Zur Verkehrssicherungspflicht bei einem Baustellenschild

AG Wiesbaden, Urteil vom 15.05.2008 – 92 C 4538/07 – 28, 92 C 4538/07

Der Verkehrssicherungspflichtige kann und muss nicht für alle denkbaren entfernten Möglichkeiten des Schadensereignisses Vorsorge treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen des Falles zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind (Rn. 5).

Wenn der Verkehrssicherungspflichtige ein Baustellenschild nicht so verankert, dass es auch von einer Sturmböe nicht umgeworfen oder gar fortgeweht werden kann, haftet er für den entstehenden Schaden (Rn. 7).

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 485,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.07.2007 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger denjenigen Prämienschaden zu ersetzen, den er aufgrund der Inanspruchnahme des Kaskoschutzes nach dem Schadenfall vom 11.05.2007 erleiden wird (D Versicherungs AG zu Schaden-Nummer … ..-..-…-…).

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

1

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe

2

Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 BGB in tenorierter Höhe hinsichtlich des Schadens zu, der ihm dadurch entstanden ist, dass ein von der Beklagten zuvor aufgestelltes Baustellenverkehrsschild sturmbedingt auf das streitgegenständliche Fahrzeug gefallen war und dies beschädigt hat.

3

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die streitgegenständlichen Beschädigungen des Fahrzeuges des Klägers durch dieses Verkehrsschild entstanden sind. Die Zeugin hat nachvollziehbar bekundet, dass ein herumfliegendes Verkehrsschild auf der Motorhaube des Fahrzeuges ihres Mannes aufgeprallt ist. Der Zeuge konnte sich zwar nicht mehr an Einzelheiten des Vorganges erinnern, jedoch konnte sie den entscheidungserheblichen Tatsachenkern präzise bekunden. Die Beklagte ist für diesen Schaden auch wegen der Verletzung von ihren obliegenden Verkehrssicherungspflichten verantwortlich.

4

Das Gericht verkennt nicht, dass eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist. Es geht vielmehr um die Risikoverteilung zwischen dem Sicherungspflichtigen und der gefährdeten Partei, d. h. darum, welche Sicherheit diese Person in der jeweiligen Situation erwarten darf und mit welchen Risiken sie rechnen muss und welche ihr abgenommen werden müssen.

5

Der Verkehrssicherungspflichtige muss deshalb nicht für alle denkbaren entfernten Möglichkeiten des Schadensereignisses Vorsorge treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen des Falles zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind.

6

Nach Auffassung des Gerichts kann sich die Beklagte hierbei nicht auf die von dem Amt für Straßen und Verkehrswesen für den Normalfall herausgegebenen Kontroll- und Wartungsanforderungen zurückziehen, denn im konkreten Fall lag ein derartiger Normalfall nicht vor.

7

Nach der amtlichen Auskunft des Deutschen Wetterdienstes hat am streitgegenständlichen Tag an der Wetterwarte F Flughafen der ca. 20 km von der Unfallstelle entfernt ist, eine Windstärke von 8 Beaufort geherrscht. Nach der amtlichen Auskunft des Deutschen Wetterdienstes brechen bei einer derartigen Windstärke Zweige von den Bäumen. Bei einer derartigen Windgeschwindigkeit entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Baustellenverkehrsschild durch erhebliche Windeinwirkung sich aus seiner Verankerung lösen kann und Fahrzeuge beschädigen kann. Es kann insofern dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die von dem Amt für Straßen- und Verkehrswesen Frankfurt aufgestellten Kontroll- und Sicherungspflichten eingehalten hat; jedenfalls angesichts des stürmischen Windes und der von Baustellenschildern ausgehenden Gefährdung oblag es der Beklagten, das Schild besonders zu sichern. Dies galt um so mehr, als bereits am 10.05.2007 um 22.00 Uhr bis zum 11.05.2007 um 8.00 Uhr für den Bereich der Gemarkung Wiesbaden eine Wetterwarnung gültig war, in der vor Böen gewarnt wurde. Diese Warnungen des Deutschen Wetterdienstes sind auch der Allgemeinheit, z. B. über Internet, zugänglich. Grundsätzlich ist die Beklagte bei fühlbar starkem Wind verpflichtet sich über die zu erwartenden Böen zu informieren. Hierbei entbindet auch die Zusage des Herstellers der Schilder, dass diese eine gewisse Windresistenz aufweisen, die Beklagte nicht von ihrer Haftung. Ggf. muss sie sich im Verhältnis zu dem Hersteller schadlos halten.

8

Das Gericht kann der Auffassung der Beklagten nicht folgen, dass den Kläger ein Mitverschulden trifft. Gerade auf Autobahnen ist es nicht möglich, ohne Verstoß gegen die StVO das Einfahren in eine Baustelle bei hohen Windgeschwindigkeiten zu vermeiden, da das Vorhandensein von Baustellen nicht bereits vor der letztmöglichen Auffahrt angezeigt wird.

9

Die Höhe des Schadens ist von den Klägerin schlüssig dargelegt und wurde von dem Beklagten nicht bestritten.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

11

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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