Zur Haftung des Mitarbeiters des Hallenbades wegen Ermöglichung des Zutritts

OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2010 – 12 U 214/08

Wer nachts in ein unbeleuchtetes Schwimmbecken, dessen Wassertiefe ihm unekannt ist, mit einem Kopfsprung hineinspringt, handelt grob fahrlässig und kann andere für ihm hieraus entstehende Schäden (hier: Querschnittslähmung) nicht haftbar machen.

Tenor

1. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 7. November 2008 gewährt.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 7. November 2008 wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 385.000,00 EUR

Gründe

A

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger aufgrund eines Badeunfalls, der sich am 6. September 2005 gegen 2.00 Uhr morgens in dem Hallenbad in N. ereignete und durch den der Kläger eine Querschnittlähmung erlitt, zum Schadensersatz verpflichtet ist.

1.

2

Der am 11. September 1981 geborene Kläger befand sich am 5. September 2005 mit Freunden und Bekannten auf dem …fest in N.. Er begab sich nach Mitternacht in die Gaststätte „C.“, wo er den Beklagten mit dessen Freunden traf. Der am 6. Januar 1974 geborene Beklagte war von der Stadt N. als Haustechniker für das Hallenbad angestellt und hatte berechtigt einen Schlüssel zum Hallenbad. Er beabsichtigte, in dieser Nacht mit zwei Freunden im Hallenbad zu übernachten. Dabei kam ins Gespräch, dass man in dem Hallenbad baden könnte. Ob der Beklagte sich dagegen aussprach und er nur seinen beiden Freunden den Zutritt ins Hallenbad gewähren wollte, ist streitig.

3

Gegen 2.00 Uhr morgens ging eine Gruppe von sieben Personen, dabei der Kläger und der Beklagte, zum städtischen Hallenbad. Der Beklagte öffnete dort die Eingangstüre und alle Personen begaben sich in das Hallenbad, in dem der Beklagte die Beleuchtung nicht einschaltete. Der Kläger – wie auch die weiteren Mitglieder der Gruppe – entkleidete sich in der unbeleuchteten, ihm nicht bekannten Schwimmhalle. Er sprang dann mit einem Kopfsprung in das mit Wasser gefüllte Becken und prallte dabei mit dem Kopf auf den Beckenboden. An der Stelle, an der er in das Wasser gesprungen war, befand sich der Nichtschwimmerbereich und betrug die Wassertiefe nur 80 cm. Der Kläger erlitt infolge des Unfalls eine Luxationsfraktur des 5. u. 6. Halswirbelsäulenkörpers und ist seither querschnittsgelähmt.

4

Der Kläger hat geltend gemacht, der Beklagte sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet, weil er durch den Einlass in das Hallenbad eine erhebliche Gefahrenquelle eröffnet habe, er die Beleuchtung im Hallenbad nicht eingeschaltet habe und er vor der Gefahr, die bei einem Hineinspringen in das Becken bestanden habe, nicht gewarnt habe. Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, ihn treffe nur ein geringes, allenfalls hälftiges Mitverschulden, weil er im zumindest angetrunkenen Zustand in das Wasser gesprungen sei.

5

Der Kläger hat beantragt:

6

Es wird festgestellt, dass dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld unter Berücksichtigung seiner Mithaftungsquote zusteht.

7

Hilfsweise für den Fall, dass die Feststellungsklage für unzulässig gehalten wird, hat der Kläger beantragt:

8

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, jedoch nicht unter 185.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagerhebung zu bezahlen.

9

Der Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ihn keine Haftung treffe, weil er keine Verkehrssicherungspflicht dem Kläger gegenüber verletzt habe.

12

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

13

Das Landgericht hat die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hxxx – 16 Js 2674/05 – beigezogen. Die Staatsanwaltschaft Hxxx hat das gegen den Beklagten u. a. wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitete Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

2.

