OLG München, Urteil vom 09. Januar 2020 – 1 U 3011/19
Zur Tierarzthaftung bei unterlassener notwendiger Aufklärung über die Möglichkeit eines anaphylaktischen Schocks vor Durchführung einer Injektionsbehandlung mit verschiedenen homöopathischen Mitteln bei einem wertvollen Pferd
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 10.01.2019, Az. 9 O 2194/12, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist ebenso wie das in Ziffer 1. genannte Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
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I. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Endurteils des Landgerichts München II vom 10.01.2019 wird Bezug genommen. Weitere Feststellungen hat der Senat nicht getroffen.
2
II. Das Landgericht hat zur Begründung des der Klage teilweise stattgebenden Urteils Folgendes ausgeführt:
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Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sei nach der ROM I – Verordnung deutsches Recht anwendbar.
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Die Klägerin sei zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aktivlegitimiert, weil sie im Zeitpunkt der Behandlung am 29.12.2010 Eigentümerin des Pferdes D. A. (i.F. nur: „Pferd“) gewesen sei. Sie habe das Pferd von der vorherigen rechtmäßigen Alleineigentümerin L. J. mit Kaufvertrag vom 16.02.2009 erworben. Soweit im Equidenpass neben Frau J. sei dem 02.10.2006 auch die als Zeugen vernommenen Eva und Erwin M. als „owner“, „proprietaire“ und „proprietario“ eingetragen seien, habe dies hinsichtlich der Eigentümerstellung keinen relevanten Beweiswert, weil die Bezeichnungen im Pass auch lediglich eine Besitzer- bzw. Halterstellung ausweisen könnten. Die Zeugin Eva M. hätte demgegenüber glaubhaft angegeben, nicht Miteigentümer des Pferdes gewesen zu sein, sondern die Voreigentümerin J. lediglich finanziell bei dessen Ausbildung unterstützt zu haben. Im Equidenpass seien sie und ihr Ehemann lediglich eingetragen gewesen, um sich für die großen Turniere akkreditieren zu können. Der Ehemann der Klägerin, der Zeuge H. habe ebenfalls den alleinigen Erwerb des Pferdes durch seine Frau bestätigt.
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Das Pferd sei zweifelsfrei aufgrund der von dem Beklagten am 29.12.2010 vorgenommenen Injektionsbehandlung mit verschiedenen homöopathischen Mitteln unmittelbar danach an einem anaphylaktischen Schock gestorben. Die injizierten Präparate seien – im Gegensatz zu dem beigemischten Eigenblut – grundsätzlich geeignet gewesen, einen solchen Schock auszulösen. Der Sachverständige habe nicht sicher feststellen können, welches der Medikamente die Unverträglichkeitsreaktion ausgelöst habe, wobei eine Reaktion auf die intramuskulär und subkutan injizierten Präparate aufgrund der zeitlichen Abfolge wahrscheinlicher sei. Der Umstand, dass das Pferd zuvor von dem Beklagten bereits sechsmal mit einer Mischung aus Eigenblut und Homöopathika therapiert worden sei, ohne dass eine allergische Reaktion aufgetreten sei, stehe nicht im Widerspruch zu diesem Ergebnis, vielmehr könne gerade die mehrfache Vorbehandlung mit einem potentiell allergenen Stoff das Risiko einer anaphylaktischen Reaktion erhöhen.
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Obwohl für die Behandlung des Pferdes mit Eigenblut in Kombination mit homöopathischen Mitteln mangels wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweises keine tiermedizinische Indikation im strengen Sinn vorgelegen habe, habe sie aufgrund Vereinbarung mit der Klägerin, die eine schonendere Behandlung gegenüber schulmedizinischen Mitteln gewünscht habe, erfolgen können. Nach den Angaben der Parteien und den Aussagen der Zeugen H. sowie Walder sei Zweck der Behandlung gewesen, das Immunsystem des Pferdes zu stärken und damit einer Verschlechterung und Chronifizierung des Atemwegsinfekts entgegenzuwirken. Die eingesetzten Medikamente hätten ihrer Wirkrichtung nach jedenfalls dann auf die Symptome des Pferdes gepasst, wenn ein beginnendes akutes Krankheitsgeschehen ohne Fieber vorgelegen habe. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die homöopathischen Mittel nicht oral verabreicht, sondern injiziert habe. Einer ebenfalls möglichen geringgradigen chronischen Bronchitis habe nach den Feststellungen des Sachverständigen mit der vorgenommenen Behandlung jedoch nicht begegnet werden können. Darüber hinaus sei auch die Verwendung von fünf verschiedenen homöopathischen Mitteln mit einer Vielzahl von einzelnen, zum Teil sich überlappenden Einzelsubstanzen weder in der Homöopathie üblich noch medizinisch indiziert gewesen. Dies stelle aber keinen Behandlungsfehler dar, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen das Risiko nicht erheblich über dem Risiko der Anwendung eines Einzelpräparats mit potentiell allergener Wirkung liege.
