Keine Verfahrenskostenbeihilfe, wenn zuvor bestehender Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss nicht geltend gemacht wurde

OLG Hamm, Beschluss vom 17.06.2014 – 11 WF 98/14

Verfahrenskostenhilfe ist wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu versagen, wenn ein zuvor bestehender Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss nicht geltend gemacht worden ist, solange die vorschusspflichtige Person noch leistungsfähig war.(Rn.8)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 30.01.2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen vom 17.01.2014 wird zurückgewiesen.

Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe durch das Amtsgericht – Familiengericht – Essen für ein laufendes Verfahren auf Änderung von Titeln über Unterhaltsansprüche seiner geschiedenen Ehefrau und seiner Kinder aus erster Ehe.

I.

2
Mit Schriftsatz vom 30.04.2013 hat der Antragsteller erstmals Verfahrenskostenhilfe für seine mit Antragsschrift vom 16.03.2013 eingereichten Abänderungsanträge beantragt. Zum damaligen Zeitpunkt war über die Firma des Antragstellers bereits ein Insolvenzverfahren anhängig, er selbst verfügte nach eigenen Angaben über keinerlei Einkommen oder Vermögen. Seine zweite Ehefrau hat bis Mitte 2012 bei dem Fernsehsender R gearbeitet, seit Mitte 2012 bis Ende Juni 2013 hat sie im Vorstand der Firma B ein monatliches Bruttoeinkommen von 22.000 EUR zuzüglich anteiliger jährlicher Sonderzahlungen in Höhe von 59.000 EUR erhalten. Das Amtsgericht – Familiengericht – Essen hat den am 30.04.2013 gestellten Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 31.05.2013 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller sei nach § 1360a Abs.4 BGB verpflichtet, bei seiner derzeitigen Ehefrau einen Verfahrenskostenvorschuss einzufordern. Die Voraussetzungen des § 1360a Abs.4 BGB lägen vor, der Antragsteller betreibe einen Rechtsstreit, der seine persönlichen Angelegenheiten betreffe, nämlich bzgl. eines titulierten Unterhaltsanspruches aus einer vorherigen Ehe. Trotz der bisher kurzen Ehedauer der zweiten Ehe – zum Zeitpunkt der Antragstellung knapp 7 Monate – sei die Inanspruchnahme der zweiten Ehefrau auch nicht unbillig. Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen hat der Antragsteller kein Rechtsmittel eingelegt.

3
Mit Antrag vom 03.12.2013 (Bl.408 d.A.) hat der Antragsteller über seinen Verfahrensbevollmächtigten erneut Verfahrenskostenhilfe beantragt und zur Begründung lediglich auf seine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen hingewiesen. Gegen den ihm Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen vom 16.01.2014 hat er persönlich sofortige Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde hat er dahingehend begründet, seine zweite Ehefrau habe ihr Amt bei der Firma B bereits Ende Juni 2013 niedergelegt und bezöge seither keine Einkünfte. Er selbst sei seit Mitte Juni 2013 krank geschrieben, müsse die Vermögensauskunft am 07.02.2014 abgeben und könne nicht einmal eine offene Rechnung seines Rechtsanwaltes bezahlen. Mit Schriftsatz vom 03.06.2014 trägt er ergänzend vor, am 26.05.2014 sei zu dem Aktenzeichen 514 IK 104/14 das Verfahren über die Eröffnung der Privatinsolvenz fortgesetzt worden, aus seinem Vermögensverzeichnis ergebe sich, dass er über keinerlei Vermögenswerte verfüge.

4
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsgegner über Vermögen, etwa in Form einer Uhr der Marke S2, verfügt.

II.

5
Für die Durchführung der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

6
Dahinstehen kann, ob der Antragsteller über einsetzbares Vermögen, etwa in Form eines potentiellen Verkaufserlöses für eine Uhr der Marke S2, verfügt.

