Zur Vorleistungspflicht der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung nach Verkehrsunfall bis zur Entscheidung der Rentenversicherung

BGH, Urteil vom 17. September 2019 – VI ZR 437/18

Für die Frage, auf wen ein Schadensersatzanspruch gemäß § 116 Abs. 1 SGB X übergegangen ist, kommt es darauf an, wer im Außenverhältnis zur Erbringung der jeweiligen Sozial- oder Beitragsleistung gesetzlich verpflichtet ist, nicht aber darauf, ob Ausgleichs- oder Erstattungsansprüche im Innenverhältnis bestehen (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 2015 – VI ZR 54/14, BGHZ 204, 44 Rn. 14; BGH, Urteil vom 17. April 1958 – II ZR 198/56, BGHZ 27, 107, 111 ff., juris Rn. 7 ff. zu § 1542 RVO). (Rn.9)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Coburg vom 19. Oktober 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand
1
Die klagende Bundesagentur für Arbeit nimmt als Trägerin der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer nach einem Verkehrsunfall aus gemäß § 116 Abs. 1, Abs. 10 SGB X übergegangenem Recht auf Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Anspruch.

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Am 4. September 2010 wurde die bei der Klägerin versicherte K. (im Folgenden: Geschädigte) bei einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte dem Grunde nach voll schadensersatzpflichtig ist, schwer verletzt. Nach dem Unfall bezog die Geschädigte zunächst Krankengeld. Vom 5. Mai 2012 bis 8. September 2013 erhielt sie von der Klägerin Arbeitslosengeld I-Leistungen in Höhe von 9.846 € ausgezahlt. Daneben führte die Klägerin Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 3.638,16 €, Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 468,81 € und Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 4.522,75 € ab. Mit Bescheid vom 23. September 2013 gewährte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) der Geschädigten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend ab dem 1. Dezember 2011. Die Klägerin hob daraufhin den Bewilligungsbescheid über das Arbeitslosengeld gegenüber der Geschädigten auf. Von der DRV erhielt sie für den Zeitraum vom 5. Mai 2012 bis 8. September 2013 die an die Geschädigte direkt geleisteten Arbeitslosengeld I-Leistungen in vollem Umfang und von den Beiträgen zur Krankenversicherung 1.919,99 €, von den Beiträgen zur Pflegeversicherung 278,46 € erstattet. Die Beklagte ersetzte der Klägerin die Beiträge zur Rentenversicherung vollumfänglich, nicht aber die ebenfalls eingeforderten Restbeträge an Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.718,17 € und an Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von 190,35 €. Mit der Klage hat die Klägerin den auf diese beiden Positionen entfallenden Gesamtbetrag von 1.908,52 € nebst Zinsen geltend gemacht.

3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe
I.

