Landgericht Kassel, Beschluss vom 10.05.2007 – Az.: 1 T 75/07
1. Die Veröffentlichung eines KfZ-Kennzeichens auf einer Webseite verletzt den betreffenden Fahrzeuginhaber nicht in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Dies wäre nur bei Vorliegen weiterer Umstände der Fall , z.B. wenn die Informationen mit einem Aufruf veröffentlicht würden, den PKW zu beschädigen.
2. Es liegt auch keine Datenschutzverletzung vor, da keine automatisierte Verarbeitung iSd. § 1. Abs.2 Nr.3 BDSG gegeben ist.
Tenor:
In der Beschwerdesache (…) gegen (…) wird die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 2.4.2007 – 413 C 1751/07 – auf seine Kosten zurückgewiesen.
Sachverhalt:
vgl. Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss vom 2.4.2007, mit dem das Amtsgericht seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, dem Antragsgegner zu untersagen, das Kraftfahrzeugkennzeichen des Antragstellers im Internet zu veröffentlichen, zurückgewiesen hat, hat in der Sache keinen Erfolg, weshalb das Rechtsmittel mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen ist.
Im Ergebnis zutreffend hat das Amtsgericht eine Persönlichkeitsrechtsverletzung zulasten des Antragstellers durch die Benennung des Kraftfahrzeugkennzeichen des Fahrzeugs des Klägers in einem Beitrag im Internet über den Umstand, dass der Antragsteller als Rechtsanwalt Akten in seinem Auto habe liegen lassen, verneint.
Ob eine Verletzung des durch die §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, ist jeweils anhand des zu beurteilenden Einzelfalls festzustellen. Denn wegen der Eigenheiten des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich erst durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite ermittelt werden.
Als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts innerhalb der hier allein als betroffen in Betracht zu ziehenden Privatsphäre ist u. a. das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten anerkannt. Dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung, auf das sich der Antragssteiler beruft, stellt sich als die Befugnis des einzelnen dar, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden. Dieses Recht ist aber nicht schrankenlos gewährleistet.
Der einzelne hat keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über “seine” Daten, weil er seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltet, in der auch personenbezogene Informationen einen Teil der sozialen Realität darstellen, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann (vgl. BGH NJW 1991, 1532; NJW 2004 762).
Unter Berücksichtigung des Vorstehenden begründet die Veröffentlichung des Autokennzeichens des Antragstellers in dem konkreten Beitrag des Antragsgegners in dem Internetforum keinen rechtswidrigen Eingriff in das Recht des Antragstellers, selbst über die Veröffentlichung persönlicher Daten zu entscheiden. Es handelt sich bei einem Kraftfahrzeugkennzeichen um keine sogenannte sensible Information, deren Geheimhaltung vor der Öffentlichkeit zum Schutze des Kraftfahrzeughalters generell geboten ist.
Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Kraftfahrzeugkennzeichen eines Kraftfahrzeughalters zwar nicht für jedermann aus allgemein zugänglichen Quellen zu entnehmen ist, dass aber bei Kenntnis der Person und deren Anschrift die sichtbaren Daten des von dieser Person benutzten Kraftfahrzeuges unschwer ermittelt werden können.
Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die persönlichen Daten des Antragstellers wie zum Beispiel vollständige Adresse seines Kanzleisitzes, Lebenslauf des Antragstellers und ähnliches ausgeprägt u. a. vom Antragsteller selbst im Internet für jedermann zugänglich veröffentlicht sind. Hinzu kommt, dass das vom Antragsteller gefahrene Kraftfahrzeug, jedenfalls wenn es in der Straße seines Kanzleisitzes abgestellt ist, ihm unschwer zugeordnet werden kann.
Liegen demnach die Merkmale, unter anderen das Kraftfahrzeugkennzeichen, die die Zuordnung eines individuellen Kraftfahrzeuges zum Antragsteller ermöglichen, praktisch offen zu Tage, hat der Antragsgegner durch seinen Beitrag im Internet nicht rechtswidrig in das Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.