7
Der Antragsteller war zur Finanzierung des Verfahrens grundsätzlich auf einen Verfahrenskostenvorschuss gegen seine zweite Ehefrau zu verweisen. Diese verfügte unstreitig bei Anhängigkeit des Verfahrens im März 2013 über monatliche Einkünfte von 22.000 EUR brutto. Die Voraussetzungen des § 1360a Abs.4 BGB lagen jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt vor. Bei dem Rechtsstreit handelt es sich um eine persönliche Angelegenheit. Verfahren mit einem früheren Ehegatten um vermögensrechtliche Ansprüche, z.B. rückständigen Unterhalt, sind vom jetzigen Ehegatten zu finanzieren (vgl. Wendl/Dose, Bearbeiter Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage, § 6 Rn.33). Die Vorschusspflicht des jetzigen Ehegatten ist in der Regel auch nicht unbillig, berührt doch die Durchsetzung eines berechtigten Anspruchs die finanzielle Basis der neuen Ehe und kommt damit auch dem neuen Ehegatten zugute (BGH FamRZ 2010, 189). Zu Recht hat das Amtsgericht Essen in seiner Entscheidung vom 31.05.2013 daher die mit Schriftsatz vom 30.04.2013 beantragte Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Dieser Verfahrenskostenvorschuss gegen die jetzige Ehefrau wäre auch zum damaligen Zeitpunkt alsbald durchsetzbar gewesen.

8
Der erneute Verfahrenskostenhilfeantrag vom 03.12.2013 stellt sich vor diesem Hintergrund als mutwillig und damit rechtsmissbräuchlich dar. Mutwillig ist eine Rechtsverfolgung, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 550; OLG Düsseldorf, FamRZ 1998, 758). Ist ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegen den anderen Ehegatten vorwerfbar nicht rechtzeitig geltend gemacht worden, kann die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe versagt werden; der Antragsteller hat sich dann mutwillig selbst bedürftig gemacht. Es ist dann rechtsmissbräuchlich, nunmehr Verfahrenskostenhilfe in Anspruch zu nehmen (OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 757; OLG Zweibrücken, BeckRS 2002, 30239846). Ebenso wenig darf ein Beteiligter, dem die Verfahrenskostenhilfe im Hinblick auf einen Vorschussanspruch gegen den Ehegatten verweigert worden ist, den Prozess ruhen lassen, bis die Ehe geschieden ist, um dann erneut Verfahrenskostenhilfe zu beantragen (Zöller/Geimer, ZPO, 29. Auflage, § 115 Rn.72; Staudinger, BGB – Neubearbeitung 2012, Bearbeiter Vogel, § 1360a Rn.86a). Der Berechtigte ist vielmehr sogar verpflichtet, den Anspruch – ggf. durch einstweilige Anordnung – titulieren zu lassen und ihn beizutreiben (vgl. Wendl/Dose, Bearbeiter Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage, § 6 Rn.40). Den genannten Fällen steht es nach Auffassung des Senats gleich, wenn der Berechtigte die Beitreibung des Verfahrensvorschusses solange ohne nachvollziehbaren Grund nicht verfolgt, bis die Voraussetzungen des § 1360a Abs.4 BGB wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Ehegatten weggefallen sind. Irgendwelche nachvollziehbaren Gründe, die für ein Abwarten des Antragstellers bei der Geltendmachung seines Anspruches aus § 1360a Abs.4 BGB sprechen könnten, sind weder ersichtlich noch von dem Antragsteller vorgetragen.

9
Auf die Frage, ob der Antragsteller darauf verwiesen werden kann, er hätte in der Vergangenheit einen bestehenden Taschengeldanspruch gegen seine jetzige Ehefrau durchsetzen und aus dem ihm zustehenden Taschengeld Rücklagen für die Verfahrensführung bilden müssen, kommt es nicht mehr an.

10
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, §§ 113 Abs.1 FamFG, 127 Abs.4 ZPO.

11
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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