Zu den Anforderungen an die Verkehrssicherung einer Straßenbaustelle hinsichtlich der Aufstellung von Hinweisschildern

OLG München, Urteil vom 22. November 2019 – 10 U 4224/18

Zu den Anforderungen an die Verkehrssicherung einer Straßenbaustelle hinsichtlich der Aufstellung von Hinweisschildern

Tenor

1. Die Berufung des Klägers vom 29.11.2018 gegen das Endurteil des LG München II vom 24.10.2018 (Az. 2 O 121/16) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
A.

1
Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Ersatz materiellen Schadens, Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für den materiellen Zukunftsschaden aus einem Verkehrsunfall vom 15.05.2012 gegen 15.40 Uhr geltend.

2
Der Kläger fuhr mit seinem Motorrad Kawasaki ZR 750, amtl. Kennzeichen … 72 auf der B 307, Km 9.900 vom S. kommend Richtung O. hinter dem mit ihm befreundeten, ebenfalls mit einem Motorrad fahrenden Zeugen G. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist dort durch Verkehrszeichen auf 60 km/h beschränkt. Etwa 300 m vor der späteren Unfallstelle war Zeichen 101 der Anlage 1 zu § 40 VI StVO mit Zusatzzeichen Ölspur aufgestellt. Nach einer leichten Linkskurve stand am rechten Fahrbahnrand der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherte Sprinter des Beklagten zu 1), amtl. Kennzeichen … 800 mit Anhänger (amtl. Kennzeichen … 8000), an dessen Heck Zeichen 616 der Anlage 4 zu § 43 III StVO angebracht war (Absperrtafel), um im Auftrag der Straßenmeisterei einem Ölfleck zu beseitigen. Der Zeuge G. fuhr links am Fahrzeug des Beklagten zu 1) vorbei, der dahinterfahrende Kläger stürzte und stieß gegen den Anhänger.

3
Der Kläger erlitt insbesondere eine offene Ulnaschaftfraktur rechts, eine Transolecranonluxationsfraktur Mayo 3b rechts, eine Beckenkammabsprengung sowie eine Sitzbeinfraktur rechts und eine Schnittwunde im Unterschenkel. Es verblieben schmerzhafte Bewegungseinschränkungen mit Sensibilitätsstörung.

4
Das LG München II hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen.

5
Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

6
Gegen dieses dem Kläger am 29.10.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht München am 29.11.2018 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 208/209 d.A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 31.01.2019 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 215/224 d.A.) begründet.

7
Der Kläger trägt insbesondere vor, er habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten, die Sicht sei ihm durch seinen vorausfahrenden Bekannten verdeckt worden und er habe auch nicht sogleich wahrgenommen, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1) nicht fuhr sondern stand. Daher sei ihm eine Verlustzeit von 2,7 Sekunden zuzubilligen und die Kollision für ihn unvermeidbar gewesen. Auch sei die Baustelle nicht nach den Richtlinien RSA zur Sicherung von Arbeitsstätten mit Regelplan C II 2 vor der Kurve angekündigt worden.

8
Der Kläger beantragt,

9
unter Abänderung des angefochtenen Urteils

10
die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 2684,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.05.2012 zu bezahlen,

11
die Beklagten werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2012 zu bezahlen,

12
die Beklagten werden zudem verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1530,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit für vorgerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen,

13
es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner dem Kläger sämtliche weitere materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Unfall vom 15.05.2012 bereits entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit die entsprechenden Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

14
Die Beklagten beantragen,

15
die Berufung zurückzuweisen.

16
Der Senat hat die Unfallbeteiligten angehört und gemäß Beweisanordnung vom 12.02.2019 (Bl. 225/231 d.A.) Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr.S.

17
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.11.2019 (Bl. 245/254 d.A.) verwiesen.

18
Die Parteien haben sich mit einer Verwertung der bisherigen Aussagen der Zeugen G. und O. in erster Instanz bzw. im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Traunstein, Az 410 JS 15697/12 einverstanden erklärt und auf erneute Einvernahme der Zeugen verzichtet (vgl. Bl. 246 d.A.).

19
Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 27.03.2019 (Bl. 236/242 d. A.), auf die weiteren Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschriften vom 22.11.2019 (Bl. 245/254 d. A.), die Sitzungsniederschrift vor dem LG München II vom 21.09.2016 (Bl. 41/48 d.A.), die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. vom 28.07.2017 (Bl. 71/119 d.A.) und vom 08.01.2018 (Bl. 134/143 d.A.) Bezug genommen.

