Zur prüfungsrechtlichen Sanktion wegen Mitführen eines Handys bei der Prüfung

VG Karlsruhe, Urteil vom 29. Juni 2011 – 7 K 3433/10

1. Auf der Grundlage des § 20 FHSchulBerKollAPV reicht grundsätzlich das bloße Mitführen eines nicht zugelassenen Hilfsmittels (hier: Handy) in der Prüfung aus, um eine Prüfungsleistung mit „ungenügend“ zu bewerten.

2. Diese prüfungsrechtliche Sanktion kann nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Schüler vor der Prüfung in klarer und unmissverständlicher Weise auf das Verbot hingewiesen worden sind.

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Aufhebung der Entscheidung der stellvertretenden Schulleiterin der … … vom 08.07.2010 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10.11.2010 verpflichtet, der Klägerin ein Zeugnis der Fachhochschulreife auszustellen, in dem die Note im Pflichtfach Geschichte mit Gemeinschaftskunde „gut“ und die Durchschnittsnote für die Vergabe von Studienplätzen 2,7 lautet.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Änderungen ihres Abschlusszeugnisses.

Die … geborene Klägerin besuchte das einjährige Berufskolleg an der … in … in der hauswirtschaftlichen-landwirtschaftlichen und sozialpädagogischen Richtung und nahm am Ende des Schuljahres … an der Abschlussprüfung zum Erwerb der Fachhochschulreife teil. Die schriftlichen Prüfungen in den Fächern Mathematik, Deutsch, Englisch und Biologie fanden am …, …, … und am … statt. Vor Beginn der ersten schriftlichen Prüfung wurden die Klägerin und ihre Mitschüler von der Klassenlehrerin Frau B. über die Folgen einer Täuschungshandlung, insbesondere über die Folgen des Mitführens eines Handys mündlich belehrt. Darüber hinaus unterschrieb – auch – die Klägerin vor dieser Prüfung und den nachfolgenden schriftlichen Prüfungen jeweils eine schriftliche Belehrung, in der neben dem Wortlaut der §§ 19 (Nichtteilnahme, Rücktritt) und 20 (Täuschungshandlungen, Ordnungsverstöße) der Verordnung des Kultusministeriums über die Ausbildung und Prüfung an den einjährigen Berufskollegs zum Erwerb der Fachhochschulreife vom 3.07.1984 i. d. F. v. 11.11.2009 (im Folgenden: VO) fettgedruckt hervorgehoben folgender Hinweis zu finden war: „Wer nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben ein Handy oder ähnliches Gerät mit sich führt, begeht eine Täuschungshandlung, die entsprechend der für Täuschungshandlungen geltenden Regeln der Schul- und Prüfungsordnung zu behandeln ist.“

Am … wurde die Klägerin von … bis … im Fach Englisch mündlich geprüft (Vorbereitungszeit von … bis …); die mündliche Prüfung im Fach Geschichte mit Gemeinschaftskunde erfolgte von … bis … Die Vorbereitung auf diese Prüfung fand im Vorbereitungsraum … der … … statt und dauerte 10 Minuten (… bis …). Während der Vorbereitungszeit wurden die Klägerin und zwei weitere Prüflinge von zwei Lehrern beaufsichtigt. Im Vorbereitungsraum legte die Klägerin ihre beutelähnliche Tasche vorn am Eingang auf einem Tisch ab. Anschließend erhielt sie die Prüfungsaufgaben. Nach Ablauf der Vorbereitungszeit wurde sie von Frau B. im Vorbereitungsraum abgeholt. Sie nahm ihre Tasche an sich und mit in den Prüfungsraum. Dort stellte sie die Tasche rechts neben sich auf dem Boden ab.

Während der 15-minütigen Prüfung im Fach Geschichte mit Gemeinschaftskunde vor dem Fachausschuss (Leiterin: S. G., Fachlehrerin: G. B., Protokollführerin: F. H.) klingelte ca. 3 Minuten vor deren Ende das Handy in der Tasche der Klägerin. Nach Aufforderung durch den Fachausschuss schaltete diese das Handy aus; die Prüfung wurde fortgesetzt. Anschließend bewerteten die Mitglieder des Fachausschusses die mündlichen Leistungen der Klägerin mit der Note gut (2,0), die Note wurde bekanntgegeben und begründet. In der Niederschrift über die mündliche Prüfung wurde das mehrfache Klingeln des Handys als besonderes Vorkommnis vermerkt.

Nachdem die stellvertretende Schulleiterin Frau Studiendirektorin B. nach Abschluss der Prüfungen durch die Fachausschussleiterin und die Protokollführerin über den Vorfall während der mündlichen Prüfung informiert worden war, änderte sie die Bewertung der Prüfungsleistung im Fach Geschichte mit Gemeinschaftskunde nach § 20 Abs. 3 VO in „ungenügend“ (6,0) ab. Unter dem 08.07.2010 wurde der Klägerin daraufhin das Abschlusszeugnis mit der Einzelnote (Anmeldenote und Prüfungsnote nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 VO gewichtet) „mangelhaft“ im Fach Geschichte mit Gemeinschaftskunde und der „Durchschnittsnote für die Vergabe von Studienplätzen“ 3,1 erteilt.