14

Mit dem am 7. November 2008 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen, und zwar den Feststellungsantrag als unzulässig und den Hilfsantrag als unbegründet. Soweit es den Hilfsantrag als unbegründet abgewiesen hat, hat es ausgeführt, dass der Kläger sich durch sein Verhalten in einem außerordentlichen Maße schuldhaft selbst gefährdet habe und sein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) so schwer wiege, dass eine Haftung des Beklagten vollständig ausgeschlossen sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

3.

15

Das Urteil des Landgerichts wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. November 2008 zugestellt. Mit dem am 10. Dezember 2008 eingegangenen Schriftsatz beantragte der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts. Der Senat wies durch Beschluss vom 28. Oktober 2009 mangels hinreichender Erfolgsaussicht den Prozesskostenhilfeantrag zurück. Der Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 2. November 2009 zugestellt. Mit dem am 16. November 2009 eingegangenen Schriftsatz beantragte der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist. Er legte zudem mit diesem Schriftsatz gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein, die er zugleich begründete.
16

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung den in erster Instanz hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes weiter. Außerdem begehrt er die Feststellung der Haftung des Beklagten zu 50 % für die bereits entstandenen sowie künftig noch entstehenden materiellen Schäden aus dem Unfall.

17

Der Kläger trägt vor:

18

Dem Beklagten habe gegenüber dem Kläger und den weiteren Mitgliedern der Gruppe eine Verkehrssicherungspflicht im Hinblick auf die Benutzung des Hallenbads oblegen. Er habe durch Öffnen der Tür den Zugang zum Schwimmbad ermöglicht. Als Hausmeister habe er über besondere Kenntnisse von den Gefahren bei der Benutzung des Schwimmbades verfügt. Er hätte im Hallenbad das Licht einschalten müssen, damit die Wassertiefe im Schwimmbecken erkennbar sei. Auch hätte er davor warnen müssen, im Dunkeln in das Wasser zu springen. Für den Beklagten sei erkennbar gewesen, dass Mitglieder der recht ausgelassenen Gruppe, auch der Kläger, alkoholisiert gewesen seien, weshalb er mit einem unvernünftigen Verhalten Einzelner habe rechnen müssen.

19

Das Landgericht habe zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch des Klägers mit der Begründung abgelehnt, dass das Mitverschulden des Klägers an der Schadensentstehung weit überwiege und der Verschuldensanteil des Beklagten dahinter vollständig zurücktrete. Den Kläger treffe zwar ein Mitverschulden, weil er von sich aus in das Becken gesprungen sei. Das Landgericht habe aber die Verursachungsbeiträge des Klägers und des Beklagten fehlerhaft gewertet. Der Beklagte habe durch Öffnen der Eingangstüre den nächtlichen Schwimmbadbesuch erst ermöglicht und das Gefahrenpotential durch Nichteinschalten des Lichts erhöht. Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, dass es für die Verantwortlichkeit des Klägers nicht auf dessen Alkoholisierung ankomme. Dies habe auf eine erhöhte Risikobereitschaft erheblichen Einfluss; die bestehende Alkoholisierung habe ein selbstgefährdendes Verhalten des Klägers herbeigeführt. Zu berücksichtigen sei, dass andere Mitglieder der Gruppe ebenfalls in das Wasser gesprungen seien, und zwar noch vor dem Kläger und mit Kopfsprung; dennoch habe der Beklagte hiergegen nichts unternommen. Wegen der Dunkelheit in der Schwimmhalle seien die am Beckenrand angebrachten Angaben zur Wassertiefe nicht sichtbar gewesen. Die Abwägung der beiderseitigen Ursachen- und Verschuldensanteile ergebe eine hälftige Haftung des Beklagten für den Unfallschaden des Klägers.

20

Der Kläger beantragt,

21

das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 07.11.2008 aufzuheben und wie folgt zu erkennen:

22

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, jedoch nicht unter 185.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagerhebung zu bezahlen.

23

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren bereits entstandenen sowie zukünftig noch entstehenden materiellen Schäden aus dem Unfallereignis in der Nacht vom 5. auf den 06.09.2005 im städtischen Hallenbad in N. zur Hälfte zu ersetzen.

