Haftung bei einem Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot

Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 05.08.2010 – 2 U 5/10

1. Ist abweichend vom Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StVO ein paralleles Fahren auf beiden Fahrstreifen zulässig (hier nach § 7 Abs. 1 StVO), so kommt ein Verstoß gegen das Gebot, nur dann zu überholen, wenn man selbst mit wesentlich höherer Geschwindigkeit fährt als der zu Überholende ( § 5 Abs. 2 Satz 2 StVO), nicht in Betracht. Die Zulässigkeit der Benutzung des linken Fahrstreifens ist von der konkreten Verkehrssituation abhängig.(Rn.9)(Rn.10)

2. Wird ein Unfall dadurch verursacht, dass ein Kraftfahrzeug eine durchgehende doppelte Fahrbahnbegrenzungslinie (Zeichen 295 in Anlage 2 zu § 41 StVO) nach links überfährt und das vor ihm fahrende Auto zu überholen beginnt und der zu Überholende mit einer Lenkbewegung nach links in den Fahrweg des Überholers einfährt, wodurch es zur Kollision beider Fahrzeuge kommt, dann trägt der Überholende die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Lenkbewegung des Überholten Handlungsqualität besaß (in Abgrenzung zu einer behaupteten Schreckreaktion).(Rn.16)(Rn.26)

(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 27. November 2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Gründe

A.

1

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

B.

2

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

3

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass der Kläger gegen die Beklagten keinen über eine Quote von 50 % hinaus gehenden Anspruch auf Ersatz seiner Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 14. Juni 2007 in D., O. Chaussee, hat.

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1. Allerdings ist ein Anspruch des Klägers gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten nach §§ 18 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 StVG und § 3 Satz 1 PflVG dem Grunde nach gegeben.

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Der Beklagte zu 1) ist als Fahrer des Kraftfahrzeugs VW Touran mit dem amtlichen Kennzeichen … verpflichtet, dem Kläger die durch den Betrieb dieses Fahrzeugs anlässlich des vorgenannten Unfalls entstandenen Schäden zu ersetzen. Gegen die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer besteht ein entsprechender Direktanspruch. Anhaltspunkte für einen Ausschluss der Ersatzpflicht der Beklagten nach §§ 7 Abs. 2 bzw. 18 Abs. 2 StVG bestehen nicht.

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2. Der Kläger kann einen Ausgleich seiner Schäden jedoch nur nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 StVG beanspruchen, denn er ist selbst Halter des anderen unfallbeteiligten Fahrzeuges, des Pkw Audi A 4 mit amtlichem Kennzeichen … gewesen (§§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 StVG). Im Innenverhältnis richtet sich die Haftungsverteilung zwischen dem Kläger als Fahrzeughalter des einen Unfallwagens und dem Beklagten zu 1) als Fahrzeugführer des anderen Unfallwagens nach den Umständen der Unfallentstehung und insbesondere nach den beiderseitigen Verursachungsanteilen. In die Abwägung der Verursachungsanteile sind – im Übrigen ebenso, wie im Rahmen einer Betrachtung der Verschuldensanteile i.S. von §§ 249, 254 BGB – lediglich diejenigen tatsächlichen Umstände einzubeziehen, die nachgewiesen sind. Die Haftung der Beklagten zu 2) folgt derjenigen des Beklagten zu 1). Dagegen haben nur mögliche, aber nicht sicher feststellbare Verstöße gegen verkehrsrechtliche Verpflichtungen bei der Abwägung außer Betracht zu bleiben. Nach diesen Maßstäben ist eine Haftung der Beklagten zu mehr als 50 % nicht gerechtfertigt.

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a) Das Landgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Verursachungsbeiträge des Klägers und des Beklagten zu 1) ohne Berücksichtigung der unmittelbaren unfallursächlichen Lenkbewegung des Beklagten zu 1) nach links etwa als gleichgewichtig zu bewerten sind.

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aa) Die Beklagten haben nur für die einfache Betriebsgefahr ihres Kraftfahrzeugs einzustehen. Dabei kann zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden, dass der Beklagte zu 1) bei der Annäherung des Klägers an die beiden nebeneinander fahrenden Kfz der Zeugin K. auf der rechten Fahrspur und des Beklagten zu 1) auf der linken Fahrspur verkehrsbehindernd i.S. von § 3 Abs. 2 StVO wirkte und dies bei genügender Sorgfalt auch hätte erkennen und vermeiden können. Diese unterstellte Verkehrspflichtwidrigkeit ist für den Unfall jedenfalls nicht ursächlich geworden.

