OLG Zweibrücken, Urteil vom 21.02.2013 – 4 U 123/12
Zu den Voraussetzungen und zur Höhe einer Geldentschädigung für Persönlichkeitsrechtsverletzung durch heimliche Bildaufnahmen aus dem Intimbereich (hier: Frauenarzt fotografiert heimlich seine Patientin bei gynäkologischen Untersuchungen).(Rn.5)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 ZPO für eine Zurückweisung der Berufung im Beschlussverfahren als erfüllt ansieht.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme dazu bis 15. März 2013.
Gründe
I.
1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, ihrem früheren Frauenarzt, Ersatz von immateriellem Schaden durch Zahlung eines Geldbetrages, weil er sie – ebenso wie eine Vielzahl von weiteren seiner Patientinnen – bei gynäkologischen Untersuchungen in seinem Behandlungszimmer heimlich fotografiert und die dabei hergestellten Digitalaufnahmen, u. a. vom Intimbereich der Klägerin, auf Speichermedien festgehalten und aufbewahrt hat. Das Landgericht hat der Klägerin mit dem angefochtenen Urteil des Einzelrichters unter Abweisung der weitergehenden Zahlungsklage Geldersatz in Höhe von 1.000,00 € wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuerkannt. Mit ihrer Berufung dagegen verfolgt die Klägerin weiterhin das Ziel einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens 6.000,00 €.
II.
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1. Dadurch, dass der Beklagte – unstreitig ohne medizinische Indikation – von seiner Patientin ohne deren Wissen und Wollen bei Gelegenheit von ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen Nacktbildaufnahmen fertigte, hat er rechtswidrig und schuldhaft den höchstpersönlichen Lebensbereich (die Intimsphäre) der Klägerin und damit deren allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 1 und 2 Abs. 1 GG) verletzt.
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2. Zwar führt mit Blick auf die gesetzliche Regelung der Ersatzpflicht für ideelle Schäden in § 253 Abs. 1 BGB nicht jede Persönlichkeitsrechtsverletzung zu einer Entschädigung in Geld. Ein finanzieller Ausgleich nach § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1 und 2 Abs. 1 GG ist dem Geschädigten nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung aber dann zuzubilligen, wenn im Falle einer besonders schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ohne einen solchen Anspruch die eingetretene Verletzung der Würde und Ehre des Betroffenen ohne Sanktion bliebe mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Dies betrifft namentlich die Verletzung des Rechts am eigenen Bild, weil dem Verletzten – anders als in anderen Fällen, in denen er etwa den Widerruf oder die Richtigstellung einer sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerung verlangen kann – gegen eine solche Rechtsverletzung keine anderen Abwehrmöglichkeiten als ein Anspruch auf eine Geldentschädigung zur Verfügung stehen (vgl. etwa BGH NJW 2005, 215, 216; NJW 1996, 44).
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Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass sie die Zubilligung einer Geldentschädigung gebietet, bestimmt sich nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden und der Grad seines Verschuldens (BGH NJW 2012, 1728 m.w.N.; Müller, VersR 2008, 1141, 1150 f).
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3. Bei Übertragung der vorstehend dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall stimmt der Senat – auch wenn der Anspruch der Klägerin auf Geldentschädigung in Ermangelung eines (Anschluss-)Rechtsmittels des Beklagten dem Grunde nach ohnehin feststeht – dem Erstrichter ausdrücklich darin zu, dass die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld gebietet. Der Beklagte hat das ihm in seiner beruflichen Stellung als Arzt von der Klägerin entgegengebrachte Vertrauen in besonders verwerflicher Weise missbraucht, indem er durch die heimliche Fertigung von Nacktbildaufnahmen in Untersuchungs- und Behandlungssituationen in die Intimsphäre der Klägerin eingedrungen ist.
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4. Mehr als die vom Landgericht ausgeurteilten 1000,00 € kann die Klägerin als angemessenen Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung indes nicht beanspruchen.
