Zur örtlichen Zuständigkeit für einen Unterlassungsanspruch wegen Äußerungen auf einer Internetseite

OLG Dresden, Beschluss vom 24.08.2017 – 4 W 737/17

1. Die örtliche Zuständigkeit für einen Unterlassungsanspruch wegen Äußerungen auf einer Internetseite ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Kläger als Rechtsanwalt in dem Bezirk des angerufenen Gerichts tätig ist und damit einen hinreichenden Ortsbezug aufweist.(Rn.6)

2. Die Äußerung, ein Rechtsanwalt „erzwingt Eilverfahren am Landgericht. In Folge der rechtswidrigen Beschlüsse wurden alle Richter abgelehnt und strafrechtlich verfolgt“, ist eine Tatsachenbehauptung.(Rn.10)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 23.05.2016 – AZ 5 O 128/16 – wird der Beschluss teilweise insoweit abgeändert, als dem Beklagten die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten im Hinblick auf seine Verteidigung gegen den Klageantrag zu Ziffer 1 b) versagt wurde.

Das Verfahren wird mit der Maßgabe an das Landgericht zurückgesandt, die wirtschaftlichen Voraussetzungen der beantragten Prozesskostenhilfe zu prüfen.

2. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe
I.

1
Der Beklagte begehrt Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen eine Klage, mit welcher der Kläger die Unterlassung von Äußerungen auf zwei verschiedenen Internetwebseiten begehrt, deren Domain-Inhaber der Beklagte ist.

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Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23.05.2016 hat das Landgericht den Antrag des Beklagten vom 18.05.2016 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, da der Beklagte die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht schlüssig dargelegt habe und die Verteidigung gegen die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.

3
Gegen den am 25.05.2016 zugestellten Beschluss hat der Beklagte mit Schreiben vom 02.06.2016, eingegangen am 06.06.2016 beim Landgericht Görlitz – Außenkammern Bautzen -, sofortige Beschwerde eingelegt, welcher das Landgericht mit Beschluss vom 14.08.2017 nicht abgeholfen, sondern diese dem Oberlandesgericht Dresden zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

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Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und form- sowie fristgerecht (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) eingelegt worden.

5
Sie hat in der Sache zum Teil Erfolg, da die Verteidigung des Beklagten gegen die Klage hinsichtlich der unter Ziffer 1 b) begehrten Unterlassung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Hinreichende Erfolgsaussichten sind immer dann zu bejahen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 114 Rz.19, m.w.N.). Dies ist vorliegend vor dem Hintergrund, dass im Prozesskostenhilfeverfahren die Sach- und Rechtslage nur summarisch geprüft wird und schwierigere Rechts- bzw. Abwägungsfragen regelmäßig dem Hauptverfahren vorbehalten bleiben sollen (vgl. BGH, NJW-RR 2014, 131; OLG Frankfurt, NJW 2005, 3726; Zöller, a.a.O.), nur hinsichtlich des Klageantrags zu 1 a) zu bejahen. Im Einzelnen:

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1. Ohne Erfolg rügt der Beklagte die örtliche Zuständigkeit des hier angerufenen Landgerichts Görlitz. Das Landgericht Görlitz ist nach § 32 ZPO für die Entscheidung über die Klage zuständig, da in seinem Bezirk ein Erfolgsort der geltend gemachten unerlaubten Handlung und damit ein insoweit ausreichender Anknüpfungspunkt für die Begehung der Tat liegt. Erfolgsort ist der Ort, an dem – unabhängig von einem Schaden – der Verletzungserfolg eintritt. Unter diesem Aspekt besteht nach überwiegender Auffassung gemäß § 32 ZPO ein fliegender Gerichtsstand für die Geltendmachung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Presseerzeugnissen und Fernsehsendungen, der überall dort besteht, wo die Druckschrift verbreitet bzw. die Sendung ausgestrahlt wird (vgl. BGH, NJW-RR 2012, 943 Rn. 19; BGH, NJW 1977, 1590, 1591; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 32 Rn. 17). Ob dieser Grundsatz gleichermaßen für Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet gilt oder hier ein darüber hinausgehender hinreichender Bezug zum Gerichtsbezirk hinzukommen muss und gegebenenfalls, nach welchen Kriterien dieser zu bestimmen sei, ist im Einzelnen streitig (vgl. im einzelnen OLG Jena, Urteil vom 7. November 2013, Az.: 1 U 511/13, juris Rn. 6; OLG Frankfurt, MMR 2012, 259, 260; OLG Schleswig, NJW-RR 2014, 442, 443; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28. November 2016 – 1 U 6/16 -, Rn. 28, juris). Dies kann aber hier dahinstehen, da jedenfalls ein hinreichend deutlicher Bezug zum Gerichtsbezirk des Landgerichts Görlitz besteht. Der Kläger ist als Rechtsanwalt in Bautzen und damit im Bezirk des angerufenen Gerichts tätig. Eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Veröffentlichung liegt nach den Umständen des konkreten Falls an dem Gerichtsort des angerufenen Gerichts nahe und die vom Betroffenen behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung wird auch an diesem Ort eintreten.

