AG Kandel, Urteil vom 29.06.2009 – 1 C 5/09
1. Das dauerhafte Aufstellen von 161 Bienenvölkern im Außenbereich stellt eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 BGB dar, wenn für diese Anzahl von Bienenvölkern während der Vegetationsphase kein dauerhaftes und ausreichendes Trachtangebot vorhanden ist (Rn.21)(Rn.23).
2. Wenn die Haltung von 161 Bienenvölkern im Außenbereich nicht ortsüblich ist, muss das Aufstellen von bis zu 25 Bienenvölkern von Grundstücksnachbarn geduldet werden (Rn.26).
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, auf den Grundstücken Flst.Nr. … und … der Gemarkung M. in H. es zu unterlassen, mehr als 25 Bienenvölker aufzustellen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die auf den Grundstücken Flst.Nr. … und …der Gemarkung M. in H. über ein Anzahl von 25 hinausgehenden Bienenvölker zu beseitigen.
3. Die auf den Flurstücken Nr. .. und … verbleibenden Bienenvölker sind soweit wie möglich von der Grenze zum Flurstück Nr. … entfernt aufzustellen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 15 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 85 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgegner vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wochenendhaus bebauten Grundstücks mit der Flst.Nr. … sowie dies als Obst- und Gemüsegarten genutzten Grundstücks mit der Flst.Nr. …in Gemarkung M. von H.. Die Beklagte zu 2) ist Eigentümerin der beiden unmittelbar hieran nördlich angrenzenden Grundstücke mit den Flst.Nr. … und ….
2
Der Beklagte zu 1) ist Berufsimker und unterhält einen gewerblichen Imkerbetrieb mit Sitz in B.. Er hat die beiden Flurstücke Nr. … und … von der Beklagten zu 2) gepachtet und dort Bienen aufgestellt. Zumindest seit Juli/August 2008 sind Bienen auch direkt an der Grenze zum Grundstück des Klägers aufgestellt. Der Beklagte zu 1) nutzt die beiden Flurstücke als Winter- und Wanderplatz und hat dort durchschnittlich 170 Völker aufgestellt.
3
Der Kläger ließ den Beklagten mehrfach auffordern, die Bienenvölker zu beseitigen, jedoch ohne Erfolg. Lediglich in der Zeit vom 14.06.2008 bis Ende Juli/Anfang August 2008 waren die Bienenvölker abgewandert.
4
Im Außenbereich von H. werden auch an anderen Orten Bienen gehalten. Auf dem unmittelbaren Nachbargelände zu den streitgegenständlichen Geländen, der Flurst.Nr. … der Familie H. werden 15 bis 20 Bienenvölker gehalten, die offensichtlich von einem Mitarbeiter des Beklagten zu 1) betreut werden.
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Der Kläger trägt vor,
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er sei schon mehrfach von Bienen gestochen worden. Die Bienenvölker seien nicht sanftmütig sondern stechfreudig.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die auf den GrundstückenFlst.Nr. … und … der Gemarkung M. in H. aufgestellten Bienenstöcke zu beseitigen
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ferner
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die Beklagten zu verurteilen, es künftig zu unterlassen, auf den GrundstückenFlst.Nr. … und … der Gemarkung Mittelrhein in H. Bienenstöcke aufzustellen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten tragen vor,
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die Bienenhaltung auf den streitgegenständlichen Flurstücken sei durch das Veterinäramt der Kreisverwaltung G. genehmigt. Je nach Trachtbedingungen befänden sich dort mehr oder weniger Bienenvölker. Der Platz werde auch als Ausgangspunkt für weitere Bienenwanderungen benutzt.
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Das Wochenendhaus des Klägers auf seinem Grundstück sei baurechtlich nicht genehmigt. Mögliche Bienenstiche rührten nicht von den Bienen des Klägers her.
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Das Gericht hat in der Sitzung vom 06.04.2009 den Kläger und den Beklagten zu 1) angehört. Es hat ferner einen Ortstermin durchgeführt.
