Zur Frage des Schmerzensgeldanspruches bei wechselseitig getätigten groben Beleidigungen

BGH, Urteil vom 14.11.2017 – VI ZR 534/15

Zur Frage des Schmerzensgeldanspruches bei wechselseitig getätigten groben Beleidigungen

Tenor

Das Versäumnisurteil des Senats vom 13. Dezember 2016 wird aufrechterhalten.

Der Kläger hat die weiteren Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand
1
Der Kläger begehrt von den Beklagten Unterlassung von Äußerungen und Zahlung eines Schmerzensgeldes. Er war ab 2003 einer der Partner der Beklagten zu 1, einer Gesellschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern, der auch die Beklagten zu 2 bis 4 angehören. Nach erheblichen Auseinandersetzungen schied er spätestens im Sommer 2008 aus der Gesellschaft aus. Die Auseinandersetzungen zwischen ihm und der Beklagten zu 1 oder einzelnen anderen Partnern dauern an. Am Abend des 24. Dezember 2008 versandte der Kläger an X., einen der Seniorpartner der Beklagten zu 1, eine E-Mail folgenden Inhalts:

„Herr X., ich habe vor kurzem gehört, dass Sie krebskrank sind. Sie wissen dass ich religiös bin und der Auffassung bin, dass das Leben vom Herrgott vorbestimmt ist. Ich bin mir daher ganz sicher, dass Ihre Krankheit die Strafe Gottes dafür ist, was Sie mir angetan haben angefangen von ihren Mails vom 20.3.06, der Verhinderung eines anständigen Vergleiches, das hämische und überhebliche Auslachen der Mediatorin am …gericht, die ständigen Verleumdungen und Beleidigungen, die Unterstellung, ich hätte Alkoholprobleme, das ständige Lügen und Betrügen, das Nichtauszahlen der unstreitigen Beträge, die Sie mir schulden, die Übersendung von unsinnigen Kommentaren von Herrn …., die Beteiligung an der ….. GmbH, bis zur Behinderung der Arbeit eines Mandanten von mir am heutigen Tage, in dem Sie ihm wichtige Unterlagen vorenthalten, die er zur Wahrung von Verjährungsfristen zum Ende des Jahres braucht, und das alles aus dem niederträchtigen Grund, mir vorsätzlich schaden zu wollen und meine Kariere zu behindern, obwohl Sie genau wissen, dass sie …. genauso schaden und das alles zu nichts führt (wie unsinnig Ihr Handeln ist, zeigt sich doch schon daran, dass sie schon jetzt ….. mehr bezahlt haben als die Differenz zwischen dem von mir angebotenen Vergleich und Ihrer Position; wenn Sie Ihre Mandanten vertreten, handeln Sie intelligenter). Gerade von einem Studienstiftler hätte ich ein solches Verhalten nicht erwartet. Ich habe noch nie jemandem etwas schlechtes gewünscht, und ich wünsche auch Ihnen nichts schlechtes. Ich empfinde aber eine tiefe Zufriedenheit und Genugtuung darüber, dass Sie die gerechte Strafe für Ihr Verhalten in der Form Ihrer Krankheit erhalten, und das zügig nach Ihrem Handeln. Und ich gehe davon aus, dass Sie weiter bestraft werden, bis Sie Einsicht zeigen und Vernunft annehmen. Fangen sie heute damit an: Senden Sie der …. AG die Unterlagen, die sie zur Wahrung der Verjährung benötigt, zahlen Sie mir die unstreitigen Beträge aus, fangen Sie einfach an, ein anständiger Mensch zu werden (vielleicht waren Sie das früher ja auch schon mal), und ich bin mir sicher, dass der gnädige Gott dann Einsicht mit Ihnen zeigen wird. Anderenfalls werden Sie weiter bestraft werden in Form von Krankheit uns so fort und spätestens vor dem Jüngsten Gericht werden Sie die Konsequenzen Ihres Handelns zu tragen haben, auch wenn Sie bisher von den staatlichen Gerichten noch nicht bestraft worden sind (was aber noch kommen wird). Frohe Weihnachten“

2
Die E-Mail des Klägers wurde anderen Partnern bekannt. Der Beklagte zu 2 sandte darauf noch am gleichen Abend an den Kläger eine E-Mail folgenden Inhalts:

„Herr Y., Erlauben Sie mir die Feststellung, dass Sie einfach ein bedauernswertes dummes Arschloch sind. Auf Ihre Strafanzeige freue ich mich heute schon. Beste Grüße“

An diesem Abend e-mailte auch der Beklagte zu 3 dem Kläger:

„Dem schließe ich mich aus vollem Herzen an. Armer kleiner einsamer Kerl.“

3
Am Vormittag des 1. Weihnachtsfeiertages e-mailte der Beklagte zu 4 dem Kläger:

„Ich mich auch – hoffentlich fallen sie beim erdbeerpflücken mal von der leiter – vielleicht geht ihnen dann auch mal ein licht auf …“

4
Alle drei E-Mails wurden von den E-Mail-Accounts versandt, die die Beklagte zu 1 den übrigen Beklagten und anderen Partnern eingerichtet hatte.