Hiergegen legte die Klägerin am … Widerspruch ein, nachdem sie selbst sowie ihr Vater bei der stellvertretenden Schulleiterin Frau B. eidesstattliche Versicherungen vom … und einen Bericht über den Ablauf der mündlichen Prüfung vom … vorgelegt hatten. Mit Widerspruchsbescheid vom … – zugestellt am … – wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück.

Am … hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung der Entscheidung der stellvertretenden Schulleiterin der … … vom … und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums … vom … zu verpflichten, ihr ein Zeugnis der Fachhochschulreife des Berufskollegs zum Erwerb der Fachhochschulreife auszustellen, in dem die Note im Pflichtfach Geschichte mit Gemeinschaftskunde „gut“ und die Durchschnittsnote für die Vergabe von Studienplätzen 2,7 lautet.

Zur Begründung trägt sie vor, dass die nach § 20 Abs. 3 VO vorgenommene Bewertung ihrer mündlichen Prüfungsleistung mit „ungenügend“ schon formell rechtswidrig sei. Die Entscheidung über das Vorliegen einer Täuschungshandlung hätte nach § 20 Abs. 2 Satz 2 VO durch die Vorsitzende des Prüfungsausschusses getroffen werden müssen. Nach § 13 Abs. 1 VO gehörten dem Prüfungsausschuss neben dem Vertreter des Oberschulamts (heute Regierungspräsidium) als Ausschussvorsitzenden als stellvertretender Vorsitzender der Schulleiter oder sein ständiger Vertreter sowie sämtliche Lehrer an, die in den maßgebenden Fächern unterrichteten. Die stellvertretende Schulleiterin Frau B. habe dem Prüfungsausschuss – wenn überhaupt – nur als stellvertretende Vorsitzende angehört, so dass über das Vorliegen einer Täuschungshandlung die unzuständige Stelle entschieden habe. Darüber hinaus sei der erlassene Verwaltungsakt auch materiell rechtswidrig, da es an einer Täuschungshandlung fehle. Bereits der objektive Tatbestand des § 20 Abs. 3 VO sei nicht erfüllt, da sie ihr Handy während der Prüfung nicht mitgeführt habe. Nicht ausreichend sei, dass sich das nicht zugelassene Hilfsmittel gemeinsam mit dem Prüfling in einem Raum befinde, zumal in einer mündlichen Prüfung durch die Anwesenheit von 3 Prüfern sichergestellt sei, dass die Verwendung eines Handys überhaupt nicht möglich sei. Sie habe während der Prüfung und auch während der Vorbereitungszeit unter permanenter Aufsicht gestanden. Während der Vorbereitung auf die Prüfung hätten sich die Schultasche sowie ihr Handy unstreitig am anderen Ende des Raumes befunden. Sodann sei sie unter der Aufsicht einer Lehrerin in den Prüfungsraum begleitet worden. Schon diese Umstände ließen es, anders als bei der schriftlichen Prüfung, ausgeschlossen erscheinen, dass es einem Prüfling bei einer mündlichen Einzelprüfung gelinge, einen Täuschungsversuch zu begehen. „Mitführen“ nicht zugelassener Hilfsmittel könne nur bedeuten, dass man diese dergestalt am Körper oder in unmittelbarer Nähe zum Körper zur Verwendung bereithalte, dass sie ohne weitere Zwischenschritte und ohne hierbei Aufsehen zu erregen verwendet werden könnten. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Sie habe am Prüfungstag ein Kleid ohne Taschen getragen. Der Beklagte habe außerdem völlig außer Acht gelassen, dass auch subjektive Voraussetzungen vorliegen müssten, um einen Täuschungsversuch anzunehmen. Ein Prüfungsteilnehmer begehe einen Täuschungsversuch nur dann, wenn er gegen eine Regelung des Prüfungsverfahrens bewusst, also mit dem Vorsatz verstoße, sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen, wobei der Nachweis des Täuschungsvorsatzes nur ausnahmsweise nach den Regeln des Anscheinsbeweises erbracht werden könne. Vorliegend sei das gesamte Geschehen nicht geeignet, einen Täuschungsversuch im Wege des Anscheinsbeweises anzunehmen. Sie habe, wie sie auch durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemacht habe, zwischen den mündlichen Prüfungen in Englisch und Geschichte mit Gemeinschaftskunde mit ihrem Vater und ihrer Schwester telefoniert, um sie über den Ausgang dieser Prüfung zu informieren. Vor der 2. Prüfung habe sie das Handy versehentlich nicht ausgeschaltet. Während der gesamten Prüfung habe dieses sich in ihrer Tasche befunden, die sich im Prüfungsraum ca. 1 bis 2 m von ihr entfernt befunden habe. Bis zum Anruf ihres Vaters um 12.12 Uhr habe sie nicht einmal gewusst, dass sie vergessen habe das Handy auszuschalten. Über die rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns sei sie vor der mündlichen Prüfung – anders als vor der schriftlichen Prüfung und jeder schriftlichen