B.

20
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

21
I. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz verneint.

22
Da das Fahrzeug des Klägers und dieser bei dem Zusammenstoß mit dem in Betrieb befindlichen Fahrzeug des Beklagten zu 1) beschädigt wurden, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Klägers aus § 7 I StVG i. Verb. m. § 115 I 1 Nr. 1 VVG in Betracht. Dass der Unfall durch höhere Gewalt (§ 7 II StVG) verursacht worden sei, wird von keiner Partei geltend gemacht. Ein Anspruch des Klägers ist aber deshalb ausgeschlossen, weil der Unfallschaden vorliegend von ihm ganz überwiegend verursacht und verschuldet wurde, so dass der Verursachungsbeitrag der Beklagten vernachlässigt werden kann (§§ 17 I StVG/254 I BGB).

23
Der Senat hält die Ausführungen des Landgerichts im Ergebnis für zutreffend.

24
1. Der Senat ist aufgrund der in zweiter Instanz durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass am Zugfahrzeug des Beklagten zu 1) die Rundumleuchte sowie an diesem wie auch am Anhänger die Warnblinkanlage in Betrieb war und die Blinkvorrichtung an der Absperrtafel leuchtete. Der Senat gelangt zu dieser Überzeugung auf Grund der Angaben des Beklagten zu 1) vor dem Senat, denen der Senat Glauben schenkt. Sein Beifahrer, der Zeuge O., hat die Erinnerung des Beklagten zu 1) zum Betrieb der Warneinrichtungen im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme vor dem Landgericht bestätigt. Die Angaben des Klägers und des Zeugen G. (vor dem Landgericht und im Ermittlungsverfahren) stehen der Überzeugungsbildung nicht entgegen, da diese zur Frage des Betriebes der Warnvorrichtungen mangels Erinnerung keine konkreten Angaben machen konnten. Der Senat geht auf Grund der Angaben des Beklagten zu 1) weiter davon aus, dass er zusammen mit dem Zeugen O. vor dem Halt an der späteren Unfallstelle bereits zuvor in einem weiter Bergauf befindlichen Streckenabschnitt zunächst die Unfallstelle eines eben stattgefundenen Motorradunfalles räumte, sodann vom Straßenmeister ad hoc beauftragt wurde, weiter unten auf der B 307 dort befindliche Ölflecken – deren genaue Lage dem Beklagten zu 1) weder bekannt waren noch mitgeteilt wurden – zu beseitigen, der Straßenmeister mit Rundumlicht dem Beklagten zu 1) und dem Zeugen O. vorausfuhr und ihm bei der Fahrt bergab zur späteren Unfallstelle zunächst der Kläger und der Zeuge G. mit hoher Geschwindigkeit entgegengekommen waren. Der Beklagte zu 1) erinnerte sich an Hand Aussehen und Farbe der Motorräder und der Kleidung der Fahrer konkret, dass es diejenigen Motorradfahrer waren, von denen der eine später verunfallte. Sein Beifahrer bestätigte in erster Instanz eine Begegnung mit 2 Motorradfahrern, deren Geschwindigkeit er ebenfalls als überhöht einschätzte. Der Senat glaubt dem Beklagten zu 1), dass er bei der ersten Begegnung in einer – aus Sicht der Motorradfahrer gesehen – Rechtskurve wegen der hohen Geschwindigkeit und der Fahrlinie der Motorräder fürchtete, diese würden mit dem Anhänger kollidieren, weshalb er sie auch über den Rückspiegel beobachtete. Der Kläger gab zwar an, dass er und der Zeuge G. am Nachmittag zum ersten Mal vom Lokal oben zur Unfallstelle fuhren. Der Senat ist aber von der Richtigkeit der Angaben des Beklagten zu 1) überzeugt, auch weil der Kläger gegenüber dem Senat in einem ganz wesentlichen Punkt, nämlich der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit, unzutreffende Angaben gemacht hat. (s.u. 3a)).

25
2. Der Beklagte zu 1) erinnerte sich weiter, dass er unmittelbar im Zusammenhang mit dem Anhalten vor dem zu beseitigenden Ölfleck die Annäherung des Zeugen G. und des Klägers beobachtete, die Geschwindigkeit als deutlich zu schnell empfand und daher sein Fahrzeug nach Lösen der Bremse noch etwas nach vorne rollen ließ oder bewegte, um den Motorrädern mehr Platz zu verschaffen. Dieses nach vorne versetzen hat auch der Zeuge O. anlässlich seiner Einvernahme in erster Instanz wahrgenommen. Der Zeuge hat zwar anders als der Beklagte zu 1) – der der Ansicht war, der Zeuge habe in diesem Moment die Beifahrertür geöffnet und sei beim Aussteigen gewesen – auch angegeben, dass er im Moment der Vorwärtsbewegung bereits ausgestiegen war. Hinsichtlich der Angaben des Beklagten zu 1) ist aber insoweit zu berücksichtigen, dass er sein Augenmerk auf die Beobachtung der sich nähernden Motorräder richtete.