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(1) Der Beklagte zu 1) verstieß vor dem Unfall nicht gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 StVO. Auf Fahrbahnen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 StVO eine Abweichung vom Rechtsfahrgebot in Abhängigkeit von der Verkehrslage zugelassen. Sowohl nach der Darstellung des Unfallhergangs durch den Kläger als auch nach derjenigen der Beklagten bestand für den Beklagten zu 1) vor der Annäherung des Fahrzeugs des Klägers von hinten keine Veranlassung, den linken Fahrstreifen frei zu halten.

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(2) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist dem Beklagten zu 1) ein fahrlässiger Verstoß gegen das Gebot des § 5 Abs. 2 Satz 2 StVO bis zur Annäherung des Klägers nicht vorzuwerfen. Danach darf ein Fahrzeug ein anderes nur dann überholen, wenn es mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt. Das war zwar im Verhältnis der Fahrzeuge des Beklagten zu 1) und der Zeugin K. nicht der Fall, wie im Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere unter Berücksichtigung der Angaben der Zeugin K., festzustellen ist. Diese hat geschildert, dass das Fahrzeug der Beklagten in annähernd gleicher Geschwindigkeit neben ihr, leicht nach hinten versetzt, fuhr. Dies deckt sich mit den Angaben des Klägers und der Zeugin H. zur Verkehrslage bei Annäherung des Klägers an beide Fahrzeuge. Ist aber in Abweichung vom Rechtsfahrgebot nach § 7 Abs. 1 StVO auch ein paralleles Fahren auf beiden Fahrstreifen zulässig, so kann es nicht darauf ankommen, ob der links Fahrende, wie hier der Beklagte zu 1), eine Überholabsicht hat, wie er selbst angegeben hat, oder nicht.

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(3) Im Zeitpunkt der Annäherung des Klägers an das Fahrzeug des Beklagten zu 1) auf dem linken Fahrstreifen veränderte sich die Verkehrssituation für den Beklagten zu 1). Insoweit kommt eine Neubegründung des Rechtsfahrgebots sowie im Hinblick auf die fortgesetzte Fahrt des Beklagten zu 1) auf der linken Fahrspur eine leicht fahrlässige Verkehrsbehinderung i.S. von § 3 Abs. 2 StVO in Betracht. Eine nähere Aufklärung der Verkehrslage ist jedoch entbehrlich, weil selbst dann, wenn der Senat insoweit eine entsprechende Pflichtwidrigkeit als wahr unterstellt, diese nicht unfallursächlich geworden ist. Der Verkehrsunfall ist auch nach den Angaben des Klägers nicht dadurch herbeigeführt worden, dass auf der vor ihm liegenden Fahrbahn beide Fahrstreifen mit parallel fahrenden Kfz besetzt waren. Es wäre ihm ohne Weiteres möglich gewesen, seine eigene Geschwindigkeit zu reduzieren und hinter dem Fahrzeug der Beklagten zu bleiben.

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(4) Soweit der Kläger als ersten Auslöser des späteren Unfallgeschehens eine plötzliche starke Bremsung des Beklagten zu 1) ohne ersichtlichen Grund und ohne eine Ankündigung behauptet hat, die ihn – den Kläger – zu einem Ausweichmanöver gezwungen habe, hat sich dieser Umstand nicht feststellen lassen.

13

Das Landgericht hat alle angebotenen und zur Verfügung stehenden Beweise erhoben. Es hat zu dieser Beweisfrage nach Auswertung der Ermittlungsakte insbesondere ein unfallanalytisches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) F. W. eingeholt (vgl. Gutachten vom 2. Juni 2009, GA Bd. I Bl. 121 bis 127) und die Zeuginnen S. H. und J. K. vernommen (vgl. Sitzungsprotokoll vom 10. April 2009, GA Bd. I Bl. 58 bis 63). Die Beweiswürdigung des Landgerichts, dass danach ein Bremsmanöver des Beklagten zu 1) nicht erwiesen ist, ist nicht zu beanstanden. Objektive Anhaltspunkte für ein solches Bremsen sind insbesondere in der Beschreibung der Spurenlage und der Endposition der Fahrzeuge nach dem Unfall in der Ermittlungsakte nicht vorhanden. Dem gerichtlichen Sachverständigen waren Feststellungen hierzu nicht mehr möglich. Die Zeugin H. hat zwar die Behauptung des Klägers bestätigt; dem gegenüber hat die Zeugin K. jedoch angegeben, dass sie sich bis zum Unfall stets in annähernd paralleler Lage zum Beklagten zu 1) befunden habe und dass sie aus dem Umstand, dass sie nicht gebremst habe, schlussfolgere, dass auch der Beklagte zu 1) nicht gebremst haben könne. Bei dieser Beweislage ist es mindestens eine vertretbare, wenn nicht nahe liegende Wertung, die das Landgericht aus den widerstreitenden Aussagen gezogen hat, nämlich die Annahme eines Scheitern des erstrebten Nachweises.

