Gesonderte Vergütung für Verwendung von Fotos in der in der E-Paper-Ausgabe einer Zeitung?

OLG Zweibrücken, Urteil vom 03.04.2014 – 4 U 208/12

Zur Frage, ob die Einwilligung eines Fotografen, von ihm gefertigte Fotos in einer Printausgabe zu drucken, auch die Veröffentlichung der Printausgabe als E-Paper umfasst.

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 13. November 2012 geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist selbstständiger Berufsfotograf. Die Beklagte verlegt und druckt die Tageszeitung “Die R… “. Unter dem Internetauftritt “www.R… .de” veröffentlicht die Beklagte unter anderem ein sogenanntes “E-Paper”. Dabei handelt es sich um eine digitale Fassung der Druckausgabe der Zeitung, welche dieser Inhaltlich und vom Format her entspricht.

Die Beklagte veröffentlichte seit 1999 Fotografien des Klägers. Dieser vermarktete die von ihm gefertigten Fotografien über eine Agentin, die Zeugin L…-M…, die ihrerseits vertraglich mit der Beklagten verbunden war und an diese die Bilder des Klägers weiterleitete. Die Beklagte vergütete die Bilder an die Zeugin. Die Beklagte, deren “E-Paper” zunächst von einer Firma R…-O… D… GmbH und Co. KG vertrieben wurde, übernahm die Herausgabe des “E-Paper” zu einem unbekannten Zeitpunkt selbst. In den Jahren 2006 bis 2008 veröffentlichte sie alle Printausgaben ihrer Zeitung auch als “E-Paper” im Internet und somit auch die in der Printausgabe erschienen Fotografien des Klägers. Zugriff auf die “E-Paper”- Ausgabe haben Abonnenten der Beklagten, welche ein Abonnement für das “E-Paper” erwarben, ferner Abonnenten der Printausgabe, die gegen ein zusätzliches Entgelt die sog. R… – Card abonnierten. Für die Nutzung seiner Fotografien in dem “E-Paper” lag eine ausdrücklich erklärte Zustimmung des Klägers nicht vor.

Der Kläger, welcher der Auffassung ist, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, seine Fotografien auch in der “E-Paper”- Ausgabe zu verwerten, hat von der Beklagten deswegen Schadensersatz in Höhe von 41.678,15 € nebst Zinsen für die Jahre 2006 bis 2008 begehrt.

Durch das angefochtene Urteil (veröffentlicht in ZUM-RD 2013, 138 und in juris), auf welches zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen wird, hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Beklagte nach Beweisaufnahme verurteilt, an den Kläger 24.128,50 € nebst Zinsen zu bezahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung bekämpft die Beklagte das Urteil im vollen Umfang. Sie rügt die Rechtsauffassung und die Beweiswürdigung des Landgerichts, sowie dass die Kammer weiteren Beweisanträgen nicht nachgegangen sei.

Sie beantragt,

dass angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung seines dortigen Vortrags.

Auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch wegen Urheberrechtsverletzung nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Die Beklagte hat kein Recht des Klägers an den von ihm hergestellten Lichtbildern dadurch verletzt, dass sie die Bilder nicht nur in der Printausgabe, sondern auch in der “E-Paper”-Ausgabe ihrer Tageszeitung veröffentlichte, weil der Kläger mit beiden Verwertungsarten einverstanden war.

1. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte die vom Kläger gefertigten Lichtbilder der Öffentlichkeit nach § 19 a UrhG (auch) dadurch zugänglich gemacht hat, dass sie die Bilder auf der von ihr im Internet bereit gehaltenen digitalen Fassung ihrer Druckausgabe, dem “E-Paper”, ihrem Abonnentenkreis zum Abruf zugänglich gemacht hat.

Ein urheberrechtlich geschütztes Werk wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es einer Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (BGH Urteil vom 22. April 2009 – I ZR 216/06 – Internetvideorecorder I). Öffentlichkeit kann auch ein größerer, bestimmt abgegrenzter Teil von Personen sein (Wandtke/Bullinger UrhG, 3. Aufl. § 15, Rdnr. 14 ff.; § 19, Rdnr. 6; Schricker/von Ungern-Sternberg UrhG, 4. Aufl., § 19 a, Rdnr. 48, § 15, Rdnr. 66). Der Begriff der Öffentlichkeit ist auch erfüllt, wenn die Beklagte – wie hier – einen Zugriff auf die digitale Fassung ihrer Druckausgabe nur einem bestimmten Personenkreis, nämlich den Abonnenten des “E-Papers” und den Inhabern der von der Beklagten gesondert vertriebenen R… -Card ermöglicht. Unerheblich ist, ob dieser Abonnentenkreis, welcher die “E-Paper”- Ausgabe liest, nur wenige 100 Nutzer umfasst. Das in § 19 a UrhG geregelte Recht der öffentlichen Zugänglichmachung bezieht sich auf die Bereithaltung des Werkes zum Abruf durch Mitglieder der Öffentlichkeit an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl (BGH Urteil vom 22. April 2009, a.a.O.). Abonnent der Beklagten bezüglich der “E-Paper”- Ausgabe kann jedermann werden. Die Abonnenten können jederzeit und gleichzeitig auf die “E-Paper”- Ausgabe zugreifen, so dass die Voraussetzungen des § 19 a UrhG erfüllt sind (vgl. auch Wandtke/ von Ungern-Sternberg a.a.O., § 19 a, Rdnr. 49).