4
Nach Ansicht des Berufungsgerichts (LG Coburg – 32 S 21/18), dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, ist die Klägerin nicht gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 10 SGB X aktivlegitimiert. Die Klägerin habe bis zum Eintritt der DRV einen Anspruch auf Ersatz der auf das Arbeitslosengeld gezahlten Beiträge an die Kranken- und Pflegeversicherung gegen die Beklagte gehabt. Bis dahin sei sie aufgrund der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung des § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III verpflichtet gewesen, der Geschädigten Arbeitslosengeld zu zahlen und hierauf Sozialabgaben zu entrichten. Mit der Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger sei der Anwendungsbereich der Nahtlosigkeitsregelung entfallen. Die Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente begründe einen Regressanspruch der Klägerin gegen die DRV, der neben den an die Geschädigte ausgezahlten Leistungen auch die Sozialabgaben erfasse, allerdings nur in dem Umfang, in dem die DRV Beiträge auf die Rentenleistungen habe zahlen müssen. Für einen Ersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte hinsichtlich der Restsumme aus Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen fehle es an der Anspruchsberechtigung im Sinne des § 116 SGB X. Der Rechtsübergang nach dieser Vorschrift stehe von vornherein unter der auflösenden Bedingung des späteren Wegfalls der Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers. Ab dem Eintritt der DRV sei die Leistungspflicht der Klägerin mit Wirkung ex tunc entfallen, was einen Wegfall der Anspruchsinhaberschaft der Klägerin gemäß § 116 SGB X ebenfalls mit ex tunc-Wirkung zur Folge habe. Eine Aufspaltung der Aktivlegitimation gemäß § 116 SGB X dergestalt, dass sie beim ursprünglichen Leistungsträger verbleibe, soweit er vom Nachfolger keine Erstattung verlangen könne, widerspreche der Konzeption des § 116 SGB X. Der Anspruchsübergang werde nicht an den Schaden des Sozialleistungsträgers, sondern an dessen Leistungspflicht geknüpft. Falle die Leistungspflicht rückwirkend weg, gehe der Ersatzanspruch des vorleistenden Leistungsträgers hinsichtlich dieses Zeitraums auf den endgültig verpflichteten Leistungsträger über, soweit er noch nicht erfüllt sei. Objektiv sei die Klägerin nicht leistungspflichtig gewesen, das Arbeitslosengeld sei bei rückschauender Betrachtung zu Unrecht geleistet worden. Dies folge aus dem Verweis des § 145 Abs. 3 Satz 1 SGB III auf § 103 SGB X statt auf § 104 SGB X. Entgegen der Auffassung der Klägerin werde der Schädiger bei Annahme eines rückwirkenden Fortfalls der Aktivlegitimation nicht unbillig zu Lasten der Solidargemeinschaft entlastet. Die Beiträge seien zwar der Solidargemeinschaft der Arbeitslosenversicherung entgangen, dafür aber der Solidargemeinschaft der Kranken- und Pflegeversicherung zugutegekommen. Darüber hinaus sei nicht einzusehen, warum der Schädiger desto stärker belastet werden solle, je später die Rentenversicherung ihre Eintrittspflicht anerkenne.

II.

5
Die Revision ist begründet. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klägerin hinsichtlich des von ihr geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz der Restbeträge an Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen, die sie von dem an die Geschädigte erbrachten Arbeitslosengeld zu zahlen hatte, gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 10 SGB X aktivlegitimiert.

6
1. Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen (sachliche Kongruenz) und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen (zeitliche Kongruenz). Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X gehören dazu auch die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind. Die Bundesagentur für Arbeit gilt gemäß § 116 Abs. 10 SGB X als Versicherungsträger im Sinne des § 116 Abs. 1 SGB X.

7
Auf der Grundlage der nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalls, für den die Beklagte der Geschädigten gegenüber dem Grunde nach voll schadensersatzpflichtig ist, im Zeitraum vom 5. Mai 2012 bis 8. September 2013 Arbeitslosengeld I-Leistungen erbracht. Diese Sozialleistung, die mit dem Anspruch der Geschädigten auf Ersatz ihres Erwerbsschadens sachlich und zeitlich kongruent ist, hatte die Klägerin im Rahmen ihrer Vorleistungspflicht zu erbringen (dazu 2.). Welche Folgerungen aus der rückwirkenden Bewilligung der Erwerbsminderungsrente auf den Anspruchsübergang gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X und damit die Aktivlegitimation der Klägerin im Hinblick auf die Erstattung des Arbeitslosengeldes als Hauptleistung zu ziehen sind, kann, da nicht streitgegenständlich, dahinstehen (dazu 3.). Denn jedenfalls hatte die Klägerin von dem Arbeitslosengeld Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen. Die diesbezügliche Leistungspflicht traf in dem für den Forderungsübergang maßgeblichen Außenverhältnis nur sie und ist nicht rückwirkend entfallen, so dass sie insoweit aktivlegitimiert ist (dazu 4.).