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bb) Der Kläger hat ebenfalls für die einfache Betriebsgefahr des von ihm geführten Fahrzeuges einzustehen. Als weiterer Verursachungsbeitrag des Klägers zum Unfall ist dessen Wechsel auf die Gegenfahrbahn über die durchgehende doppelte Fahrbahnbegrenzung zu bewerten.

15

Angesichts der Nichtaufklärbarkeit des Umstandes, ob der Beklagte zu 1) dieses Fahrmanöver durch ein starkes Bremsen veranlasst hat, was mithin hier zugunsten des Klägers zu unterstellen wäre, überwiegen die gegen ein Verschulden sprechenden Argumente. Unfallursächlich ist das Fahrmanöver gleichwohl geworden.

16

Nach § 41 Abs. 1 i.V. mit dem Zeichen 295 der Anlage 2 zur StVO, dort Ziffer 1 lit. b) der Anmerkungen, ordnet die durchgehende doppelte Fahrbahnbegrenzungslinie an, dass rechts von beiden Linien zu fahren ist. Zwar besteht der Schutzzweck der Doppellinie in erster Hinsicht in der Gewährleistung eines gefahrlosen Gegenverkehrs; das Vorschriftszeichen spricht ein Überholverbot nicht unmittelbar aus. Jedenfalls aber darf der Führer eines Fahrzeuges rechts der Doppellinie darauf vertrauen, dass ein nachfolgendes Fahrzeug ihn nicht überholt, wenn dies nur unter Inanspruchnahme der derart abgetrennten Gegenfahrbahn möglich ist (vgl. BGH, Urteil v. 29. April 1987, VI ZR 66/86VersR 1987, 906; Saarländisches OLG, Urteil v. 9. Oktober 2001, 4 U 10/01-2 – OLGR 2002, 27). Der Kläger hat mit seinem Fahrmanöver dieses von der Rechtsprechung als schutzwürdig anerkannte Vertrauen des Beklagten zu 1) verletzt und damit eine gefahrgeneigte Verkehrssituation geschaffen, die sich letztlich hier auch unfallursächlich ausgewirkt hat. Ohne den Wechsel des Klägers auf die Gegenfahrbahn und das Beibehalten einer höheren Geschwindigkeit, als derjenigen des Beklagten zu 1), wäre es zu dem Verkehrsunfall nicht gekommen.

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b) Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine weit überwiegende, die Verursachungsbeiträge des Klägers vollständig verdrängende Schadensverursachung durch den Beklagten zu 1) nicht aus dessen erwiesener Lenkbewegung nach links auf die Gegenfahrbahn, dort in den Fahrweg des Klägers.

18

aa) Allerdings konnte der gerichtliche Sachverständige in seinem unfallanalytischen Gutachten vom 2. Juni 2009 eine erhebliche Linksbewegung des Fahrzeugs der Beklagten als unfallursächlich rekonstruieren. Sowohl aus der Endlage der Fahrzeuge als auch insbesondere aus der Lage und dem Verformungsbild der Anstoßstellen an beiden Fahrzeugen ist nachvollziehbar darauf zu schließen, dass die Kollision etwa in der Mitte der Gegenfahrbahn erfolgte und dabei das Fahrzeug des Klägers nahezu geradeaus fuhr, während sich das Fahrzeug der Beklagten in einem spitzen Winkel quer zur Fahrbahn befand.

19

bb) Dem Kläger ist jedoch der Beweis einer willentlichen Reaktion des Beklagten zu 1), also eines bewussten Fahrmanövers nach links auf die Gegenfahrbahn, nicht gelungen.

20

(1) Zwar hat der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten wiederholt den Begriff der „bewussten Lenkbewegung“ verwendet (vgl. Gutachten S. 16, 22, 26). Er hat diese Formulierung jedoch selbst jeweils auf eine „Einschätzung aus technischer Sicht“ beschränkt, was die Prozessparteien und das Landgericht übereinstimmend und zutreffend dahin verstanden haben, dass im mechanischen Sinne eine eindeutige Lenkbewegung erfolgte.

21

(2) Darüber hinaus hat der gerichtliche Sachverständige angegeben, dass jedenfalls dann, wenn der vom Kläger behauptete Bremsvorgang erwiesen wäre, das hierin liegende „Ausbremsen“ des Klägers durch den Beklagten zu 1) ein starkes Indiz gegen eine spätere Schreckreaktion darstellte (vgl. Gutachten S. 22, 26). Es mag schon zweifelhaft sein, inwieweit eine solche Bewertung in den Fachbereich eines technischen Sachverständigen fiele. Jedenfalls ist die vom Sachverständigen genannte Bedingung gerade nicht erfüllt. Das Landgericht hat, wie ausgeführt, in nicht zu beanstandender Weise ein starkes Bremsen des Beklagten zu 1) gerade nicht als erwiesen angesehen.

