Zur Umgehung des Gegenanwalts durch Nutzung eines privaten Briefbogen

Anwaltsgericht Köln, Beschluss vom 16. August 2019 – 3 AnwG 15/19 R

Zur Umgehung des Gegenanwalts durch Nutzung eines privaten Briefbogen

Tenor

Der Antrag des Rechtsanwaltes auf anwaltsgerichtliche Entscheidung wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Bescheid des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer Köln vom 10.10.2018 in der Form des Bescheides des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer vom 21.03.2019 wird bestätigt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Gründe
I.

1
Mit dem angegriffenen Bescheid rügt die Rechtsanwaltskammer Köln ein Verhalten des Antragstellers als Verletzung des Verbotes der Umgehung des Gegenanwaltes gem. § 43 BRAO i. V. m. § 12 Abs. 1 BORA.

2
Der Antragsteller ist zugelassener Anwalt. Er ist Gesellschafter der V Partner mbB Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei. Er ist ebenfalls Vermieter einer Frau S.. Zwischen ihm und der Mieterin war ein Rechtsstreit vor dem Amtsgericht anhängig. Prozessbevollmächtigte des Klägers in diesem Verfahren war die V. Partner mbB, der er persönlich angehört. Die Mieterin war in dem Rechtsstreit anwaltlich vertreten.

3
Mit Schreiben vom 04.06.2018 wandte sich der Antragsteller an die Mieterin unmittelbar. Er verwendete dabei nicht den Briefbogen der Kanzlei, sondern einen Briefbogen, der seine Privataderesse, seine akademische Qualifikation und seine Berufsbezeichnungen: Rechtsanwalt-Wirtschaftsprüfer-Fachanwalt für Steuerrecht – , enthielt. Das Schreiben war als „Abmahnung und Kündigungsandrohung“ bezeichnet. In dem Schreiben nahm der Antragsteller Bezug auf einen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Mieterin aus dem laufenden Prozess und forderte sie auf, diesen Vortrag zu widerrufen, nicht mehr zu wiederholen und diesbezüglich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Für den Fall der Weigerung drohte er die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses an. Eine Information des Prozessbevollmächtigten der Mieterin erfolgte nicht.

4
Auf Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Mieterin hat die Rechtsanwaltskammer Köln das Verhalten des Antragstellers unter Erteilung einer Missbilligung gerügt.

5
Hiergegen hat der Antragsteller form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Im Rahmen der Begründung des Einspruchs hat der Beklagte vortragen lassen, er sei in privater Sache als Vermieter tätig geworden.

6
Die berufliche/anwaltliche Vertretung im konkreten Rechtsstreit sei durch einen anderen Kollegen der Kanzlei, der er angehöre, erfolgt. Nur auf diesen und dem konkreten Rechtsstreit beziehe sich daher das Umgehungsverbot des § 12 BORA. Demgegenüber bestehe bei weiteren nachfolgenden privaten Auseinandersetzungen ein solches nicht.

7
Darüber hinaus hat er geltend gemacht, dass die Satzungsermächtigung im § 59 b Abs. 2 Nr. 8 BRAO sich nur auf den beruflichen Kontakt beziehen könne und nicht zu einem Verbot in Bezug auf private Kontakte führen könne.

8
Mit Beschluss vom 21.03.2019, dem Beschwerdeführer zugestellt am 22.03.2019, hat der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Köln den Einspruch des Antragstellers zurückgewiesen. Hiergegen hat er mit Schriftsatz vom 18.04.2019 „Klage“ erhoben mit dem Antrag, die Rüge vom 10.10.2018 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 21.03.2019 aufzuheben. In der Begründung vertieft er sein bisheriges Vorbringen.

II.

1.

