Zur Frage eines Schmerzensgeldanspruchs im Zusammenhang mit der Erteilung Quarantäneverordnung

LG Hannover, Urteil vom 20. August 2021 – 8 O 2/21

Zur Frage eines Schmerzensgeldanspruchs im Zusammenhang mit der Erteilung Quarantäneverordnung

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit leisten.

Tatbestand
1
Der Kläger ist Polizeibeamter und begehrt Schmerzensgeld wegen einer ihm gegenüber erteilten Quarantäneanordnung.

2
Am 15.04.2021 erließ die Beklagte zu 2) gegenüber dem Kläger die Anordnung, sich mit sofortiger Wirkung bis zum 20.04.2021 häuslich abzusondern. Zur Begründung verwies die Beklagte zu 2) darauf, dass der Kläger Kontakt zu einer nachweislich an Covid-19 erkrankten Person gehabt habe. Die Anordnung erfolgte zunächst telefonisch, der schriftliche Bescheid, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 20 d.A. Bezug genommen wird, kam einige Tage später beim Kläger an.

3
Der Kläger behauptet, dass er mit dem Gesundheitsamt der Beklagten zu 2) in Person von Dr….. zwei Mal telefoniert habe. In einem ersten Telefonat habe ihm Dr…. mitgeteilt, dass die Quarantäne sofort beendet werden könne, wenn ein negativer PCR-Test vorgelegt würde. Der Kläger habe sich daraufhin testen lassen und das negative Ergebnis sei dem Gesundheitsamt übermittelt worden. Dr. … habe ihn dann am 16.04.2021 angerufen und mitgeteilt, dass der negative PCR-Test angekommen sei und die Quarantäne daher am 21.04.2021 beendet sei. Von der im ersten Telefonat erteilten Zusage, dass der Kläger nach dem negativen PCR-Test sofort aus der Quarantäne entlassen werde, habe Dr. … nichts mehr wissen wollen.

4
Die sechstägige Quarantäne habe zu erheblichen Beeinträchtigungen geführt, denn die Quarantäne sei von ihm als Stresssituation erlebt worden, es sei zu Frustration, Ängsten, Schlafproblemen, Konzentrationsstörungen, emotionaler Erschöpfung, Depression, Reizbarkeit und Existenzängsten gekommen. Zudem hätte er die Natur nicht genießen können, weil ihm das Verlassen der häuslichen Wohnung/des Hauses untersagt worden sei, so dass er kein Vitamin D über das Sonnenlicht habe aufnehmen können. Darüber hinaus hätte er keine sportlichen Aktivitäten im Freien durchführen können und schließlich sei ihm die allgemeine medizinische Versorgung untersagt gewesen.

5
Der Kläger ist der Ansicht, dass die angeordnete Quarantäne rechtswidrig war. Hierfür behauptet er, dass die Beklagte zu 2) die Absonderungsmaßnahme erlassen habe, obwohl sie weder eine Infektion noch ein Ansteckungsgeschehen konkret festgestellt habe. Die Beklagte zu 2) habe gewusst, dass die PCR-Tests ohne weitere diagnostische Maßnahmen untauglich seien, um eine Covid19-Infektion zu erkennen. Sie habe gleichwohl alle positiven Testergebnisse in dem Wissen an das RKI gemeldet, dass dieses hieraus falsche Inzidenzzahlen produziere. Zudem hätte die Beklagte zu 2) den negativen PCR-Test des Klägers akzeptieren müssen.