24

Hilfsweise beantragt der Kläger,

25

das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 07.11.2008 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

26

Der Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Der Beklagte erachtet die Erweiterung des Klagbegehrens um den Feststellungsantrag als eine nach § 533 ZPO unzulässige Klagänderung und trägt im Übrigen vor:

29

Er (Beklagter) habe keinen Verkehr eröffnet und keine Verkehrssicherungspflicht übernommen, weil er den Anwesenden gegenüber deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er ein Schwimmen im Schwimmbad ablehne und hierfür auch keine Verantwortung übernehme. Im Übrigen habe der Senat in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2009 zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte für die Abwehr der ohne weiteres erkennbaren und vermeidbaren Risiken den Anwesenden gegenüber durch die Einräumung des Zutritts zum Hallenbad keine Verkehrssicherungspflicht übernommen habe.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Januar 2010 Bezug genommen. Die vom Landgericht beigezogene Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hxxx hat dem Senat bei der Verhandlung vorgelegen.

B

I.

1.

31

Die Berufung des Klägers ist zulässig.

32

Zwar hat der Kläger die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist versäumt. Ihm wird aber gegen die Versäumung dieser Fristen auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Dieser Antrag ist zulässig. Auch liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor. Der Kläger war aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse unverschuldet gehindert, rechtzeitig Berufung einzulegen und diese zu begründen.

2.

33

Die im Berufungsverfahren erfolgte Erweiterung des Klagbegehrens auf den Feststellungsantrag ist als eine Klagänderung zu behandeln und wird nach § 533 ZPO zugelassen. Die Feststellungsklage neben der Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld ist sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO). Die Entscheidung über den Feststellungsantrag kann auch auf die Tatsachen gestützt werden, die für die Entscheidung über den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch maßgeblich sind. Es liegen also auch die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO vor.

34

Die Feststellungsklage ist auch zulässig. Dem Kläger ist eine abschließende Bezifferung seines materiellen Unfallschadens nicht möglich, da dieser noch in der Entwicklung ist. Das Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich daraus, dass der Beklagte seine Regresspflicht in Abrede stellt und eine Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des materiellen Schadens bevorsteht.

II.

35

In der Sache hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Der Beklagte haftet dem Kläger aufgrund des schweren Badeunfalls nicht aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB) auf Ersatz des durch den Unfall verursachten materiellen und immateriellen Schadens. Eine andere Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche, insbesondere aus Vertrag, scheidet aus.

1.

36

Der Senat unterstellt bei seiner Entscheidung den unter Beweis gestellten Sachvortrag des Klägers als wahr, insbesondere dass der Beklagte den Anwesenden gestattet habe, im Hallenbad zu baden, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von ca. 1,2 – 1,4 ‰ hatte (bei der Blutentnahme um 7.10 Uhr, also 5 Stunden nach dem Unfall, wurde ein Blutalkoholgehalt von 0,2 ‰ festgestellt, Anl. K 1 b, Bl. 44) und dass andere Mitglieder der Gruppe angetrunken waren.

37

Der Senat geht bei der Entscheidung auch von der Unfallschilderung des Klägers aus. Hiernach zog sich der Kläger in der durch die Straßenbeleuchtung nur wenig beleuchteten Badehalle (bei seiner Anhörung durch den Senat hat der Kläger angegeben, es sei im Schwimmbad „stockdunkel“ gewesen) bis auf die Unterhose aus; er rannte dann los und sprang mit einem Kopfsprung in das dort nur 80 cm tiefe Wasser. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich andere Gruppenmitglieder bereits im Wasser, und zwar teilweise nach einem Sprung in das Becken. Der Beklagte war am anderen Ende des Beckens beim Sprungturm, als der Kläger in das Wasser sprang; dies hat der Kläger bei seiner polizeilichen Vernehmung angegeben und hat der Beklagte bei seiner Anhörung durch den Senat mit seiner Angabe, er sei zum Sprungbrett geschwommen, um Dxxx von einem Springen vom Sprungbrett abzuhalten, bestätigt.

2.