9
Die gegen die Rechtsanwaltskammer Köln gerichtete „Klage“ vom 18.04.2019 ist als Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung gem. § 74a BRAO auszulegen. Es ist davon auszugehen, dass der Antragsteller das statthafte Rechtsmittel einlegen wollte. Der Antragsteller wendet sich gegen einen Rügebescheid i. S. § 74 BRAO in der Form der Einspruchsentscheidung. Hiergegen ist nur der Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung gem. § 74a BRAO statthaft. Dieser ist form- und fristgerecht gestellt worden. In der Sache bleibt er jedoch ohne Erfolg.

2.

10
Das Schreiben des Antragstellers vom 04.06.2018 an die Beklagte des Ausgangsrechtsstreites verstößt gegen § 43 BRAO i. V. m. § 12 BORA.

3.

11
§ 12 BORA ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Beschl. vom 12.07.2001 – 1 BvR 2272/00NJW 2001, 3325, 3326 sowie BVerfG, Beschl. vom 25.11.2008 – 1 BvR 848/07 – NJW 2009, 828).

4.

12
Gem. § 12 Abs. 1 BORA darf ein Rechtsanwalt nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwaltes eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln.

13
Das Umgehungsverbot gehört zu den wesentlichen Berufspflichten des Rechtsanwalts (Prütting, in: Henssler/Prütting, 4. Auflage 2014, § 12 BORA Rn. 1; Thümmel, NJW 2011, 1850). Es ist zum Schutz der Allgemeinwohlinteressen an der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und an einem fairen Verfahren erforderlich. Er dient zuvörderst dem Schutz des gegnerischen Mandanten. Der gegnerische Mandant soll insbesondere davor geschützt werden, dass er vom Gegenanwalt überraschend persönlich angesprochen oder in Unkenntnis der bestehenden Rechtslage ohne rechtliche Beratung durch seinen Anwalt zur Abgabe irgendwelcher, möglicherweise benachteiligenden Erklärungen veranlasst wird. Insoweit liegt in der Umgehung auch eine Missachtung des Willens der Gegenpartei zur Wahrnehmung ihres Rechts, sich anwaltlich vertreten zu lassen (für alle Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 12 BORA Rn. 1 mwN).

14
Wer einen Rechtsanwalt beauftragt, soll jederzeit und unter allen Umständen dessen Sachverstand bei Verhandlungen mit der Gegenseite nutzen können. Auch bei der Entscheidung darüber, ob im Einzelfall der anwaltliche Beistand entbehrlich erscheint, soll daher zunächst der Rat des eigenen Anwalts mitsprechen. Allein hierdurch kann gewährleistet werden, dass spätere Konflikte über rechtserhebliche Äußerungen oder taktische Fehler vermieden werden, die das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt belasten (BVerfG, Beschl. vom 12.07.2001 – BvR 2272/00 -, NJW 2001,3325). Insoweit dient § 12 Abs. 1 BRAO nicht ausschließlich den Interessen der gegnerischen Partei, sondern betrifft auch das Mandatsverhältnis zwischen gegnerischem Anwalt und seiner Mandantschaft. Er dient daher auch zum Schutz des gegnerischen Anwalts vor Eingriffen in sein Mandatsverhältnis (BayAGH, Urt. vom 01.04.2003 – BayAGH II – 3/03; Thümmel, aaO.).

15
Eine Umgehung des Gegenanwalts liegt in jeder unmittelbaren Kontaktaufnahme des Anwalts mit der Gegenpartei.

5.

16
Das Verbot des Umgangs des Gegenanwaltes gilt nur innerhalb eines Verfahrens mit identischen Streitgegenstand (vgl. Zuck, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage, § 12 BORA, Rn. 13). Dies bedeutet, dass einem Rechtsanwalt die Kontaktaufnahme zu der gegnerischen Partei insoweit nur untersagt ist, wie die Mandatierung des gegnerischen Anwaltes reicht. Bezüglich anderer Komplexe ist es ihm unbenommen mit der gegnerischen Partei unmittelbar Kontakt aufzunehmen. So kann beispielsweise der Anwalt eines Mieters, der diesen gegen einen anwaltlich vertretenen Vermieter, z. B. wegen der Berechtigung einer Nebenkostenabrechnung vertritt, wegen anderer Probleme aus dem Mietverhältnis unmittelbar mit dem Vermieter Kontakt aufnehmen, soweit nicht eine umfassende Bevollmächtigung des gegnerischen Anwaltes vorliegt (vgl. Zuck, aaO.; a.A. BeckOK BORA/Römermann/Günther, 24. Ed., § 12 Rn. 12; AGH Sachsen, Urt. vom 27.02.2005 – AGH 19/13AnwBl 2015, 525).

