Zur Haftung bei Zusammenstoß eines Triebwagen der Deutschen Bahn mit einem Schwertransport bei Überquerung eines unbeschrankten Bahnüberganges

LG Bielefeld, Urteil vom 22.11.2005 – 2 O 23/04

Zur Haftung bei Zusammenstoß eines Triebwagen der Deutschen Bahn mit einem Schwertransport bei Überquerung eines unbeschrankten Bahnüberganges

Tenor:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 24.01.2004 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden aufgrund des Unfalls vom 07.11.2002 gegen 07.00 Uhr in Halle zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger beansprucht Schmerzensgeld und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls im Bahnverkehr am 07.11.2002 gegen 07.20 Uhr in Halle/Westfalen. Der Kläger war beamteter Lokführer des Triebzuges Talent der Streithelferin zu 2., der am Unfalltag um 07.02 Uhr von Dissen-Bad Rothenfelde nach Halle fuhr und dort fahrplanmäßig um 07.22 Uhr ankommen sollte. Die Firma V. in Paderborn, Arbeitgeberin des Beklagten zu 1), war beauftragt, mittels Schwertransportern tonnenschwere Stahlbetonträger von Paderborn zum Bauvorhaben Storck in Halle zu befördern. Gemäß Genehmigung des Landrates des Kreises Paderborn vom 09.10.2002 (Kopie Blatt 65 ff. der Beiakten) handelte es sich um insgesamt 20 Fahrten. Die Transporte durften laut Auflage nur in der Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr stattfinden und hatten außerhalb der Bundesautobahn in Polizeibegleitung zu erfolgen. In der Nacht zum 07.11.2002 hatten einige der schweren Sattelzüge die Strecke bereits befahren.

An dem später unfallbeteiligten Schwertransporter, für den eine Haftpflichtversicherung bei der Beklagten zu 2) bestand, traten gegen 04.02 Uhr Probleme mit einer Lenkachse auf, wie im Polizeibericht (Blatt 102 ff. der Beiakte) festgehalten. Der Schwerlastzug kann nur mit elektrischer Lenkung, die vom Fahrerhaus bedient wird, die Achsen des Nachläufers lenken, um Kurvenfahrten durchzuführen. Der Beklagte zu 1) als Fahrzeugführer stellte das Gefährt am rechten Fahrbahnrand der N.-Straße in Halle kurz vor der fast senkrecht nach links abzweigenden I. Straße ab, in die er einbiegen mußte, um zu seinem Fahrziel zu gelangen, und setzte sich mit seiner Arbeitgeberfirma in Verbindung. Diese entsandte einen Mechaniker, den Zeugen H.. Der Beklagte zu 1) erklärte den begleitenden Polizeibeamten, dass die Reparatur nicht vor Ablauf einer Stunde abgeschlossen sein werde. Die Beamten veranlassten darauf gegen 05.00 Uhr eine Vollsperrung der N.-Straße in dem von dem Schwertransport noch zu befahrenden Abschnitt und entfernten sich nach Verabredung mit dem Beklagten zu 1), er solle sich nach der Reparatur melden, damit die Sperrung wieder aufgehoben werden könne (so auch Polizeibericht Blatt 103 der Beiakten). Die Fahrstrecke bis zum Zielort betrug noch etwa 150 Meter und führte über einen eingleisigen unbeschrankten Bahnübergang der I. Straße, wenige Meter von der N.-Straße entfernt.

Gegen 07.00 Uhr war der Lenkdefekt soweit behoben, dass der Transport fortgesetzt werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt und auch schon vor 06.00 Uhr hatte auf der Bahnstrecke der Zugverkehr eingesetzt. Der erste Zug hatte den Bahnübergang etwa gegen 05.18 Uhr befahren. Auf die Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn (Blatt 190, 191 der Akten) sowie auf die Auskunft der Deutschen Bahn AG Niederlassung West vom 07.07.2005 (Blatt 488 der Akten) wird Bezug genommen.

Für den Schwertransporter war das Einbiegen von der N.-Straße in die I. Straße und auf den Bahnübergang im Hinblick auf die zu durchfahrende enge Kurve nur mit einer äußerst geringen Geschwindigkeit von 29,17 cm pro Sekunde möglich. Dabei betrug die Gesamtlänge des Schwertransporters einschließlich der Ladung 35 Meter.

Die Beklagte setzte nach der Reparatur, ohne Polizeibegleitung, den Zug in Bewegung und rangierte in eine Position, die eine Kurvenfahrt und Überquerung des Bahnübergangs in einem Zuge ermöglichte. Als er mit der Zugmaschine den Übergang bereits vollständig passiert hatte, nahte aus Richtung Dissen der von dem Kläger geführte Triebzug. Der Nachläufer des Schwertransporters mit dem tonnenschweren Stahlbetonträger befand sich noch mittig über den Schienen. Der Zeuge H. lief dem Zug winkend entgegen, der jedoch trotz eingeleiteter Schnellbremsung mit erheblicher Wucht gegen den Betonträger prallte und diesen ca. 9 Meter vor sich herschob. Der Führerstand des Eisenbahnzuges wurde vollständig zerstört und der Kläger eingeklemmt. Er konnte erst nach stundenlanger Bergungsaktion befreit werden, indem er ins künstliche Koma versetzt und ihm in einer Notoperation ein Teil des linken Fußes amputiert wurde. Er schwebte wochenlang in Lebensgefahr.