38

Der Beklagte verletzte seine gegenüber dem Dienstherrn aus dem Anstellungsvertrag sich ergebenden Pflichten, als er in Anwesenheit der Gruppe, von der er wusste, dass eine Mehrheit in dem Hallenbad baden wollte, die Eingangstüre öffnete und so den Anwesenden den Eintritt in das Hallenbad ermöglichte. Aufgrund des Anstellungsverhältnisses war er dem Dienstherrn gegenüber auch verpflichtet, ein Baden im Schwimmbecken zu verhindern, und zwar erforderlichenfalls durch einen Anruf bei der Polizei.

39

Den badewilligen Mitgliedern der Gruppe gegenüber war der Beklagte jedoch nicht, auch nicht aufgrund des Anstellungsvertrags mit der Stadt N., verpflichtet, sie von einem Betreten des Hallenbades, von einem Baden im Schwimmbecken sowie von einem selbstgefährdenden Sprung in das Wasserbecken abzuhalten. Dies gilt auch dann, wenn er mit dem Baden im Hallenbad einverstanden war.

a)

40

Bei der Beurteilung, ob den Beklagten eine seine Haftung begründende Pflichtverletzung gegenüber dem Kläger, der aus eigenem Entschluss das Hallenbad betrat und dann in der unbeleuchteten Schwimmhalle mit einem Kopfsprung in das ihm nicht bekannte Wasserbecken sprang, vorliegt, ist der Grundsatz zu berücksichtigen, dass weder ein allgemeines Gebot besteht, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren, noch ein Verbot, sie zur Selbstgefährdung psychisch zu veranlassen, sofern nicht – was hier jedoch ausscheidet – das selbstgefährdende Verhalten durch Hervorrufen einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation „herausgefordert“ worden ist (BGH VersR 1978, S. 183, 184; BGH NJW 1986, S. 1865). Auch ist in Fällen, in denen die Gefahr mit Händen zu greifen und ihr ohne weiteres auszuweichen ist, nicht einmal eine Warnung erforderlich; es darf darauf vertraut werden, dass der Betroffene die Gefahr erkennt und sich selbst schützt oder sich der Gefahr nicht aussetzt (Hager in Staudinger, BGB, Bearb. 2009, § 823 Rdnr. E 32). Ausgehend hiervon kann im vorliegenden Fall eine Pflichtverletzung nicht angenommen werden.

b)

41

Den Beklagten traf nicht deshalb eine Verkehrssicherungspflicht, weil er den Zutritt zum Hallenbad und die Nutzung des Schwimmbades zuließ. Der Kläger betrat das Hallenbad aus eigenem Entschluss. Alle Anwesenden wussten oder hätten ohne weiteres wissen müssen, dass der Beklagte, auch wenn er Haustechniker für das Hallenbad war und berechtigt einen Türschlüssel zum Hallenbad besaß, nicht befugt war, sie in das Hallenbad einzulassen, und sie sich deshalb im Hallenbad unberechtigt aufhielten. Sie nahmen hin, dass wegen der Gefahr ihrer Entdeckung in dem Hallenbad das Licht nicht angeschaltet wurde. Dass der Aufenthalt in dem unbeleuchteten Hallenbad – nach den Angaben des Beklagten bei seiner Anhörung durch den Senat soll freilich eine Mindestbeleuchtung durch Fluchtwegeleuchten bestanden haben – schon wegen der schlechten Sicht mit Risiken (etwa durch Stolpern) verbunden war, war den Anwesenden ohne weiteres erkennbar. Der Beklagte konnte daher darauf vertrauen, dass die Anwesenden sich in ihrem Verhalten auf die schlechten Sichtverhältnisse einstellen. Keiner der Beteiligten konnte davon ausgehen, dass der Beklagte für die ohne weiteres erkennbaren, weil typischen Risiken ihres „nächtlichen Unternehmens“ eine Schutzpflicht für sie übernehmen will. Dies gilt auch für das Baden in dem Wasserbecken.