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Dem Beklagten sei dagegen ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht anzulasten, indem er Belladonna-Logoplex ohne nachvollziehbaren Grund intravenös injiziert habe, was zwar bei der verwendeten Charge vom Hersteller grundsätzlich noch freigegeben gewesen sei, aber gegenüber der ebenfalls möglichen subkutanen Anwendung die potentiell risikoreichere Verabreichungsform dargestellt habe. Ebenso als Behandlungsfehler sei die intramuskuläre Injektion von Zeel anstelle der vom Hersteller empfohlenen subkutanen Injektion anzusehen, weil auch insoweit der Beklagte nicht die Verabreichungsform mit dem geringsten Risiko gewählt habe. Kein Behandlungsfehler liege dagegen in der Überdosierung von Belladonna (20 ml statt 10 ml), weil nach den Ausführungen des Sachverständigen bereits 10 ml ausgereicht hätten, einen anaphylaktischen Schock auszulösen, und – wobei das Urteil insoweit unklar ist – in der ebenfalls gegebenen Überdosierung von Zeel (10 ml statt 5 ml). Ob die Injektionsbehandlung bei dem aktuellen Fütterungs- und Trainingszustand des Pferdes und ohne vorherige Erwärmung der Medikamente fehlerhaft gewesen sei, könne offenbleiben. Weiter sei der Beklagte unter Verstoß gegen die tierärztliche Sorgfaltspflicht nach der Behandlung weniger als fünf Minuten bei oder in der Nähe des Pferdes geblieben.
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Die Klägerin könne für keinen der vorstehend genannten (möglichen) Behandlungsfehler die Ursächlichkeit für den Tod des Pferdes nachweisen.
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Insbesondere sei nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar, ob das Pferd überhaupt auf die Mittel Belladonna und / oder Zeel reagiert habe, und ob die intravenöse Gabe von Belladonna gegenüber der subkutanen Anwendung tatsächlich ein wesentlich höheres Risiko einer Unverträglichkeitsreaktion in sich trage. Ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines anaphylaktischen Schocks und dem Fütterungszustand und der Belastung des Tieres, sowie der Temperatur der Injektionslösung sei unwahrscheinlich. Da es im Fall eines anaphylaktischen Schocks nur in extrem seltenen Fällen gelinge, das Leben des betroffenen Pferdes durch Verabreichen von Gegenmitteln zu retten, habe auch das Entfernen des Beklagten nach der Injektion keinen nachweislichen Einfluss auf den Verlauf gehabt.
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Ob die intravenöse Injektion von Belladonna einen groben Behandlungsfehler mit der Folge einer Umkehrung der Beweislast darstelle, was der hiesige Sachverständige verneint, aber ein anderer Sachverständiger in einem gleichgelagerten Fall vor dem OLG Düsseldorf bejaht habe, könne letztendlich dahinstehen, weil der Beklagte jedenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Aufklärungspflichtverletzung hafte. Art und Umfang der Aufklärungspflicht bemäßen sich nach den dem Tierarzt erkennbaren Interessen des Auftraggebers oder nach dessen geäußerten Wünschen, wobei auch der materielle oder ideelle Wert des Tiers für den Auftraggeber zu berücksichtigen sei. Vorliegend habe der Beklagte seine Aufklärungspflicht in zweifacher Hinsicht verletzt:
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Zum Einen habe er es pflichtwidrig unterlassen, die Klägerin über die Möglichkeit eines weiteren Zuwartens aufzuklären. Stattdessen habe er die homöopathische Behandlung als notwendig dargestellt, um eine Verschlechterung bzw. Chronifizierung der Erkrankung zu vermeiden, und gegenüber der Klägerin erklärt, es werde allein mit Zuwarten nicht besser. Nach den Ausführungen des Sachverständigen habe für eine solch negative Prognose aber keine Veranlassung bestanden. Die Behandlung sei jedenfalls nicht dringlich gewesen. Sofern das Pferd an einer geringgradigen chronischen Bronchitis gelitten habe, wären die eingesetzten Mittel zur Behandlung schon von ihrer Wirkrichtung her ungeeignet gewesen. Beim Zutreffen dieser Diagnose wäre es unproblematisch möglich gewesen, zunächst abzuwarten und bei anhaltenden Symptomen (Husten, verschärfte Lungengeräusche) eine weitergehende Diagnostik vorzunehmen. Bei der anderen in Betracht kommenden Diagnose, nämlich einem beginnenden akuten Infekt ohne Fieber, wäre ein Zuwarten und Beobachten der weiteren Entwicklung ebenfalls vertretbar gewesen, wenngleich hier die Behandlung durchaus als sinnvoll und nachvollziehbar erscheine. Mit einer Zustandsverschlechterung sei eher nicht zu rechnen gewesen, wenngleich dies grundsätzlich nicht auszuschließen gewesen sei. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass ohne die gewählte Therapie anschließend eine schulmedizinische Behandlung unumgänglich gewesen wäre, was die Klägerin aber ausdrücklich nicht gewollt habe. Denn er habe die Klägerin darauf nicht hingewiesen, weshalb sie diesen Umstand auch nicht in ihre Erwägungen über Risiken und Nutzen der Behandlung habe einbeziehen können. Der Beklagte könne auch nicht geltend machen, dass die Klägerin auf der Behandlung beharrt habe, um ihre Dressurarbeit nicht unterbrechen zu müssen. Das Gericht habe vielmehr aufgrund des persönlichen Eindrucks von der Klägerin, ihrer Angaben bei der mündlichen Anhörung und der Aussage des Zeugen H. die Überzeugung gewonnen, dass für die Klägerin das Tierwohl über ihren sportlichen Ambitionen rangiere und sie das Pferd deshalb geschont hätte, wenn der Beklagte ihr dieses Vorgehen als valide Alternative zu einer medikamentösen Behandlung vorgeschlagen hätte. Bis zum April 2011 hätten auch keine weiteren Turniere mehr angestanden, an denen das Pferd hätte teilnehmen sollen.