26
3. Der Sachverständige Dr. S., von dessen hervorragender Sachkunde sich der Senat an Hand einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat überzeugen konnte, gelangte an Hand der aus den polizeilichen Fotos ersichtlichen Endstellung des Fahrzeuggespanns des Beklagten zu 1) und nach Besichtigung der Unfallstelle zu einer Sichtweite auf die Warntafel von 100 m bei einem Gefälle an der Unfallstelle von 11 %. Auf Grund der Spuren an den beiden Fußrasten des Motorrades des Klägers, der bis zum Rand abgefahrenen Bereifung und der Schleifspuren an den Knieschonern der Hose des Klägers, die allesamt nicht dem Unfall zugeordnet werden können und der Angaben des Klägers selbst ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen der Überzeugung, dass es sich beim Kläger um einen versierten Motorradfahrer handelt. Der Kläger gab selbst an, dass er die Hose neu erworben hatte und es sich bei ihm um einen versierten Motorradfahrer, wenn auch keinen Profi, handelt. Daher ist wie vom Sachverständigen erläutert für den Kläger auf ebener Strecke eine Vollbremsverzögerung von 8,5 m/s² (reduziert um das entgegenwirkende Gefälle ergeben sich an der Unfallstelle 7,5 m/s²) erzielbar und der Berechnung zu Grunde zu legen, gab der Kläger doch selbst an, „voll in die Eisen gestiegen“ zu sein, während das kurzzeitige Lösen der Bremse nach den Ausführungen des Sachverständigen technisch nicht nachvollzogen werden kann, da sich dies – wie tatsächlich nicht – in der Spurzeichnung des Hinterrades bemerkbar machen hätte müssen.

27
a) Der Sachverständige gelangte an Hand der Endlagen der Fahrzeuge, wie sie sich aus den polizeilichen Fotos und den vom Zeugen G. in erster Instanz übergebenen Bildern und den Angaben des Zeugen G. ergeben (der Zeuge gab in erster Instanz an, dass Motorrad und Kläger nach dem Unfall bis zur Aufnahme der Bilder nicht mehr bewegt wurden) unter Berücksichtigung der Länge der dem Hinterrad des Motorrades des Klägers zuzuordnenden Blockierspur zu einer Ausgangsgeschwindigkeit des Klägers von 97 km/h, wenn, was bei einem geübten Motorradfahrer wahrscheinlich und in rechtlicher Hinsicht zu fordern ist, beide Bremsen betätigt wurden, wovon der Senat vorliegend ausgeht. An Hand der Spurenlage der gezeichneten Bremsspur gelangte der Sachverständige bei Annahme einer Reaktionszeit von 0,8 Sek. und einer Bremsschwellzeit von 0,5 Sek. (weil das Motorrad des Klägers nicht über ABS verfügt) zu einem Reaktionsbeginn des Klägers 75 m vor dem Anhänger. Entweder hat der Kläger 1 Sekunde zu spät reagiert (etwa weil er entgegen seiner eigenen Angaben den Sicherheitsabstand zum Zeugen G. nicht einhielt und insoweit eine Sichtverdeckung Ursache der verspäteten Reaktion war) oder der Kläger hat ohne Reaktionsverzug bereits zuvor spurzeichnungsfrei gebremst, was eine noch höhere Ausgangsgeschwindigkeit als 97 km/h nach sich zöge (Protokoll v. 22.11.2019, S. 7 = Bl. 251 d.A.). Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde daher mit 97 km/h jedenfalls um 61 % überschritten.