42

Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil Mitglieder der Gruppe, auch der Kläger, alkoholisiert und – nach den Angaben der Parteien bei ihrer Anhörung durch den Senat – ausgelassen waren und Alkoholeinfluss, gerade in einer Gruppe, zu einem leichtfertigen Verhalten führen kann. Die Anwesenden waren Erwachsene. Aus dem Parteivortrag und den Angaben der von der Polizei vernommenen Zeugen kann nicht entnommen werden, dass die Teilnehmer des Hallenbadbesuchs infolge des Alkoholgenusses nicht mehr oder nur erheblich eingeschränkt eigenverantwortlich handeln konnten oder ein Verhalten zeigten, das darauf hindeutet, dass sie dazu nicht mehr in der Lage sein könnten. Dies gilt auch für den damals 24-jährigen Kläger bei der hier als wahr unterstellten Blutalkoholkonzentration von ca. 1,2 ‰ bis 1,4 ‰. Aus dem Parteivortrag ergeben sich keine für den Beklagten erkennbare Umstände, die darauf hindeuten, dass der Kläger wegen seines alkoholisierten Zustandes die Gefahren bei dem nächtlichen Hallenbad nicht hat erkennen und ihnen mit seinem Verhalten nicht angemessen hat begegnen können.

43

Vergebens macht der Kläger geltend, dass der Beklagte vor dem Springen in das unbeleuchtete Wasserbecken hätte warnen müssen. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger und andere Mitglieder der Gruppe nicht unerheblich alkoholisiert waren, musste sich jedem der Anwesenden aufdrängen, dass das Wasserbecken einen Schwimmer- und Nichtschwimmerbereich aufweisen kann und ein Kopfsprung in einem Bereich, dessen Wassertiefe man nicht kennt, die Gefahr einer schweren Körperverletzung birgt, jedenfalls dann, wenn der Kopfsprung nicht „flach“, sondern mit einem tiefen Eintauchen in das Wasser ausgeführt wird. Dies gilt auch für den Kläger, und zwar auch unter Berücksichtigung seiner Angaben bei seiner Parteianhörung durch den Senat, wonach er vor dem Unfall lediglich während der Grundschule in einem Hallenbad war und dessen Becken gleichmäßig tief war. Es handelte sich deshalb um ein für den Kläger ohne weiteres als waghalsig erkennbares Fehlverhalten, als er in der nach seiner Darstellung dunklen Badehalle gleichsam blindlings nach einem Anlauf mit Kopfsprung in das Wasserbecken sprang, dessen Tiefe er an der Sprungstelle nicht kannte. Vor einem derart unvernünftigen Verhalten musste der Beklagte nicht vorsorglich warnen, und zwar auch dann nicht, als er bemerken konnte und musste, dass in das Wasserbecken gesprungen wird. Der Beklagte befand sich beim Sprungturm als der Kläger in das Wasserbecken sprang. Dass der Beklagte von seinem Standpunkt aus hat erkennen können und müssen, dass in völlig unvernünftiger Weise mit Kopfsprung im Nichtschwimmerbereich in das Wasserbecken gesprungen wird, kann nicht festgestellt werden. Kurz vor dem Kläger sprang die Zeugin R. mit den Füßen voraus in das Wasser, wie sie bei ihrer polizeilichen Vernehmung angegeben hat. Auch konnte der Zeuge Dxxx aufgrund der Außenbeleuchtung die am Ende des Nichtschwimmerbereichs befindliche Treppe in das Becken auffinden, wie sich aus seiner polizeilichen Vernehmung ergibt.

3.

44

Da der Beklagte durch sein Verhalten dem Kläger gegenüber keinen Haftungstatbestand erfüllt hat, ist das Klagbegehren nicht begründet. Ob und inwieweit die Haftung des Beklagten durch das Mitverschulden des Klägers ausgeschlossen oder nur eingeschränkt ist, bedarf also nicht der Prüfung.

45

Die Berufung des Klägers ist also, auch soweit er sie um den Feststellungsantrag erweitert hat, nicht begründet und wird deshalb zurückgewiesen.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

47

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

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