Es wurden zunächst folgende Verletzungen festgestellt:

Zerreißung von Dünndarmschlingen sowie Einrisse der Darmgefäße, Blutaustritt in die Bauchhöhle und Schockzustand, offene Unterschenkelfraktur links und provisorische Fußamputation links, erheblicher Weichteilschaden am rechten Vorfuß mit nachfolgender Amputation der ersten und vierten Zehe des rechten Fußes. Die Bauchhöhle war noch nicht endgültig verschlossen, es stand noch eine Spalthauttransplantation an. Im klägerseitig eingeholten Gutachten des Instituts für ärztliche Begutachtung, Dr. med. U.. vom 27.07.2005 wird zusammenfassend ausgeführt:

Sowohl hinsichtlich der intraabdominellen Verletzungen als auch der Extremitätenverletzungen wurden vielfältige operative Eingriffe durchgeführt. Zwischenzeitlich ist die Behandlung jedoch abgeschlossen. Bei der heutigen klinischen bildtechnischen Untersuchung fanden sich als Folge des Unfalls vom 07.11.2002:

– der Verlust des linken Fußes im Cohpart-Gelenk
– aufgehobene Beweglichkeit im linken oberen und unteren Sprunggelenk
– linksseitige Beinverkürzung
– Muskelminderung des linken Beines
– Verlust des Endgliedes der rechten Großzehe
– Verlust der vierten Zehe rechts
– Narbenbildungen
– die im Röntgenbefund genannten Veränderungen
– die im internistischen Gutachten genannten Veränderungen.

Eine Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit bezüglich der angegebenen subjektiven Lendenwirbelsäulenbeschwerden besteht nicht. Im fachinternistischen Zusatzgutachten desselben Instituts Dr. med. F. vom 29.07.2005 wird ausgeführt, dass zur Zeit keine somatischen Unfallfolgen auf dem internistischen Gebiet festzustellen seien. Es beständen lediglich funktionelle Darmbeschwerden, wobei der Verletzte angebe, täglich Bauchkrämpfe zu verspüren, welche sich nach Stuhlentleerungen (vier bis fünf Mal täglich, durchfallartig) besserten. Die Beschwerdesymptomatik sei nicht durch objektive Parameter zu unterlegen aber auch nicht zu widerlegen.

Der Kläger klagt auch über psychische Unfallfolgen, insbesondere über die Familie belastende Stimmungsschwankungen. Er ist wegen Dienstunfähigkeit als Beamter zur Ruhe gesetzt worden.

Der Kläger hält nun ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 € für angemessen, bei Klageerhebung noch von 50.000,– €.

Der Kläger beantragt,

1) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, mit 5 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2) festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, dem Kläger sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Ersatzansprüche aus dem Unfall vom 07.11.2002 gegen 07.00 Uhr in Halle zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen seien oder übergingen.

Aufgrund Streitverkündung sind dem Rechtsstreit die Streithelfer auf Seiten des Klägers beigetreten. Sie unterstützen die Anträge des Klägers.

Die Beklagten beantragten,

die Klage abzuweisen.

Sie gehen von einer Mitverantwortung der Streithelfer für den Unfall aus und berufen sich dafür auf verschiedene unstreitige wie auch streitige Umstände. Ferner sehen sie ein Mitverschulden beim Kläger.

Unstreitig war die Sicht auf die Bahnstrecke für Verkehrsteilnehmer, die die I. Straße benutzten, wegen Bewuchs mit Bäumen und Sträuchern entlang dem Bahnkörper zum Teil unzureichend. Die Überquerung der Schienen unter Beachtung des Vorrangs des Bahnverkehrs mußte „auf Sicht“ erfolgen. Von Seiten der Bahn sind die erforderlichen Sichtflächen in so genannte Quadranten eingeteilt. Auf die vom Eisenbahnbundesamt (EBA) zur Verfügung gestellte Skizze (Blatt 279 der Akten) wird Bezug genommen. Wer von der I. Straße in die Richtung beobachtete, aus der der unfallbeteiligte Triebzug kam, mußte Einsicht nach rechts über den Quadranten IV haben, wenn er den Übergang in der Richtung wie der unfallbeteiligte Schwertransport überqueren wollte. Wer auf der I. Straße den Übergang in der Gegenrichtung benutzen wollte, mußte nach links, über den Quadranten III beobachten. Die Sicht war hier durch Baum- und Strauchbewuchs im Quadranten III derart eingeschränkt, dass die Sicherheit nicht gewährleistet war. Darüber war in der örtlichen Presse wiederholt berichtet worden. Das EBA hatte deshalb nach Überprüfung der örtlichen Verhältnisse einen Tag vor dem Unfall einen Bescheid gegen die Streithelferin zu 1) erlassen, der wegen der Sichtbehinderung im Quadranten III die zulässige Geschwindigkeit der Eisenbahnzüge auf 40 km/h begrenzte, während bis dahin eine Geschwindigkeit von 60 km/h erlaubt war. Der Bescheid war allerdings am Unfalltag noch nicht zugestellt worden. Die Sicht über den Quadranten IV war nach streitiger Behauptung der Klägerin und der Streithelfer – anders die Behauptung der Beklagten – nicht eingeschränkt und betrug unstreitig für den Beklagten zu 1) mindestens 210 Meter.

Die Beklagten sind der Auffassung, die Streithelfer zu 2) und 4) seien wegen mangelnder Freihaltung der Sichtflächen aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht für den Unfall mit verantwortlich, desgleichen die Streithelferin zu 1), da sie nach § 11 Abs. 7 Ziff. 2 der Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung (EBO) verpflichtet gewesen wäre, die zulässige Geschwindigkeit auf der Bahnstrecke auf 20 km/h zu begrenzen.

Für den Bahnübergang war eine Lichtzeichenanlage im Bau. Sie hätte bei Annäherung eines Eisenbahnzuges rotes Blinklicht abgestrahlt. Die Lichtzeichenanlage war im Wesentlichen installiert, aber noch nicht in Betrieb. Die Signallichter waren durch Pappe abgedeckt wie auf dem Foto Blatt 46 der Beiakte sichtbar. Die Beklagten sind der Auffassung, die Abdeckung sei unzureichend gewesen. Die Streithelferin zu 1) wäre nach den Richtlinien des EBA – verpflichtet gewesen, die Signalanlage vollständig zu verhüllen. Insoweit wird auf den Inhalt des Vermerks des EBA vom 22.11.2002 (Anlage 7 zur Klageschrift, Blatt 58 ff. der Akten) Bezug genommen.

Darüber hinaus habe das Andreaskreuz mit zwei Meter Abstand zu nahe an den Gleisen gestanden.

