Zur Haftung des Frachtführers wegen Verwahrung LKW auf Gelände mit stiller Alarmanlage

OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.05.2005 – 9 U 164/04

1. Ein Frachtführer, der eine auf einem mit einer Plane abgedeckten Anhänger befindliche Ladung Zigaretten über das Wochenende auf einem Gelände verwahrt, das in einem Industriegebiet liegt und welches durch einen zwei Meter hohen Zaun und eine rundherum angebrachte so genannte stille Alarmanlage gesichert ist, handelt nicht leichtfertig.

2. Ein Frachtführer handelt nicht leichtfertig, wenn er nach Auslösung des Alarms das Lager aufsucht, beim Überfahren des Geländes mit einem Pkw Hinweise auf einen Diebstahlsversuch nicht findet und das Lager verlässt, ohne auch die Umgebung des Lagers abzusuchen oder die Polizei zu verständigen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Streithelferin wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 17.09.2004 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 25.006,07 nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 07.07.2003 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Die Streithelferin behält ihre außergerichtlichen Auslagen auf sich.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

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I. Gegenstand des Rechtsstreits sind abgetretene Ansprüche wegen Verlusts von Ware während des Transports. Die Zedentin hatte die Beklagte zu fixen Kosten mit dem Transport von Zigaretten und Zigarillos von Deutschland nach Belgien beauftragt. Im übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte hafte uneingeschränkt nach Artt. 17 Abs. 1, 29 CMR, weil der Inhaber der Streithelferin den Verlust der Ware leichtfertig ermöglicht habe. Zwar sei das Betriebsgelände, auf dem der Hänger mit der Ware von Samstag auf Sonntag abgestellt gewesen sei, mit einem Gitterzaun und einem durch den Zaun gehenden Coax-Kabel alarmgesichert gewesen. Tatsächlich sei am Samstag Abend gegen 23:30 Uhr Alarm ausgelöst worden. Über die Auslösung des Alarms sei jedoch nur der Zeuge Hagens informiert worden, nicht die örtlich zuständige und sofort einsatzbereite Polizei oder private Einsatzkräfte. Herr H. habe es nicht für nötig befunden, die örtliche Polizei zu informieren oder das Betriebsgelände und dessen nähere Umgebung nach der Auslösung des Alarms unter Hinzuziehung weiterer Hilfskräfte eingehend nach Auffälligkeiten zu untersuchen. Stattdessen sei er alleine zum Betriebsgelände gefahren und habe dies lediglich überfahren, wobei er nichts außergewöhnliches bemerkt habe. Das Überfahren des Geländes allein sei nicht ausreichend. Erforderlich wären gewesen Feststellungen über Auffälligkeiten und die Anwesenheit unbefugter Personen auf dem Gelände. Dass der Zeuge, ohne derartige Maßnahmen zu ergreifen, unverrichteter Dinge das Betriebsgelände wieder verlassen habe, sei als leichtfertiges Verhalten zu werten. Selbst bei einem durch ein Tier ausgelösten Fehlalarm hätte er gewarnt sein müssen, dass sich auch noch unbefugte Dritte auf dem Gelände oder in unmittelbarer Nähe des Betriebsgrundstückes befänden. Er hätte in Betracht ziehen müssen, dass Dritte seine Ankunft rechtzeitig bemerkt hatten, sich vor Entdeckung in Sicherheit bringen konnten und nur auf seine Abfahrt warteten, um anschließend in aller Ruhe Transportfahrzeuge nach Diebesgut zu durchsuchen. Der Zeuge H. habe demnach hinreichenden Anlass gehabt, entweder die örtliche Polizei zu benachrichtigen und diese zu bitten, in der Nacht Kontrollfahrten in der unmittelbaren Umgebung des Betriebsgeländes durchzuführen, oder selbst, gegebenenfalls in Begleitung, nach seiner Abfahrt nochmals eine Überprüfung des Geländes auf Auffälligkeiten vorzunehmen. Hierzu habe um so mehr Veranlassung bestanden, als das Transportfahrzeug mit den Waren der Versicherungsnehmerin der Klägerin nur mit einer Plane abgedeckt, die Tabakwaren von nicht ganz unbedeutendem Wert und als solche von vorneherein mit einem Diebstahlsrisiko behaftet gewesen seien. Der Zeuge habe in dem Bewusstsein eines Schadenseintritts gehandelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