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2. Die Klägerin hatte, wie in dem angegriffenen Urteil rechtsfehlerfrei ausgeführt, bis zum Bescheid der DRV vom 23. September 2013, mit dem die volle Erwerbsminderung der Klägerin festgestellt wurde, aufgrund der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung des § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III Arbeitslosengeld I-Leistungen und damit eine Sozialleistung im Sinne von § 116 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X zu erbringen. § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III gewährt demjenigen einen Anspruch auf eine „Sonderform“ des Arbeitslosengeldes (vgl. Überschrift zu §§ 145, 146 SGB III), der wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit nicht objektiv verfügbar im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 SGB III und damit nicht gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III arbeitslos ist, dessen verminderte Erwerbsfähigkeit aber (noch) nicht durch den hierfür zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGB III) festgestellt ist. Die Wirkung der Nahtlosigkeitsregelung besteht darin, ein aus gesundheitlichen Gründen objektiv nicht bestehendes Leistungsvermögen des Arbeitslosen bis zum Eintritt des in der Rentenversicherung versicherten Risikos der Erwerbsminderung zu fingieren. Diese Fiktion hindert die Arbeitsverwaltung daran, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld mit der Begründung zu verneinen, der Anspruchsteller sei wegen seiner Leistungsminderung objektiv nicht verfügbar und deshalb nicht arbeitslos. Die Fiktion gesundheitlichen Leistungsvermögens und objektiver Verfügbarkeit und damit auch die Sperrwirkung der Nahtlosigkeitsregelung gegenüber der Arbeitsverwaltung dauern bis zur Feststellung, dass verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegt, wobei diese Feststellung gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 SGB X dem zuständigen Rentenversicherer vorbehalten ist (BSG, Urteile vom 12. Dezember 2017 – B 11 AL 27/16 R, BeckRS 2017, 137017 Rn. 12; vom 21. März 2007 – B 11a AL 31/06 R, BeckRS 2007, 45853 Rn. 16 f. zu § 125 Abs. 1 SGB III a.F.). Zweck der Nahtlosigkeitsregelung ist es in erster Linie, negative Kompetenzkonflikte zu Lasten des Versicherten zu vermeiden: Es soll unterschiedlichen Beurteilungen der Erwerbsfähigkeit durch Arbeitslosen- und Rentenversicherung und damit der Gefahr entgegengewirkt werden, dass tatsächlich kein Versicherungsschutz gewährt wird, obwohl gegen eine der Versicherungen ein Anspruch besteht (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2007 – B 11a AL 31/06 R, BeckRS 2007, 45853 Rn. 17 zu § 125 Abs. 1 SGB III a.F.; BSG, SGb 1999, 315, 317 f.; BSG, Urteil vom 14. Dezember 1995 – 11 RAr 19/95, BeckRS 1995, 30758824 zur Vorgängerregelung § 105a AFG). Den Arbeitslosenversicherer trifft somit eine Vorleistungspflicht bis zur Entscheidung des Rentenversicherers über den Eintritt des Versicherungsfalls der verminderten Erwerbsfähigkeit (BSG, Urteil vom 30. Januar 2002 – B 5 RJ 6/01 R, BeckRS 2002, 40723 zu § 125 Abs. 1 SGB III a.F.; Lüdtke/Böttiger in Böttiger/Körtek/Schaumberg, Sozialgesetzbuch III, 3. Aufl., § 145 Rn. 2). Diese Vorleistungspflicht traf vorliegend die Klägerin.

9
3. Für die Frage, auf wen ein Schadensersatzanspruch gemäß § 116 Abs. 1 SGB X übergegangen ist, kommt es darauf an, wer im Außenverhältnis zur Erbringung der jeweiligen Sozial- oder Beitragsleistung gesetzlich verpflichtet ist, nicht aber darauf, ob Ausgleichs- oder Erstattungsansprüche im Innenverhältnis bestehen (vgl. Senatsurteile vom 27. Januar 2015 – VI ZR 54/14, BGHZ 204, 44 Rn. 14; vom 8. Juli 2003 – VI ZR 274/02, BGHZ 155, 342, 346 ff., juris Rn. 12 ff.; vom 28. März 1995 – VI ZR 244/94, VersR 1995, 600, 601 f., juris Rn. 11 ff.; BGH, Urteil vom 17. April 1958 – II ZR 198/56, BGHZ 27, 107, 111 ff., juris Rn. 7 ff. zu § 1542 RVO). Ob die Klägerin danach aus ihrer Vorleistungspflicht gegenüber der Geschädigten einen Forderungsübergang gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X hinsichtlich der als Sonderform des Arbeitslosengeldes gewährten Hauptleistung für sich herleiten kann, obwohl die DRV im Verhältnis zur Geschädigten aufgrund der Rückwirkung des Bescheids vom 23. September 2013 für denselben Zeitraum zur Gewährung von Erwerbsminderungsrente verpflichtet ist, ist fraglich und für die vorliegende Fallkonstellation noch nicht entschieden. Dies kann aber vorliegend dahinstehen, weil die Aktivlegitimation der Klägerin hinsichtlich der Erstattung des Arbeitslosengeldes als Hauptleistung nicht im Streit steht.