Die Beklagten behaupten, der Kläger habe für die Führung des unfallbeteiligten Triebzuges der Baureihe 644 nicht den erforderlichen Verwendungsnachweis gehabt, sondern nur einen solchen der Baureihe 643. Eine etwaige Kurzeinweisung ohne schriftliche Dokumentation sei unzureichend. Es handele sich um ein Versäumnis, für das die Streithelferin zu 2) einzustehen habe.

Die Streithelferin verweist dem gegenüber auf ihre Stellungnahme vom 30.04.2004 (Blatt 84 der Akten), wonach die Verwendungsprüfung des Klägers auf der Baureihe 643 durchgeführt worden sei; eine besondere Prüfung auf der Baureihe 644 sei nicht erforderlich, da sich die Fahrzeuge in der fahrtechnischen Bedienung nicht unterschieden.

Der Streithelferin zu 3), Kreispolizeibehörde Gütersloh, machen die Beklagten zum Vorwurf, den Unfall mit verursacht zu haben, indem die auflagegemäß zur Begleitung abgestellten Polizeibeamten vorsätzlich gegen die Begleitpflicht verstoßen hätten. Hierzu behaupten die Beklagten, die begleitenden Beamten hätten den Beklagten zu 1) angewiesen, nach Abschluss der Reparatur am Schwertransporter die letzten 150 Meter zur Baustelle ohne Begleitung zu fahren und dann die Polizei zu informieren, damit die Vollsperrung der N.-Straße aufgehoben werden könne. Der Kläger als Triebzugführer hätte die Gefahr früher erkannt, wenn neben dem gelben Rundumlicht auf dem Schwertransporter zusätzlich das polizeiliche Blaulicht vorhanden gewesen wäre.

Eine weitere Verantwortlichkeit der Streithelferin zu 3), des Kreises Gütersloh, und zwar in der Eigenschaft als Straßenverkehrsbehörde, ergebe sich daraus, dass die gemäß § 29 Abs. 3 StVO nebst Verwaltungsvorschrift V Ziff. 2 vorgeschriebene Anhörung der DB Netz AG im Rahmen der Genehmigung des Schwertransportes unterblieben sei. Obwohl die fragliche Genehmigung von der Streithelferin zu 4), Kreis Paderborn, erteilt worden sei, wäre es die Pflicht der mitbeteiligten Straßenverkehrsbehörde des Kreises Gütersloh gewesen, die vorgeschriebene Anhörung der Bahn durchzuführen. Unstreitig hat die DB Netz AG die Streithelferin zu 4) mit Schreiben vom 28.02.2003 unter Bezugnahme auf den streitgegenständlichen Unfall an die Anhörungspflicht eS.rt und ausgeführt, vor Befahren des Bahnübergang wäre eine Streckensperrung von Seiten der Bahn AG erforderlich gewesen. Auf die Kopie dieses Schreibens (Blatt 286 der Akten) wird Bezug genommen.

Die Beklagten halten den Kläger für mitschuldig am Unfall, da er die Schnellbremsung schon 200 Meter vor dem Übergang hätte einleiten müssen, wodurch ein Zusammenstoß vermieden worden wäre. Der Kläger hätte aber bei der Annäherung auch nur eine Geschwindigkeit von höchstens 20 km/h gemäß § 11 Abs. 7 Nr. 2 EBO einhalten dürfen, weil ihm die schlechten Sichtverhältnisse bekannt gewesen seien.

Die Schmerzensgeldvorstellung des Klägers sei überhöht. Es sei auch noch nicht sicher, dass die Schmerzsituation sich nicht bessere.

Von Seiten der Streithelfer wird bestritten, dass die von der Streithelferin zu 3) zur Begleitung des Transports abgestellten Polizeibeamten dem Beklagten zu 1) erklärte hätten, er solle nach erfolgter Reparatur die restliche Fahrstrecke ohne Begleitung fahren. Sie bestreiten ferner, dass die seitliche Lichterführung des Schwertransporters in Funktion gewesen sei. Sie machen geltend, etwaige Sichtbehinderungen im Quadranten III seien für den Unfall nicht ursächlich geworden.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze verwiesen.

Es ist Beweis erhoben worden durch Einholung einer Auskunft des EBA, Außenstelle Essen, vom 14.03.2005. Insoweit wird auf Blatt 255 f. und 267 ff. der Akten Bezug genommen. Die Akten 32 Js 26/03 der Staatsanwaltschaft Bielefeld waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Die darin vorhandenen sowie die im Rechtsstreit zu den Akten gereichten Lichtbilder wurden in Augenschein genommen. Schließlich sind die Zeugen N., W., S., C., H., Q. und M. uneidlich vernommen worden. Wegen des Inhalts der Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.06.2005 (Blatt 341 bis 356 der Akte) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Die Beklagten sind gemäß §§ 7, 11, 18 StVG, 3 PflversG verpflichtet, dem Kläger Schadensersatz einschließlich Schmerzensgeld für die ihm bei dem Unfall am 07.11.2002 zugefügten Verletzungen zu leisten. Denn der Unfall hat sich beim Betriebe des Schwertransporters ereignet, dessen Fahrer der Beklagte zu 1) und dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 2) war. Ein Haftungsausschluss gemäß § 7 Abs. 2 StVG – höhere Gewalt – liegt offensichtlich nicht vor. Der Unfall ist vielmehr durch den Beklagten zu 1) verschuldet worden, und zwar grob fahrlässig.

Der Beklagte zu 1) hat beim Befahren des Bahnübergangs gegen die Vorschriften des § 19 StVO verstoßen. Er hätte den Vorrang des Triebzuges auf dem mit Andreaskreuz gesicherten Übergang beachten müssen. Wenn ein Bahnübergang nicht zügig und ohne Aufenthalt überquert werden kann, muss vom Überqueren Abstand genommen werden, solange nicht durch Verständigung mit dem Bahnbetreiber sichergestellt ist, dass während der verlängerten Überfahrtzeit kein Zugverkehr zu erwarten ist. Bei einem unbeschrankten Bahnübergang muss sich der Straßenverkehrsteilnehmer durch Einsicht auf die Bahnstrecke davon überzeugen, dass innerhalb der Zeit, die er zur Überquerung benötigen wird, kein Zug den Übergang erreicht. Dazu müssen die überschaubare Bahnstrecke und die Zeit, die ein Zug dafür benötigen wird, sowie die eigene Überquerungszeit abgeschätzt werden. Die Überquerungsstrecke pflegt dabei kurz im Verhältnis zur einsehbaren Bahnstrecke zu sein und die Überquerungszeit entsprechend gering.

