätte erwägen wollen bzw. tatsächlich erwogen hat, ob er lieber sterben möchte als in die Amputation seines linken Beines im Bereich oberhalb seines Knies einzuwilligen. Das Vorbringen des Klägers in diesem Zusammenhang dürfte vielmehr – sofern es nicht ausschließlich prozesstaktisch motiviert sein sollte – in erster Linie durch seine Sicht ex post und insoweit maßgeblich durch seine depressive Stimmung sowie den Umstand bestimmt sein, dass er sich ausweislich seiner Schriftsätze mit seinem Schicksal nicht abzufinden vermag.

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Eine im Ergebnis abweichende Beurteilung wäre auch dann nicht veranlasst, wenn angenommen werden müsste, dass der Kläger in der fraglichen Zeit vor der umstrittenen Operation nicht mehr in der Lage gewesen ist, eine eigenverantwortliche Entscheidung über die Zustimmung zu der Operation zu treffen. Denn in diesem Falle wäre aus den Gründen von S. 6 der angefochtenen Entscheidung von einer mutmaßlichen Zustimmung auszugehen. Im Übrigen hat sich der Kläger vor der umstrittenen Amputationsoperation aus den oben dargelegten Gründen in akuter Lebensgefahr befunden mit der Folge, dass es den Ärzten oblag, diejenigen Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, die erforderlich waren, um das Leben des Klägers zu retten. Und das war aus den oben ausgeführten Gründen die tatsächlich durchgeführte Amputation oberhalb des Knies.

42
Ergänzend sei angemerkt, dass eine Inanspruchnahme der Beklagten durch den Kläger wegen unzureichender Aufklärung und nicht vorliegender Einwilligung jedenfalls daran scheiterte, dass dem Kläger der ihm obliegende Beweis dafür nicht gelungen ist, dass ihm durch den in diesem Falle als rechtswidrig anzusehenden Eingriff ein haftungsbegründender Schaden entstanden ist. Soweit er den Umstand als Schaden darstellt, dass sein linkes Bein im Bereich des Oberschenkels und nicht im Bereich des Unterschenkels amputiert worden ist, hat er nicht beweisen können, dass eine Oberschenkelamputation hätte vermieden werden können. Und der vom Kläger vorgetragene Umstand, dass für ihn ein Leben mit einem im Bereich des Oberschenkel amputierten linken Beines nicht lebenswert erscheine, stellt nach deutschem Recht keinen ersatzfähigen Schaden dar.

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4. Prozessuale Nebenentscheidungen:

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Die Schriftsätze des Klägers vom 13. Oktober 2014 nebst Anlagen und vom 3. November 2014 bieten aus den oben ausgeführten Gründen keine Veranlassung für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

45
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

46
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO hierfür nicht vorliegen. Es geht im vorliegenden Verfahren im wesentlichen um Tatsachenfragen und im übrigen um die Anwendung geltenden Rechts sowie der hierzu in Rechtsprechung und Literatur entwickelten und allgemein anerkannten Grundsätze und damit um eine Einzelfallentscheidung.

47
Berufungsstreitwert: 453.190,00 Euro

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