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Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Berufung der Streithelferin. Sie meint, das Landgericht habe den Begriff des leichtfertigen Verhaltens verkannt. Außerdem habe der Zeuge H. nicht lediglich das Gelände überfahren, sondern sei dieses mit seinem Hund abgegangen. Keineswegs könne davon ausgegangen werden, dass die Polizei auf Alarmierung durch den Zeugen H. einsatzbereit gewesen sei. Bei Auslösung eines Alarms ohne erkennbaren Schaden sei nicht unbedingt mit einem sofortigen und schon gar nicht mit einem größeren Polizeieinsatz zur Durchsuchung der Umgebung zu rechnen. Das Gelände sei nicht abgelegen. Alleine die Lage an einer Sackgasse in einem Industriegebiet bedeute nicht, dass sie abgelegen sei. Tatsächlich falle dem Zeugen H. kein Verschulden zur Last. Die Beklagte sei sogar im Sinne von Art. 17 Abs. 2 CMR entlastet, da der Diebstahl nicht hätte verhindert werden können. Der zuerkannte Schaden sei nicht richtig berechnet, weil ein seitens der Versenderin der Empfängerin der Ware gewährter Rabatt nicht berücksichtigt worden sei. Gleiches gelte hinsichtlich des Skontoabzugs in Höhe von 3 %. Schließlich sei der Schaden, soweit Steuerbanderolen entwendet worden sein sollen, nicht nachgewiesen.

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Die Streithelferin und die Beklagte stellen folgenden Antrag,

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die Klage unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Freiburg vom 17.09.2004 – 12 O 139/03- abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft hierbei ihr erstinstanzliches Vorbringen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

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II. Die Berufung der Streithelferin, der sich die Beklagte angeschlossen hat, ist zulässig und teilweise begründet, weil dem Zeugen H. ein vorsätzliches oder dem Vorsatz gleichstehendes Verhalten nach Art. 29 Abs. 1 CMR nicht vorgehalten werden kann. Allerdings kann sich die Beklagte auch nicht im Sinne von Art. 17 Abs. 2 CMR entlasten.

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1. Nach Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für gänzlichen oder teilweisen Verlust des Gutes, sofern der Verlust zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Nach Art. 23 Abs. 1 CMR wird die Entschädigung nach dem Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung berechnet, wobei sie nach Abs. 3 der genannten Bestimmung jedoch 8,33 Rechnungseinheiten für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts nicht übersteigen darf. Diese Haftungsbegrenzung gilt nicht, wenn der Frachtführer oder seine Bediensteten oder sonstige Personen, deren er sich bei Ausführung der Beförderung bedient, vorsätzlich gehandelt haben (Art. 29 Abs. 1 und 2 CMR). Dasselbe gilt, wenn ihnen ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden zur Last fällt. Als Verschulden, das zur Durchbrechung der Haftungsbegrenzung nach Art. 23 CMR führt, ist auch ein leichtfertiges Verhalten zu werten, zu dem das Bewusstsein hinzukommen muss, ein Schaden werde mit Wahrscheinlichkeit eintreten (vgl. BGH NJW-RR 1999, 254; § 435 HGB).