5
Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stünde gegen alle Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der Bezeichnung „Arschloch“ zu. Die E-Mails seien auch im Namen der Beklagten zu 1 verschickt worden. Es bestehe Wiederholungsgefahr, die durch den Zeitablauf nicht ausgeräumt werde, sie folge auch daraus, dass die Beklagten ihn seit Jahren gemobbt hätten. Wegen der Bezeichnung als „Arschloch“ habe er weiterhin einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Seine beim Landgericht erhobene Klage war außerdem auf die Feststellung gerichtet, dass die Beklagten ihm zum materiellen Schadensersatz verpflichtet seien.

6
Mit Versäumnisurteil vom 8. Februar 2013 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Einspruch eingelegt. Im anschließenden Termin zur mündlichen Verhandlung hat er sein Feststellungsbegehren auf einen Zahlungsantrag umgestellt. Diesen Teil des Verfahrens hat das Landgericht mit Beschluss vom 17. Mai 2013 abgetrennt. Es hat im Streitfall, der nur noch den Antrag auf Unterlassung und auf Zahlung einer angemessenen Geldentschädigung betrifft, das Versäumnisurteil aufrecht erhalten, soweit es nicht gegenstandslos sei, weil der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht nicht weiter verfolgt werde. In dem abgetrennten Verfahren betreffend den bezifferten Schadensersatzantrag hat das Landgericht mit Urteil vom 14. März 2014 auch diese Klage abgewiesen. Das diesbezügliche Berufungsverfahren ist bei einem anderen Zivilsenat des Kammergerichts anhängig geworden. Den Antrag der Beklagten, das hiesige Berufungsverfahren mit jenem zu verbinden, hat das Berufungsgericht im Streitfall zurückgewiesen, weil der Kläger seine Zustimmung nicht erteilt hat. Mittlerweile ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts vom 14. März 2014 betreffend den materiellen Schadensersatz durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO vom 23. September 2016 (20 U 66/14) rechtskräftig zurückgewiesen worden. Die im Streitfall eingelegte Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der der Kläger seine Unterlassungs- und Zahlungsbegehren weiter verfolgt, hat der Senat durch Versäumnisurteil vom 13. Dezember 2016 zurückgewiesen, nachdem der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Entscheidungsgründe
I.

7
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es sei gemäß § 538 Abs. 1 ZPO zu einer eigenen Entscheidung in der Sache berufen, eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht komme nicht in Betracht. Ein unzulässiges Teilurteil liege nicht vor. Auch im Hinblick auf den Regelungszweck von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO, nämlich sich widersprechende Entscheidungen zu verhindern, scheide eine Zurückverweisung aus. In der Sache habe die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Ein Anspruch des Klägers analog § 1004 i.V.m. § 823 BGB, ihn nicht mehr als „Arschloch“ zu bezeichnen, sei nicht gegeben. Es könne dahinstehen, ob mit den E-Mails der Beklagten zu 2 bis 4 der Tatbestand des § 823 BGB verwirklicht worden sei bzw. ob die streitgegenständlichen Äußerungen auch im Namen der Beklagten zu 1 erfolgt seien, ein Unterlassungsanspruch scheide jedenfalls deshalb aus, weil die erforderliche Wiederholungsgefahr nicht feststellbar sei. Aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufs und des Ausbleibens erneuter Erklärungen könne von einer Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden. Die Erklärungen der Beklagten seien in einer ganz speziellen, nicht wiederholbaren Situation erfolgt. Die Wiederholbarkeit fehle schon deshalb, weil X. zwischenzeitlich seine schwere Krankheit überwunden habe. Auch das Verhalten der Beklagten zu 2 bis 4 im Rechtsstreit zeige, dass von ihnen keine weiteren Erklärungen der gerügten Art zu erwarten seien. Der Kläger habe in seiner Berufungsbegründung u.a. ausgeführt:

„Der Kläger hält es nicht nur für gerecht und befriedigend, sondern auch für geboten, dass Herr X. für sein Verhalten bestraft wird, durch welche Instanz und in welcher Form auch immer. Das Verhalten von Herrn X. ist an Abscheulichkeit nicht zu überbieten, und daher können auch die Worte, mit welchen dieses Verhalten kritisiert wird, nicht deutlich genug sein. Die Welt hat die Tötung von Osama bin Laden bejubelt, und daher ist es das gute Recht des Klägers, eine Bestrafung von Herrn X., der ihm durch seine Schandtaten persönlich vielmehr Leid als bin Laden angetan hat, als tiefe Befriedigung zu empfinden.“

8
Auch diese Erklärung habe bei den Beklagten keinerlei zu beanstandende Reaktionen ausgelöst. Ein Schmerzensgeldanspruch scheide aus, weil bei gebotener Berücksichtigung der Gesamtumstände die Zahlung einer Geldentschädigung nicht gerechtfertigt sei. Zwar werde so erheblich in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen, dass die erforderliche Geringfügigkeitsschwelle überschritten werde, und es sei offensichtlich, dass eine solche Ausdrucksweise nicht zu tolerieren sei, es sei aber auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Äußerungen der Beklagten nicht um anlasslose Äußerungen gehandelt habe, sondern um konkrete Reaktionen auf die E-Mail des Klägers an Herrn X.. Diesem werde unterstellt, ein unanständiger Mensch zu sein. Die E-Mail an X. zeichne sich durch ein besonderes und eklatantes Maß an Gehässigkeit und Verachtung bzw. Schadensfreude aus. Aus der E-Mail gehe in einer äußerst perfiden Art und Weise hervor, dass er sich über die Krebserkrankung in besonderem Maße bis hin zum Tod des X. freue und diese Erkrankung als Strafe Gottes für ein vorangegangenes Geschehen ansehe. Die Verletzungsintensität sei durch den vom Kläger gewählten Zeitpunkt der Versendung am 24. Dezember 2008 noch gesteigert worden. Mit diesen Äußerungen habe der Kläger die Reaktionen der Beklagten zu 2 bis 4 hervorgerufen. Angesichts der vorangegangenen erheblichen eigenen Verfehlung des Klägers sei es nicht gerechtfertigt, diesen nunmehr im Hinblick auf die von ihm selbst provozierten Reaktionen der Beklagten zu 2 bis 4 Schmerzensgeld für deren Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu gewähren. Dass die E-Mail des Klägers vom 24. Dezember 2008 gleichfalls eine Reaktion auf eine unmittelbar zuvor vorangegangene Beleidigung durch die Beklagten zu 2 bis 4 oder durch X. gewesen sei, lege der Kläger nicht dar. Die von dem Kläger zum Ausdruck gebrachte äußerst grobe Gehässigkeit und Freude über die Krebserkrankung und den damit gegebenenfalls einhergehenden möglichen Tod des X. stelle sich als schwerer wiegender Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht dar als die bloße Verwendung des Kraftausdrucks „dummes Arschloch“ ihm gegenüber.

II.

9
Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg. Das Versäumnisurteil des Senats ist aufrechtzuerhalten (§ 555 Abs. 1, § 343 Satz 1 ZPO).

10
1. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers ist insgesamt statthaft. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Revision unbeschränkt zugelassen. Es hat im Tenor des Urteils die Revisionszulassung ohne Einschränkungen ausgesprochen. Zwar kann sich eine Beschränkung der Rechtsmittelzulassung auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. nur Senatsurteil vom 22. Dezember 2015 – VI ZR 134/14, juris Rn. 20; BGH, Urteile vom 4. März 2014 – XI ZR 178/12, BKR 2014, 245; vom 13. November 2012 – XI ZR 334/11, NJW 2013, 450 Rn. 7 mwN; vom 11. Mai 2012 – V ZR 193/11, NJW 2012, 2648, 2649 Rn. 5). Dies muss sich allerdings klar und eindeutig aus den Gründen des Urteils ableiten lassen (vgl. nur BGH, Urteil vom 15. Mai 2015 – III ZR 368/13, VersR 2014, 383 Rn. 11 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Zwar hat das Berufungsgericht die im Tenor nicht eingeschränkte Zulassung der Revision in den Entscheidungsgründen damit begründet, dass die Rechtsfolgen einer unzulässigen Verfahrenstrennung und insbesondere die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen in derartigen Fällen eine Zurückverweisung geboten sei, höchstrichterlich noch nicht geklärt sei. Doch kann offen bleiben, ob das Berufungsgericht die Zulassung der Revision damit auf die erwähnte Frage einschränken wollte. Denn eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Frage der Rechtsfolgen einer unzulässigen Verfahrenstrennung wäre jedenfalls nicht zulässig, da sich die Beantwortung dieser Rechtsfrage nicht auf einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitgegenstands beziehen würde (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 – III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5 mwN).