Es muss aber jedem einleuchten, dass bei einer Überquerungszeit von mehr als zwei Minuten absolut keine zügige Überquerung gegeben ist und ohne Kenntnis des zu erwartenden Zugverkehrs es allein vom Zufall abhängt, ob es zu einem Unfall, wenn nicht zu einer Katastrophe, kommt. Der Beklagte zu 1) benötigte bei seiner äußerst geringen Geschwindigkeit von 29,17 cm pro Sekunde allein für die Länge seines Zuges von 35 Meter 120 Sekunden. Rechnet man für die Breite des Bahnkörpers nur drei Meter hinzu, benötigte er mehr als zwei Minuten und zehn Sekunden, um den engsten Gefahrenbereich zu durchqueren. Die einsehbare Strecke über den Quadranten IV betrug wenige 100 Meter, was ersichtlich überhaupt nicht ausreichte, das Erscheinen eines Zuges am Bahnübergang innerhalb der Überquerungszeit auszuschließen. Nachvollziehbar ist dies unter anderem anhand der von den Beklagten zur Akte gereichten Lichtbilder (Anlage zum Schriftsatz vom 15.03.2005, Blatt 261 der Akten). Der dort eben erkennbare Zug ist nach Angabe der Beklagten ca. 300 Meter entfernt.

Dem Beklagten ist zu unterstellen, dass ihm der Transportgenehmigungsbescheid des Landrats des Kreises Paderborn, wonach die Transportgenehmigung um 06.00 Uhr endete, inhaltlich bekannt war. Er hat auch nichts anderes vorgetragen. Er mußte also mit Eisenbahnverkehr rechnen. Das gilt um so mehr, als bis gegen 07.00 Uhr bereits mehrere Eisenbahnzüge die Strecke und den Übergang befahren hatten, was dem Beklagten zu 1) schlechterdings nicht entgangen sein kann. Der Versuch des Beklagten zu 1), mit dem Schwertransport im Kriechtempo den Bahnübergang zu befahren, war unverantwortlich, ein reines Glücksspiel und grob fahrlässig.

Die wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Fragen des Rechtsstreits beziehen sich darauf, ob die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten wegen eigenen Mitverschuldens oder aus sonstigen Gründen, insbesondere wegen gesamtschuldnerischer Haftung der Streithelfer bei gesperrtem Rückgriff gemäß § 426 Abs. 2 BGB zu kürzen sind.

1.

Ein Mitverschulden des Klägers, das seine Ansprüche gemäß §§ 9 StVG mindern würde, ist zu verneinen.

Die Beklagten machen geltend, der Kläger habe die Schnellbremsung des Zuges nicht frühzeitig genug betätigt, obwohl dies möglich gewesen wäre und den Unfall verhindert hätte. Richtig ist, dass zumindest theoretisch eine rechtzeitige Abbremsung des Zuges möglich gewesen wäre. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Mx. des Eisenbahnbundesamtes vom 19.11.2002 (Blatt 48 ff. der Beiakte) und vom 14.03.2005 (Blatt 267 ff. der GA). Die Fahrtverlaufsauswertung anhand der automatischen Aufzeichnung des Triebzuges lassen erkennen, dass dieser zunächst eine Geschwindigkeit von 57 km/h einhielt, die bei Annäherung an den Bahnübergang geringfügig auf 56 km/h sank. Bei dieser Geschwindigkeit wurde eine Schnellbremsung wirksam, erkennbar am Abriss der sogenannten L-Linie, die der Datenspeicher aufgezeichnet hatte. Bei einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h riss die Aufzeichnung „Führerstand 2“ ab, mutmaßlich bedingt durch den Aufprall. Bis zum Aufprall legte der Zug mit wirkender Schnellbremse ca. 55 Meter zurück. Bis zum Wirksamwerden der Schnellbremsung verging eine Zeit von ca. drei Sekunden, zusammengesetzt aus den Zeiten für Reaktion des Klägers, Heranziehen des Bremsventils und Füllen der Bremszylinder. Diese drei Sekunden legte der Zug noch ungebremst zurück, entsprechend einer Strecke von ca. 48 Meter. Der Weg des Zuges, der mit wirkender Bremse bis zur Kollision zurückgelegt wurde, betrug ca. 55 Meter. Der Kläger reagierte somit auf die Gefahr, als der Zug sich dem Übergang bis auf 103 Meter (55 Meter und 48 Meter) genähert hatte. Der reine Bremsweg bis zum Stillstand hätte ohne den Anprall 112 Meter betragen, der sogenannte Anhalteweg war 48 Meter länger, mithin 160 Meter. Die Sichtmöglichkeit des Klägers auf den Bahnübergang betrug mehrere 100 Meter, was jedoch noch nichts über die Wahrnehmbarkeit angesichts der herrschenden Licht- und Witterungsverhältnisse besagt.

Nach den Aussagen der Zeugen waren die Sichtverhältnisse ausgesprochen schlecht, es war dämmrig, neblig, leichter Nieselregen, alles erschien grau in grau. Dies ist auch noch auf den polizeilichen Lichtbildern nach dem Unfall (Blatt 19 ff. der Beiakten) eindrucksvoll zu sehen.