28
b) Bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit wäre auch ein nicht versierter Fahrer nach dem Ergebnis des Sachverständigen, dem der Senat folgt, bei Betätigung beider Bremsen mit einer Bremsverzögerung von 6,5 m/Sek.² (unter Berücksichtigung des Gefälles ergibt sich dann ein Wert von 5,5 m/Sek.²), was einem eine kurvenreiche Bergstrecke befahrenden Zweiradfahrer zumutbar ist, nach 42,58 m und damit mehr als 50 m vor dem Heck des Anhängers zum Stehen gekommen. Auch aus einer Geschwindigkeit von 80 km/h hätte ein ungeübter Fahrer noch mehr als 30 m vor dem Heck des Anhängers anhalten können, ohne in eine kritische Lage zu geraten (Protokoll aaO S. 7 = Bl. 251 d.A.). Eine zusätzliche Verlustzeit zur zuzubilligenden Reaktionszeit von 0,8 Sek. hinaus kann der Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen. Einer etwaigen Sichtverdeckung durch den Zeugen G. hatte er durch Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes Rechnung zu tragen und das Hindernis erschien in seinem Blickfeld direkt vor ihm auf der Fahrbahn. Da das Zeichen 616 wie vom Beklagten zu 1) geschildert in Betrieb war, war mit einem stehenden Fahrzeug zu rechnen, da die Streckensperrung das Befahren der so gekennzeichneten Fläche verbietet.

29
c) Ein Verschulden des Klägers am Zustandekommen des Unfalles ist daher bewiesen, nicht dagegen ein solches des Beklagten zu1).

30
Die RSA sehen zwar für den vorliegenden Fall, bei dem die Absperrtafel wegen der Kurve erst aus einer Entfernung von 100 m zu erkennen ist, eine Vorankündigung vor der Kurve vor, welche vorliegend nicht erfolgt ist.

31
(1) Das Reinigungsfahrzeug durfte zunächst nach § 35 VI StVO trotz Zeichen 306 am rechten Fahrbahnrand der Bundesstraße zur Beseitigung des unmittelbar vor dem Fahrzeug befindlichen Ölflecks anhalten. Der Senat glaubt wie gesagt dem Beklagten zu 1) wie von diesem geschildert, dass der Auftrag zur Beseitigung des Ölflecks vom Straßenmeister ad hoc anlässlich der Sicherung und Reinigung einer weiter bergauf befindlichen Unfallstelle erteilt wurde und ihm die Lage des Ölflecks bis zum Anhalten hinter dem Straßenmeistereifahrzeug nicht bekannt war. Der Unfall ereignete sich im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Anhalten vor dem Ölfleck, weshalb für den Beklagten zu 1) schon zeitlich das Aufstellen eines Hinweisschildes vor der Kurve nicht möglich war. Ob die Auftraggeberin, der die Lage der Ölflecke anders als dem Beklagten zu 1) bekannt war, für eine Vorankündigung hätte Sorge tragen müssen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

32
(2) Unabhängig vom fehlenden Verschulden des Beklagten zu 1) war eine Vorankündigung zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht vorliegend nicht erforderlich.

33
Der Verkehrssicherungspflichtige hat vor solchen Gefahrenquellen zu warnen bzw. sie zu beseitigen, die für den Verkehrsteilnehmer trotz Anwendung der zu erwartenden Eigensorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar sind oder auf die er sich nicht rechtzeitig einzustellen vermag (OLG Hamm, Urt. vom 30.9.2003, NZV 2004, 142). Ist die Gefahrenstelle nicht durch Naturereignisse oder Eingriffe Dritter entstanden, sondern wie vorliegend vom Verkehrssicherungspflichtigen selbst geschaffen worden, ist an die Sicherungspflicht ein besonders strenger Maßstab anzulegen (OLG Hamm v. 9.11.2001 – 9 U 252/98 = MDR 2002, 643; OLG Hamm v. 19.7.1996 – 9 U 108/96, MDR 1996, 1131). Diese hohen Sorgfaltsanforderungen treffen den Verkehrssicherungspflichtigen unabhängig davon, ob die Gefahr nur bei zulässiger Nutzung eintreten kann, weil er sich auch auf eine nicht ganz fern liegende bestimmungswidrige Nutzung einzurichten und vorhersehbaren Gefahren entsprechend zu begegnen (BGH VersR 1978, 561).