22

(3) Alle weiteren bekannten Hilfstatsachen sind ambivalent zu bewerten, d.h. sie lassen einen eindeutigen Schluss darauf, ob der Beklagte zu 1) willentlich oder nicht willentlich gehandelt hat, nicht zu.

23

Die Behauptung des Klägers, dass der Beklagte zu 1) sein Fahrzeug bewusst nach links gesteuert habe, um ein Überholen durch den Kläger zu verhindern, setzt – wie der Klägervertreter auf Vorhalt im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat – voraus, dass der Beklagte zu 1) eine erhebliche Eigengefährdung durch dieses Fahrmanöver billigend in Kauf genommen hätte. Ein Motiv hierfür ist nicht erkennbar. Anhaltspunkte hierfür gab es weder im Vorgeschehen des Unfalls, etwa im Fahrverhalten des Beklagten zu 1) selbst oder etwa in einem interaktiven Geschehen unter Beteiligung des Klägers und des Beklagten zu 1), noch im Nachverhalten des Beklagten zu 1) nach dem Unfall, etwa in spontanen Äußerungen am Unfallort.

24

Gegen die vom Beklagten zu 1) behauptete Schreckreaktion spricht jedenfalls hier nicht der Umstand, dass der Beklagte zu 1) sein Fahrzeug nach links gelenkt hat. Selbst wenn der Senat mangels ausreichender eigener Sachkunde zugunsten des Klägers unterstellte, dass im Rahmen einer Schreckreaktion ein Ausweichen typischerweise weg von dem vermeintlichen Gefahrenherd erfolgt – hier also nach rechts –, ließe das hier einen sicheren Umkehrschluss auf eine bewusste Reaktion nicht zu. Es ist schon fraglich, ob der Beklagte zu 1) im Auftauchen des Fahrzeugs des Klägers eine unmittelbare Gefahr gesehen hat, auf die er reagieren wollte. Er selbst hat seine Lenkbewegung gerade nicht als schreckhaftes Ausweichmanöver geschildert, sondern als ein – objektiv sinnwidriges – Verreißen des Lenkrades. Selbst wenn jedoch die angebliche Schreckreaktion des Beklagten zu 1) – für ihn unbewusst – auf ein Ausweichen gerichtet gewesen wäre, dann mag sich – ebenfalls unbewusst – der Umstand ausgewirkt haben, dass dem Beklagten ein Ausweichen nach rechts wegen der parallelen Fahrt der Zeugin K. ebenfalls nicht möglich war.

25

cc) Der Kläger trägt hier auch die Beweislast für eine Willenssteuerung der Lenkbewegung des Beklagten zu 1) nach links.

26

Nach der Rechtsprechung hat in Fallgestaltungen, bei denen der Verletzungsvorgang – wie hier die o.g. Lenkbewegung des Beklagten zu 1) – nach seinem äußeren Erscheinungsbild unter physischem Zwang gegen den Verletzer oder als Reflex des Verletzers auf eine äußere Einwirkung ausgelöst wird, der Verletzte – hier der Kläger – den Nachweis für eine vom Willen getragene Handlung des „Schädigers“ zu führen (vgl. BGH, Urteil v. 12. Februar 1963, VI ZR 70/62BGHZ 39, 103 Wurf nach einem Schlag in die Magengegend ; bekräftigt in BGH, Urteil v. 1. Juli 1986, VI ZR 294/85BGHZ 98, 135; ebenso OLG Naumburg, Urteil v. 27. Januar 2003, 1 U 101/02VersR 2004, 212 Kollision mit einem Reh ). In Abgrenzung hierzu wird in Fällen, in denen eine der Willenslenkung unterliegende Handlung allein und ausschließlich aufgrund innerer Vorgänge fraglich erscheint, ein Entlastungsbeweis des Schädigers in entsprechender Anwendung des § 827 Satz 1 BGB verlangt (vgl. BGH, Urteil v. 1. Juli 1986, a.a.O. Bewusstlosigkeit ; BGH, Urteil v. 25. November 1987, IVa ZR 160/85 – BGHZ 102, 227 Unzurechnungsfähigkeit ). Dieser nachvollziehbaren Unterscheidung schließt sich der Senat an. Nach diesen Maßstäben ist das Fahrmanöver des Beklagten zu 1) durch einen äußeren Anlass, nämlich durch das überraschende Auftauchen des Klägers auf seiner linken Seite mit Überholtendenz, ausgelöst worden, so dass der Kläger den Nachweis zu führen hatte, dass die Reaktion des Beklagten zu 1) hierauf Handlungsqualität besaß.

C.

27

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

28

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

29

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

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