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Ergänzend wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze einschließlich ihrer Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig. Ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 a Landesschlichtungsgesetz Rheinland-Pfalz ist nicht erforderlich, da es sich hier um mögliche Einwirkungen gemäß § 906 BGB durch einen gewerblichen Betrieb handelt. Ausweislich der Aussage des Beklagten zu 1) ist dieser als Berufsimker gewerblich tätig. Im Übrigen ist bei einer Bienenhaltung von deutlich mehr als 100 Bienenvölkern an einem Ort von einer gewerbsmäßigen Bienenhaltung auszugehen. Zwar ist der Begriff der Gewerbsmäßigkeit in der Bienenhaltung nicht einheitlich. Es gibt insoweit Unterschiede zwischen dem Begriff des Gewerbes im Baurecht sowie im Sozialversicherungsrecht und im Steuerrecht. Einhellig geht jedoch die Rechtsprechung in allen den vorgenannten Rechtsgebieten davon aus, dass bei einer Bienenhaltung mit deutlich mehr als 100 Bienenvölkern von einer Gewerbsmäßigkeit auszugehen ist. Insoweit ist hier von einer gewerbsmäßigen Beeinträchtigung auszugehen, so dass eine außergerichtliche Streitschlichtung vor einer staatlichen Schiedsperson nicht erforderlich ist.
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Die Klage ist überwiegend begründet. Dem Kläger steht gemäß §§ 1004, 906 BGB gegenüber den Beklagten ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch zu. Das Eigentum des Klägers wurde im vorliegenden Fall in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorbehaltung des Besitzes beeinträchtigt, so dass der Kläger von den Beklagten als Störern die teilweise Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann (§ 1004 Abs. 1 BGB).
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Gemäß § 906 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehenden Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als sie die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist seit langer Zeit anerkannt, dass Bienenanflug eine „ähnliche“ Einwirkung im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB ist (vgl. BGHZ 117, S. 110 ff). Ein Grundstückseigentümer muss den Bienenflug dann dulden, wenn dadurch sein Grundstück nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird.
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Im vorliegenden Fall hat der Ortstermin ergeben, dass auf den Flurstücken Nr. …und … 161 Bienenvölker standen. Hierin liegt nach Überzeugung des Gerichts eine wesentliche Beeinträchtigung.
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Üblicherweise findet heutzutage Bienenhaltung im Außenbereich statt. Dies insbesondere deshalb, weil regelmäßig die Trachtbedingungen im Außenbereich für Bienen besser sind als im bebauten Innenbereich. Auch wenn zunehmend feststellbar ist, dass Imkerei auch in Städten oder Großstädten betrieben wird, so ist jedoch eine Berufsimkerei mit einer hohen Völkerzahl nur im Außenbereich möglich. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit einhergehend Bienenhaltung in jedem Umfang geduldet werden muss. In der Bundesrepublik Deutschland hält der Durchschnittsimker zwischen 5 und 10 Völkern. Bienenhaltung mit mehr 20 Völkern ist eher die Ausnahme. Bienenhaltung mit mehr als 100 Völkern wird nur von vergleichsweise wenigen Imkern betrieben.
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Bei der Feststellung, ob es sich um eine wesentliche oder unwesentliche Beeinträchtigung handelt, ist auch darauf abzustellen, ob die Bienenhaltung die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte nicht überschreitet. Entsprechende gesetzliche Regelungen existieren indes nicht. Auch die Tatsache, dass für die Bienenwanderung durch den zuständigen Bienenseuchensachverständigen bzw. das Veterinäramt Zeugnisse ausgestellt werden, rechtfertigt nicht von einer Genehmigung auszugehen. Eine Genehmigung der Bienenhaltung muss weder beantragt werden, noch wird eine behördliche Genehmigung erteilt. Es besteht lediglich eine Anzeigepflicht, jedoch nicht eine Genehmigungspflicht. Insoweit kommt es auf die Beeinträchtigung insgesamt an. Maßgeblich ist insoweit das Empfinden eines verständigen Durchschnittbetrachters. Dieser wird hierbei berücksichtigen, ob üblicherweise in diesem Umfang Bienen gehalten werden. Dies ist eindeutig zu verneinen. Das Aufstellen von weit über 100 Bienenvölker an einem Ort ist bestenfalls dann anzuraten, wenn entsprechende Trachtverhältnisse vorhanden sind. Dies ist im vorliegenden Fall zu verneinen. Zwar herrschen offensichtlich im Frühjahr in Hagenbach ausreichenden Trachtverhältnisse für eine Bienenhaltung im vorliegenden Maßstab. Gerade jedoch nach dem Abblühen der letzten Trachtpflanzen im Juli eines jeden Jahres finden Bienen jedoch nur noch eingeschränkt Nektar und Pollen, aber auch Wasser, dass sie für den Erhalt des Bienenvolks benötigen. Bienen neigen deshalb gerade in dieser Zeit dazu jede mögliche flache Wasserstelle anzufliegen bzw. nach Nektar und Pollen zu suchen. Bei einer so konzentrierten Aufstellung von Völkern, wie sie der Beklagte zu 1) vornahm, führ dies unweigerlich zu Konflikten mit Nachbarn. Insoweit ist von einer wesentlichen Beeinträchtigung auszugehen.
