Zur Haftung eines Grundstückseigentümers für Schäden an der Kanalisation durch Baumwurzel

BGH, Urteil vom 24.08.2017 – III ZR 574/16 – Verwurzelung von Abwasserkanälen

1. Ob und in welchem Umfang ein Grundstückseigentümer im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht für einen auf seinem Grundstück stehenden Baum Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen wegen einer möglichen Verwurzelung eines Abwasserkanals durchführen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind die räumliche Nähe des Baums und seiner Wurzeln zu der Abwasseranlage sowie Art beziehungsweise Gattung, Alter und Wurzelsystem des Baums zu berücksichtigen.(Rn.14)

2. Ohne sich hiernach ergebende Hinweise auf eine Verwurzelung der Kanalisation ist der Eigentümer eines Baumgrundstücks regelmäßig nicht gehalten, den Abwasserkanal selbst zu überprüfen oder den Kanalbetreiber zu einer Überprüfung aufzufordern.(Rn.15)

3. Ist der Grundstückseigentümer hingegen zugleich der Betreiber des Abwasserkanals, muss er im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht für das Grundstück die von den Wurzeln des Baums ausgehenden Gefahren für den Kanal auch insoweit ausräumen, als er die Verwurzelung der Anlage bei Inspektions- und Wartungsmaßnahmen, die wegen anderer möglicher Beeinträchtigungen des Abwassersystems ohnehin geboten waren, erkannt hat oder hätte erkennen müssen.(Rn.16)

4. Der Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB gegen den Betreiber einer Abwasseranlage wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflichten als Eigentümer eines baumbestandenen Grundstücks wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die von dem Geschädigten gegen einen möglichen Rückstau zu treffenden Vorkehrungen unzureichend waren. Vielmehr ist das Fehlen einer den Rückstau vermeidenden Sicherungsvorkehrung gegebenenfalls im Rahmen eines Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen (Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 30. Juli 1998, III ZR 263/96, NVwZ 1998, 1218).(Rn.22)

(Leitsatz des Gerichts)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 16. November 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung der Beklagten die Klage im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten als Eigentümerin des baumbestandenen Grundstücks nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt wegen eines im Keller ihres Hauses entstandenen Wasserschadens auf Schadensersatz in Anspruch. Ihr Hausgrundstück ist an die städtische Schmutz- und Regenwasserkanalisation angeschlossen und grenzt an einen im Eigentum der Beklagten stehenden Wendeplatz an, auf dem ein Kastanienbaum angepflanzt ist. Nach § 12 der Satzung der Beklagten über die Abwasserbeseitigung hat sich jeder Anschlussnehmer gegen Rückstau aus den öffentlichen Abwasseranlagen bis zur Rückstauebene selbst zu schützen. Das Anwesen der Klägerin verfügt nicht über eine solche Sicherung. In der Nacht vom 5. auf den 6. Juli 2012 konnte die Kanalisation die infolge starker Niederschläge anfallenden Wassermassen wegen der durch den Einwuchs von Wurzeln des auf dem Wendeplatz befindlichen Kastanienbaums jedenfalls auf mehreren Metern eingeschränkten hydraulischen Leistungsfähigkeit nicht mehr ableiten. Deshalb kam es zu einem Rückstau im öffentlichen Regenwasserkanal und zum Austreten von Wasser aus dem unterhalb der Rückstauebene gelegenen Bodenablauf der Außentreppe zum Keller im Haus der Klägerin. Dieser wurde überschwemmt.

2
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe die regelmäßig erforderliche Kontrolle der hydraulischen Leistungsfähigkeit des Kanalsystems gänzlich unterlassen und den Regenwasserkanal insbesondere nicht auf Verwurzelungen überprüft. Deshalb sei es zu einer Einwurzelung auf einer Länge von etwa zwölf Metern gekommen, die erst durch mehrfaches Fräsen habe beseitigt werden können. Durch den Rückstau des Wassers und die in dessen Folge eingetretene Überschwemmung in ihrem Keller sei ihr ein Schaden von 30.376,72 € entstanden, auf den sie sich allerdings wegen eigenen Mitverschuldens im Hinblick auf das Fehlen einer Rückstausicherung ein Drittel anrechnen lasse, so dass sie 20.251,14 € verlangen könne.