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Zum Anderen hätte der Beklagte die Klägerin trotz des sehr geringen Komplikationsrisikos in Ansehung des bekannt hohen Wertes des Pferdes und des besonderen Affektionsinteresses der Klägerin, der geringen Notwendigkeit bzw. Dringlichkeit einer Therapie, des Wunsches der Klägerin das Pferd möglichst schonend und nicht unnötig zu behandeln, dem Stellen einer nicht nachvollziehbaren Diagnose („Kehlkopfreizung“), des in einigen Herstellerinformationen aufgeführten Hinweises auf mögliche anaphylaktische Reaktionen bzw. Unverträglichkeitsreaktionen, und der in der Literatur beschriebenen Einzelfälle von Anaphylaxie nach Eigenbluttherapie bzw. der Gabe homöopathischer Fertigarzneimittel über das grundsätzlich mögliche und nicht gänzlich unvorhersehbare Risiko einer anaphylaktischen Reaktion mit eventueller Todesfolge aufklären müssen, zumal sich ein vergleichbarer Fall in der Tierklinik des Beklagten erst ein Jahr zuvor ereignet habe. Die nicht nachvollziehbare Verwendung einer Kombination verschiedener Homöopathika in niedriger Potenz und mit allergener Wirkung, wobei dasselbe Allergen teilweise in mehreren Präparaten vorhanden gewesen sei, und die Wahl der nicht risikoärmsten Verabreichungsform habe die Aufklärungspflicht des Beklagten zusätzlich erweitert. Aufgrund der Aussage des Zeugen H. und vor dem Hintergrund des im Verlauf des Rechtsstreits variierenden und widersprüchlichen Beklagtenvortrags sei das Gericht überzeugt, dass eine solche Risikoaufklärung nicht erfolgt sei.
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Der Klägerin habe das mit den Injektionen verbundene Risiko auch nicht gekannt. Der Beklagte habe in diesem Zusammenhang vorgetragen, die Klägerin habe nach dem Tod des Pferdes geäußert, das müsse von der Eigenblutbehandlung gekommen sein, die ja bekanntlich auch bei Menschen sehr gefährlich sei. Weiter habe die Zeugin W. eine Äußerung der Klägerin bestätigt, dass es eigentlich bekannt sei, dass es nach Eigenblutbehandlungen zu Reaktionen kommen könne. Auch wenn diese, von der Klägerin bestrittenen Aussagen als wahr unterstellt würden, belegten sie keine konkrete Kenntnis eines Todesrisikos. Außerdem hätte selbst eine allgemeine Kenntnis der Klägerin von der generellen Möglichkeit eines anaphylaktischen Schocks die Aufklärungspflicht nicht entfallen lassen, weil die Klägerin ein solches Risiko für eine nicht zwingend notwendige Behandlung nicht eingegangen wäre.
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Das Gericht sei aufgrund der Angaben der Klägerin und der Aussage des Zeugen H. davon überzeugt, dass die Klägerin der Behandlung nicht zugestimmt und das Pferd stattdessen geschont hätte, wenn der Beklagte sie über die Möglichkeit des Zuwartens und das Risiko eines anaphylaktischen Schocks mit Todesfolge aufgeklärt hätte.
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Der Beklagte habe die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entkräftet.
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Der Beklagte müsse der Klägerin deshalb den entstandenen Schaden in Höhe des Wiederbeschaffungswertes für das Pferd ersetzen, der nach sachverständiger Begutachtung 250.000,- € betragen habe. Darüber hinaus habe die Klägerin Anspruch auf Verzugszinsen seit dem 29.12.2010 und auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 250.000,- € in Höhe von 3.686,62 €.
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III. Der Beklagte hat gegen das ihm am 11.06.2019 zugestellte Endurteil mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12.06.2019, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 10.09.2019 begründet.
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Der Beklagte rügt, dass ihm das am 10.01.2019 verkündete Urteil erst nach über fünf Monaten in vollständiger Form zugestellt worden sei. Die Übertragung der Sache auf den Einzelrichter sei prozessordnungswidrig gewesen.