6
Hinsichtlich des beklagten Landes zu 1) behauptet der Kläger, dass es bei seiner Corona-Politik nicht die so gut wie gar nicht bestehenden gesundheitlichen Gefahren für die Bevölkerung im Blick gehabt habe, sondern die Grundrechte habe einschränken wollen, um den Impfdruck zu erhöhen. Hierzu habe auch der sinnlose Lockdown sowie die sinnlose Maskentragungspflicht, der Schultestwahn und der Schnelltestwahn für den Besuch von Geschäften gedient. Das beklagte Land verwende eine psychologische Methode zur Brechung des Willens von Kriegsgefangenen, um in einem Dressurakt der gesamten niedersächsischen Bevölkerung den Willen zu brechen und sie in einer bislang nie dagewesenen Mind-Control-Aktion einer Gehirnwäsche zu unterziehen. So würden z.B. kritische Geister als Wissenschaftsleugner und Rechtsradikale diffamiert und mit Faktencheckerportalen diffamiert. Das beklagte Land putsche gegen sein eigenes Volk und führe alle Menschen im Land hinters Licht.

7
Sein Anspruch scheitere auch nicht an § 839 Abs. 3 BGB, da er vor Ablauf der Quarantänezeit keinen verwaltungsrechtlichen Primärrechtsschutz hätte erreichen können.

8
Der Kläger beantragt,

9
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 1.500 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

10
Die Beklagten beantragen,

11
die Klage abzuweisen.

12
Sie wenden ein, dass die vom Kläger behaupteten quarantänebedingten Beeinträchtigungen unsubstantiiert bzw. nicht glaubhaft seien. Die Beklagte zu 2) behauptet zudem, dass es nur ein Telefonat mit dem Kläger gegeben habe, in dem Dr. …. am 15.04.2021 die Quarantäneanordnung erlassen habe. Eine Zusage, dass bei einem negativen PCR-Test die Quarantäne sofort enden würde, sei nicht erteilt worden. Dies hätte zu der Zeit auch nicht den Handlungsempfehlungen des RKI entsprochen, denen man in ständiger Praxis gefolgt sei. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Quarantäneanordnung sei dem Gesundheitsamt auch kein negativer PCR-Test zugegangen.

13
Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
14
Die zulässige Klage ist unbegründet.

15
Der Kläger hat weder gegen das beklagte Land noch gegen die Beklagte zu 2) Schmerzensgeldansprüche aus §§ 80 Abs. 1, 81 Abs. 2 NPoG, § 253 Abs. 2 BGB oder aus Artikel 34 GG i.V.m. §§ 839 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB.

1.

16
Voraussetzung für einen solchen Schmerzensgeldanspruch wäre, dass die behauptete Rechtsgutsverletzung beim Kläger zu einem erstattungsfähigen immateriellen Schaden geführt hätte.

17
Selbst wenn man zugunsten des Klägers von einer Rechtsgutsverletzung im Sinne von § 253 Abs. 2 BGB ausginge, würde dies jedoch nicht automatisch zur Bejahung eines Schmerzensgeldanspruchs führen (vgl. allgm. MüKo-Oetker, BGB, 8. Aufl., § 253 Rn. 30 m.w.N.).

18
Denn nach der Rechtsprechung des BGH zu § 847 BGB a.F. ist die Prüfung eines Schmerzensgeldes an der Bedeutung der konkreten Rechtsgutsverletzung für die Lebensführung des Verletzten auszurichten. Dabei ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der Mensch vielfältigen Beeinträchtigungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt ist und daran gewöhnt wird, sich von ihnen möglichst nicht nachhaltig beeindrucken zu lassen. Sofern diese Schwelle im konkreten Einzelfall von der erlittenen Beeinträchtigung vornehmlich wegen ihres geringen, nur vorübergehenden Einflusses auf das Allgemeinbefinden nicht überschritten wird, kann es schon an einer Grundlage für die geldliche Bewertung eines Ausgleichsbedürfnisses fehlen. Demnach gibt es Fallkonstellationen, in denen es wegen der Umstände des Einzelfalls und des Umfangs der erlittenen Beeinträchtigung nicht der Billigkeit entspricht, ein Schmerzensgeld zuzusprechen (BGH, Urteil vom 14. Januar 1992 – VI ZR 120/91 –, Rn. 8, juris).