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Leichtfertigkeit setzt einen besonders schweren Pflichtenverstoß voraus, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzen. Er muss das ihm anvertraute Gut, soweit wie möglich und zumutbar, vor Diebstahl schützen. Welche Anforderungen hierbei an ihn zu stellen sind, richtet sich insbesondere nach der Art einer etwaigen vorhandenen besonderen Gefahrenlage und hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Es kommt entscheidend darauf an, ob die getroffenen Maßnahmen den aktuell erforderlichen Sorgfaltsanforderungen genügen. Die angeordneten Sicherheitsvorkehrungen müssen zuverlässig ineinandergreifend, verlässlich funktionieren und eine geschlossene Sicherheitsplanung darstellen. Je größer die mit der Güterbeförderung verbundenen Risiken sind, desto höhere Anforderungen sind an die zu treffende Sicherheitsmaßnahmen zu stellen. Von erheblicher Bedeutung ist dabei, ob das transportierte Gut leicht verwertbar und damit besonders diebstahlsgefährdet ist, welchen Wert es hat, ob dem Frachtführer die besondere Gefahrenlage bekannt sein musste (vgl. BGH NJW-RR 1999, 254).

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Handelt der Spediteur diesen Sicherheitsinteressen zuwider und setzt sich über die Interessen seines Vertragspartners in krasser Weise hinweg, liegt ein besonders schwerer Pflichtenverstoß vor (vgl. BGHZ 158,322; TranspR 2004, 399).

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Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Kenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein allerdings nicht aus, um auf das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist wie immer erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (vgl. BGHZ 158,322).

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Der Geschädigte trägt die Beweislast für das vorsätzliche bzw. vorsatzgleiche Fehlverhalten (Koller TranspR 5. Auflage Art. 29 CMR Rdnr. 7). Allerdings ist der Frachtführer gehalten, das regelmäßig vorhandene Informationsdefizit des Anspruchstellers durch detaillierten Sachvortrag zum Ablauf des Betriebes und den ergriffenen Sicherungsmaßnahmen auszugleichen (vgl. BGHZ 145,170; TranspR 2004,175).

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2. Die Beklagte und die Streithelferin haben sich zu ihrer Entlastung erstinstanzlich darauf berufen, dass die Ware gestohlen worden sei, als sich das Fahrzeug auf einem eingezäunten, durch eine Alarmanlage gesicherten Parkplatzgelände befunden habe. Sie haben sich hierbei auf einen Bericht der niederländischen Polizei bezogen. Hiernach hatte der Zeuge H. als Anzeigeerstatter und Geschädigter mitgeteilt, dass er am Samstag, den 22. März 2003, ungefähr um 23:30 Uhr von der Alarmzentrale eine telefonische Nachricht erhalten habe, dass der Alarm seines Betriebes in W. ausgelöst worden sei. Es habe sich um den Alarm des Gitters gehandelt. Er sei daraufhin zum Betriebsgelände gefahren, schätzungsweise 10 Minuten später angekommen. Er sei über das Gelände gefahren und habe nichts außergewöhnliches bemerkt, alles sei noch genauso gewesen, wie er es das letzte Mal zurückgelassen habe. Am Sonntag, den 23. März 2003 um ungefähr 09:30 Uhr sei er zum Gelände zurückgekehrt, um den Hund auszuführen, der abends und nachts im Büro liege.

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Mit der Berufungsbegründung hat die Streithelferin vorgebracht, der Zeuge H. habe das Gelände nicht nur überfahren, sondern sei es auch mit seinem Hund abgegangen. Dieser Vortrag ist, wie die Klägerin zutreffend rügt, neu. Erstinstanzlich hatten weder die Beklagte noch die Streithelferin derartiges vorgetragen. Die Ausführungen der Streithelferin im Schriftsatz vom 2.7.2004 an das Landgericht (I 167), dass sich der Zeuge H., nachdem er das Gelände untersucht gehabt hätte, damit abgefunden hätte, dass offenbar ein Fehlalarm vorgelegen hätte, gab dem Landgericht zu Recht nicht Anlass, die Beklagte oder deren Streithelferin auf die Notwendigkeit konkreteren Vortrages hinzuweisen. Diese hatten vielmehr, wie soeben dargelegt, unter Bezugnahme auf die Strafanzeige des Zeugen H. substantiiert dazu vorgetragen, was dieser in der Angelegenheit unternommen hatte. Folglich sind die Beklagte und die Streithelferin mit diesem neuen und streitigen Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.