Etwas anderes könnte dann gelten, wenn die Veröffentlichung gerade des Kfz-Kennzeichens erkennbar darauf abzielte, dem Antragssteiler hierdurch zu schädigen, oder wenn ein Informationsinteresse der Teilnehmer an dem Internetforum von vornherein gänzlich ausscheiden würden. Dies lässt sich jedoch nicht feststellen In dem Internetforum wurde die Frage behandelt, ob der Antragsteller als Rechtsanwalt unter anderem Akten im Innenraum seines Kraftfahrzeuges liegen lasse.
In Beantwortung dieser Frage hat der Antragsgegner u. a. mitgeteilt, dass dies zuträfe, dass zumindest Aktenzeichen und Listen mit Mandanten zu ersehen seien, dass ebenfalls zwei “six packs” sowie eine grüne Parkkarte, ausgestellt auf den Verlag (…), zu erkennen seien. Das Auto sei “ein (…), geschätzte 12-15 Jahre alt, Kennzeichen (…)” und stünde “laut Auskunft des Fotoreporters ehrenhalber in der (…)”.
Aus diesem Beitrag ergibt sich nichts, was Anlass zu der Vermutung begründen würde, gerade die Mitteilung des Kraftfahrzeugkennzeichens solle dem Antragssteller schaden. Vielmehr ist die Angabe des Kennzeichens Teil der in dem Beitrag vorgenommenen Individualisierung des Autos des Antragstellers, offenbar um die von einem Fotoreporter stammenden Informationen möglichst konkret und authentisch wiederzugeben.
Dass die Angabe des Kraftfahrzeugkennzeichens in dem Internetbeitrag, aus dem wegen der fehlenden konkreten Benennung des Namens des Antragstellers ohnehin lediglich “Insider” auf den Antragsteller schließen können, die Gefahr einer Sachbeschädigung am Kraftfahrzeug des Antragstellers zu erhöhen beabsichtigte oder auch nur geeignet ist, ist nicht zu erkennen. Wer solche Absichten zu verfolgen trachtet, vermag solches angesichts des Bekanntheitsgrades des Antragstellers und der aus seiner Internetseite zu ersehenden persönlichen Daten (Kanzleisitz etc.) ohnedies zu realisieren und wird nicht erst durch eine solche Wiedergabe des Kraftfahrzeugkennzeichen hierzu veranlasst.
Der Antragsteller der Entscheidung des Landgerichts Memmingen 14.3.2007 – 2H O 1611/06 – die keine andere Entscheidung, da wie ausgeführt bei der Frage, ob rechtswidrig in die Privatsphäre eingegriffen wird, über die Umstände des Einzelfalles als maßgeblich der berücksichtigen sind. Die Veröffentlichung von Kontodaten ohne sachlichen Grund mag geeignet seien, das Recht auf innere Selbstbestimmung rechtswidrig zu beeinträchtigen. Für den vorliegenden Sachverhalt lässt sich daraus jedoch nichts herleiten.
Der geltend gemachte Untersagungsgrund ergibt sich auch nicht aus dem Bundesdatenschutzgesetz. Denn die Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes käme gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG nur in Betracht, wenn der Antragsgegner personenbezogene Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben hätte oder Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben hätte. Vorliegend hat der Antragsgegner ersichtlich keine Datenverarbeitungsanlage eingesetzt. Ferner hat er das Kennzeichen nicht aus einer Datei entnommen.
Und schließlich hat der Antragsgegner das Kfz-Kennzeichen nicht in einer Datei verarbeitet oder in einer Datei genutzt. Denn der Wortbeitrag im Internet des Antragsgegners stellt keine nicht automatisierte Datei im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG dar. Unter einer solchen nicht automatisierten Datei versteht man jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, wobei ein gleichartiger Aufbau, die einen leichten Zugriff auf die Daten ermöglicht, erforderlich ist.
Es ist auf die Auswertbarkeit der Sammlung nach bestimmten Merkmalen, das heißt nach den den gesammelten Daten gemeinsamen, den aufgezeigten Sinnzusammenhang herstellenden personenbezogenen Kriterien abzustellen (Gola, Schomerus, BDSG, 8. Auflage, § 3, Rn.17). Dass diese Voraussetzungen hier schon mangels Sammlung personenbezogener Daten nicht vorliegen, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Ausführungen.