11
2. Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Überprüfung stand.

12
a) Ob der angegriffene Trennungsbeschluss des Landgerichts verfahrensfehlerhaft ergangen ist und deshalb eine Zurückverweisung an das Landgericht oder eine Verbindung in der Berufungsinstanz geboten gewesen wäre, kann dahinstehen, da die Verfahrensrüge durch das weitere Verfahrensgeschehen überholt ist.

13
Der vom Kläger geltend gemachten Gefahr sich widersprechender Entscheidungen aufgrund der Trennung des Verfahrens in der ersten Instanz kann durch eine grundsätzlich mögliche (Wieder-)Verbindung im Revisionsverfahren (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1995 – I ZR 20/93, NJW 1995, 3120) oder in der Berufungsinstanz (vgl. dazu BAG, NZA 2016, 1352) oder durch eine Zurückverweisung nicht mehr begegnet werden. Nachdem die Berufung des Klägers im abgetrennten Verfahren zum materiellen Schadensersatz rechtskräftig zurückgewiesen worden ist, ist dieses Verfahren abgeschlossen und eine gemeinsame Entscheidung über beide Verfahrensteile kommt nicht mehr in Betracht. Sie wäre lediglich zu erwägen gewesen, wenn der Kläger auch bezüglich dieses abgetrennten Verfahrens eine Nichtzulassungsbeschwerde oder ggf. Revision eingelegt hätte.

14
Soweit die Revision noch eine Zurückverweisung wegen des Verlustes einer Instanz anstrebt, ist darauf hinzuweisen, dass in den getrennten Verfahren jeweils die erste und die zweite Instanz befasst waren und selbst im Falle eines unzulässigen Teilurteils, mit dem die Revision die unzulässige Trennung vergleichen möchte, eine Instanz entfallen kann, wenn das Berufungsgericht den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits an sich zieht und darüber mitentscheidet (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 – VIII ZR 342/09, NJW 2011 Rn. 33 mwN).

15
b) Die Revision wendet sich erfolglos gegen die Zurückweisung der Unterlassungsklage wegen fehlender Wiederholungsgefahr und die Versagung einer Geldentschädigung.

16
aa) Das Berufungsgericht konnte offen lassen, ob mit den E-Mails der Beklagten zu 2 bis 4 vom 24. und 25. Dezember 2008 der Tatbestand des § 823 BGB verwirklicht worden ist und deren Äußerungen der Beklagten zu 1 zuzurechnen sind.

17
Entgegen der Ansicht der Revision scheitert ein etwaiger Unterlassungsanspruch des Klägers am Fehlen der Wiederholungsgefahr. Das Berufungsgericht geht zumindest in seinen Hilfserwägungen mit Recht davon aus, dass dann, wenn bereits ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfolgt ist, eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr besteht (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn. 30; vom 15. Dezember 2015 – VI ZR 134/15, NJW 2016, 870 Rn. 23; vom 27. Mai 1986 – VI ZR 169/85, AfP 1986, 241, 242; vom 30. Juni 2009 – VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 29; vom 19. März 2013 – VI ZR 93/12, AfP 2013, 250 Rn. 31). Es trifft auch zu, dass diese Vermutung widerlegt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14, NJW 2016, 789 Rn. 30). Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mag der häufigste Grund und im Regelfall meist die alleinige Möglichkeit für die Beseitigung dieser Gefahr sein, sie ist aber nicht die einzige. Allerdings sind an die Widerlegung der Vermutung strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 – VI ZR 292/03, NJW 2005, 594, 595). Eine Widerlegung kann ausnahmsweise angenommen werden, wenn der Eingriff durch eine einmalige Sondersituation veranlasst gewesen ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 1994 – VI ZR 286/93, AfP 1994, 138, 139). Das Berufungsgericht hat trotz weiterhin schwelender Streitigkeiten der ehemaligen Partner eine solche spezielle, nicht wiederholbare Situation angenommen. Der Kläger habe seine E-Mail, die – wie das Berufungsgericht an anderer Stelle ausgeführt hat – ein besonderes Maß an Verachtung und Gehässigkeit gegenüber X. zeigte, zu einem durch dessen schwere Krebserkrankung auch für die ihm geschäftlich eng verbundenen Partner emotional aufgeladenen Zeitpunkt gesandt, worauf die Beklagten zu 2 bis 4 spontan reagiert hätten. Das Berufungsgericht hat dabei weiter berücksichtigt, dass der „in einer äußerst perfiden Art und Weise“ geführte verbale Angriff des Klägers gegen X. am Heiligabend erfolgte und dadurch geeignet war, besonders verletzend zu wirken. Da X. seine Erkrankung inzwischen überwunden hat, hat das Berufungsgericht einen solchen emotionalen Anlass für nicht wiederholbar erachtet. Für diese Einschätzung sprach nach Auffassung des Berufungsgerichts auch, dass die Beklagten trotz vergleichbarer Provokationen des Klägers in seiner Berufungsbegründung, in der er wiederum von Strafen für X. sprach, keinerlei zu beanstandende Reaktionen zeigten. Diese Erwägungen halten sich im Rahmen rechtlich zulässiger tatrichterlicher Würdigung.

