Großes Schlagloch auf vom Baulastträger als Radweg empfohlenen Straße kann Vorwurf der Verkehrssicherungspflichtverletzung begründen

OLG München, Beschluss vom 06. März 2012 – 1 U 4292/11

Großes Schlagloch auf vom Baulastträger als Radweg empfohlenen Straße kann Vorwurf der Verkehrssicherungspflichtverletzung begründen

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten vom 23. September 2011, Az.: 23 O 588/11, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

II. Die Parteien erhalten Gelegenheit, zu dem gerichtlichen Hinweis innerhalb von 3 Wochen ab Zugang des Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe
1
Die Voraussetzungen für § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben, weil das Rechtsmittel ersichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

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Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen der Klage teilweise stattgegeben.

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Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung. Das Landgericht hat zu Recht eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten bejaht, es nicht für erwiesen erachtet, dass die Beklagte den Straßenzustand in ausreichenden Zeitabständen kontrolliert hat und ist zu Recht dem Sachverständigenbeweisantrag der Beklagten nicht nachgegangen und hat im Übrigen zu Recht der Feststellungsklage teilweise stattgegeben.

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1. Der Senat stimmt mit dem Landgericht überein, dass ein Schlagloch mit einer Größe von ca. 75 x 55 cm und einer Tiefe von ca. 5 cm, das sich zudem auf einer kurvenreichen Gefällestrecke auf einem von der Beklagten selbst als Radweg empfohlenen Straße befindet, den Vorwurf der Verkehrssicherungspflichtverletzung begründet.

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Grundsätzlich ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schaden zu bewahren. Voraussetzung ist, dass sich vorausschauend die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Soweit es insbesondere um Straßen geht, ist der Verkehrssicherungspflichtige verpflichtet, den Verkehr auf den Straßen, soweit dies mit zumutbaren Mitteln geschehen kann, möglichst gefahrlos zu gestalten, insbesondere den Verkehrsteilnehmer gegen unvermutetes, aus der Beschaffenheit der Straße sich ergebende und nicht ohne weiteres erkennbare Gefahrenquellen zu sichern oder zumindest vor diesen zu warnen. Hierbei wird der Umfang der Verkehrssicherungspflicht maßgebend bestimmt durch die Art und Häufigkeit der Benutzung der Straße und ihre Verkehrsbedeutung. Grundsätzlich muss sich allerdings auch der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und hat die Straßen so hinzunehmen, wie sie sich für ihn erkennbar darbieten. Der Verkehrssicherungspflichtige muss deshalb nur diejenigen Gefahren ausräumen oder vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. dazu nur OLG Celle NJW-RR 2007, 972).

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Nach diesen Grundsätzen liegt eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vor, da ein Radfahrer nicht damit rechnen muss, dass eine asphaltierter als Radweg empfohlene Strecke, zumal wenn es sich noch um eine kurvenreiche Gefällstrecke handelt, ein Schlagloch der oben genannten Größenordnung aufweist. Dieser Zustand ist für einen Verkehrsteilnehmer auch objektiv gefährlich, da ein Schlagloch dieser Größenordnung und dieser Tiefe durchaus geeignet ist, einen Fahrradfahrer zu Sturz zu bringen.

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Das von der Beklagten beantragte Sachverständigengutachten war nicht einzuholen. Für die Feststellung einer Verkehrssicherungspflicht ist auf die objektive Gefahrenlage abzustellen. Es kommt nicht darauf an, ob jeder Fahrradfahrer bei Durchfahren dieses Schlagloches zu Sturz kommt, sondern es reicht aus, dass ein Schlagloch dieser Größenordnung objektiv die Gefahr eines Sturzes eines Fahrradfahrers erhöht. Dazu bedarf es keiner Einholung eines Sachverständigen, da sich allein aus den Angaben des Größenverhältnisses und vor allem der Tiefe des Schlagloches eine derartige Gefahr ergibt. Das Landgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, dass für eine Frage, ob die Klägerin an diesem Tage bei entsprechender Fahrweise das Loch hätte gefahrenlos durchfahren können, es an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlt.

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2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, dass der Beklagten nicht der Nachweis gelungen ist, dass sie in monatlichen Abständen die Straße kontrolliert hat, ist nicht zu beanstanden. Der vernommene Zeuge Z. konnte lediglich allgemeine Angaben dahingehend machen, dass die Straße einmal im Monat kontrolliert wird, konnte aber nicht angeben, wann die Straße vor dem Unfall letztmals kontrolliert worden ist, da keinerlei schriftliche Aufzeichnungen über Kontrollfahrten vorhanden sind. Aufgrund dieser allgemeinen Aussage ist es nachvollziehbar, dass das Landgericht den Nachweis einer monatlichen Kontrollfahrt als nicht geführt angesehen hat.

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3. Das Landgericht hat den Mitverschuldensanteil der Klägerin mit 1/3 zutreffend bewertet. Ein höheres Mitverschulden kann der Klägerin nicht nachgewiesen werden. Wie sich auch aus dem Unfallbericht der Polizei ergibt, war an diesem Tage der kurvenreiche Streckenabschnitt unübersichtlich aufgrund des Lichteinfalls durch Bäume. Unter Berücksichtigung des Grades der Verkehrssicherungspflichtverletzung und einer nicht optimalen Reaktion der Klägerin auf die Gefahrenlage hält der Senat den Mitverschuldenanteil der Klägerin mit 1/3 für angemessen bewertet.

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4. Das Landgericht hat der Feststellungsklage zu Recht teilweise stattgegeben. In Anbetracht der von der Klägerin erlittenen Verletzungen sind Zukunftsschäden nicht ausgeschlossen.

11
Der Beklagten wird zur Vermeidung weiterer Kostennachteile dringend empfohlen, die offensichtlich unbegründete Berufung zurückzunehmen.

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