34
Der BGH führt in seinem Urteil vom 25.02.2014, Az. VI ZR 299/13 u.a. aus:

35
Die Sicherungspflichten bei Straßenbaustellen richten sich nach dem allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsatz, wonach derjenige, der eine Gefahrenquelle für den Verkehr schafft, alles ihm Zumutbare zu tun hat, um eine Verwirklichung dieser Gefahr zu verhindern (vgl. etwa Senatsurteil vom 8. Februar 1977 – VI ZR 217/74, VersR 1977, 543, 544). Ein Bauunternehmer, der auf öffentlichen Straßen Arbeiten durchführt, hat die Baustelle kenntlich zu machen und abzusichern, wobei jeweils die konkreten örtlichen Verhältnisse, die Art und Weise der Benutzung des betroffenen Verkehrsraums und die durch diese Umstände bedingte Gefahrenlage im Einzelfall für den Inhalt und Umfang der zu treffenden Maßnahmen ausschlaggebend sind (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 2006, 855 f.). Die RSA bieten zwar Anhaltspunkte für die Verkehrsregelung in Baustellenbereichen und können in Einzelfällen auch Anhaltspunkte für die Verkehrsanschauung über Absicherungsmaßnahmen enthalten (vgl. etwa OLG Düsseldorf, VersR 2006, 666, 667). Nach allgemeinen Grundsätzen stellen sie jedoch als untergesetzliche Norm keine verbindliche Regelung der Sorgfaltsanforderungen des Sicherungspflichtigen dar. Die RSA (vgl. Ziffer A.1.3.1 Abs. 1 RSA) weisen ausdrücklich darauf hin, dass neben den speziellen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts bei der Einrichtung und Absicherung von Arbeitsstellen auf Straßen eine Reihe verwaltungsrechtlicher und zivilrechtlicher Vorschriften, insbesondere die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, zu beachten sind. Dementsprechend bleibt nach wie vor die Gefahrensituation vor Ort maßgebend, wie sie sich für einen verständigen Beobachter darstellt (vgl. OLG Karlsruhe, aaO, 857; MünchKommBGB-Wagner, 6. Aufl., § 823 Rn. 496). Stellt sich die konkrete Gefahrenlage an der betreffenden Baustelle so dar, dass die Absicherung dem entspricht, was ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Gefahren zu bewahren (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 2004 – VI ZR 95/03, NJW 2004, 1449, 1450), muss sich ein Verstoß gegen eine Vorschrift der RSA unter Verkehrssicherungsgesichtspunkten nicht notwendigerweise haftungsbegründend auswirken (vgl. OLG München, Urteil vom 16. Februar 2012 – 1 U 3409/11, juris Rn. 40).“

36
Die Strecke wird zwar regelmäßig von Motorradfahrern zur Testung und Verbesserung ihrer fahrtechnischen Fähigkeiten benutzt und der Verkehrssicherungspflichtige hat in gewissem Rahmen auch mit Geschwindigkeitsüberschreitungen zu rechnen. Bei Erkennbarkeit einer Streckensperrung aus größerer Entfernung mit rechtzeitiger Warnwirkung auch für die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitende Kraftfahrer bedarf es grundsätzlich keiner zusätzlichen Absicherung in größerer Entfernung dergestalt, dass bereits vor dem Anhalten nach der Kurve vor der Kurve ein Verkehrszeichen mit Hinweis auf eine Baustelle oder eine Streckensperrung angebracht wird (vgl. für den Fall eines liegengebliebenen Fahrzeugs KG, Urt. v. 26.09.1988, Az. 12 U 582/88). So gibt es auch keine starre Regel über die Abstände vor einer Baustelle, in denen Hinweisschilder aufzustellen sind. Maßgeblich sind die Umstände, die Entfernung muss dabei so bemessen werden, dass ein sofort und angemessen auf sie reagierender Kraftfahrer nicht in eine schwierige Lage geraten kann, wesentliche Bedeutung kommt dabei den erlaubterweise gefahrenen Geschwindigkeiten zu (OLG Köln VersR 1966, 857).

37
Es gilt die StVO und eine Absicherung gegen Raser ist nicht veranlasst. Vorliegend war bei Erkennbarkeit aus jedenfalls 100 m ein rechtzeitiges Anhalten ausgehend von einer Reaktionszeit von 0,8 Sek., einer Bremsschwellzeit von 0,5 Sek. und einer Bremsverzögerung von 6,5 m/Sek.² wie vom Sachverständigen angenommen auch noch einem ungeübten Fahrer aus einer Geschwindigkeit von 80 km/h mehr als 30 m vor der in Betrieb befindlichen Absperrtafel möglich. Mit Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 50 % oder einer Nichtreaktion auf die in Betrieb befindliche Absperrtafel brauchte der Verkehrssicherungspflichtige aber nicht zu rechnen.

38
d) Insgesamt tritt daher vorliegend die Betriebsgefahr des Fahrzeuggespanns des Beklagten zu 1) hinter dem erheblichen Verkehrsverstoß des Klägers zurück und das Urteil des Landgerichts erweist sich im Ergebnis als zutreffend.

39
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

40
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

41
IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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