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Der Kläger muss gemäß § 906 Abs. 2 S. 1 BGB bei einer wesentlichen Beeinträchtigung diese nur dann dulden, wenn es sich um eine ortsübliche Benutzung handelt.
25
Ausweislich des unstreitigen Vortrags werden im Außenbereich von H. von mehreren Imkern Bienen gehalten. Auch heute ist die Bienenhaltung im Außenbereich allgemein verbreitet, so dass von einer ortsüblichen Nutzung ausgegangen werden kann. Erneut wird jedoch darauf hingewiesen, dass bei der Ortsüblichkeit zu berücksichtigen ist, in welchem Umfang eine Bienenhaltung erfolgt. Eine Bienenhaltung ist heutzutage im Außenbereich üblich im Rahmen der üblichen Völkerzahlen. Diese liegen in der Regel zwischen 5 und 10 Bienenvölkern, im Einzelfall auch darüber, jedoch selten bis nie bei Völkerzahlen von über 100. Völkerzahlen von deutlich mehr als 100 Völkern an einer Stelle führen in der Regel zu massiven Problemen, was sich auch im vorliegenden Fall bewahrheitet.
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Aufgrund der Tatsache, dass es sich nicht um eine ortsübliche Benutzung handelt, sind die Beklagten verpflichtet, die Völkerzahlen auf den Flurstücken … und … deutlich zu reduzieren, nämlich bis zur Grenze der Wesentlichkeit bzw. Ortsüblichkeit. Das Gericht geht hier davon aus, dass die Bienenhaltung bis zu einer Zahl von 25 Völkern die Interessen und Rechte des Klägers nicht beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bienenvölker soweit wie möglich von der gemeinsamen Grundstücksgrenze entfernt aufgestellt werden. Dies ist im Übrigen den Beklagten auch zumutbar. So hat sich die Verbandsgemeindeverwaltung H. bereit erklärt, Ersatzgrundstücke zur Verfügung zu stellen. Dies geschah indes nicht erst im Laufe des vorliegenden Verfahrens, sondern bereits im Jahr 2008. Es war allein der Beklagte zu 1), der sich um diese Angelegenheit nicht gekümmert hat. Das Gericht verkennt nicht, dass eine Aufstellung von Bienenvölkern in unmittelbarer Umgebung die Grundproblematik der deutlich überhöhten Bienendichte nicht beeinträchtigen wird. Das Gericht lässt sich jedoch von der Hoffnung leiten, dass damit die unmittelbare Beeinträchtigung durch umher fliegende Bienen minimiert wird. Der Beklagte zu 1) möge ernsthaft in Erwägung ziehen, die Zahl der Bienenvölker insgesamt am Standort H. erheblich zu verringern, da aufgrund der vorhandenen Trachtpflanzen nicht davon auszugehen ist, dass die erheblich überhöhte Bienendichte auch nur annähernd zu vernünftigen Erträgen führt.
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Der Kläger kann von den Beklagten nicht verlangen, dass sämtliche Bienenvölker entfernt werden, da aufgrund der Ortsüblichkeit der Bienenhaltung im Außenbereich von H. dort Bienen gehalten werden können und dürfen. Er hat jedoch ein Anrecht darauf, dass alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen werden, um seine Rechtsposition zu schützen.
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Die Kostenfolge beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.