Prüfungsarbeit – nicht belehrt worden. Schließlich habe sie auch gar keine Möglichkeit gehabt, ihr Handy an entsprechender Stelle abzugeben. Es habe keine Vorkehrungen bzw. abschließbaren Räume gegeben, in welchem sie ihr Gepäck hätte verstauen können, um es so nicht mehr in den Prüfungsraum nehmen zu können. Die einzige Alternative wäre gewesen, ihre Tasche auf dem Schulflur stehen zu lassen und so Gefahr zu laufen, dass ihr während der Prüfung alle Wertsachen gestohlen würden. Während der mündlichen Prüfungen an der … … sei keinem Prüfling bekannt gewesen, dass bereits das bloße Mitführen eines Mobiltelefons in der mündlichen Prüfung eine Täuschungshandlung darstellen solle. Sie habe nach der mündlichen Prüfung von ihren Mitprüflingen erfahren, dass fast alle ihr Handy während der Prüfung in ihrer Schultasche bei sich getragen hätten. In dem am 08.07.2010 mit ihr geführten Gespräch hätten die stellvertretende Schulleiterin und der Lehrer A. eingeräumt, dass es ein Fehler gewesen sei, die Schüler vor der mündlichen Prüfung nicht darauf hinzuweisen, dass auch in der mündlichen Prüfung das Mitführen eines Handys einen Verstoß gegen die Prüfungsordnung darstelle. Da sie nicht einmal ansatzweise versucht habe eine Täuschungshandlung zu begehen, verstoße die Bewertung „ungenügend“ gegen Art. 12 GG und sei in keiner Weise verhältnismäßig.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, dass die stellvertretende und kommissarische Schulleiterin Frau B. seinerzeit in Abwesenheit der erkrankten Schulleiterin im Sinne des § 20 Abs. 2 VO als Beauftragte des Regierungspräsidiums Karlsruhe als Vorsitzende des Prüfungsausschusses fungiert und damit zuständigkeitshalber die Entscheidung getroffen habe. Die vorliegend maßgebliche Bestimmung des § 20 Abs. 1 VO werte als Täuschungshandlung, neben der Fallkonstellation, dass es ein Schüler unternehme, durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel das Prüfungsergebnis zu beeinflussen u. a. auch („oder“), dass er nicht zugelassene Hilfsmittel nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben mitführe. Damit sehe der Verordnungsgeber eine weitere Fallkonstellation als Täuschungshandlung an, die keine aktive tatsächliche Täuschungshandlung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel durch den Prüfling voraussetze. Der Einwand der Klägerin, sie sei vor der mündlichen Prüfung nicht noch einmal entsprechend den Vorgaben des § 20 Abs. 6 VO belehrt worden, sei nicht relevant, da die Prüfung nach § 10 VO aus der schriftlichen und mündlichen Prüfung bestehe und ausdrücklich nur eine Hinweispflicht vor Beginn des ersten Prüfungsteils vorgeschrieben sei. Für die Klägerin habe auch die Gelegenheit bestanden, ihr mitgebrachtes Handy für ihre Prüfung zu benutzen und dadurch das Prüfungsergebnis zu beeinflussen. Dass sie diese Möglichkeit nach ihrer Einlassung nicht wahrgenommen habe, könne sie nicht entlasten. Denn der Verordnungsgeber habe im Sinne und zur Durchsetzung des Grundsatzes der Chancengleichheit selbst die bloße Möglichkeit ausschließen wollen, mit Hilfe mitgeführter unzulässiger Hilfsmittel ein Prüfungsergebnis beeinflussen zu können. Die Klägerin hätte sich angesichts dessen darum kümmern müssen, dass sie das Handy zumindest nach Ausgabe der Prüfungsaufgaben nicht mehr mit sich führe. Der Umstand, dass ihr, anders als bei der schriftlichen Prüfung, nicht ausdrücklich angeboten worden sein solle, ihre Tasche und das Handy an einer gesonderten, beaufsichtigten Stelle zu deponieren könne ihr ebenfalls nicht zugutekommen. Denn wenn sie, wie geschehen, trotz der ausdrücklichen Hinweise auf die Problematik, ihr Handy mit zur Prüfung bringe, obliege es allein ihr sich seiner nach Ausgabe der Prüfungsaufgaben außerhalb ihres Zugriffsbereichs zu entledigen. Sie hätte auch unschwer die Möglichkeit gehabt, es erst gar nicht zur Prüfung mitzubringen. Die getroffene Entscheidung der Prüfungsvorsitzenden, die entsprechende mündliche Prüfungsleistung nach § 20 Abs. 3 VO mit „ungenügend“ zu bewerten sei demnach nicht zu beanstanden, zumal bezüglich dieser Rechtsfolge kein Ermessen bestehe. Es handle sich sogar um eine minderschwere Maßnahme, da das Regierungspräsidium nach § 20 Abs. 3 Satz 2 VO in schweren Fällen die Möglichkeit habe, den Prüfling von der Prüfung auszuschließen, was als Nichtbestehen der Abschlussprüfung gelte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die der Kammer vorliegende Verwaltungsakte des Regierungspräsidiums Karlsruhe verwiesen.