19
Da die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch auf die Auslegung von § 253 Abs. 2 BGB Anwendung finden (vgl. BT-Drucks. 14/8780, S. 21, Palandt-Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 253 Rn. 14, Vieweg/Lorz in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 253 BGB, Rn. 96 m.w.N.), ist damit das Überschreiten dieser Geringfügigkeitsschwelle ein ungeschriebenes anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal mit der Folge, dass es nach den allgemeinen Beweisregeln vom Kläger als Anspruchssteller darzulegen und zu beweisen ist (vgl. BeckOK BGB/Spindler, 58. Ed. 1.5.2021 Rn. 68, BGB § 253 Rn. 68; BeckOGK/Brand, 1.4.2021, BGB § 253 Rn. 110)

20
Dieser Darlegungslast hat der Kläger nicht Genüge getan:

a)

21
Ein Überschreiten der Geringfügigkeitsschwelle ergibt sich zunächst nicht bereits aus dem Umstand, dass der Kläger mehrere Tage in seiner persönlichen Fortbewegungsfreiheit eingeschränkt war. Eine feste zeitliche Grenze, ab der eine Freiheitseinschränkung als ausgleichspflichtig anzusehen wäre, gibt es nicht. Abzustellen ist vielmehr auf die konkrete Situation des Einzelfalls, bei der es insbesondere auch auf die Ausgestaltung und Intensität des Eingriffs sowie auf herabwürdigende Behandlungen und mögliche rufschädigende Wirkungen ankommt (vgl. LG Göttingen, Urteil vom 30. Januar 1990 – 2 O 322/89 –, NJW 1991, 236, beck-online). Daher kann aus dem bloßen Überschreiten der zeitlichen Grenzen, die in der Rechtsprechung als schmerzensgeldbegründend angesehen wurden (vgl. etwa OLG Koblenz, Beschluss vom 07. März 2018 – 1 U 1025/17 –, juris: 13 Stunden in psychiatrischem Krankenhaus; LG Göttingen, Urteil vom 30. Januar 1990 – 2 O 322/89 –, NJW 1991, 236, beck-online: 2 Stunden mit 400 weiteren Personen in einem Polizeikessel, s.a. NK-BGB/Christian Huber, 4. Aufl. 2021 § 253 Rn. 79), nicht abgeleitet werden, dass vorliegend allein wegen der mehrtätigen Dauer die Billigkeitsschwelle überschritten wurde. Denn die Quarantäne des Klägers unterscheidet sich in gravierender Weise von den genannten Fällen. Der Kläger musste keine demütigenden Zwangsbehandlungen erdulden. Er wurde nicht mit physischen Zwangsmitteln an einem fremden Ort festgehalten, sondern konnte sich innerhalb seiner Wohnung ohne Überwachung Dritter frei bewegen und seinen Tagesablauf in diesem Rahmen vollkommen frei bestimmen. Schließlich wurde seine Freiheitsbeschränkung auf einen Umstand gegründet, der – anders als bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder bei einer Festnahme als möglicher Straftäter – nicht geeignet war, sein Ansehen und seinen Ruf in der Gesellschaft zu gefährden.

b)

22
Die vom Kläger vorgetragenen Beeinträchtigungen durch die Quarantäne sind nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt des Ausgleichsgedankens zu begründen.

23
Die in der Klagschrift geschilderten Einschränkungen in der Lebensführung des Klägers sind, wie das beklagte Land in der Klageerwiderung zutreffend angemerkt hat, pauschal gehalten und stellen – wie der Kammer aus Parallelverfahren bekannt ist – offensichtlich Textbausteine der klägerischen Anwaltskanzlei ohne irgendeine Anpassung auf den konkreten Einzelfall dar.

24
In seiner persönlichen Anhörung hat der Kläger denn auch beispielsweise nichts davon berichtet, dass er in der Zeit der Quarantäne allgemeine medizinische Versorgung hätten wahrnehmen wollen. Er war auch nicht daran gehindert, an die frische Luft zu gehen, weil er über einen Balkon verfügt.