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3. Nach dem der Entscheidung somit zugrunde zu legenden Sachverhalt – die Klägerin hat hierzu nichts Abweichendes unter Beweis gestellt – kann dem Zeugen H. ein leichtfertiges Verhalten nicht vorgeworfen werden. Das Abstellen des Hängers, der ansonsten gegen Diebstahl der auf ihm verstauten Waren nicht besonders gesichert war, auf dem Betriebsgelände der Streithelferin ist nicht zu beanstanden. Das Gelände war nach dem Vortrag der Beklagten durch einen etwa 2 Meter hohen Zaun sowie eine rundherum angebrachte Alarmanlage gesichert. Dementsprechend schlug die Alarmanlage am 22.03.2003 gegen 23:30 Uhr an. Dass die Alarmanlage keinen unmittelbaren Anschluss an eine Polizeizentrale hatte, begegnet schon deshalb keinen Bedenken, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Polizei schneller als der Zeuge Hagens den Tatort erreicht hätte. Der Zeuge H. hat nämlich berichtet, innerhalb von 10 Minuten den Tatort erreicht zu haben. Nachdem der Zeuge keine Auffälligkeiten feststellen konnte, allerdings insoweit lediglich das Betriebsgelände „überfuhr“, nicht jedoch alleine bzw. in Begleitung seines Hundes das Gelände absuchte, konnte er vom Vorliegen eines Fehlalarms ausgehen, ohne dass ihm insoweit leichtfertiges Verhalten anzulasten wäre. Die Alarmanlage war nämlich eine so genannte stille Anlage, die etwaigen Täter konnten also die Auslösung des Alarms nicht bemerken. Sie wurden also frühestens durch die Annäherung des Alarmierten gewarnt. Eine – aus ihrer Sicht nicht erwartete – Annäherung durch eine alarmierte Person musste die Täter in ihrem deliktischen Handeln unvermutet unterbrechen. Unter diesen Umständen konnte der Zeuge davon ausgehen, bei dem Überfahren des Geländes Hinweise auf die Tat und die Täter zu erkennen, ohne das Gelände gesondert absuchen zu müssen. Anhaltspunkte dafür, dass es den Tätern gelingen würde, innerhalb der kurzen Zeit, in welcher sie die Annäherung der alarmierten Person wahrnahmen, die Spuren eines Aufbruchs und möglicherweise des Abtransports recht sperriger Ware zu verwischen, mussten sich ihm nicht aufdrängen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Täter die Auslösung des Alarms erkannt und den Beginn des Diebstahls auf die Zeit verschoben hätten, nachdem der Zeugen H. die Örtlichkeit aufgesucht und wieder verlassen hatte. Erst recht musste der Zeuge mit einem solchen Sachverhalt nicht rechnen. Somit hat sich der Zeuge Hagens nicht in leichtfertiger und besonders krasser Weise über die legitimen Sicherungsinteressen seiner Kunden hinweggesetzt. Er verließ das Gelände auch nicht ungesichert, sondern setzte die Alarmanlage wieder in Gang. Deshalb konnte er, ohne den Vorwurf der Leichtfertigkeit auf sich zu ziehen, davon ausgehen, bei einem (erneuten) Diebstahlsversuch erneut gewarnt zu werden.

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Die Lage des Betriebsgrundstückes der Streithelferin erforderte weitere Vorsichtsmaßnahmen nicht. Es handelt sich hierbei zwar um ein Industriegelände, das erfahrungsgemäß an Wochenenden nicht frequentiert ist. Andererseits hat nicht einmal die Klägerin vorgetragen, es handle sich hierbei um ein besonders diebstahlsgefährdetes Gebiet.