Gründe

Die Klage ist als in statthafter Weise kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Der Klägerin kann insbesondere ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrten (Noten-)Änderungen im Zeugnis der Fachhochschulreife des Berufskollegs zum Erwerb der Fachhochschulreife vom … nicht abgesprochen werden. Denn wenn in diesem Abschlusszeugnis statt der – unter Einbeziehung der Sanktionsnote „ungenügend“ ermittelten – Einzel-/Endnote „mangelhaft“ die Einzel-/Endnote „gut“ im Pflichtfach Geschichte mit Gemeinschaftskunde gesondert ausgewiesen wird, und die Durchschnittsnote für die Vergabe von Studienplätzen statt 3,1 2,7 lautet, kann dies für das berufliche Fortkommen der Klägerin (z. B. bei der Zulassung zum Studium oder im Hinblick auf die Einstellungschancen bei einer Bewerbung) durchaus reale positive Folgen haben. Dies genügt im Hinblick auf das betroffene Grundrecht auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs.1 GG), um das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rdnrn. 847 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.09.1989, DVBl. 1990, 533).

Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung der stellvertretenden Schulleiterin der … … vom …, durch die die mündliche Prüfungsleistung der Klägerin im Pflichtfach Geschichte mit Gemeinschaftskunde mit „ungenügend“ bewertet worden ist, und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums … vom … sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Da es bei der (ursprünglichen) Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung im Fach Geschichte mit Gemeinschaftskunde durch die Mitglieder der Prüfungskommission mit der Note „gut“ verbleibt, und auch die Anmeldenote der Klägerin in diesem Fach – unstreitig – „gut“ lautet, ist der Beklagte verpflichtet, ihr im Abschlusszeugnis statt der Endnote „mangelhaft“ die Endnote „gut“ zu erteilen und die aus dem Durchschnitt der berücksichtigungsfähigen Leistungen in sämtlichen für die Fachhochschulreife maßgeblichen Fächern ermittelte Durchschnittsnote für die Vergabe von Studienplätzen auf 2,7 festzusetzen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die – im Rahmen der Abschlussprüfung zum Erwerb der Fachhochschulreife nach Maßgabe der §§ 16 Abs. 1, 2 Nr. 1, 17 Abs. 1 VO in die Endnote „mangelhaft“ eingeflossene – Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung der Klägerin im Pflichtfach Geschichte mit Gemeinschaftskunde (Anlage zu § 3 VO, 1.1 Pflichtfächer) mit der Note „ungenügend“ kommt nur § 20 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 VO in Betracht. Danach wird eine Prüfungsleistung des Schülers – zwingend – mit „ungenügend“ bewertet, wenn eine Täuschungshandlung vorliegt (§ 20 Abs. 3 Satz 1 VO). Über die Täuschungshandlung entscheidet der Vorsitzende des Prüfungsausschusses (§ 20 Abs. 2 Satz 2 VO). Eine Täuschungshandlung begeht, wer es unternimmt, das Prüfungsergebnis durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen oder nicht zugelassene Hilfsmittel nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben mitführt oder Beihilfe zu einer Täuschung oder einem Täuschungsversuch leistet (§ 20 Abs. 1 VO). Die Schüler sind vor Beginn des ersten Prüfungsteils u.a. auf diese Bestimmungen hinzuweisen (§ 20 Abs. 6 VO).

Ausgehend hiervon ist die Entscheidung der stellvertretenden Schulleiterin der … … vom … formell nicht zu beanstanden (1.). Entgegen der Auffassung der Klägerin dürften auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 VO in der Variante des Mitführens nicht zugelassener Hilfsmittel nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben erfüllt sein (2.). Die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung im Pflichtfach Gemeinschaftskunde mit Geschichte mit der „ungenügend“ steht vorliegend jedoch mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang (3.).

1. Die Entscheidung der stellvertretenden Schulleiterin der … … vom … ist formell rechtmäßig; Studiendirektorin B. war für den Ausspruch der „ungenügend“ gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 VO als Vorsitzende des Prüfungsausschusses sachlich zuständig. Nach § 13 Abs. 1 VO gehören dem für die Abschlussprüfung an jedem Berufskolleg gebildeten Prüfungsausschuss als Vorsitzender ein Vertreter oder Beauftragter des Oberschulamts (jetzt: Regierungspräsidium) als Vorsitzender an (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) und als stellvertretender Vorsitzender der Schulleiter oder sein ständiger Vertreter oder ein vom Schulleiter beauftragter Lehrer (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2). Weiter gehören dem Prüfungsausschuss sämtliche Lehrer an, die in den maßgebenden Fächern unterrichten (Abs. 1 Satz 2 Nr. 3). Die stellvertretende Schulleiterin hat hier nach dem – insoweit nicht in Abrede gestellten – Vortrag des Beklagten als Beauftragte des Regierungspräsidiums … in Abwesenheit der erkrankten Schulleiterin als kommissarische Schulleiterin die Funktion der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses wahrgenommen. Sie war demnach auch nach § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. § 20 Abs. 2 Satz 2 VO befugt, die Entscheidung über die Täuschungshandlung in dieser Funktion zu treffen. § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VO sieht zudem ausdrücklich die Position eines stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses (Schulleiter oder – wie hier – sein ständiger Vertreter – wie hier – oder ein vom Schulleiter beauftragter Lehrer) vor. Damit hat der Verordnungsgeber ersichtlich dem Umstand Rechnung getragen, dass es Aufgaben und Situationen gibt, in denen der Vorsitzende wegen eigener Verhinderung – unter Umständen auch kurzfristig – durch einen Stellvertreter vertreten werden kann und muss. Ansonsten wäre die vorgesehene Position eines stellvertretenden Vorsitzenden überflüssig, da ihm die VO im Übrigen keine anderen Aufgaben ausdrücklich zuweist