3
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 15.315,06 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen.

4
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.

Entscheidungsgründe
5
Die zulässige Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, als die Klage im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten als Eigentümerin des baumbestandenen Grundstücks nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

I.

6
Das Berufungsgericht hat, soweit für den Revisionsrechtszug von Bedeutung, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7
Ein Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergebe sich insbesondere nicht aus § 823 Abs. 1 BGB, soweit sie als Eigentümerin des baumbestandenen Grundstücks in Anspruch genommen werde. Insoweit habe sie keine Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf die Kanalisation gehabt, weil ein Wurzeleinwuchs nur bei entsprechender Vorschädigung der Rohrleitung möglich sei und hier nicht vorgetragen worden sei, dass die Beklagte bei den ihr als Eigentümerin des Kastanienbaums obliegenden Sichtkontrollen oder aufgrund sonstiger konkreter Anhaltspunkte habe feststellen können und müssen, dass Wurzeln des Baums in den Regenwasserkanal eingedrungen seien oder einzudringen drohten. Die Beklagte sei im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht für den Baum auch nicht gehalten gewesen, den Regenwasserkanal auf Wurzeleinwuchs zu untersuchen, weil Baumwurzeln nicht zwangsläufig zu einer Beschädigung von Abwasserkanälen führen würden und die bloße Möglichkeit einer Gefährdung nicht ausreiche, um von einer naheliegenden Gefahr für den Regenwasserkanal auszugehen. Weil der Beklagten die Kontrollpflicht für den Regenwasserkanal als Anlagenbetreiberin und nicht im Rahmen ihrer Pflichten als Baumeigentümerin oblegen habe, könne die Verletzung dieser Kontrollpflicht nicht zu einer erweiterten Haftung der Beklagten führen. Jedenfalls aber liege die Verletzung einer etwa bestehenden Verkehrssicherungspflicht deshalb nicht vor, weil die Klägerin sich entsprechend der gemeindlichen Satzung rechtzeitig durch den Einbau einer Sicherungsvorrichtung auf die mit einem Rückstau verbundenen Gefahren habe einrichten können.

II.

8
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.

9
1. Allerdings unterliegt das angefochtene Urteil entgegen der Ansicht der Klägerin ausschließlich beschränkt auf einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten als Eigentümerin des baumbestandenen Grundstücks der rechtlichen Nachprüfung durch den erkennenden Senat. Das Berufungsgericht hat die Revisionszulassung im Tenor der angefochtenen Entscheidung zwar unbeschränkt ausgesprochen. Indes kann sich aus den Entscheidungsgründen eine eingeschränkte Zulassung ergeben (s. nur Senatsurteil vom 15. Mai 2014 – III ZR 368/13, NJW 2014, 2857 Rn. 11 mwN). Davon ist vorliegend auszugehen.

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a) Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung damit begründet, dass entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg in dessen Urteil vom 25. Juli 2007 (MDR 2007, 1315) allein das Setzen oder Belassen eines Baums nicht dazu führe könne, dass eine Gemeinde für einen durch die Wurzeln verursachten Rückstauschaden wegen der Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht hafte. Da das Berufungsgericht nur insoweit eine abweichende Rechtsauffassung vertritt und es im Zusammenhang mit der Zulassung der Revision nicht auf eine Haftung der Beklagten als Betreiberin der öffentlichen Abwasseranlage (aus Amtshaftung oder § 2 Abs. 1 Satz 1 HpflG) eingeht, stellt sich die Begründung der Revisionszulassung als Beschränkung auf einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Beklagten als Eigentümerin des baumbestandenen Grundstücks dar und nicht lediglich als Darlegung der Gründe für eine unbeschränkte Zulassung des Rechtsmittels.