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Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, dass der Klägerin die Aktivlegitimation fehle, weil L. J. das Pferd nicht ohne Mitwirkung der Miteigentümer Eva und Erwin M. wirksam an sie habe veräußern können. Aus den Zeugenaussagen der Eheleute M. lasse sich nicht folgern, dass sie lediglich zum Schein im Equidenpass eingetragen gewesen seien, um in betrügerischer Absicht Vergünstigungen der VIP-Lounge zu erlangen. Die Zeugen M. seien unglaubwürdig. Der Umstand, dass sie 150.000,- € im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Ausbildung des Pferdes gezahlt hätten, lasse auf eine Miteigentümerstellung jedenfalls in Form des Sicherungseigentums schließen. Die schriftliche Erklärung der Frau J. könne prozessual nicht als schriftliche Zeugenaussage gewertet werden. Das Landgericht habe verkannt, dass die Klägerin den Beweis für das behauptete Alleineigentum an dem Pferd führen müsse, was ihr nicht gelungen sei.
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Die Auffassung des Landgerichts, dass der Beklagte die Klägerin im Hinblick auf den Wert des Pferdes, die Risiken der homöopathischen Behandlung und ihres hohen Affektionsbezuges auf die Möglichkeit des Zuwartens ohne medikamentöse Behandlung hätte hinweisen müssen, sei aus mehreren Gründen falsch:
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Die Klägerin habe schon den ihr obliegenden Nachweis der Kausalität der Behandlung für den Tod des Pferdes nicht geführt. Soweit der Sachverständige ungeachtet der Üblichkeit der von dem Beklagten gewählten Eigenbluttherapie, ihrer wissenschaftlich nicht erwiesenen Effizienz, fehlender Beschreibung von Unverträglichkeitsreaktionen und des Umstandes, dass die Behandlung vorher schon sechsmal problemlos erfolgt war, die Ursächlichkeit bejaht habe, sei dies nicht zwingend. Der anaphylaktische Schock bzw. das plötzliche Herz-/Kreislaufversagen habe auch ohne jede äußere Verursachung eintreten können, zumal der Pathologiebericht auf eine chronische Lungenerkrankung des Pferdes hindeute und der Behandlung eine Dressurarbeit vorausgegangen sei.
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Weiter habe der Sachverständige klargestellt, dass für die Anwendung von Homöopathika keine Indikation wie bei konventionellen Medikamenten erforderlich sei, weshalb sie auch von Laien verabreicht werden dürften. Das Pferd habe zumindest im Zeitraum 20.04.2009 bis zum 29.12.2009 phasenweise Symptome einer Lungenerkrankung gezeigt. Vor diesem Hintergrund sei die von dem Beklagten am 29.12.2010 vorgeschlagene – siebte – Eigenblutbehandlung aus veterinärmedizinischer Sicht unter dem Aspekt einer jederzeit rezidivierenden Erkältung unbedenklich begründet gewesen. Der Beklagte habe der Klägerin ausdrücklich keine akute Behandlungsbedürftigkeit und keine Dringlichkeit der homöopathischen Eigenblutbehandlung suggeriert, sondern nur wie in der Vergangenheit rein prophylaktisch eine Rezidivierung bzw. Chronifizierung der bekannten Lungenanfälligkeit mit der jederzeit bestehenden Möglichkeit einer sich intensivierenden Erkältung und der Folge einer dann erforderlich werdenden, um eine Vielfaches riskanteren konventionellen Behandlung mit zwingender intravenöser Applikation ausschließen wollen, und dies auch so mit der Klägerin erörtert. Auch die vorangegangenen Eigenblutbehandlungen seien gezielt zur Stärkung des Immunsystems durchgeführt worden. Die Annahme des Landgerichts, der Beklagte habe die neuerliche Eigenblutbehandlung als quasi notwendig dargestellt, sei falsch. Mit der vom Beklagten vorgeschlagenen Option sei die Möglichkeit des Nichtstuns mit dem Risiko einer sich chronifizierenden Erkältung als Alternative zur prophylaktischen Behandlung zwangsläufig miteinbegriffen. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass ihr die Möglichkeit einer Nichtbehandlung bewusst gewesen sei. Ihr sei auch bestens bekannt gewesen, dass eine Infektion mit Kehlkopf- und Lungenbeteiligung zwangsläufig zur Unterbrechung der Dressurarbeit führen würde, was besonders im Hinblick auf die geplante Teilnahme an der Olympiade in London 2012 abträglich gewesen wäre. Es habe deshalb für die Klägerin ein hochrangiges Motiv für eine prophylaktische und in der Vergangenheit jeweils erfolgreiche Eigenblutbehandlung zur Vermeidung eines dann möglicherweise nur noch mit konventionellen Mitteln und höherem Risikospektrum zu bekämpfenden Infektionsrezidivs gegeben. Dieses Motiv werde auch nicht durch die Erwägungen des Landgerichts zu einer „Tierliebe“ der Klägerin infrage gestellt, die gerade keine Antithese zur sportlichen Ambition darstelle, weil nur eine unbeeinträchtigte Gesundheit des Pferdes die Basis für erfolgreiche Turnierteilnahmen sei. Die Klägerin habe auch jenseits der Frage der Turnierfähigkeit triftige Gründe gehabt, die bewährte Eigenblutbehandlung auf homöopathischer Basis zu akzeptieren, um die generelle Infektionsanfälligkeit des Pferdes gerade in der kalten Winterzeit im Griff zu halten.
