Widerrufsbelehrung darf grundsätzlich keine anderen Erklärung enthalten

LG Duisburg, Urteil vom 05.05.2014 – 2 O 289/13

Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, darf die Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten. Zulässig sind diesem Zweck entsprechend allerdings Ergänzungen, die ihren Inhalt verdeutlichen (Rn. 20). 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand
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Der Kläger begehrt Rückzahlung einer von ihm geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 10.948,39 EUR. Am 29. Oktober 2009 schlossen die Parteien in der Filiale E der Beklagten einen Darlehensvertrag in Höhe von 200.000,00 EUR. Das Darlehen war dem Kläger zur Finanzierung einer Eigentumswohnung gewährt worden. Die Auszahlung des Darlehens bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 10. Dezember 2009.

2

Der Darlehensvertrag enthielt eine Widerrufsbelehrung, die drucktechnisch umrandet war und sich unmittelbar unter der Unterschriftszeile befindet. Die Widerrufsbelehrung lautete auszugsweise wie folgt:

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“Der Darlehensnehmer ist an seine Willenserklärung zum Abschluss des Darlehensvertrages nicht mehr gebunden, wenn er sie binnen zwei Wochen widerruft. …

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Fristablauf

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Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer

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– ein Exemplar dieser Widerrufserklärung und

– die Vertragsurkunde oder eine Abschrift der Vertragsurkunde

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zur Verfügung gestellt wurde. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs … ”

8

Die Laufzeit des Darlehens betrug fünf Jahre und vier Monate und sollte im Januar 2015 durch einen noch anzusparenden Bausparvertrag in Höhe von 200.000,00 EUR abgelöst werden. Der Kläger zahlte das Darlehen jedoch vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Laufzeit zurück. Die erste Zahlung in Höhe von 99.666,15 EUR erfolgte am 24. Februar 2012 und die zweite Zahlung erfolgte am 10. Juli 2012 in Höhe von 100.333,85 EUR. Für die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens beanspruchte die Beklagte ein Aufhebungsentgelt in Höhe von insgesamt 10.948,39 EUR, welches der Kläger zahlte.

9

Mit anwaltlichem Schreiben vom 15. März 2013 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung. Der Kläger forderte die Beklagte weiterhin zur Rückzahlung des Aufhebungsentgeltes bis zum 5. April 2013 auf. Die Beklagte wies die Widerrufserklärung mit Schreiben vom 5. April 2013 zurück und lehnte eine Rückzahlung des Aufhebungsentgeltes ab.

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Der Kläger behauptet, er habe seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen. Sein Widerrufsrecht sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht erloschen gewesen, denn die zweiwöchige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, da er nicht wirksam über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei.

11

Ferner behauptet er, die Widerrufsbelehrung der Beklagten benenne das die Widerrufsfrist in Gang setzende Ereignis zu ungenau. Sie genüge nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F.. Es fehle an einem Hinweis darauf, dass die Widerrufsfrist bereits mit der Zurverfügungstellung des schriftlichen Antrages oder dessen Abschrift in Gang gesetzt werde. Außerdem sei die Widerrufsbelehrung drucktechnisch nicht deutlich genug gestaltet und gegenüber dem übrigen Text nicht hervorgehoben. Sie genüge daher nicht den Anforderungen des §§ 355 Abs. 3 Satz 2 BGB a.F.. Ferner habe eine Belehrung über die §§ 187 Abs. 1, 188 BGB erfolgen müssen.

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Aufgrund des wirksamen Widerrufs sei zwischen ihm und der Beklagten ein Rückgewährschuldverhältnis entstanden, weshalb er die Rückzahlung des Aufhebungsentgeltes verlangen könne.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.948,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.4.2013 zu zahlen.

15

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

17

Sie behauptet, die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung entspreche den gesetzlichen Anforderungen des §§ 355 BGB a.F.. Die zweiwöchige Widerrufsfrist sei in Gang gesetzt worden, weshalb der Widerruf des Klägers mit Schreiben vom 15.3.2013 verspätet und folglich unwirksam gewesen sei. Die von der Beklagten gewählte Formulierung stelle ein im Interesse des Klägers liegendes Hinausschieben des Fristbeginns dar. Diese verlängerte Widerrufsfrist sei im Interesse des Verbraucherschutzes wirksam. Eine zusätzliche Belehrung über den Inhalt der §§ 187 Abs. 1, 188 BGB sei nicht erforderlich. Auch sei die Widerrufsbelehrung hinreichend deutlich gestaltet und genüge den Anforderungen des §§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.. Durch die optische Gestaltung der Widerrufsbelehrung falle sie dem Leser allein bei einem lediglich zügigen Durchblättern der Darlehensurkunde bereits ins Auge. Auch sei sie deutlich von dem übrigen Text abgesetzt.