Der Kläger war als Zugführer nicht verpflichtet „auf Sicht“ zu fahren, wohl aber aufmerksam zu sein und auf eine erkennbare Gefahr zu reagieren. Ihm präsentierte sich aus der Entfernung ein Bild, das sich anhand der bereits genannten polizeilichen Unfallfotos nachvollziehen läßt. Der Schienenstrang war beim Bahnübergang durch einen grauen massiven Betonträger blockiert. Dieser wies allerdings Löcher auf, die das Erscheinungsbild auflockerten. Bei dem herrschenden diesigen Wetter, von Zeugen gekennzeichnet mit den Worten „grau in grau“, mußte sich der Betonträger für den Kläger aus der Distanz ausgesprochen schlecht abzeichnen.

Die vernommenen Zeugen hatten trotz der Vollsperrung die N.-Straße befahren und zwar in gleicher Richtung wie der Triebzug. Die Straße verlief parallel zum Schienenstrang. Die Zeugen haben die Sichtbarkeit des Betonträgers unterschiedlich angegeben. Die Zeugin W. will ihn aus 400 bis 500 Meter Entfernung erkannt haben. Der Zeuge Renne erst auf 50 bis 100 Meter, der Zeuge C. schätzte 300 Meter, nach seiner Aussage in der Ermittlungsakte jedoch nur 200 Meter. Zu beachten ist dabei, dass die Aufmerksamkeit der Zeugen schon deshalb geschärft war, weil sie nach dem Grund der Vollsperrung der Straße Ausschau hielten und auch das eine oder andere Licht wahrnehmen konnten, mit dem der Transport gesichert war. Eine solche Wahrnehmbarkeit von Lichtern gab es für den Kläger höchstwahrscheinlich nicht. Jedenfalls lassen die Zeugenaussagen nicht den Schluss zu, dass dem Kläger eine verspätete Reaktion vorzuwerfen ist, wenn er erst in einem Abstand von 103 Meter vor dem Übergang reagierte.

Die Lichtführung des Schwertransports war aus Sicht des Klägers ausgesprochen ungünstig. Denn die Zugmaschine des Schwertransporters, auf der sich ein gelbes Rundumlicht (Springlicht) befand, hatte den Bahnübergang schon vollständig passiert, und zwar so weit, dass es für den Kläger beim Blick entlang den Bahnschienen nicht mehr sichtbar war. Die Sicht wurde behindert durch Bäume und Strauchwerk und zwar nicht nur im Quadranten III, sondern auch darüber hinaus. Der Quadrant hat keine Länge von 160 Meter und mehr. Die Art der Sichtbehinderung ist aus den polizeilichen Lichtbildern Blatt 20 und 25 der Beiakte nachvollziehbar.

Die vorgesehene Lichterführung ist aus der Skizze Blatt 100 der Beiakte ersichtlich. Es gab noch eine weitere Rundumleuchte mit gelbem Springlicht und zwar ganz hinten auf dem Nachläufer. Sie strahlte ihr Licht praktisch nicht zur Seite ab, sondern nur nach hinten und war äußerst niedrig montiert. Die Position der hinteren Rundumleuchte ist aus den Lichtbildern, Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 06.05.2005, hinten im Aktenband 1, sowie bei genauer Betrachtung auch auf den Lichtbildern Blatt 23 der Beiakte erkennbar. Das Heck des Nachläufers befand sich zum Unfallzeitpunkt noch nicht auf dem Bahnübergang. Auch das ist aus den polizeilichen Fotos klar ersichtlich. Eine Sichtbarkeit des Rundumlichts für den Kläger bestand nicht. Zwischen den Parteien umstritten ist, welche seitliche Lichterführung am Nachläufer des Schwertransports vorhanden war. Das Lichtbild Blatt 22 der Beiakte läßt seitlich lediglich gelbe Rückstrahler erkennen. Unter dem Betonträger selbst waren nach den Lichtbildern in der Anlage zum Schriftsatz vom 06.05.2005 eine Reihe tief hängender Licht befestigt. Ob das auch beim unfallbeteiligten Schwertransport so war, hat sich durch die Beweisaufnahme nicht klären lassen. Die Zeugen haben jedenfalls solche Lichter am und unter dem Betonträger nicht wahrgenommen. Sie dienen auch, anders als die Rundumleuchten, nicht dem Zweck, auf größere Entfernung sichtbar zu sein, vielmehr handelt es sich um Positionsleuchten, die weder bestimmt noch geeignet sind, auf 100 Meter oder mehr wahrgenommen zu werden. Das Gericht geht nach allem davon aus, dass den Kläger kein Mitverschulden trifft, zumindest ist ein solches nicht erwiesen, so dass sich die Beklagten darauf nicht berufen können.

Verfehlt ist das Vorbringen der Beklagten, dem Kläger sei im Hinblick auf § 11 Abs. 7 Nr. 2 EBO vorzuwerfen, mit mehr als 20 km/h gefahren zu sein. Die Bestimmung besagt, dass die Geschwindigkeit der Züge auf 20 km/h zu begrenzen ist bei fehlender Übersicht auf die Bahnstrecke. Zum einen gab es hier nur eine eingeschränkte Übersicht im Quadranten III, von der aber keineswegs feststeht, dass die Übersicht vollständig fehlte, zum anderen wäre es eine Überforderung des Klägers, ihn für die Einhaltung der Vorschriften der Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung verantwortlich zu machen.

Ausführungen zur etwaigen Mitwirkung der Betriebsgefahr des Triebzuges auf den Klageanspruch werden unten zu Ziff. 7 erörtert. v 2.