18
bb) Einen Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint.

19
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsurteile vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn. 38; vom 21. April 2015 – VI ZR 245/14, VersR 2015, 898 Rn. 33, jeweils mwN) begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 – VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 214 f.; vom 24. November 2009 – VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 38 ff.; vom 21. April 2015 – VI ZR 245/14, VersR 2015, 898 Rn. 33; vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn. 38; vom 24. Mai 2016 – VI ZR 496/15, VersR 2016, 1001 Rn. 9).

20
Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Danach hat es die Zahlung einer Geldentschädigung rechtsfehlerfrei für nicht erforderlich erachtet. Die beanstandeten Äußerungen stellen zwar eine grobe Beleidigung dar, diese ist jedoch singulär geblieben und nur im Kreis der Partner der Beklagten und damit in einer sehr begrenzten Öffentlichkeit bekannt geworden. Unter Berücksichtigung des Anlasses und des Beweggrundes kann ein hoher, die Zulassung einer Geldentschädigung rechtfertigender Grad des Verschuldens der Beklagten zu 2 bis 4 nicht angenommen werden. Der Kläger hatte zuvor selbst durch seine E-Mail das Persönlichkeitsrecht des Seniorpartners X. der Beklagten zu 2 bis 4 erheblich verletzt, indem er seine tiefe Genugtuung über dessen schwerwiegende und bedrohliche Erkrankung äußerte und ihn somit herabwürdigte, jemand zu sein, der Qualen und den Tod verdient habe. Diese Äußerung erfolgte im Zuge der Auseinandersetzung innerhalb der Sozietät und war daher geeignet auch bei den Beklagten zu 2 bis 4, den Partnern des X., ein besonderes Maß an Betroffenheit auszulösen. Vergleichbare emotionale Situationen liegen der Regelung von § 199 StGB zugrunde, wonach der Richter beide Beleidiger oder einen derselben für straffrei erklären kann, wenn eine Beleidigung auf der Stelle erwidert wird (Kompensation). Dabei spricht für den Zweitbeleidiger die reaktive Verknüpfung; seine Schuld ist gemindert, wenn er provoziert durch den Ersttäter in affektiver Erregung Gleiches mit Gleichem bzw. Böses mit Bösem vergilt (vgl. Hilgendorf in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl., § 199 StGB Rn. 1 mwN; Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 199 Rn. 1, vgl. auch RGSt 7, 100, 102; BAG, Urteil vom 19. Juni 1969 – 2 AZR 511/68, BeckRS 1969, 00017 Rn. 11). Es kommt im Streitfall nicht darauf an, ob in einem Strafverfahren eine Straffreierklärung der Beklagten zu 2 bis 4 hätte ausgesprochen werden können. Die Regelung des § 199 StGB zeigt aber, dass das Gesetz die durch eine verbale Herabwürdigung ausgelöste affektive Erregung, die eine entsprechende ehrverletzende Reaktion hervorruft, als mildernden Umstand sieht. In der Situation des Streitfalls, in der der Kläger in einer durch die schwere Erkrankung des X. und das Weihnachtsfest gekennzeichneten, emotional aufgeladenen Lage der Beklagten zu 2 bis 4 seiner Verärgerung und Verbitterung mit einer schwerwiegenden Kränkung des Seniorpartners der Beklagten zu 2 bis 4 freien Lauf gelassen hat, ist ein Ausgleich seiner darauf davongetragenen Beeinträchtigung nicht geboten.

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