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.

19

Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Rückzahlung des Aufhebungsentgeltes gegen die Beklagte, insbesondere nicht gemäß §§ 346 Abs. 1, 357 Abs. 1 Satz 1, 355, 495 Abs. 1, 491 BGB.

20

Der Kläger hat seine auf Abschluss des Darlehensvertrages mit der Beklagten gerichtete Willenserklärung nicht innerhalb der zwei-Wochen-Frist, daher verspätet und unwirksam widerrufen. Für das den Verbraucherkredit betreffende Widerrufsrecht des Klägers sind gemäß Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB die bei Abgabe der in Rede stehenden Willenserklärungen geltenden Bestimmungen des BGB anzuwenden. Im vorliegenden Fall ist § 355 BGB in der bis zum 1. Juni 2010 geltenden Fassung anwendbar. Vorliegend beträgt die Widerrufsfrist zwei Wochen und beginnt mit Erhalt einer deutlich gestalteten Widerrufsbelehrung zu laufen, § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.. Bei schriftlich abzuschließenden Verträgen, wie dem vorliegenden Darlehensverbrauchervertrag (§ 492 BGB) beginnt die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrages zu Verfügung gestellt worden ist (§ 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F.). Die von der Beklagten gewählte Widerrufsbelehrung entspricht zwar nicht der Formulierung des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F., gleichwohl entspricht die Widerrufsbelehrung aber den gesetzlichen Anforderungen. Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, darf die Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten. Zulässig sind diesem Zweck entsprechend allerdings Ergänzungen, die ihren Inhalt verdeutlichen. Nach diesen Maßstäben ist die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung über den Beginn der Widerrufsfrist wirksam. Nach der Vereinbarung zwischen den Parteien beginnt der Lauf der Frist für den Widerruf einen Tag, nachdem der Darlehensnehmer ein Exemplar der Widerrufsbelehrung und die Vertragsurkunde oder eine Abschrift der Vertragsurkunde erhalten hat. Hierdurch wird der Beginn der Widerrufsfrist im Interesse des Kunden hinausgeschoben, was – weil zu Gunsten des Verbrauchers – zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.5.2009, Aktenzeichen XI ZR 242/08; BGH, Urteil vom 13.1.2009, Aktenzeichen XI ZR 47/08).

21

Eine zusätzliche Belehrung über den Inhalt der §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB bedarf es zur ordnungsgemäßen Belehrung über den Fristbeginn nicht. Es reicht aus, dass das den Lauf der Frist auslösende Ereignis, benannt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 23.9.2010, Aktenzeichen VII ZR 6/10).

22

Die Widerrufsbelehrung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam, insbesondere verstößt sie nicht gegen das Deutlichkeitsgebot des §§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.. Die Widerrufsbelehrung hebt sich klar und deutlich genug von dem übrigen Text des Darlehensvertrages und der Empfangsbestätigung ab. Die Widerrufsbelehrung befindet sich unterhalb der Unterschriftszeile innerhalb eines deutlich markierten “Kastens”. Sie ist überschrieben mit “Widerrufsrecht für jeden einzelnen Darlehensnehmer” und rechts unten innerhalb des “Kastens” befindet sich der Vermerk “Ende der Widerrufsbelehrung”. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte auch nicht lediglich eine mit einem schwarzen Strich versehene Umrandung verwendet. Bei der Widerrufsbelehrung handelt es sich zunächst nicht um einen Fließtext. Sie ist deutlich übertitelt, die Ereignisse, die für den Lauf der Frist maßgebend sind, sind untereinander aufgeführt und drucktechnisch durch Punkte vor der Zeile hervorgehoben.

23

Soweit der Kläger bestreitet, am Tag der Unterschriftsleistung einen Vertragsentwurf mit der Widerrufsbelehrung oder eine Abschrift hiervon erhalten zu haben, ist dies insoweit unerheblich, da es sein mag, dass die Frist nicht am Tag der Unterzeichnung, d.h. am 29.10.2009, in Gang gesetzt worden ist, jedenfalls war die zweiwöchige Widerrufsfrist aber zum Zeitpunkt des Widerrufes am 15.3.2013 abgelaufen, denn es ist, mangels gegenteiligen Vorbringens des Klägers davon auszugehen, dass er jedenfalls während des laufenden Vertragsverhältnisses zu irgendeinem Zeitpunkt einen Vertragsentwurf bzw. eine entsprechende Abschrift erhalten hat.

24

Die Frage, ob die Ausübung des Widerrufrechtes rechtsmissbräuchlich ist, kann aus vorgenannten Gründen dahinstehen.

25

Die Nebenentscheidungen bezüglich der Kosten beruht auf § 91 ZPO, diejenige bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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