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Weiter habe entgegen der Auffassung des Landgerichts in Bezug auf die von dem Beklagten eingesetzten Substanzen kein aufklärungspflichtiges Risiko eines möglichen anaphylaktischen Schocks bestanden. Der Herstellerhinweis zu Belladonna-Logoplex sei auf den Fall einer unsachgemäßen Anwendung, also außerhalb der in der Homöopathie maßgeblichen Niedrigdosierung beschränkt. Die durchgeführte Eigenblutbehandlung sei auch nicht unter dem Aspekt der Injektion zu einem risikobehafteten Verfahren geworden, weil Injektionen grundsätzlich weder bei Menschen noch bei Tieren riskant seien. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei das Risiko eines anaphylaktischen Schocks als sehr bzw. äußerst gering anzusehen und liege unter 1:100.000, wobei vorliegend noch hinzukomme, dass es wider Erwarten sofort zu einer tödlichen Unverträglichkeitsreaktion gekommen sei, und nicht zunächst zu geringgradigeren Symptomen wie Nesselsucht. Ein derart geringes, unterhalb der statistischen Erfassung liegendes Komplikationsrisiko sei nicht aufklärungspflichtig, auch nicht vor dem Hintergrund des hohen Wertes des Pferdes und der Pferdeliebe der Klägerin. Das Wesen einer homöopathischen Behandlung bestehe gerade darin, im Rahmen der Niedrigdosierung das sonstige Risikospektrum auszuschließen. Etwas Anderes ergäbe sich auch nicht daraus, dass es in der Tierklinik des Beklagten im Jahr zuvor zu einem tödlichen anaphylaktischen Schock bei einem anderen Pferd nach der intravenösen Gabe von Arnica gekommen sei, weil es sich um eine andere Kombination von auch konventionellen Substanzen mit einem deutlich höheren Risikospektrum gehandelt habe, und die Erkrankung und Konstitution des dort behandelten, orthopädisch beeinträchtigten Pferdes nicht identisch gewesen sei. Das Landgericht hätte ohne förmlichen Beschluss auch nicht das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. im Verfahren 1 O 1441/10 LG München II als Beweismittel verwerten dürfen. Der Beklagte habe die Klägerin vor der ersten Eigenblutbehandlung darauf hingewiesen, dass in der Veterinärmedizin grundsätzlich nichts ausgeschlossen werden könne, und dass er selbst mit dieser von ihm vielfach praktizierten Behandlungsmethode nur positive Erfahrungen gemacht habe; diese Aufklärung sei ausreichend gewesen. Im Übrigen habe die Zeugin W. eine Äußerung der Klägerin unmittelbar nach dem Todesfall bestätigt, wonach sie von unberechenbaren Risiken im Zusammenhang mit Eigenblutbehandlungen gewusst habe. Bei der veterinärmedizinischen Aufklärung komme es ausschließlich auf marktwirtschaftliche Betrachtung, nicht aber auf ein besonderes Affektionsinteresse des Eigentümers an, da bei Schädigung oder Verlust des Tieres auch nur auf dieser Basis Schadensersatz verlangt werden könne. Die Anforderungen an die Aufklärung könnten im veterinärmedizinischen Bereich nicht höher angesetzt werden als in der Humanmedizin.
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Fehlerhaft sei weiter die Auffassung des Landgerichts, die Klägerin hätte, wenn sie darüber aufgeklärt worden wäre, dass das Pferd nicht behandlungsbedürftig war und ein auch nur entfernt liegendes Risiko bestand, von der Behandlung Abstand genommen. Es sei nicht ersichtlich, was die Klägerin dazu bewogen hätte, die an dem Pferd bereits sechsmal und bei anderen Pferden ebenfalls erfolgreich und komplikationslos durchgeführte Eigenblutbehandlung abzulehnen, bei der es sich um die schonendste und risikoärmste Behandlungsmethode gehandelt habe, während im Fall einer nicht auszuschließenden rezidivierenden Infektion nur noch konventionelle Präparate mit deutlich höherem Risikospektrum hätten eingesetzt werden können, womit die Klägerin gegebenenfalls auch einverstanden gewesen sei. Die Klägerin habe einen Entscheidungskonflikt deshalb nicht plausibel machen können.
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Schließlich habe der Sachverständige Dr. Sch. und das ihm folgende Landgericht zu Unrecht die Anfälligkeit des Pferdes für eine anaphylaktische Reaktion nicht als wertmindernden Faktor berücksichtigt.