Die Beklagten halten die Streithelfer zu 1) und 4), DB Netz AG und Stadt Halle, für mitverantwortlich am Unfall, weil sie nicht alle Sichtflächen am Bahnübergang von Bewuchs freigehalten haben. Hierdurch könnten sie fahrlässig gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen haben mit der Folge, dass auch sie zusammen mit den Beklagten dem Kläger gemäß § 823 BGB zum Schadensersatz verpflichtet wären, wenn nicht diese Ansprüche gemäß § 46 Beamtenversorgungsgesetz und §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen wären. Die genannten Vorschriften hindern eine Inanspruchnahme des Dienstherrn des Klägers und sämtlicher anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherren im Geltungsbereich des Gesetzes, und zwar mit Rücksicht darauf, dass der Dienstherr dem Kläger Unfallfürsorge gewährt. Dies würde zu einer Rückgriffssperre führen und nach den Regeln des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs zu einer Einschränkung der Klageansprüche (vgl. BGHZ 61, 51; BGH NJW 1996, 2023; BGH in Versicherungsrecht 1985, 763; Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 426 Rdnr. 14 und 19). Eine gesamtschuldnerische Mithaftung der Streithelfer zu 1) und 4) aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht mit den genannten Folgen für den Klageanspruch entfällt jedoch schon von vornherein deshalb, weil eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht mit Schadenfolge für den Kläger nicht vorliegt. Die Sicht im Quadranten III war zwar eingeschränkt, so dass zwar keine Geschwindigkeitsbegrenzung für Eisenbahnzüge auf 20 km/h angezeigt war, wohl aber auf 40 km/h, wie sie das Eisenbahnbundesamt einen Tag vor dem Unfall angeordnet hatte. Die Anordnung beruhte aber allein auf der eingeschränkten Sicht im Quadranten III, auf die es für den Schwertransport der Beklagten nicht ankam. Für den Beklagten zu 1) war vor Befahren des Bahnübergangs die Sicht im Quadranten IV maßgeblich. Diese war nicht eingeschränkt. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen des Zustandes des Quadranten III wirkte sich auf die Sicherheit des Verkehrs aus Richtung N.-Straße über den Bahnübergang nicht aus. Wegen fehlender Kausalität hätte der Kläger auch dann keine Schadensersatzansprüche gegen die Streithelfer zu 1) und 4), wenn es keine Einschränkungen aus dem Beamtenversorgungsgesetz oder dem Sozialgesetzbuch gäbe. Die eingeschränkte Sicht im Quadranten III führt deshalb nicht dazu, dass der Schadensersatzanspruch des Klägers zu kürzen ist.

3.

Der Umstand, dass die installierte, aber noch nicht in Betrieb genommene Lichtzeichenanlage nicht vollständig verhüllt war, ist für das Unfallgeschehen ohne Bedeutung, da es sich nicht ausgewirkt hat. Es waren runde Pappscheiben vor den Lichtaustritt gesetzt. Diese ließen jedenfalls aus kürzerer Distanz leicht erkennen, dass es sich um Abdeckungen handelte und mithin die Anlage nicht in Betrieb war. Dem Beklagten zu 1), der sich mit äußerst geringer Geschwindigkeit dem Übergang näherte, kann dies nicht verborgen geblieben sein. Optimal war die Art der Abdeckung freilich nicht. Unter Umständen und insbesondere bei Benutzung des Übergangs durch schnell fahrende Fahrzeuge hätte möglicherweise aus größerer Distanz der Eindruck entstehen können, die Lichtzeichenanlage sei betriebsbereit jedoch ein aktuelles Blinklicht nicht vorhanden, es sei demnach nicht mit Zugverkehr zu rechnen. So waren die Umstände hier nicht und der Beklagte zu 1) hat sich darauf auch nicht in substantiierter Form berufen.

Mit Recht weisen die Streithelfer aber auch darauf hin, dass angesichts der extrem langen Überquerungszeit des Schwertransports auch eine bereits in Betrieb gesetzte Lichtzeichenanlage hier nicht hilfreich gewesen wäre. Denn bei Überquerungsbeginn war der Triebzug noch weit entfernt, nach realistischer Berechnung des Anwalts der Beklagten selbst noch 1.040 Meter (Blatt 495 der Akten). In zeitlicher Hinsicht war er damit noch gut eine Minute entfernt. So frühzeitig vor Erscheinen des Zuges springt aber das rote Blinklicht nicht an. Nach Behauptung der Streithelfer wird das Blinklicht nicht früher als 45 Sekunden vor Ankunft des Zuges am Bahnübergang durch ein Kontaktsignal ausgelöst. Die Beklagten bestreiten die Richtigkeit, jedoch ist gerichtsbekannt, dass eine Minute und mehr an Vorlaufzeit nicht üblich ist. Beispielhaft kann auf die Entscheidung des OLG Celle (NZV 1988, 22) verwiesen werden. Im dortigen Fall erfolgte die Auslösung des Lichtsignals bei einer Entfernung des Zuges vom Bahnübergang von 1.285 Meter. Für den Zug war eine Geschwindigkeit von 100 km/h erlaubt, woraus sich eine Vorlaufzeit von etwa 46 Sekunden ergibt.

Unerheblich ist auch, ob das Andreaskreuz mit zwei Meter zu dicht am Bahnkörper stand. Wer, wie der Beklagte zu 1) erhöht sitzend, die Bahnstrecke beobachtete, konnte und mußte sich von dem Punkt aus Übersicht verschaffen, der dafür am geeignetsten war, nicht notwendigerweise unmittelbar vor dem Andreaskreuz stehend.

4.

Auch der fehlende schriftliche Verwendungsnachweis dafür, dass der Kläger Triebzüge der Baureihe 644 sicher bedienen konnte, gehört zu den Einwendungen, die keine konkrete, nachvollziehbare Auswirkung auf das Unfallgeschehen gehabt haben. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass der Kläger wegen Unkenntnis der Baureihe etwa verspätet reagiert haben könnte. Dafür spricht auch weder eine Vermutung noch ein Anscheinsbeweis. Ferner haben die Streithelfer unwiderlegt vorgetragen, dass die Prüfung des Klägers für die Verwendung auf der Baureihe 643 ausreichend war, weil die Bedienung des Zuges im Fahrbetrieb identisch war.

5.

Was die mangelnde Polizeibegleitung des Transport zur Unfallzeit betrifft, ist zwar streitig, ob die Polizeibeamten den Beklagten zu 1) angewiesen hatten, er solle nach erfolgter Reparatur die restliche Fahrstrecke unbegleitet zurücklegen. Allerdings spricht die vorgenommene Sperrung der N.-Straße und der Auftrag, sich dann zu melden, damit die Sperrung wieder aufgehoben werden könne, sehr für die Richtigkeit der entsprechenden Behauptung des Beklagten zu 1). Hieraus leiten die Beklagten eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung der Beamten des Kreises Gütersloh im Sinne des § 839 BGB her mit der Folge der gesamtschuldnerischen Schadensersatzpflicht des Kreises Gütersloh gegenüber dem Kläger und der weiteren Folge der Einschränkung der Klageansprüche wegen Störung des Gesamtschuldnerausgleichs.