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Bei der Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht – anders als beim Schmerzensgeld, das vorrangig den Ausgleich der erlittenen Beeinträchtigung eines der in § 253 Abs. 2 BGB abschließend aufgeführten Lebensgüter bezweckt – regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Daneben soll von der Entschädigung – auch der Höhe nach – ein Hemmungseffekt ausgehen und mit einer Präventionswirkung auch das Verhalten des Schädigers für die Zukunft beeinflusst werden, weil fühlbare Geldentschädigungen diesen erfahrungsgemäß stärker beeindrucken als ein bloßer Unterlassungsanspruch (BGH NJW 2005, 215, 216; Müller, a.a.O., 1150, jew.M.w.N.). Der letztgenannte Gesichtspunkt einer Abschreckungswirkung kommt dabei namentlich bei der Festsetzung der Höhe von Geldentschädigungen für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Veröffentlichung von die Intimsphäre verletzenden Fotos in der (Boulevard-) Presse oder durch deren Verbreitung im Internet zum Tragen.
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Gleichwohl bleibt es im grundlegenden Ansatz dabei, dass die richterrechtlich entwickelte Zubilligung einer Geldentschädigung für besonders intensive Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf kompensatorischen (zivilrechtlichen) Schadensersatz für einen Nichtvermögensschaden gerichtet ist und – anders etwa als beim US-amerikanischen “punitive damages” (Strafschadensersatz) – nach dem deutschen Rechtsverständnis gerade keine (rechtsstaatlich bedenkliche) “Zivilstrafe” darstellt (vgl. BGH NJW 2005, 215, 216).
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Bei der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung für die Klägerin sind danach folgende Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen:
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Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch das nach § 201 a StGB auch strafbewehrte Tun des Beklagten zu ihrem Nachteil wiegt unzweifelhaft objektiv sehr schwer. Der Beklagte hat unbestrittenermaßen bei Gelegenheit von fünf Untersuchungen der Klägerin 23 Bildaufnahmen gefertigt. Darauf abgebildet wurden der entblößte Ober- und Unterkörper der Klägerin einschließlich des Intimbereichs. Hierfür steht der Klägerin Genugtuung in Höhe eines nicht nur symbolischen Geldbetrages zu. Das hat das Landgericht mit der Zubilligung einer Geldentschädigung von 1.000,00 € hinreichend beachtet.
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Dem gegenüber tritt der Präventionsgedanke im Streitfall zurück, weil sich der Beklagte wegen seines strafbaren Tuns zum Nachteil der Klägerin und zahlreicher weiterer Patientinnen einem Strafverfahren stellen muss und davon ausgegangen werden kann, dass er künftig nicht mehr als Frauenarzt mit Kontakt zu Patientinnen praktizieren wird.
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Maßgeblich ins Gewicht fällt darüber hinaus, dass der Beklagte die von ihm – zu welchen privaten Zwecken auch immer- gefertigten Bildaufnahmen nach dem Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen in keinem Falle dritten Personen zugänglich gemacht oder gar kommerziell verwertet hat; dass die Klägerin im Zuge der polizeilichen Ermittlungen gleichwohl von der Rechtsverletzung erfahren hat, war von dem Beklagten weder vorhergesehen noch gewollt.
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Letztlich kann – unbeschadet der gebotenen Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles – auch nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass sich im Landgerichtsbezirk … die anderen von im wesentlichen gleichgelagertem Tun des Beklagten betroffenen Patientinnen durch Urteil zugesprochenen Entschädigungsbeträge auf durchweg jeweils 1.000,00 € belaufen. Dem Gedanken, dass für im Tatsächlichen vergleichbare immaterielle Rechtsverletzungen eine vergleichbare Entschädigung zu gewähren ist, kommt deshalb durchaus Bedeutung zu (vgl. etwa Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Auf., § 253, Rdnr. 15).