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b) Die Beschränkung der Revisionszulassung auf einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten der Beklagten als Grundstückseigentümerin ist wirksam, weil eine solche Forderung einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffs darstellt (vgl. hierzu z.B. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2010 – III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5 mwN sowie Senatsurteil vom 2. Februar 2017 – III ZR 41/16, NVwZ-RR 2017, 579, 580 Rn. 23). Zwar kann die Zulassung der Revision nicht auf einzelne von mehreren miteinander konkurrierenden Anspruchsgrundlagen beschränkt werden (z.B. Senatsurteil vom 7. Juli 1983 – III ZR 119/82, NJW 1984, 615, insoweit in BGHZ 88, 85 nicht abgedruckt; BGH, Urteil vom 15. Dezember 1992 – VI ZR 115/92, NJW 1993, 655, 656; jeweils mwN). Im Streitfall ist jedoch zu berücksichtigen, dass es nicht lediglich um mehrere miteinander konkurrierende Anspruchsgrundlagen geht, sondern die Beklagte einerseits als Betreiberin der öffentlichen Abwasseranlage und andererseits als Eigentümerin des baumbestandenen Grundstücks in Anspruch genommen wird. Dabei handelt es sich um rechtlich und tatsächlich selbständige und abtrennbare Teile des Streitstoffs, da die Forderungen auf unterschiedlichen, sich nicht zwingend überschneidenden Tatsachen beruhen.

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2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 823 Abs. 1 BGB nicht deshalb, weil Verkehrssicherungspflichten der Beklagten als Eigentümerin des baumbestandenen Grundstücks von vornherein ausgeschlossen sind.

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a) Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen hat, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (z.B. Senatsurteile vom 24. Januar 2002 – III ZR 103/01, NJW 2002, 1265; vom 2. Februar 2006 – III ZR 159/05, NVwZ 2006, 1084, 1085 Rn. 11; vom 5. Juli 2012 – III ZR 240/11, NVwZ-RR 2012, 831, 832 Rn. 11 und vom 24. Juli 2014 – III ZR 550/13, NZV 2014, 450, 451 Rn. 15). Es sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren (z.B. BGH, Urteil vom 25. Februar 2014 – VI ZR 299/13, NJW 2014, 2104, 2105 Rn. 8). Sie erstrecken sich grundsätzlich auch auf den Schutz vor Gefahren durch Bäume (st. Rspr., z.B. Senatsurteil vom 6. März 2014 – III ZR 352/13, NJW 2014, 1588, 1589 Rn. 7). Der Eigentümer eines Grundstücks hat deshalb im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren dafür zu sorgen, dass von dort stehenden Bäumen keine Gefahr für andere ausgeht, der Baumbestand vielmehr so angelegt ist, dass er insbesondere im Rahmen des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windbruch, Windwurf und gegen Umstürzen aufgrund fehlender Standfestigkeit gesichert ist (Senatsurteil vom 1. Juli 1993 – III ZR 167/92, BGHZ 123, 102, 103; BGH, Urteile vom 21. März 2003 – V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733 und vom 2. Juli 2004 – V ZR 33/04, BGHZ 160, 18, 20). Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt jedoch grundsätzlich nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine (weitere) Gefahr durch den Baum hinweisen (Senatsurteile vom 21. Januar 1965 – III ZR 217/63, NJW 1965, 815 und vom 4. März 2004 – III ZR 225/03, NJW 2004, 1381 mwN).

14
Deshalb hängt es von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, ob und in welchem Umfang beziehungsweise mit welcher Kontrolldichte und in welchem Kontrollintervall ein Grundstückseigentümer im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht für einen auf seinem Grundstück stehenden Baum geeignete und zumutbare Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen auch in Bezug auf die mögliche Verwurzelung eines Abwasserkanals durchführen muss. Dabei sind zunächst die räumliche Nähe des Baums und seiner Wurzeln zu der Abwasseranlage sowie Art beziehungsweise Gattung, Alter und Wurzelsystem (Flachwurzler, Herzwurzler, Tiefwurzler) des Baums zu berücksichtigen. Welcher Art die Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen sind, hängt von der Zumutbarkeit für den Grundstückseigentümer im Einzelfall ab. Hierzu sind im neuen Verfahren vor dem Berufungsgericht gegebenenfalls Feststellungen nachzuholen.