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Der Beklagte beantragt,
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in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach bejaht. Die Eheleute M. seien im Zeitpunkt der Veräußerung des Pferdes an die Klägerin nicht Miteigentümer gewesen, die Eintragung im Pferdepass sei insoweit irrelevant. Selbst wenn die Eheleute M. Miteigentümer gewesen wären, hätte die Klägerin das Pferd von der Vorbesitzerin J. gutgläubig zu Alleineigentum erworben. Es gebe keine alternative Ursache für den Tod des Pferdes als den anaphylaktischen Schock, vielmehr sei der Ablauf als Folge der durchgeführten Therapie typisch gewesen. Die von dem Beklagten verabreichte Mixtur risikobehafteter Präparate habe zu einer deutlichen Erhöhung des Risikos beigetragen. Da der Beklagte einen groben Behandlungsfehler begangen habe, sei die Beweislast hinsichtlich der Kausalität der Behandlung für den Tod des Pferdes umzukehren. Weil es für den Einsatz homöopathischer Substanzen in der Veterinärmedizin ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen mangels nachgewiesener Wirksamkeit keine Indikation gebe, dürften sie auch nicht verabreicht werden, wenn damit irgendein Risiko verbunden sei. Das Risiko homöopathischer Mittel, insbesondere von Arnika habe der Beklagte bereits aufgrund des gleichgelagerten Vorfalls in seiner Klinik gekannt. Weil die Behandlung überhaupt keine nachweisbare Erfolgsaussicht gehabt habe, hätte der Beklagte die Klägerin umfassend über Risiken unterrichten müssen. Der Tierarzt sei gehalten, die Herstellerangaben zu beachten, die für alle eingesetzten Substanzen einschlägige Warnhinweise auf fatale Nebenwirkungen enthalten hätten. Bei einem Hinweis auf ein Todesrisiko hätte die Klägerin mit Sicherheit davon Abstand genommen, eine hinsichtlich ihrer Wirkung fragwürdige prophylaktische Therapie durchzuführen. Der Beklagte hätte ferner darauf hinweisen müssen, dass das Pferd keine akute und behandlungsbedürftige Erkrankung gehabt habe, und dass erst recht keine Eilbedürftigkeit vorliege. Für den angestrebten Erfolg der Verhinderung einer Verschlechterung oder Chronifizierung hätte dem Pferd unter Ausschluss jeglichen Risikos ein das Immunsystem stützendes Präparat oral verabreicht werden können. Der Sachverständige Dr. Sch. habe den Wert des Pferdes deutlich zu niedrig bemessen.
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Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
B.
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I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht teilweise stattgegeben. Die Klägerin hat gegen den Beklagten nach § 280 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Aufklärungspflichten aus dem tierärztlichen Behandlungsvertrag zumindest in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe. Ob der Beklagte darüber hinaus auch Behandlungsfehler begangen hat, kann ebenso offenbleiben wie die Frage, wie diese gegebenenfalls zu qualifizieren wären und ob sie für den Tod des Pferdes ursächlich waren. Im Einzelnen:
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1. Wird nach Verkündung des Tenors das vollständige Urteil nicht binnen einer Frist von fünf Monaten an die Geschäftsstelle übermittelt, kann das im Berufungsverfahren unter den weiteren Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges führen (vgl. Zöller/Heßler, ZPO 33. Aufl. § 538 Rn. 29 mwN; vgl. zur Revision auch Zöller/Feskorn aaO § 310 Rn. 5 mwN). Vorliegend hat das Landgericht diese Frist indes noch gewahrt, auch wenn die Zustellung des Urteils erst nach ihrem Ablauf erfolgte. Auf eine unterlassene Vorlage des Rechtsstreits durch die Einzelrichterin an die Zivilkammer kann die Berufung ebenfalls nicht gestützt werden (§ 348a Abs. 3 ZPO).
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2. Die Klägerin ist als (Allein-) Eigentümerin des Pferdes zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus dem Behandlungsvertrag mit dem Beklagten aktivlegitimiert. Die Berufung zeigt insoweit keine Mängel der – auch den Senat überzeugenden – Beweiswürdigung in erster Instanz auf, sondern setzt lediglich ihre eigene Bewertung an diejenige des Landgerichts. Im Übrigen wäre selbst für den Fall, dass die Eheleute M. im Zeitpunkt der Veräußerung des Pferdes an die Klägerin Miteigentum daran gehabt haben sollten, aufgrund ihrer Zeugenaussagen von einer konkludenten Genehmigung der Veräußerung durch die Vorbesitzerin L. J. gemäß § 185 Abs. 2 BGB auszugehen.
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3. Der Klägerin ist durch die Verletzung der tierärztlichen Aufklärungspflicht des Beklagten ein Schaden in Höhe des Wiederbeschaffungswertes des Pferdes von mindestens 250.000,- € entstanden.
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3.1. Das Landgericht (Urteil S. 28) hat zutreffend die Anforderungen bezeichnet, die von der Rechtsprechung an die tierärztliche Aufklärungspflicht gestellt werden. Danach ist es grundsätzlich Aufgabe des Tierarztes, seinen Auftraggeber über die Behandlungsmethoden, ihre Erfolgsaussichten und Risiken und gegebenenfalls auch über in Betracht kommende Behandlungsalternativen zu beraten. Art und Umfang der Aufklärungspflicht richten sich im Einzelfall nach den für den Tierarzt erkennbaren Interessen seines Auftraggebers oder nach dessen besonderen Wünschen, wobei auch der materielle oder ideelle Wert des Tieres für den Auftraggeber eine Rolle spielen kann (vgl. BGH, Urt. v. 18.03.1980 – VI ZR 39/79, juris-Rn. 10 f; OLG München, Urt. v. 09.10.2003 – 1 U 2308/03, juris-Rn. 55; v. 21.12.2016 – 3 U 2405/16, juris-Rn. 20).