Dem kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Zum einen liegt bei richtiger Betrachtung schon objektiv keine Amtspflichtverletzung vor. Aus dem Transportgenehmigungsbescheid des Landrats des Kreises Paderborn, Streithelfer zu 5), ergab sich zwar ein Ersuchen um Polizeibegleitung, das, wenn es nicht etwa rechtzeitig abgelehnt wurde, zu einer entsprechenden Amtspflicht führte. Dem Ersuchen war aber nicht zu entnehmen, dass es Aufgabe der begleitenden Polizeibeamten sein sollte, die Sicherung des Transports vor den Gefahren des Bahnverkehrs wahrzunehmen. Diese Sicherung konnte nur durch eine Streckensperrung seitens des Bahnbetreibers erfolgen. Die Polizeibeamten konnten nicht davon ausgehen, ihnen sei die Aufgabe zugewiesen, ggfls. mit dem Blaulicht des Einsatzfahrzeuges einen herannahenden Zug aufzuhalten. Gemäß § 29 Abs. 3 StVO in Verbindung mit V Ziff. 2 der Verwaltungsvorschrift hatte die Transportgenehmigungsbehörde die Bahnverwaltung anzuhören mit der Folge, dass eine Streckensperrung veranlaßt worden wäre. Bestand die Amtspflicht der Polizeibeamten aber nicht in der Sicherung vor den Gefahren des Bahnverkehrs, so konnten sie bei der eingetretenen besonderen Sachlage – der Transport war für längere Zeit liegen geblieben – auch eine alternative Maßnahme anstelle einer Begleitung treffen, nämlich in Form der Sperrung der N.-Straße für den allgemeinen Fahrverkehr.

Zum anderen war die Begleitpflicht zur Unfallzeit ohnehin erloschen. Der Schwertransport war genehmigt zur Durchführung bis 06.00 Uhr. Ein Ersuchen, außerhalb dieser Zeit Begleitdienste zu leisten, bestand nicht. Bei Ablauf der genehmigten Zeit um 06.00 Uhr stand der Transport unbewegt am Straßenrand der N.-Straße. Die Begleitpflicht ruhte. Sie lebte auch nicht dadurch wieder auf, dass der Beklagte zu 1) gegen 07.00 Uhr ohne Genehmigung den Transport fortsetzte. Wollte man abweichend hiervon eine grundsätzliche Begleitpflicht auch nach 06.00 Uhr morgens annehmen, so hätten die Polizeibeamten dagegen jedenfalls nicht vorsätzlich verstoßen, weil ihnen zugestanden werden mußte, bei besonderen Umständen – Stillstand des Transport über längere Zeit – die Amtspflicht selbst auszulegen. Sie haben das in vertretbarer Weise getan, unter der zutreffenden Prämisse, dass ihnen nicht die Abwehr der Gefahren aus dem Bahnverkehr oblag. Eine etwaige fahrlässige Amtspflichtverletzung der Beamten würde nicht zu einer gesamtschuldnerischen Mithaftung für die Schadensersatzansprüche des Klägers führen, da das Haftungsprivileg gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB eingriffe. Für den Kläger besteht eine anderweitige Ersatzmöglichkeit durch die Inanspruchnahme der Beklagten.

Das Haftungsprivileg gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt allerdings nicht bei Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch öffentliche Dienststellen. Soweit den Beamten aber eine Sicherung des Schwertransports oblag, handelte es sich nicht um eine Verkehrssicherungspflicht, sondern nur um Maßnahmen der Gefahrenabwehr. Diese ist von der Verkehrssicherungspflicht desjenigen zu unterscheiden, der selbst eine Gefahrenquelle eröffnet.

6.

Mitursächlich für den Unfall war, dass die Behörde, die den Schwertransport genehmigt hat (die Streithelferin zu 5) oder die daran beteiligt war (die Streithelferin zu 3), es entgegen § 29 Abs. 3 StVO nebst VwV V 2 unterlassen hat, die DB Netz AG anzuhören. Hierbei handelte es sich um ein schwerwiegendes Versäumnis, allein schon deshalb, weil die Genehmigung die Zeit bis 06.00 Uhr morgens umfaßte, obwohl der Zugverkehr auf der Bahnstrecke schon kurz nach 05.00 Uhr einsetzte. Maßgeblich war aber auch nicht allein der Fahrplan, da auch mit außerplanmäßigen Schienenfahrzeugen zu rechnen ist. Die zeitweilige Sperrung der Bahnstrecke war unerläßlich und wäre durch Kommunikation zwischen dem Transportführer, evtl. über die Speditionszentrale in Paderborn, mit dem zuständigen Fahrdienstleiter der Bahn erfolgt. Wäre diese Kommunikation organisatorisch vorbereitet gewesen, wäre der Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden worden.

Die Behörden in Paderborn und in Gütersloh oder eine von ihnen haben daher eine auch dem Kläger gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt, wobei von Fahrlässigkeit auszugehen ist. Der Kläger kann sie jedoch nicht gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, weil wiederum nur eine subsidiäre Haftung (Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift) besteht. Von daher fehlt es an einer Gesamtschuld in Bezug auf die Ersatzansprüche des Klägers, eine etwaige Rückgriffssperre gemäß § 46 Beamtenversorgungsgesetz entfällt.

In der Literatur ist allerdings vertreten worden, für die interne gesamtschuldnerische Ausgleichshaftung habe das Haftungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 außer Betracht zu bleiben (vgl. hierzu Papier in MK BGB, 4. Aufl., § 839 Rdnr. 305 m.w.N.). Dies hätte zur Folge, dass der Kläger mit Rücksicht auf die aus § 46 Beamtenversorgungsgesetz folgende Rückgriffsperre einer bestimmten Quote seiner Ansprüche verlustig ginge. Der erwähnten Literaturmeinung ist die herrschende Lehre jedoch bisher nicht gefolgt. Dabei sollte es bis zu etwaiger höchstrichterlicher Rechtsfortbildung bleiben.