2. Zu Recht dürfte die stellvertretende Schulleiterin der … … und ihr folgend das Regierungspräsidium … auch angenommen haben, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen eines als Täuschungshandlung zu wertenden regelwidrigen Verhaltens der Klägerin bei der mündlichen Prüfung am … im Pflichtfach Geschichte mit Gemeinschaftskunde vorlagen. In § 20 Abs. 1 VO hat der Verordnungsgeber eine Regelung getroffen, die verschieden bezeichnete Fehlverhaltensweisen des Prüflings – gleichstellend – als Täuschungshandlung einstuft. Eine Täuschungshandlung liegt danach vor, wenn der Schüler es unternimmt, das Prüfungsergebnis durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen, was in objektiver Hinsicht einen Regelverstoß und in subjektiver Hinsicht die Kenntnis der tatsächlichen Umstände dieses Regelverstoßes sowie den Vorsatz voraussetzt, sich hierdurch einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Von einer Täuschungshandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 VO ist angesichts der erfolgten Gleichsetzung bzw. Gleichstellung aller dort genannten Verhaltensweisen („…liegt eine Täuschungshandlung vor.“) aber auch dann auszugehen, wenn sich der Verstoß des Prüflings auf das nur objektiv umschriebene Mitführen eines unzulässigen Hilfsmittels nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben beschränkt. Dieser Tatbestand ist, wie eine Gegenüberstellung mit den zuvor genannten Fallkonstellationen verdeutlicht, dahin auszulegen, dass eine Täuschungsabsicht bzw. ein Täuschungsvorsatz des Schülers nicht vorhanden zu sein braucht. Denn andernfalls ergäbe die Gleichstellung der Prüfungsverstöße keinen Sinn und wäre überflüssig. Das Mitführen nicht zugelassener Hilfsmittel nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben in der Absicht, sie unerlaubt zu benutzen, falls dies erforderlich und möglich ist, erfüllt den Tatbestand einer bereits geregelten Alternative des Täuschungsversuchs. Der Verordnungsgeber ist mithin davon ausgegangen, dass allein das Mitführen nicht zugelassener Hilfsmittel nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben noch keinen Täuschungsversuch darstellt, vielmehr an sich weitere – subjektive – Voraussetzungen gegeben sein müssten, die jedoch durch die von ihm vorgenommene Gleichsetzung der Tatbestände ersetzt werden. Hierdurch sollen unliebsame Beweiserhebungen zur Frage der Täuschungsabsicht ausgeschaltet und die Rechtsfolge – hier die Verhängung der Sanktionsnote „ungenügend“ nach § 20 Abs. 3 Satz 1 VO – an die objektiven Gegebenheiten geknüpft werden. Der subjektive Tatbestand der vorliegend streitigen Fallkonstellation beschränkt sich bei deren sachgerechter Auslegung demgemäß auf das Vertretenmüssen der Verwirklichung des objektiven Tatbestands (Mitführen nicht zugelassener Hilfsmittel nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben) im Sinne eines Fahrlässigkeitsvorwurfs; vom Prüfling wird grundsätzlich erwartet, dass er vor der Prüfung sorgfältige Kontrollen im Hinblick auf etwaig vorhandene unzulässige Hilfsmittel durchführt. Unterlässt er diese eingehende Überprüfung oder führt er sie nicht gewissenhaft durch, fällt dies in seinen Verantwortungsbereich (vgl. zum Ganzen: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 09.07.1968 – IV 732/66 -, ESVGH 19, 69 u. Urt. v. 28.02.1977 – IX 575/76 -)