2. Die Beklagte hat das bestehende Urheberrecht des Klägers nicht widerrechtlich im Sinne des § 97 Abs. 1 UrhG verletzt, weil der Kläger nicht nur in die Veröffentlichung seiner Bilder in dem Printmedium “Die R… “, sondern auch in der “E-Paper”-Ausgabe der Zeitung eingewilligt hat. Diese Einwilligung hat die Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung entfallen lassen (“volenti non fit iniuria”; vgl. Soppe in Beck OK UrhG § 31 Rn. 62).

a) Allerdings war die Nutzung der Fotografien des Klägers in der “E-Paper”-Ausgabe grundsätzlich nicht von vornherein – entsprechend den Regeln der Zweckübertragungstheorie (§ 31 Abs. 5 UrhG) – von der der Beklagten unstreitig erteilten Erlaubnis zur Printnutzung umfasst (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 11. Mai 2000 – 3 U 269/98 -; KG Urteil vom 24. Juli 2001 – 5 U 9427/99 -; Senat Hinweisbeschluss vom 3. April 2003 – 4 U 175/02 -; Schricker/Löwenheim a.a.O., § 31 UrhG, Rdnr. 96 m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 – I ZR 73/10 – zu dahinlautenden AGB). Die Online- Nutzung eines Fotos ist gegenüber dem Abdruck desselben im Printmedium eine klar abgrenzbare wirtschaftlich technische Verwertung, wie auch der vom Landgericht beauftragte Sachverständige Weise ausgeführt hat (vgl. hierzu auch Wandtke/Grunert a.a.O., § 31 UrhG, Rdnr. 21), so dass hierfür eine Zustimmung des Klägers erforderlich war.

b) Der Kläger hat der Nutzung seiner Fotos (auch) in der “E-Paper”-Ausgabe jedoch stillschweigend zugestimmt, was möglich ist (vgl. Senat, Urteil vom 10. Februar 2010 – 4 U 117/09 – m.w.N.).

Eine stillschweigende Einräumung eines Nutzungsrechtes kommt in Betracht, wenn die Verwendung der Fotos auch in der “E-Paper”-Ausgabe im Zeitpunkt der Zurverfügungstellung der Lichtbilder an die Beklagte im Zeitungswesen branchenüblich war (KG, Urteil vom 24. April 2001 – 5 U 5417/99 – m.w.N.). Nach dem Zweckübertragungsgedanken des § 31 Abs. 5 UrhG räumt der Urheber im Zweifel ein Nutzungsrecht nur in dem Umfang ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. In dieser Auslegungsregel kommt zum Ausdruck, dass die urheberrechtlichen Befugnisse die Tendenz haben, soweit wie möglich beim Urheber zu verbleiben, damit dieser in angemessener Weise an den Erträgnissen seines Werkes beteiligt wird. Im Allgemeinen werden deshalb nur die Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt, durch welche die Erreichung des Vertragszweckes ermöglicht wird, dagegen kann die Einräumung von über den Vertragszweck hinausgehenden Nutzungsrechten nur angenommen werden, wenn ein dahingehender Parteiwille – und sei es lediglich aufgrund der Begleitumstände und des schlüssigen Verhaltens der Parteien – unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist. Ob das der Fall ist, ist durch eine Auslegung des Vertrages zu ermitteln; dabei sind die gesamten Umstände nach Maßgabe von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu berücksichtigen. Maßgeblicher Umstand kann eine Branchenüblichkeit – hier bei der Verwertung von Lichtbildern auch in digitalisierter Form – sein, wenn sie Rückschlüsse auf einen objektivierten rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragsparteien hinsichtlich der eingeräumten Nutzungsrechte erlaubt (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 200

4 – I ZR 174/01 – Comic-Übersetzungen III m.w.N.).

Der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Senat eingeräumt, dass es in dem hier interessierenden Zeitraum, in welchem die Beklagte seine ihr von der “Agentin” L…-M… überlassenen Lichtbilder auch in der “E-Paper”-Ausgabe verwendete, üblich gewesen sei, dass Verlage hierfür keine gesonderte Vergütung bezahlten. Das deckt sich mit der Feststellung des Oberlandesgerichts Düsseldorf für die Jahre 2003 bis 2005 (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juli 2010 – 20 U 235/08 -, in juris; dazu Rath-Glawatz, KuR 2010, 673, f), dass damals für die Nutzung in einem E-Paper einer Tageszeitung keine gesonderte Vergütung bezahlt wurde. Der Kläger, der seine Lichtbilder der Beklagten über seine “Agentin” (die Zeugin L…-M… ) anbot, wusste nach eigenem Bekunden, dass die Beklagte entsprechend diesen Gepflogenheiten die ihr für die Printausgabe zur Verfügung gestellten Lichtbilder auch in ihre “E-Paper”-Ausgabe verwendete, ohne ihrer Vertragspartnerin L…-M… dafür eine gesonderte Vergütung zu bezahlen. Er war zumindest stillschweigend damit einverstanden, dass die Zeugin L…-M… der Beklagten zu diesen Konditionen seine Lichtbilder lieferte. Er hat gegenüber der Beklagten dieser Verfahrensweise nie widersprochen oder eine Vergütung für den Fall einer Veröffentlichung in der “E-Paper”-Ausgabe verlangt. Solches geschah noch nicht einmal in den Fällen, in welchen die Beklagte – was nach Angaben des Klägers vor dem Senat ebenfalls vorkam – Lichtbilder bei ihm direkt bestellte. Der Kläger hat zwar angegeben, dass er gegenüber der Zeugin L…-M… geäußert habe, dass er mit der Handhabung der Beklagten nicht einverstanden sei, solches aber nicht gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht Das geschah offenbar aus dem Grund, weil ihn die Agentin – wie der Kläger gegenüber dem Senat ausgeführt hat – darauf hingewiesen hatte, dass es für ihn keine Aufträge mehr geben werde, wenn er auf einer gesonderten Vergütung für Lichtbilder bestehe, welche in der “E-Paper”-Ausgabe verwendet würden.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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