15
Ohne sich hiernach ergebende Hinweise auf eine Verwurzelung der Kanalisation ist der Eigentümer eines Baumgrundstücks im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht aber regelmäßig nicht gehalten, den Abwasserkanal, zu dem er zumeist gar keinen Zugang hat, selbst zu überprüfen oder den Kanalbetreiber zu einer Überprüfung aufzufordern. Etwas anderes kann allerdings unter anderem gelten, wenn der Abwasserkanal in seinem Grundstück verläuft und er auf dessen Zustand in diesem Bereich einwirken kann.

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b) Die vorliegende Fallgestaltung zeichnet sich jedoch durch die weitere Besonderheit aus, dass die Beklagte nicht nur Eigentümerin des baumbestandenen Grundstücks war, sondern als Betreiberin der betroffenen öffentlichen Abwasseranlage den unmittelbaren Zugang zum gesamten ober- und unterirdischen von dem Kastanienbaum ausgehenden Gefahrenbereich hatte. Sie musste deshalb die von den Wurzeln des Baums ausgehenden Gefahren für die hydraulische Leistungsfähigkeit des Abwasserkanals auch insoweit ausräumen, als ihr die Verwurzelung der Anlage bei Inspektions- und Wartungsmaßnahmen, die wegen anderer möglicher Beeinträchtigungen des Abwassersystems ohnehin geboten waren, erkennbar geworden wäre.

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aa) Als Betreiberin der Abwasseranlage musste die Beklagte den Kanal im Rahmen ihrer Verkehrssicherungs- und Sorgfaltspflicht regelmäßig – etwa optisch durch Inaugenscheinnahmen oder mit Hilfe technischer Geräte – kontrollieren und überprüfen sowie reinigen, um der Gefahr von Schäden infolge der Verstopfung einer Abwasserleitung vorzubeugen (z.B. Senatsurteil vom 11. Juli 1974 – III ZR 27/72, VersR 1974, 1202, 1204; Rönsberg/Krafft in: Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl., Teil B Kapitel III Rn. 943 f mwN). Im Hinblick auf das Ausmaß der insoweit drohenden Schäden durch aufgestautes Schmutzwasser müssen Maßnahmen und zu beobachtende Sicherungsvorkehrungen selbst dann verlangt werden, wenn sie einen erheblichen Aufwand an Arbeit und Kosten fordern (s. Senatsurteil vom 11. Juli 1974 aaO).

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Diese Verkehrssicherungs- und Sorgfaltspflichten konkretisieren und gestalten bestehende spezialgesetzliche Regelungen und Anforderungen. Nach §§ 60 Abs. 2 und 61 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) in der Fassung vom 31. Juli 2009 i.V.m. § 99 Abs. 1 des Niedersächsischen Wassergesetzes (NWG) in der Fassung vom 19. Februar 2010 (Nds. GVBl. S. 64) war die Beklagte als Betreiberin der Abwasseranlage, zu der auch der Regenwasserkanal als Teil der Kanalisation gehört (§ 54 Abs. 2, § 55 Abs. 2 WHG), verpflichtet, den Zustand, die Funktionsfähigkeit, die Unterhaltung und den Betrieb sowie Art und Menge des Abwassers und der Abwasserinhaltsstoffe selbst zu überwachen (sog. Selbst- bzw. Eigenüberwachungspflicht). Während die Überwachung des Zustands (§ 61 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 WHG) etwa optische Kontrollen durch Inaugenscheinnahmen und Begehungen sowie Kontrollen mit Hilfe technischer Geräte wie Kanalfernsehuntersuchungen erfordert, erfasst die Unterhaltung (§ 61 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 WHG) insbesondere Maßnahmen, die zur Sicherstellung und Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Betriebs notwendig sind, wie die Feststellung, ob Ablagerungen in der Kanalisation vorhanden sind (BeckOK UmweltR/Schulz WHG § 61 Rn. 16 f [Stand 1. Mai 2017]; Landmann/Rohmer UmweltR/Ganske WHG § 61 Rn. 24 [Stand Januar 2017]). Die notwendigen Vorkehrungen sollen sicherstellen, dass die der Abwasseranlage zukommenden Funktionen tatsächlich bestehen und erhalten bleiben (s. Berends, Wasserhaushaltsgesetz, § 61 Rn. 3; Nisipeanu in Berends/Frenz/Müggenborg, Wasserhaushaltsgesetz, § 61 Rn. 27).

