Zur Verweigerung der Verlängerung einer Räumungsfrist wegen Gewalttätigkeit des Mieters

LG Berlin, Beschluss vom 20. Juli 2014 – 18 T 91/14

1. Soweit die Wohnung des Räumungsschuldners zur Unterbringung von Gegenständen wie Möbeln benötigt wird, wird dieser Zweck nicht vom Räumungsschutz-Privileg des § 721 ZPO geschützt.(Rn.8)

2. Geht vom Räumungsschuldner aufgrund von massiven und anhaltenden Störungen des Hausfriedens bis hin zu Tätlichkeiten gegenüber Mitmietern eine Gefahr aus, kommt eine Verlängerung einer auch kurzen Räumungsfrist nicht in Betracht.(Rn.7)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die – teilweise – Zurückweisung ihres Antrags auf Bewilligung einer Räumungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

1
Die Beklagte ist mit Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 13.06.2014 zur Räumung der von ihr gemieteten Wohnung verurteilt worden. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils wird verwiesen. Im Urteil ist der Beklagten, nachdem sie die Gewährung einer Räumungsfrist von einem Jahr beantragt hat, eine Räumungsfrist bis zum 31.07.2014 bewilligt worden. Das Urteil ist der Beklagten am 18.06.2014 zugestellt worden.

2
Die Entscheidung über die Räumungsfrist hat die Beklagte durch den am 01.07.2014 eingegangen Schriftsatz mit der sofortigen Beschwerde angegriffen. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 17.07.2014 nicht abgeholfen.

II.

3
Die sofortige Beschwerde ist statthaft und wahrt die Anforderungen an Frist und Form (§§ 721 Abs. 6 Nr. 1, 567 ff. ZPO) und ist somit zulässig.

4
In der Sache hat sie keinen Erfolg.

5
Sorgfältig und mir durchweg zutreffender und überzeugender Gewichtung hat das Amtsgericht in der angegriffenen Entscheidung sowie im Nichtabhilfebeschluss die sich gegenüberstehenden Interessen abgewogen. Das Beschwerdegericht folgt diese Abwägung.

6
Im Ausgangspunkt zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, dass demjenigen, der aufgrund Krankheit, Behinderung o. Ä. besondere Schwierigkeiten hat, sich eine neue Wohnung zu suchen, grundsätzlich auch eine über das Übliche hinausgehende Räumungsfrist zu bewilligen sein kann, um ihn die Lage zu versetzen, das elementare Bedürfnis nach Wohnraum zu befriedigen, und dass in solchen Fällen eher mit “Großzügigkeit” verfahren werden sollte. Eine solche Situation dürfte bei der derzeit untergebrachten Beklagten vorliegen.

7
Dies kann im konkreten Fall allerdings gleichwohl nicht zu einer längeren als der bereits durch das Amtsgericht bewilligten Räumungsfrist führen. Dem steht die aus dem Urteil ersichtliche, von der Beklagten für die Mitbewohner ausgehende Gefahr entgegen. Es ist für die Mitbewohner, die von der Beklagten auch schon körperlich angegriffen worden sind, nicht zumutbar mit der Beklagten über die bewilligte Räumungsfrist hinaus in einem Haus zusammen zu wohnen. Auf diese Interessen kann sich auch der Vermieter berufen, weil dieser gegenüber den anderen Mietern aus den jeweiligen Mietverträgen gemäß § 535 BGB verpflichtet ist, die jeweilige Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Dieser Gebrauch wird aber massiv eingeschränkt, wenn man körperliche Übergriffe sowie die weiteren aus dem Tatbestand des Urteils ersichtlichen Handlungen der Beklagten von einem Mitmieter zu gewärtigen hat. Eine Verlängerung der Räumungsfrist kommt daher nicht in Betracht.

8
Soweit die Wohnung zunächst zur Unterbringung von Gegenständen wie Möbeln u. Ä. benötigt wird, wird dieser Zweck nicht von § 721 ZPO geschützt. Soweit die Beklagte darauf verweist, gegenwärtig gehe von ihr aufgrund ihrer Unterbringung keine Gefahr aus, mag dies richtig sein, ändert aber nichts daran, dass eine längere Räumungsfrist nur zu dem Zweck bewilligt werden kann, ihr die Wohnung als Wohnraum für eine Rückkehr nach ihrer Entlassung aus der stationären Unterbringung zu erhalten.

9
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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