17
Um einen solchen Fall handelt es sich jedoch vorliegend nicht. Ausweislich der in beglaubigter Kopie vorgelegten Vollmacht war der Prozessbevollmächtigte der Mieterin umfassend bevollmächtigt. Die Kontaktaufnahme des Antragstellers bezog sich somit auf einen Bereich, für den eine Mandatierung des Gegenanwalts bestand.

6.

18
Auch nach dem Inhalt bezog sich das Schreiben vom 04.06.2018 nicht auf eine „private“ Kontaktaufnahme in einer außerhalb des Rechtsstreit liegenden anderen Angelegenheit. Auch wenn der Kläger in seinem Schreiben Rechtsfolgen androhte, die bis dahin nicht Gegenstand des geführten Rechtsstreites waren, bezog sich das Schreiben explizit auf diesen Rechtsstreit. Er nahm konkret Bezug auf den Inhalt eines Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten der Mieterin mit dem Ziel, diese zur Änderung des darin enthaltenen prozessualen Vortrages zu bewegen. Mithin lag eine genau auf den Rechtsstreit, in dem die Mieterin anwaltlich vertreten war, bezogene Kontaktaufnahme vor.

7.

19
Es kann dabei dahinstehen, ob der Rechtsstreit durch einen anderen der Kanzlei V. Partner mbB angehörenden Rechtsanwalt geführt wurde, dass Umgehungsverbot des § 12 Abs. 1 BORA nicht dadurch umgangen werden darf, dass Sozien oder Mitarbeiter den direkten Kontakt mit dem anderen Beteiligten aufnehmen (vgl. Prütting, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Auflage 2014, § 12 BORA, Rn. 3). Somit wäre der Antragsteller, auch wenn der Rechtsstreit tatsächlich ausschließlich von einem anderen für die Kanzlei tätigen Rechtsanwalt geführt worden wäre, zumindest für vom Prozess gerührte Gegenstände auch vom Umgehungsverbot des § 12 Abs. 1 BORA umfasst.

8.

20
Der Antragsteller hat vorliegend für seine Kontaktaufnahme zwar nicht den Kanzleibriefbogen verwendet. Er verwendete aber einen Briefbogen, in dem auf seine akademische Qualifikation und seine berufliche Stellung als Rechtsanwalt hingewiesen wurde. Er hat durch Verwendung eines Briefbogens, in dem ausdrücklich auf die Tätigkeit als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Fachanwalt für Steuerrecht verwiesen wurde, aus dem Horizont der Mieterin als Empfängerin des Schreibens verdeutlicht, dass er anwaltlich tätig sein wollte (Feuerich/Weyland BRAO, 9. Aufl. 2016, § 12 BORA Rn. 5).

9.

21
Wie die Bezugnahme auf den Inhalt des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten der Mieterin zeigt, war dem Antragsteller bei seiner Kontaktaufnahme bewusst, dass seine Mieterin anwaltlich vertreten war. Da eine Unterrichtung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterblieb, geht die Kammer im Hinblick auf den Inhalt seines Schreibens davon aus, dass der Antragsteller den Prozessbevollmächtigten der Mieterin durch seine persönliche Ansprache bewusst umgehen wollte. Dies stellt gerade eine bewusste Verletzung des Schutzbereiches des § 12 BORA dar.

22
Nach Überzeugung der Kammer ist die angegriffene Rüge daher aufrecht zu erhalten.

10.

23
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197, 197a BRAO.

11.

24
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 74a Abs. 3, S. 4 BRAO.

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