10
4. Hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Restbeträge der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die sie von dem Arbeitslosengeld zu zahlen hatte, ist die Klägerin gegenüber der Beklagten gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X aktivlegitimiert. Insbesondere traf entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die diesbezügliche Leistungspflicht in dem für den Forderungsübergang maßgeblichen Außenverhältnis allein die Klägerin und ist durch den Eintritt der DRV nicht rückwirkend entfallen.

11
a) Der Forderungsübergang gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X knüpft an Beiträge an, die „von Sozialleistungen zu zahlen“ sind. Er setzt eine schädigungsbedingte Beitragspflicht des Sozialversicherungsträgers voraus.

12
aa) Vorliegend traf, bedingt durch den Unfall, die Klägerin die Pflicht, von dem Arbeitslosengeld, das sie als Sozialleistung im Rahmen ihrer Vorleistungspflicht gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III zu erbringen hatte, Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung zu zahlen. Denn die Geschädigte war wegen des Bezugs des Arbeitslosengeldes gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung und gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung waren gemäß (§ 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m.) § 251 Abs. 4 a SGB V von der klagenden Bundesagentur für Arbeit zu tragen und gemäß (§ 60 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m.) § 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V von ihr zu zahlen. Die rückwirkende Bewilligung der Erwerbsminderungsrente ließ die durch den Bezug von Arbeitslosengeld begründete Versicherungspflicht der Geschädigten in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2, letzter Halbsatz SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI unberührt. Die Versicherungspflicht tritt allein aufgrund des tatsächlichen Bezugs von Arbeitslosengeld ein, ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen für diesen Leistungsbezug vorgelegen haben. Dementsprechend bleibt nach den genannten Regelungen die Versicherungspflicht (selbst) dann bestehen, wenn die Entscheidung, die zum Bezug des Arbeitslosengeldes geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder das Arbeitslosengeld zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist (BSG, NZS 2014, 458 Rn. 23). Darin findet der Grundsatz seinen Niederschlag, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes einmal begründete Versicherungsverhältnisse in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung nicht rückwirkend beseitigt werden sollen, selbst dann nicht, wenn sie auf einem rechtswidrigen und rückabgewickelten Zustand beruhen (Peters in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand Juni 2019, § 5 SGB V Rn. 45). Der an die Gewährung von Arbeitslosengeld anknüpfende Beitragsanspruch des gesetzlichen Krankenversicherers und des sozialen Pflegeversicherers und damit korrespondierend die Leistungspflicht der Klägerin gegenüber diesen Versicherern sind also nicht wegen der rückwirkenden Gewährung der Erwerbsminderungsrente an die Geschädigte entfallen. Dementsprechend kann die klagende Bundesagentur für Arbeit die von ihr gezahlten Beiträge von dem Kranken- und dem Pflegeversicherer nicht zurückfordern (BSG, Urteil vom 15. Oktober 2014 – B 12 KR 13/12 R, juris Rn. 20 ff.). Demgegenüber war und ist gemäß § 335 Abs. 2 Satz 4, Abs. 5 SGB III die DRV als (im Innenverhältnis ausgleichspflichtiger, dazu sogleich bb)) Träger der Rentenversicherung im Außenverhältnis zum Kranken- und zum Pflegeversicherer trotz der rückwirkenden Bewilligung der Erwerbsminderungsrente nicht verpflichtet, für dieselbe Zeit Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten. Denn der Beitragspflicht ist bereits durch die Zahlung der (hier höheren) Beiträge aus dem Arbeitslosengeld durch die Klägerin genügt worden, die bei der Kranken- und Pflegeversicherung verbleiben.