Die so vorgenommene Auslegung der hier streitigen Fallkonstellation des § 20 Abs. 1 VO steht auch in Einklang mit höherrangigem Recht. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Grundrecht des Prüflings aus Art. 12 Abs. 1 GG. Ein besonderes Gewicht hat gerade im Bereich des Prüfungsverfahrens das Gebot der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) im Sinne einer zuverlässigen Vermittlung gleicher Startchancen für alle Prüflinge, die den Zugang zu einem bestimmten Beruf anstreben (Niehues/Fischer, a. a. O., Rdnr. 402). Der Grundsatz der Chancengleichheit erfordert es, allen Prüflingen in höchstmöglichen Maße objektiv gleiche Prüfungsbedingungen zu gewährleisten (VGH Bad.-Württ, Urt. v. 28.02.1977, a. a. O.; Bayer. VGH, Beschl. v. 03.03.2011 – 7 ZB 10.2819 – m. w. N., Juris). Zu den gleichen äußeren Bedingungen der Prüfung gehört es, dass allen Prüflingen gleiche Hilfsmittel zur Verfügung stehen (BVerwG, Urt. v. 13.10.1972 – VII C 17.71 -, BVerwGE 41, 34). Führt ein Prüfungsteilnehmer während der Prüfung andere als zugelassene Hilfsmittel mit sich, so rechtfertigt dieses Verhalten es, ihn mit einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu orientierenden Sanktion zu belegen. Denn es ergeben sich für diejenigen Prüfungsteilnehmer, die sich korrekt verhalten und nur die zulässigen Hilfsmittel mitbringen, objektiv ungleiche Prüfungsbedingungen. Deshalb sind die Gleichstellung der in § 20 Abs. 1 VO genannten Prüfungsverstöße und die hieran geknüpften Sanktionsmaßnahmen auch im Hinblick auf die darin liegende generalpräventive Wirkung ein geeignetes Mittel, um Beeinträchtigungen der Chancengleichheit bei der Leistungserbringung zu begegnen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.03.1988 – 2 A 63/87 -, NVwZ-RR 1989, 315 m.w.N.); sie dienen darüber hinaus der Begrenzung des personellen und organisatorischen Aufwandes der Schule (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.07.1968, a. a. O.). Der in der aufgezeigten strengen Auslegung der Sanktionsvorschrift liegende gewichtige Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG kann allerdings nur dann nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn der Prüfling vor der Prüfung auf das Verbot des (bloßen) Mitführens eines Handys hingewiesen wird und er dieses Verbot unschwer beachten kann (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.03.1988, a. a. O.; im Einzelnen dazu noch unten 3.).

Unter Berücksichtigung dessen dürfte die Klägerin die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 VO erfüllt haben. Ihr Handy, das sich unstreitig bei der mündlichen Prüfung am … im Pflichtfach Geschichte mit Gemeinschaftskunde auch nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben angeschaltet – zumindest – in ihrer in den Vorbereitungsraum und in den Prüfungsraum mitgebrachten Tasche befand, ist als nicht zugelassenes Hilfsmittel im Sinne von § 20 Abs. 1 VO zu qualifizieren. Zwar ist dieses Gerät – anders als z. B. ein vom Prüfling beschriebener Spickzettel – nicht von vornherein dazu bestimmt, ein Prüfungsgeschehen zu beeinflussen. Es ist aber aufgrund seiner vielfältigen technischen Möglichkeiten generell dazu geeignet, auch während einer Prüfung als verbales oder non-verbales Kommunikationsmittel (sog. elektronischer Spickzettel) zu dienen. Dementsprechend hat die Schule das Mitführen eines Handys oder eines ähnlichen Geräts nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben in den von ihr erteilten Hinweisen als Täuschungshandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 VO bezeichnet. Die Annahme eines Regelverstoßes in objektiver Hinsicht dürfte hier auch nicht daran scheitern, dass ein in einer mitgebrachten Tasche befindliche Handy nicht mehr vom Begriff des „Mitführens“ eines nicht zugelassenen Hilfsmittels erfasst wird. Hintergrund dieser Alternative des § 20 Abs. 1 VO ist, dass das unerlaubt mitgeführte Hilfsmittel zur Manipulation der Prüfung genutzt werden kann. Folglich muss es so mitgeführt werden, dass eine Manipulation überhaupt möglich erscheint. Bei lebensnaher Betrachtung ist dies auch der Fall, wenn sich das Hilfsmittel in der Tasche des Prüflings befindet, die so in dessen Nähe bzw. Reichweite gelagert wird, dass es ohne nennenswerten Zeitaufwand ergriffen und eingesetzt werden kann (vgl. zum strafrechtlichen Begriff des Beisichführens bzw. Mitsichführens Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2010 § 244 Rdnr. 28 m. w. N.) . Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die (Hand-)Tasche zu den persönlichen Gegenständen zählt, die dem Zugriff und damit der Kontrolle Dritter nicht ohne weiteres zugänglich sind. Selbst wenn man vorliegend davon ausgeht, dass sich die Tasche der Klägerin nebst Handy nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben im Vorbereitungsraum und im Prüfungsraum überwiegend nicht in ihrer Griffweite befand, gilt dies nicht für die Phase, in der sie sie – unstreitig – beim Verlassen des Vorbereitungsraums auf dem Weg zum Prüfungsraum an sich genommen hat und sie sich dementsprechend so in Körpernähe befand, dass objektiv die Möglichkeit einer Manipulation gegeben gewesen wäre. Die Klägerin hätte bei Anwendung der von ihr zu verlangenden Sorgfalt durch entsprechende Kontrollen der von ihr in die Prüfung mitgebrachten Gegenstände auch erkennen können, dass sie ein nicht zugelassenes Hilfsmittel mit sich führt. Eine positive Kenntnis von den die Unzulässigkeit des Hilfsmittels begründenden Umständen ist, wie bereits oben ausgeführt, bei der hier streitigen, zum Fall der „Täuschung“ bzw. des „Täuschungsversuchs“ abzugrenzenden Fallkonstellation nicht erforderlich. Diese stellt nicht darauf ab, ob der Prüfling aus dem von ihm mitgeführten nicht zugelassenen Hilfsmittel Vorteile ziehen konnte und wollte, sondern knüpft an die zur Wahrung des Grundsatzes der Chancengleichheit und des Wettbewerbscharakters der Prüfung zu gewährleistenden objektiv gleichen Prüfungsbedingungen für alle Prüflinge an (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 09.07.1968 u. v. 28.02.1977, a. a. O.).