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In der Humanmedizin ist der Patient auch über sehr seltene Risiken aufzuklären, die im Fall ihrer Verwirklichung die Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch, für den Laien aber überraschend sind. Die Aufklärungspflicht geht dabei umso weiter, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten vordringlich und geboten erscheint. Gegebenenfalls kann sich daraus eine Aufklärungspflicht auch dann ergeben, wenn die Wahrscheinlichkeit erheblicher Folgen des Eingriffs zahlenmäßig sehr gering ist (vgl. BGH, Urt. 16.11.1971 – VI ZR 76/70, Leitsatz 1; v. 07.02.1984 – VI ZR 188/82, juris-Rn. 18; v. 14.06.2006 – VI ZR 279/04, juris-Rn. 13; Palandt/Weidenkaff, BGB 79. Aufl. § 630e Rn. 3 mwN). Mit der Maßgabe, dass auf einen vernünftigen Eigentümer abzustellen ist, der den materiellen und – mit Einschränkungen – auch immateriellen Wert seines Tieres vor Verlust und Beschädigung schützen will, können diese Grundsätze auf die Aufklärungspflicht eines Veterinärs übertragen werden.
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3.2. Ausgehend von diesen Maßstäben, hat der Beklagte seinen Aufklärungspflichten gegenüber der Klägerin nicht genügt. Das unstreitige Behandlungsziel war vorliegend, das Immunsystem des Pferdes durch die Injektionen mit aufbereitetem Eigenblut und einer Mixtur von Homöopathika zu stärken, was nach den Ausführungen des Sachverständigen bei einem Verdacht auf eine durch Abwehrschwäche bedingte Erkrankung und entsprechender Aufklärung über Nutzen und Risiken der Therapie grundsätzlich auch nicht zu beanstanden war (Gutachten v. 07.05.2014, S. 12). Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung am 08.12.2015 (Prot. S. 7 f) klargestellt, dass angesichts der Symptome des Pferdes zwei Diagnosen in Betracht kamen, nämlich (1) eine beginnende akute Bronchitis ohne Fieber, oder (2) eine bereits chronische geringgradige Bronchitis, wobei im zweiten Fall die eingesetzten Präparate schon von ihrer Wirkrichtung her nicht geeignet waren, einer – weiteren – Chronifizierung entgegenzuwirken. Der Beklagte hat danach bereits versäumt, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass die vorgeschlagene homöopathische bzw. Eigenblut-Therapie nur bei einer der beiden möglichen Befunde von Nutzen sein konnte. Weiter wäre nach den Feststellungen des Sachverständigen (Prot. v. 08.12.2015, S. 8) bei beiden möglichen Diagnosen ein Zuwarten, also einstweilen keine homöopathische oder auch schulmedizinische Behandlung, sondern eine bloße Beobachtung der weiteren Entwicklung vertretbar und damit eine valide Alternative zur Behandlung gewesen, wenngleich ihm bei Vorliegen der Variante (1) die ins Auge gefasste Therapie als durchaus sinnvoll und nachvollziehbar erschien. Dass sich der Zustand des Pferdes ohne Behandlung verschlechtert hätte, konnte der Sachverständige zwar nicht ausschließen, jedoch sei damit eher nicht zu rechnen gewesen. Auch diese Tatsachen hat der Beklagte gegenüber der Klägerin so nicht vollständig dargestellt, sondern lediglich geäußert, „dass es einfach mit Zuwarten nicht besser werden wird“ (vgl. Anhörung v. 19.05.2015, Prot. S. 6 ff). War die ins Auge gefasste Behandlung aber demnach nicht zwingend notwendig und dringlich, hätte der Beklagte die Klägerin in Ansehung des ihm bekannten sehr hohen materiellen Wertes des Pferdes und ihres ebenfalls erkennbaren erheblichen Affektionsinteresses an dem Tier darauf hinweisen müssen, dass Injektionen von homöopathischen Mitteln bzw. von mit Homöapathika aufbereitetem Eigenblut, wenn auch in sehr seltenen Fällen (laut Sachverständigen deutlich unter 1:100.000, vgl. Gutachten v. 07.5.2014, S. 18, 20), mit dem Risiko einer anaphylaktischen Reaktion mit schlimmstenfalls tödlichem Ausgang behaftet sind. Der initial geäußerte Wunsch der Klägerin, das Pferd nur dann behandeln zu lassen, wenn es wirklich nötig wäre, und die weiteren von dem Sachverständigen aufgeführten Umstände der Behandlung (nicht nachvollziehbare Kombination verschiedener Homöopathika mit potentiell allergener Wirkung, teilweise Überdosierung und Wahl der jeweils nicht risikoärmsten Injektionsform) verstärkten die Aufklärungspflicht noch, wie das Landgericht (Urteil S. 37, 39) zu Recht hervorgehoben hat.