13
bb) Dem Forderungsübergang gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X steht nicht entgegen, dass die Klägerin im Innenverhältnis zur DRV als gesetzlichem Rentenversicherer gemäß § 335 Abs. 2 Sätze 1, 2, Abs. 5 SGB III einen Anspruch auf Erstattung der Beiträge hat, weil ihr gemäß § 145 Abs. 3 Satz 1 SGB III auch ein Erstattungsanspruch hinsichtlich des Arbeitslosengeldes zusteht. Denn der Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X ist, wie dargelegt, an die Voraussetzung geknüpft, dass der Sozialleistungsträger nach außen hin (im Rahmen des § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X also gegenüber dem Gläubiger der Sozialleistung, im Rahmen des § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X gegenüber dem Gläubiger der Beitragsleistung) zur Leistung gesetzlich verpflichtet ist. Wenn – wie hier – von mehreren in Betracht kommenden Sozialleistungsträgern (hier: Bundesanstalt für Arbeit und DRV) nur einer (hier: Bundesanstalt für Arbeit) im Außenverhältnis (hier: gegenüber dem Kranken- und dem Pflegeversicherer) beitragsleistungspflichtig ist, ist also dieser allein als Rechtsnachfolger des Geschädigten gegenüber dem Schädiger anspruchsberechtigt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er nach den einschlägigen Ausgleichsbestimmungen im Innenverhältnis ebenfalls Ersatz für seine Aufwendungen verlangen könnte (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 2015 – VI ZR 54/14, BGHZ 204, 44 Rn. 14; BGH, Urteil vom 17. April 1958 – II ZR 198/56, BGHZ 27, 107, 111, juris Rn. 7 zu § 1542 RVO). Eine doppelte Entschädigung des ausgleichsberechtigten Trägers und eine dadurch eintretende Benachteiligung des ausgleichspflichtigen Trägers werden entweder dadurch vermieden, dass der Ausgleichsberechtigte von dem Ausgleichsverpflichteten einen Ausgleich nur erhält, wenn er diesem den Schadensersatzanspruch in Höhe des Ausgleichsbetrags abtritt, oder dadurch, dass er dem anderen Träger den Ausgleichsbetrag nach Empfang der Schadensersatzleistung zurückzuzahlen hat (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 2015 – VI ZR 54/14, BGHZ 204, 44 Rn. 14; BGH, Urteil vom 17. April 1958 – II ZR 198/56, BGHZ 27, 107, 122 f., juris Rn. 23). Vorliegend stellt sich für den hier allein eingeforderten Restbetrag der Beiträge die Frage einer doppelten Entschädigung der Klägerin ohnehin nicht, weil diese insoweit keinen Ausgleich von der DRV verlangen kann. Denn ihr Erstattungsanspruch gegen diese ist, wie im angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt, gemäß § 335 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, Abs. 5 SGB III auf die Beitragsanteile begrenzt, die für denselben Zeitraum aus der Rente zu entrichten gewesen wären.

14
Auch ein etwaiger Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit gegen den Bezieher von Arbeitslosengeld auf Ersatz der gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung aus § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III berührt das im Rahmen des § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X maßgebliche Außenverhältnis nicht. Abgesehen davon würde vorliegend ein solcher Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Geschädigte an dem ungeschriebenen Merkmal des nicht pflichtgemäßen Verhaltens des Versicherten scheitern (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Oktober 2014 – B 12 KR 13/12 R, juris Rn. 24 mwN).

15
b) Schließlich fehlt es auch nicht an der sachlichen Kongruenz von Schadensersatz- und Beitragsanspruch. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür und werden von den Parteien auch nicht geltend gemacht, dass der mit den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung verbundene Schutz seiner Art nach (vgl. hierzu nur Senatsurteile vom 30. Juni 2015 – VI ZR 379/14, BGHZ 206, 136, Rn. 14; vom 25. Juni 2013 – VI ZR 128/12, BGHZ 197, 316 Rn. 26, jeweils mwN) nicht ebenso wie der mit der Hauptleistung verbundene Schutz den Erwerbsschaden umfasst, für den die Beklagte gegenüber der Geschädigten einzustehen hat.

III.

16
Da sich das Berufungsgericht bislang nur mit der Aktivlegitimation der Klägerin befasst und noch keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der auf die Klägerin übergegangene Anspruch der Geschädigten auf Ersatz ihres Erwerbsschadens die von der Klägerin geltend gemachten Beitragsbeträge in vollem Umfang umfasst, war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es ist sehr unwahrscheinlich, aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Erwerbsschaden der Geschädigten niedriger ist als das von der Klägerin gezahlte Arbeitslosengeld, nach dessen Höhe sich die Beiträge richten (vgl. etwa § 150 SGB III). Sollte dies der Fall sein, wäre der Ersatzanspruch entsprechend zu reduzieren.

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