3. Die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung der Klägerin im Pflichtfach Geschichte mit Gemeinschaftskunde mit der Sanktionsnote „ungenügend“ (§ 20 Abs. 3 Satz 1 VO) verstößt – das Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 VO unterstellt – jedoch gegen den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Diesem verfassungsrechtlichen Grundsatz ist hier besondere Beachtung zu schenken. Denn mit der Regelung des § 20 Abs. 1 VO i. V. m. § 20 Abs. 3 Satz 1 VO ist ein gravierender Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts des Prüflings aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verbunden. Sind die – zwischen Täuschungen bzw. Täuschungsversuchen und Ordnungsverstößen in Form des Mitführens nicht zugelassener Hilfsmittel nicht differenzierenden – tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt, erlaubt es die Norm, vom dem regulär ermittelten Leistungsbild des Prüflings völlig abzusehen und die Prüfungsleistung als „ungenügend“ zu bewerten. Dies wirkt sich – wie hier – negativ auf das Prüfungsergebnis aus und kann im Einzelfall (vgl. § 20 Abs. 3 Satz 2 VO) sogar zum Nichtbestehen der Prüfung führen. Zu berücksichtigen ist insofern auch, dass die Sanktionsnorm des § 20 Abs. 3 Satz 1 VO dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses kein Ermessen einräumt, sondern die Bewertung der Prüfungsleistung mit „ungenügend“ für alle Fallkonstellationen gleichermaßen zwingend vorsieht. Dies ist, wie bereits ausgeführt, zwar grundsätzlich auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Denn die Anknüpfung in § 20 Abs. 1 VO an ein vom Prüfling zu vertretendes Mitführen nicht zugelassener Hilfsmittel nach Bekanntgabe der Prüfungsaufgaben stellt bei typisierender Betrachtung für den Regelfall sicher, dass die Anwendung der Vorschriften im Einzelfall verhältnismäßig ist. Auch bei gebundenen Verwaltungsentscheidungen ist aber zu prüfen, ob die vorgesehene Rechtsfolge den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls gerecht wird. Dies gilt insbesondere bei Regelungen, die aufgrund ihrer typisierenden Betrachtung zwangsläufig nicht jeden im Einzelfall erheblichen Aspekt mit dem gebührenden Gewicht erfassen können. In diesen Fällen würde die schematische Anwendung der Regelungen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen (BVerfG, Beschl. v. 10.08.2007 – 2 BvR 535/06 -, Juris).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann die zwingend vorgesehene Sanktionierung eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 VO mit der Note „ungenügend“ in der hier streitigen Fallkonstellation nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Schüler vor der Prüfung in klarer und unmissverständlicher Weise auf das Verbot des bloßen Mitführens nicht zugelassener Hilfsmittel hingewiesen wurden und das Verbot unschwer beachten konnten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.03.1988, a. a. O.; VG Mainz, Urt. v. 11.12.2002 – 67 K 502/02.M2 -, Juris). Dieser Verpflichtung ist die Schule im Hinblick auf die Besonderheiten des hier in Rede stehenden unzulässigen Hilfsmittels (Handy) und der Art der von der Klägerin erbrachten Prüfungsleistung (mündliche Prüfung) nicht in gebotenem Umfang nachgekommen. Insbesondere kann sie nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass sich ihre Hinweis- und Informationspflichten – sogar – darauf beschränken durften, die Schüler nach Maßgabe des § 20 Abs. 6 VO vor Beginn des ersten – schriftlichen – Prüfungsteils auf die Bestimmungen des § 20 Abs. 1 bis 5 VO hinzuweisen.