19
bb) In welchen Kontrollintervallen und mit welcher Kontrolldichte solche Maßnahmen durchzuführen sind, ist gesetzlich nicht normiert, sondern hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Insoweit kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden, weil hierzu tatrichterliche Feststellungen durch das Berufungsgericht – etwa durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens – fehlen und noch nachzuholen sind.

20
cc) Im Fall, dass die Einwurzelungen durch den Kastanienbaum in den Regenwasserkanal im Rahmen der ohnehin gebotenen und der Beklagten obliegenden regelmäßigen Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen des Regenwasserkanals erkennbar gewesen wären, hätte sie aufgrund der insoweit gewonnenen Erkenntnisse als Grundstückseigentümerin die Pflicht gehabt, die Einwurzelungen rechtzeitig zu beseitigen.

21
Die Annahme des Berufungsgerichts, dies führe zu einer erweiterten Haftung der Beklagten, weil ihr eine Kontrollpflicht nicht im Rahmen ihrer Pflichten als Baumeigentümerin oblegen habe, sondern als Betreiberin der Abwasseranlage, lässt jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung die besonderen Erkenntnismöglichkeiten der Beklagten als Grundstückseigentümerin mit Blick auf ihre ohnehin gebotenen regelmäßigen Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen des Abwasserkanals als dessen Betreiberin unberücksichtigt. Soweit ihr in dieser Funktion Gefährdungen der Leistungsfähigkeit des Kanalsystems durch Wurzeleinwuchs erkennbar werden, darf sie ihre Augen davor auch in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin des Grundstücks, auf dem der fragliche Baum wächst, nicht verschließen.

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3. Die Haftung wegen einer möglichen Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten als Eigentümerin des baumbestandenen Grundstücks wird entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die von der Klägerin entsprechend der gemeindlichen Satzung gegen einen möglichen Rückstau zu treffenden Vorkehrungen unzureichend waren. Vielmehr ist das Fehlen einer den Rückstau vermeidenden Sicherungsvorkehrung gegebenenfalls im Rahmen eines Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.

23
a) Es ist in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum umstritten, ob ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den Eigentümer eines baumbestandenen Grundstücks ausgeschlossen ist, wenn er zugleich Betreiber einer Abwasseranlage ist und der durch einen infolge der Verwurzelung des Kanals verursachten Rückstau Geschädigte nicht die gebotenen Vorkehrungen getroffen hat, um sein Anwesen gegen einen solchen Stau zu sichern. Ein Amtshaftungsanspruch des Hauseigentümers wegen eines Rückstauschadens gegen den Betreiber der Kanalanlage kommt insoweit nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschluss vom 30. Juli 1998 – III ZR 263/96, NVwZ 1998, 1218, 1219) nicht in Betracht, weil der Grundstückseigentümer nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen kann, vor Rückstauschäden bewahrt zu bleiben, die bei normalen, durch die üblichen Sicherungsvorkehrungen auszugleichenden Druckverhältnissen entstehen, so dass der Schaden insoweit außerhalb des Schutzbereichs der von der Gemeinde zu beachtenden Amtspflichten liegt.