25
Laut seiner persönlichen Anhörung hatte der Kläger wegen der Quarantäne „ziemlich schlechte Laune“. Weil er sich nicht wie gewohnt aktiv draußen bewegen konnte, habe er depressive Verstimmungen, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen gehabt. Von den in der Klagschrift behaupteten Ängsten, Konzentrationsstörungen, emotionalen Erschöpfungen, Reizbarkeiten berichtete der Kläger nichts. Insbesondere hatte der Kläger keine Existenzangst, da er als Polizeibeamter keine Sorge um den Verlust seines Jobs haben musste.

26
Unabhängig davon, dass der Kläger für diese bestrittenen Behauptungen beweisfällig geblieben ist, sind die geschilderten Umstände ohnehin nicht ausreichend, um ein Überschreiten der Geringfügigkeitsschwelle begründen zu können. Die angeordnete Quarantäne hatte eine Dauer von lediglich sechs Tagen. Der Kläger musste demnach für einen Zeitraum zu Hause bleiben, wie er auch unter normalen Umständen wie z.B. bei einer normalen Erkältungskrankheit, Fieber oder Magen-Darm-Beschwerden eintreten kann.

27
Dass der Kläger wegen der angeordneten Quarantäne ziemlich schlechte Laune hatte, ist für die Kammer ohne Weiteres nachvollziehbar. Diese reicht jedoch nicht aus, um eine nennenswerte Beeinträchtigung der Lebensführung im Sinne der BGH-Rechtsprechung zu bejahen, denn ein mehrtägiges unfreiwilliges Verweilen in der eigenen Wohnung tritt auch bei vielen alltäglichen Krankheiten auf. Es stellt vielmehr eine vorübergehende Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens dar, bei der sich der Mensch wegen der Häufigkeit ihres Auftretens typischerweise daran gewöhnt hat, sich hiervon nicht nachhaltig beeindrucken zu lassen.

28
Dass mit einem krankheitsbedingt unfreiwilligen mehrtägigen Verweilen in der eigenen Wohnung zwangsläufig oder auch nur typischerweise depressive Verstimmungen, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen einhergehen, ist der Kammer nicht bekannt. Dass dies beim Kläger der Fall war, hat er nicht überzeugend dargelegt, da er lediglich die Begriffe aufzählte, ohne sie in irgendeiner Weise näher auszufüllen.

c)

29
Der Vortrag des Klägers, die Beklagten hätten bei den Quarantänevorschriften vorsätzlich und in Schädigungsabsicht gehandelt, ist nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt der Genugtuungsfunktion zu begründen.

30
Dies gilt in prozessualer Hinsicht angesichts des Umstands, dass der Kläger für seinen bestrittenen Vortrag keinen Beweis angeboten hat.

31
Darüber hinaus stellt der Vortrag, die Beklagten seien Akteure eines Komplotts, bei dem insbesondere das beklagte Land gegen sein eigenes Volk putsche und alle Menschen im Land hinters Licht führe, die Annahme einer Verschwörung staatlicher Akteure zum Nachteil der Bevölkerung dar, welche keiner rationalen Argumentation und damit auch keiner Beweisführung mehr zugänglich ist (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 27. Februar 2019 – 3 Sa 777/16 –, Rn. 85, juris).

32
Die fehlende Bereitschaft zur Akzeptanz einer rationalen Beweisaufnahme zeigt sich auch im klägerischen Vortrag, wonach das beklagte Land die Bevölkerung in einer beispiellosen Mind-Control-Aktion einer Gehirnwäsche unterziehe und zu befürchten sei, dass insbesondere die beisitzenden Kammermitglieder so unter Druck stünden, dass sie zu keiner wirklich unabhängigen Entscheidung in der Lage seien. Wer wie der Kläger z.B. Faktencheck-Portale als Methode zur Diffamierung seiner eigenen Position bezeichnet, immunisiert damit seine Position gegen jede anderslautende Beweisführung. Er zeigt damit, dass er gegen seine Thesen sprechende Argumente nicht akzeptiert, sondern als Ergebnis der psychologischen Gehirnwäschemethoden der Beklagten ansieht.