Bei einem Handy handelt es sich heute, insbesondere in Schülerkreisen, um einen mehr oder weniger ständig mitgeführten und in vielfältiger, aktiver und passiver Form zur Kommunikation genutzten „Alltagsgegenstand“. In dieser Weise kann zwar auch in Prüfungen ein „einfaches“ Handy ohne mannigfaltige Zusatzfunktionen in einer mit dem Zweck von unverfälschten Leistungskontrollen nicht in Einklang stehenden Weise genutzt werden. Ohne entsprechendes aktives Zutun des Nutzers bzw. eines Dritten ist die Unvereinbarkeit mit einem Prüfungsgeschehen jedoch – anders als z. B. bei einem “ Spickzettel“ oder von präparierten Seiten in einem zugelassenen Hilfsmittel – nicht von vornherein offenkundig. Hinzu kommt, dass sich das Prüfungsgeschehen in einer schriftlicher Prüfung nach Art und Dauer im Regelfall deutlich vom Ablauf einer mündlichen Prüfung unterscheidet. Kennzeichnend für eine mündliche Prüfung ist grundsätzlich – und auch hier -, dass die Leistungskontrolle in unmittelbarer Gegenwart eines Prüfers bzw. mehrerer Prüfer in der Form eines „Prüfungsgesprächs“ stattfindet. Der Prüfling erbringt die Prüfungsleistung in Form der mündlichen Beantwortung (oder auch Nichtbeantwortung) der an ihn gestellten Prüfungsfragen „spontan“ unter den Augen des Prüfers oder – in aller Regel wie hier – des Prüferkollegiums. Die bei einem Handy generell gegebenen Möglichkeiten zu einer nicht bestimmungsgemäßen, dem Grundsatz der Chancengleichheit widersprechenden Nutzung sind deshalb bei einer – hier einschließlich Vorbereitungszeit insgesamt nur 25 Minuten dauernden – mündlichen Prüfung im Gegensatz zur Situation in einer schriftlichen, sich über mehrere Stunden (hier über 3 Stunden) erstreckenden schriftlichen Prüfung von vornherein beschränkt. Der konkrete Ablauf der am … abgenommenen mündlichen Prüfung im Pflichtfach Geschichte mit Gemeinschaftskunde ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass Handys dort – obgleich die Sinnhaftigkeit eines Verbots sich nicht ohne weiteres aufdrängen musste – im Gegensatz zur Verfahrensweise der Schule bei den schriftlichen Prüfungsarbeiten nicht nochmals als nicht zugelassenes Hilfsmittel konkret bezeichnet wurden und auch kein ausdrücklicher, mündlicher und/oder schriftlicher Hinweis auf die sich aus einem Verstoß gegen ein entsprechendes Verbot ergebenden Rechtsfolgen gegenüber den Schülern erfolgte. Abweichend vom schriftlichen Prüfungsgeschehen wurden die Schüler nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin nicht dazu aufgerufen, eventuell von ihnen mitgebrachte Handys vorne (auf dem Lehrerpult) abzulegen. Diese abweichende Praxis der Schule bei der Durchführung von mündlichen Prüfungen könnte – übereinstimmend mit den im Schriftsatz vom … von der Klägerin unter Beweis gestellten Behauptungen – dafür sprechen, dass die … … bei der hier streitigen mündlichen Prüfung selbst nicht von einem „Handyverbot“ ausgegangen ist. Letztlich bedarf dies jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn angesichts der oben aufgezeigten Besonderheiten, die sich aus der Einstufung von Handys als nicht zugelassene Hilfsmittel, aus der Eigenart mündlicher Prüfungen sowie dem konkreten Ablauf der Prüfung ergeben, hätte es im konkreten Einzelfall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten, alle Prüflinge vor Beginn der mündlichen Prüfung in klarstellender Weise darauf hinzuweisen, dass das sanktionierte „Handyverbot“ auch hier gilt. Dies gilt umso mehr, als zwischen den schriftlichen Prüfungsarbeiten (… bis …), vor denen jeweils ein Hinweis erfolgte, und der mündlichen Prüfung am …, vor der von einem Hinweis abgesehen wurde, ein erheblicher zeitlicher Abstand lag.

Die Klägerin kann sich deshalb – jedenfalls – mit Erfolg darauf berufen, sie habe die von der konkreten Handhabung bei den anzufertigenden schriftlichen Prüfungsarbeiten deutlich abweichenden Verhaltensweisen der Schule bei der mündlichen Prüfung in nicht vorwerfbarer Weise dahingehend verstehen dürfen, dass das bloße Mitführen eines Handys in der mündlichen Prüfung nicht nach Maßgabe des § 20 Abs. 3 VO mit der Note „ungenügend“ sanktioniert wird. Denn erteilt die Schule – wie hier – mehrfach konkrete Belehrungen und Hinweise, müssen diese als Richtschnur für die den Schülern abverlangten Verhaltensweisen klar, eindeutig und frei von Widersprüchen sein. Sie dürfen angesichts der ganz gravierenden Folgen, die sich aus einem Ordnungsverstoß der vorliegenden Art ergeben können, nicht geeignet sein, Missverständnisse hervorzurufen. Diesen Anforderungen ist die Schule bei der Durchführung der mündlichen Prüfung nicht gerecht geworden.

Danach erweist sich die Verhängung der Sanktionsnote „ungenügend“ nach § 20 Abs. 3 Satz 1 VO durch die stellvertretende Schulleiterin der … … als unverhältnismäßig. Der von der Klägerin im Schriftsatz vom … fürsorglich beantragten Beweiserhebungen bedarf es bei dieser Sach- und Rechtslage nicht.

Der Beklagte ist nach alledem verpflichtet, die der Klägerin im Abschlusszeugnis der Fachhochschulreife im Pflichtfach Geschichte mit Gemeinschaftskunde erteilte Note „mangelhaft“ in „gut“ zu ändern. Denn es ist unstreitig, dass der Prüfungsausschuss in der mündlichen Prüfung am … regulär die Note „gut“ vergeben hat und die nach Maßgabe des § 16 Abs. 2 Nr. 1 VO berechnete Endnote dementsprechend gleich lautet. Dies hat zur Folge, dass sich die Note 2,7 als die im Abschlusszeugnis der Fachhochschulreife gesondert ausgewiesene Durchschnittsnote für die Vergabe von Studienplätzen ergibt (vgl. hierzu den Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004 i. d. F. vom 01.10.2010 – Rahmenvereinbarung über die Fachoberschule – Abschlussprüfung, Nr. 6.6).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,- EUR festgesetzt (vgl. Nr. 38.6 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 2004, 1525).

Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

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