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2. An der Passivlegitimation des Beklagten bestehen keine Zweifel, da er als Domainregistrar und auch als Admin-C aufgeführt wird. Zudem bestreitet er nicht, dass die beanstandeten Inhalte der Internetseiten von ihm selbst stammen.

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3. Im Ergebnis der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung hat der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der im Klageantrag zu 1 a) aufgeführten Äußerungen gemäß §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB, 824 BGB, wie das Landgericht bereits zutreffend beurteilt hat. Die unter Ziffer 1 b) aufgeführte Äußerung hingegen kann nicht beanstandet werden.

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Maßgeblich ist insoweit, ob es sich bei den beanstandeten Äußerungen um Tatsachenbehauptungen oder Werturteile handelt. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerungen aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (vgl. zu Vorstehendem nur BGH, Urteil vom 16.12.2014, Az. VI ZR 39/14, zitiert nach juris, m.w.N.). Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus. Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. BGH, aaO., m.w.N.). Bei Äußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik muss sich der Betroffenen in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn sie scharf formuliert ist (vgl. BGH, a.a.O; OLG Köln, Urteil vom 08.09.201, Az. 15 U 48/15, zitiert nach juris).

10
a) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Äußerung

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„Rechtsanwalt R. erzwingt Eilverfahren am Landgericht in Hamburg. In Folge der rechtswidrigen Beschlüsse wurden alle Richter abgelehnt und strafrechtlich verfolgt. Seitdem steht Rechtsanwalt R. in der Gegenliste“

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als Tatsachenbehauptung einzuordnen. Insbesondere mit den Überschriften „Rechtsbeugung in Hamburg“ und „Korruption in der Pressekammer Hamburg“ steht die Äußerung in einem Kontext, der durch einen verständigen Leser nur so interpretiert werden kann, dass der Kläger im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung an strafbaren Handlungen wie Rechtsbeugung und Korruption einer Pressekammer in Hamburg beteiligt gewesen sei. Die Äußerung ist auch hinreichend konkret, da sie örtlich eingegrenzt wird und die Namen der an der behaupteten strafbaren Handlung Beteiligten genannt werden. Durch die Aufmachung im Nachrichtenstil wird auch ein enger zeitlicher Bezug der Meldung suggeriert. Da der Beklagte seinen Vortrag zu der Äußerung nicht hinreichend substantiiert und die behaupteten Straftatbestände, mit denen er den Kläger in Zusammenhang bringt, weder konkretisiert noch in irgendeiner Form belegt, ist der Kläger hierdurch in seinen Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt und kann er die begehrte Unterlassung verlangen.

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b) Dagegen lässt sich der Nennung des Namens des Klägers im Zusammenhang mit dem Wort „Kriminalstaat“ bereits kein Aussagegehalt entnehmen, so dass es schon keiner Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung bedarf. Das Wort „Kriminalstaat“ ist für sich genommen neutral und enthält im Gegensatz zur Bezeichnung „Unrechtstaat“, das durch die Kombination zweier Substantive eine inhaltliche Wertung und einen Bezug zum DDR-Staat enthält, bereits keine Aussage und erst recht keine Abwertung der Person des Klägers. Anders als es der Kläger meint, ist der Wortbestandteil „Kriminal“ nicht wie „Kriminell“ negativ besetzt, wie bereits ein Vergleich des Wortsinnes beider Adjektive zeigt. Während „kriminell“ zu Straftaten neigend bzw. verbrecherisch bedeutet, ist das Wort „Kriminal“ im Sinne von Strafrecht, Strafverfahren oder Straftat betreffend zu verstehen und damit neutral. Hinzu kommt, dass die Kombination des Wortes „Kriminalstaat“ und des Nachnamens des Klägers als Bestandteil der Internetadresse einer Webseite keinen hinreichenden Bezug zum Kläger aufweisen.

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4. Ob der Beklagte bedürftig ist i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bedarf noch einer abschließenden Klärung. Er hat zwar in der vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einerseits keine schlüssigen Angaben gemacht und andererseits auch einen laufenden Bezug von Sozialleistungen nicht hinreichend schlüssig belegt. Vor einer Abweisung wegen fehlender Bedürftigkeit hätte das Landgericht den Beklagten aber darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben müssen, seine Angaben näher zu konkretisieren und zu ergänzen sowie die erforderlichen Belege einzureichen.

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