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4. Allerdings kann sich die Beklagte auch nicht nach Art. 17 Abs. 2 CMR entlasten. Zum Hergang des Schadens hat die Streithelferin erstinstanzlich vorgetragen, das Gelingen des Diebstahl, also Nichtauslösung eines weiteren Alarms, lasse sich demnach nur so erklären, dass es den Tätern gelungen sei, durch Aufstellen von Kisten auf dem Nachbargrundstück den Zaun zu überwinden, ohne dass man den Alarm noch ein weiteres Mal auslöste bzw. nach dem ersten Alarm gewarnt war und eine entsprechende Berührung des Zauns/Alarmkabel vermieden habe. Mit diesem Vortrag bezog sich die Streitverkündete ersichtlich auf die Feststellungen der niederländischen Polizei (Bericht vom 23.3.2003, Anlage K 23), wonach die Täter, nachdem sie vermutlich den stillen Alarm ausgelöst hätten, aber nicht entdeckt worden seien, nach Weggang des Zeugen H. alle Lastzüge durchsucht und die Gegenstände entwendet hätten. Auf Grundlage dieses Parteivortrages hat das Landgericht entschieden, was die Streithelferin nunmehr in der Berufungsinstanz zum Bereich reiner Spekulation zählt.

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Ob die Beklagte und die Streithelferin sich überhaupt prozessual zulässig von ihrem erstinstanzlichen Vortrag lösen und nunmehr vortragen können, der erste Alarm sei ein Fehlalarm gewesen, kann offen bleiben. Der Frachtführer muss nämlich für eine Entlastung nach Art. 17 Abs. 2 CMR dartun und beweisen, dass auch ein besonders gewissenhafter Frachtführer bei Anwendung der äußersten ihm zumutbaren Sorgfalt den Schaden nicht hätte vermeiden können (vgl. BGH NJW 1984, 233). Der Beweis, dass der Verlust durch einen der in Art. 17 Abs. 2 bezeichneten Umstände verursacht worden ist, obliegt ihm (Art. 18 Abs. 1 CMR). Der Frachtführer muss somit den Entlastungsbeweis bezüglich jeder der bei realistischer Betrachtung denkbaren Umstände erbringen. Es bedarf also für den Entlastungsbeweis grundsätzlich des Nachweises der konkreten Schadensursache (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Huther Handelsgesetzbuch Art. 18 CMR Rdnr. 2; MünchKomm/Basedow Handelsgesetzbuch Art. 18 CMR Rdnr. 9; Koller aaO Art. 18 CMR Rdnr. 2; OLG Hamburg TranspR 1991,70).

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Nach den Feststellungen der niederländischen Polizei liegt der bereits geschilderte Tathergang nahe. Sache der Beklagten wäre es also, sich auch insoweit im Sinne von Art. 17 Abs. 2 CMR zu entlasten. Wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, hätte ein besonders sorgfältiger Frachtführer das Gelände sowie die hieran anschließende Umgebung zu Fuß erkundet, um etwaige abgebrochene Diebstahlsversuche zu erkennen und dann zu unterbinden. Solche Bemühungen hat der Zeuge Hagens nach dem zugrundezulegenden Sachverhalt nicht unternommen.

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5. Die Entschädigung ist somit nach Art. 23 Abs. 3 auf höchstens 8,33 Rechnungseinheiten pro Kilogramm begrenzt. Sie ist, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, vorliegend auf 21.324,80 Sonderziehungsrechte beschränkt, dies sind 25.006,07 € bei einem Kurs von 0,852785 pro Euro zum 11.5.2005. Auch unter Berücksichtigung der Einwände der Beklagten und der Streithelferin, dass der Naturalrabatt und Skonto in Höhe von 3% abzuziehen seien, liegt der tatsächliche Schaden der Zedentin, den das Landgericht hier überzeugend grundsätzlich mit dem Kaufpreis gleichgesetzt hat und der durch die Beweisaufnahme vor dem Landgericht nachgewiesen worden ist, über diesem Betrag.

24

abzüglich Rabatt-4.245,00abzüglich Rabatt-84,90Ergebnis27.610,50

Summe der Proforma-Rechnung 31.940,40
abzüglich 3% Skonto 26.782,19

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6. Die Entscheidung beruht im übrigen auf den §§ 92, 708 Nr.10, 709,711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.

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