24
Das Berufungsgericht meint in Übereinstimmung mit einem Teil der Literatur (BeckOGK/Ballhausen HPflG § 12 Rn. 96 [Stand 1. August 2017]; wohl auch Geigel/Kapsa, Haftpflichtprozess, 27. Aufl., 20. Kapitel Rn. 84), dieser Haftungsausschluss erstrecke sich auch auf den Anspruch des Geschädigten aus § 823 Abs. 1 BGB gegen den Kanalnetzbetreiber wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflichten als Eigentümer des baumbestandenen Grundstücks. Demgegenüber lehnt ein anderer Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums einen solchen Haftungsausschluss bei einem Schadensersatzanspruch gegenüber dem – mit dem Betreiber der Abwasseranlage identischen – Eigentümer eines baumbestandenen Grundstücks wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht ab und berücksichtigt das Fehlen einer Rückstausicherung im Rahmen eines Mitverschuldens nach § 254 BGB. Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass der Schaden durch eine außerhalb des Kanalnutzungsverhältnisses liegende Gefahrerhöhung, das Setzen oder Belassen des Baums verursacht wird (s. OLG Bamberg, NVwZ-RR 2004, 285, 286; OLG Nürnberg aaO S. 1316; Rotermund/Krafft in: Rotermund/Krafft, aaO, Teil B Kapitel III Rn. 1003; vgl. auch Staudinger/Hager (2009) BGB § 823 E Rn. 276).

25
b) Der Senat schließt sich jedenfalls für die konkrete Fallgestaltung der zuletzt genannten Ansicht an. Die gegenteilige Auffassung verkennt, dass die Verantwortlichkeit des Betreibers der Abwasseranlage in diesen Fällen nicht aus dem Anschlussverhältnis mit dem Nutzer folgt, sondern aus der Verletzung einer außerhalb des Kanalnutzungsverhältnisses und des Betriebs der Abwasseranlage liegenden Verkehrssicherungspflicht als Grundstückseigentümer. Die Gefahrerhöhung durch das Setzen beziehungsweise Belassen eines Baums beruht insoweit auf einem außerhalb des Kanalnutzungsverhältnisses und des Betriebs der Abwasseranlage liegenden Umstand. Die Parteien stehen sich in solchen Fällen nicht im Rahmen dieses Verhältnisses gegenüber, sondern als Eigentümer angrenzender Grundstücke (OLG Bamberg aaO). Im Hinblick darauf besteht kein einleuchtender Grund, einen Grundstückseigentümer allein deshalb besser zu stellen, weil er (zufällig) zugleich Betreiber der öffentlichen Abwasseranlage ist (OLG Nürnberg aaO). Dies wäre jedoch der Fall, wenn der Schadensersatzanspruch wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung gegen einen Grundstückseigentümer, der zugleich Betreiber der öffentlichen Abwasseranlage ist, an die sein Nachbar angeschlossen ist, ausgeschlossen wäre, weil die notwendige Rückstausicherung fehlt. Denn im Verhältnis zu einem Grundstückseigentümer, der nicht zugleich Betreiber der Abwasseranlage ist, greift der Haftungsausschluss aus dem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zwischen Anschlussnehmer und Kanalbetreiber nicht ein, so dass das Fehlen einer Rückstausicherung allenfalls im Rahmen von § 254 Abs. 1 BGB berücksichtigt werden kann. Die – hier auf § 12 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten über die Abwasserbeseitigung beruhende – Obliegenheit, dass sich jeder Anschlussnehmer gegen den Rückstau des Abwassers aus den öffentlichen Abwasseranlagen selbst zu schützen hat, knüpft allein an das Kanalnutzungsverhältnis und die ihm innewohnende spezifische Gefahrenlage an, nicht aber an das allgemeine Verhältnis zwischen zwei Grundstückseigentümern. Hier haftet die Beklagte jedoch als Grundstückseigentümerin und nicht in ihrer Funktion als Betreiberin der Abwasseranlage.

III.

26
Da tatrichterliche Feststellungen nachzuholen sind, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Das angefochtene Urteil ist demnach gemäß § 562 Abs. 1 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als die Revision zugelassen worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das im neuen Verfahren auch Gelegenheit hat, sich gegebenenfalls mit den weiteren Rügen der Revision zu befassen, auf die einzugehen der Senat im vorliegenden Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.

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