7.

Schließlich sind die Ersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagten auch nicht geschmälert durch eine Anrechnung der Betriebsgefahr des von ihm geführten Triebzuges.

Zunächst fehlt es im Haftpflichtgesetz an einer dem § 18 StVG entsprechenden Norm. Eine Anrechnung der Bahnbetriebsgefahr käme nur in Betracht, wenn auf Seiten des Klägers eine für den Schaden mitursächliche Betriebsgefahr vorläge, die ihn seinerseits haften ließe, wenn er einen Schaden verursacht hätte (vgl. Geigel – Rixe, der Haftpflichtprozess 23. Auflage, Seite 48 Rdnr. 42).

Dennoch kann es im Ergebnis zu einer Einschränkung der Ansprüche des Klägers in Höhe eines etwaigen Haftungsanteils der Bahn, wiederum nach den Regeln über den gestörten Gesamtschuldnerausgleich, kommen. Die Haftpflicht des Bahnbetreibers nach dem Haftpflichtgesetz schließt auch Schäden ein, die aufgrund der Betriebsgefahr dem Zugführer entstehen. Ohne die sperrenden Vorschriften gemäß § 46 Beamtenversorgungsgesetz, §§ 104 ff. SGB VII. könnte der Kläger auch die Bahnbetreiber, Streithelfer zu 1) und 2), in Anspruch nehmen. Die Rückgriffssperre führte dazu, dass die Beklagten dem Kläger insoweit keinen Schadensersatz zu leisten hätten, als unter den beteiligten Gesamtschuldnern der Betreiber der Eisenbahn zu einer bestimmten Quote zu beteiligen wäre. Da der Schaden bei dem Zusammenstoß zwischen einem Kraftfahrzeug und einer Eisenbahn entstanden ist, hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes nach § 17 Abs. 1 und 4 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Es ist deshalb erforderlich, die Unfallursachen gegeneinander abzuwägen, also einerseits die Betriebsgefahr des Triebzuges, andererseits diejenige des Schwertransports und seiner Fahrweise. Die Betriebsgefahr der Bahn, soweit sie zum Unfall beigetragen hat, war insofern nicht gering, als sich der Unfall auf einem unbeschrankten Bahnübergang ereignet hat. Es ist aber bereits ausgeführt, dass die Sichtbehinderung im Quadranten III und die noch nicht vorhandene Betriebsbereitschaft der Lichtzeichenanlage keine Auswirkung auf das Unfallgeschehen gehabt haben. Dem steht die immens erhöhte Betriebsgefahr des Schwertransports gegenüber, der von dem Beklagten unverantwortlich und auf gut Glück über den Bahnübergang gesteuert wurde. Bei einem so starken Überwiegen der Verursachung durch das Kraftfahrzeug ist es gerechtfertigt, die Betriebsgefahr der Bahn ganz zurücktreten zu lassen (vgl. BGH in VersR 1986, 708, OLG Celle NZV 1988, 22; ferner auch BGH in VRS 19, S. 405, wo allerdings noch eine Mithaftung der Bahn zu 1/6 angenommen wird).

Die Einwendungen der Beklagten haben sich dem Grunde nach als nicht tragfähig erwiesen.

Das dem Kläger zustehende Schmerzensgeld hat insbesondere Kompensations- und Genugtuungsfunktion. Letztere Funktion kann hier nicht vernachlässigt werden, weil dem Kläger die Verletzungen grob fahrlässig zugefügt worden sind. Darüber hinaus wiegen die Schmerzen und insbesondere Dauerfolgen, die der Kläger erleiden und hinnehmen mußte, schwer. Die Rettungsaktion mit akuter Lebensgefahr und Notamputation vor Ort stellte eine außergewöhnliche Belastung dar. Der Kläger hat den linken Vorfuß verloren, ferner das Endglied der rechten großen Zehe und die vierte Zehe rechts. Das linke Bein ist verkürzt, die Muskeln gemindert. Der Kläger hat längere Zeit in Lebensgefahr geschwebt, die Bauchhöhle war schwer getroffen. Er ist nunmehr auf Dauer behindert und wegen Dienstunfähigkeit aus seinem Beruf ausgeschieden. Unter diesen Umständen hält das Gericht den klägerseitig vorgestellten Schmerzensgeldbetrag von 75.000,00 € für gerechtfertigt.

Dasselbe gilt für den Feststellungsantrag. Er ist gemäß § 256 ZPO zulässig, da die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Fehl geht die Ansicht der Beklagten, dass nach § 87 a des für den Kläger anwendbaren Bundesbeamtengesetzes dem Kläger allenfalls Schmerzensgeld zusteht und er im Übrigen nicht aktivlegitimiert sei. § 87 a BBG bestimmt lediglich, dass Ersatzansprüche des Beamten insoweit auf den Dienstherrn übergehen, als dieser mit Rücksicht auf eine Aufhebung der Dienstfähigkeit oder infolge einer Körperverletzung zur Gewährung von Leistungen verpflichtet ist. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass die Versorgungsleistungen, die der Kläger erhält, seine Schadensersatzansprüche nach § 7 StVG voll abdecken. In der Regel bleibt die Beamtenversorgung bei Dienstunfähigkeit hinter dem zurück, was der Beamte ohne den Unfall an Bezügen erzielt hätte. Dem Anspruchsübergang hat der Kläger auch innerhalb des Feststellungsantrags Rechnung getragen.

Der Zinsanspruch des Klägers im Hinblick auf das zugesprochene Schmerzensgeld besteht in gesetzlicher Höhe ab Rechtshängigkeit (§§ 288, 291 BGB).

Die Entscheidungen über die Kosten und über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91, 101 Abs. 1 und 709 ZPO.

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