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3.3. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, das – nach den Feststellungen des Sachverständigen trotz des sehr seltenen Auftretens spezifische – Risiko einer schweren Unverträglichkeitsreaktion nicht gekannt zu haben, da es in den Herstellerhinweisen jedenfalls zu Belladonna-Logoplex („auch sonst anaphylaktische Reaktionen möglich“) bzw. Traumeel („Überempfindlichkeitsreaktionen bis zur anaphylaktischen Reaktion“) aufgeführt war, und anaphylaktische Reaktionen nach Gabe von aufbereitetem Eigenblut in der Literatur beschrieben sind (vgl. Gutachten v. 07.05.2014, S. 8 f, 16). Hinzu kommt, dass der Beklagte hinsichtlich des Risikos eines anaphylaktischen Schocks im Zuge von Injektionsbehandlungen bei Pferden vorgewarnt war, nachdem sich in der von ihm betriebenen Tierklinik im Vorjahr bereits ein vergleichbarer Fall ereignet hatte, bei dem ebenfalls ein Arnika-Präparat intravenös verabreicht worden war.
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3.4. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts (Urteil S. 33), dass die Risikoaufklärung des Beklagten anlässlich der vorangegangenen (ersten) Eigenblutbehandlung des Pferdes mit homöopathischen Mitteln nicht ausreichend war. Schon auf Grundlage der eigenen, im Verlauf des Prozesses changierenden Einlassung des Beklagten (vgl. zuletzt Anhörung v. 19.05.2015, Prot. S. 7) war der im Rahmen der Erstbehandlung erteilte Hinweis, dass bei jeder Injektionsbehandlung eines Pferdes ein Risiko bestehe, und dass man nie „nie“ sagen könne, keine hinreichende Verdeutlichung eines im schlechtesten Fall möglichen anaphylaktischen Schocks mit tödlichem Ausgang. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, als es eine konkrete Kenntnis der Klägerin von dem potentiell tödlichen Risiko eines anaphylaktischen Schocks verneint hat (Urteil S. 38/39).
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3.5. Das aufklärungspflichtiges Risiko hat sich nach den Feststellungen des Sachverständigen, die durch die Angriffe der Berufung nicht entscheidend infrage gestellt werden, verwirklicht. Die Injektionsbehandlung war danach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die anaphylaktische Reaktion und den Tod des Pferdes ursächlich (vgl. Gutachten v. 07.05.2014, S. 13). Die Berufung zeigt insoweit keine Mängel des Gutachtens auf; insbesondere wird es weder durch den Pathologiebericht noch durch den Hinweis auf eine der Behandlung vorangegangene Dressurarbeit inhaltlich erschüttert.
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3.6. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Schädiger die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Verhalten eingetreten wäre (vgl. Palandt/Grüneberg aaO Vor § 249 Rn. 64, 66; vgl. für humanmedizinische Heilbehandlungen § 630h Abs. 2 Satz 2 und Palandt/Weidenkaff aaO § 630h Rn. 5). Vorliegend konnte der Beklagte den Beweis nicht führen, dass die Klägerin die vorgeschlagene Therapie auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung hätte durchführen lassen. Die Klägerin hat zumindest plausibel dargelegt, dass sie sich aufgrund ihrer persönlichen Erwägungen dann in einem echten Entscheidungskonflikt befunden hätte, aus dem heraus die von ihr behauptete Ablehnung der Behandlung verständlich erscheint; insoweit kann auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil (S. 40 f) verwiesen werden. Soweit sich der Beklagte darauf berufen hat, dass die Klägerin das Pferd zwecks Vermeidung einer Unterbrechung der Turnierarbeit auf jeden Fall hätte behandeln lassen, schließt sich der Senat ebenfalls den dies verneinenden, überzeugenden Erwägungen des Landgerichts (Urteil S. 30, 40 f) an. Die weitere Argumentation des Beklagten, dass die Klägerin der homöopathischen Behandlung so oder so zugestimmt hätte, weil sie eine andernfalls unumgängliche Therapie mit wesentlich riskanteren konventionellen Medikamenten vermeiden wollte, greift ebenfalls nicht durch, weil eine derartige Alternativbehandlung nach den Feststellungen des Sachverständigen (s.o. unter Ziff. 3.2.) in der konkreten Situation (noch) gar nicht zwingend erforderlich war.
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3.7. Die Feststellungen des Sachverständigen Dr. Sch. zum Wert des Pferdes im Todeszeitpunkt werden durch die Berufung nicht entscheidend infrage gestellt. Ob das Tier für eine anaphylaktische Reaktion besonders anfällig war, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Denn dieser Umstand, auch wenn man ihn als wahr unterstellen würde, ist bis zum Auftreten einer derartigen Reaktion nicht bekannt und kann deshalb auch von den Marktteilnehmern nicht als wertmindernder Faktor berücksichtigt werden.
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II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft weder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.