2.

33
Darüber hinaus ist die Klage gegen das beklagte Land bereits unschlüssig, weil die angegriffene Quarantäneanordnung von der Beklagten zu 2) auf der Grundlage von § 28 IfSG erlassen wurde und nicht ersichtlich ist, was das beklagte Land mit dieser Entscheidung zu tun haben soll. Die vom Kläger behaupteten Pflichtverletzungen des beklagten Landes stellen eine Generalkritik an der Corona-Politik dar, ohne einen konkreten Bezug zu der angegriffenen Quarantäneanordnung darzulegen.

3.

34
Schließlich scheitert ein Anspruch des Klägers auch an § 839 Abs. 3 BGB.

35
Nach dieser Vorschrift tritt eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete staatliche Verhalten abzuwenden. § 839 Abs. 3 BGB ist eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in allgemeiner Form in § 254 BGB niedergelegt ist und für das gesamte private und öffentliche Haftungsrecht anerkannt ist. Die Vorschrift ist zugleich Ausdruck des Grundsatzes, dass der Primärrechtsschutz Vorrang vor dem Sekundärrechtsschutz hat. Bei rechtswidrigem Handeln des Staates soll der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz im Vordergrund stehen. Dem Betroffenen soll die von der Rechtsordnung missbilligte Wahlmöglichkeit genommen werden, entweder den rechtswidrigen Hoheitsakt mit ordentlichen Rechtsschutzmitteln anzugreifen oder aber ihn hinzunehmen und zu liquidieren, d.h. untätig zu bleiben und sich den Schaden finanziell abgelten zu lassen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben soll nur derjenige Schadensersatz erhalten, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden versucht hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 – 2 C 19/17 –, BVerwGE 162, 253-266, Rn. 23f. m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04. Mai 2021 – 1 A 1453/18 –, Rn. 49ff., juris; zur Anwendbarkeit auf Ansprüche nach § 81 NPOG vgl. BeckOK PolR Nds/Lampert, 19. Ed. 1.5.2021, NPOG § 81 Rn. 21-22.1).

36
Der Kläger hat es vorliegend unterlassen, die Quarantäneanordnung mit dem Mittel des verwaltungsrechtlichen Eilrechtsschutzes anzugreifen.

37
Dieses Unterlassen war schuldhaft, denn der Kläger ging von massiven vorsätzlichen Amtspflichtverletzungen bei der erlassenen Quarantäneanordnung aus. Da er kein rechtlicher Laie, sondern Polizeibeamter ist, wusste er auch, dass eine mündlich erteilte Anordnung eines Hoheitsträgers einen Verwaltungsakt darstellt und dass gegen Verwaltungsakte einstweiliger Rechtsschutz möglich ist.

38
Dem Kläger wäre es vor diesem Hintergrund möglich und zumutbar gewesen, direkt nach der mündlichen Anordnung der Quarantäne im selben Telefonat Widerspruch einzulegen und anschließend verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 VwGO zu suchen. Dies wäre auch trotz der kurzen Quarantänedauer von sechs Tagen Erfolg versprechend gewesen, denn beispielsweise die Entscheidung des VG München vom 01.04.2021 (Az. M 26a S 21.1762) zeigt, dass einstweiliger Rechtsschutz im Verwaltungsrechtsweg sogar binnen eines Tages zu erreichen ist.

39
Dieses Unterlassen war für den behaupteten Schaden auch kausal. Diese Kausalität im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB ist zu bejahen, wenn bei Wahrunterstellung des Klägervortrags im Primärrechtsschutz richtigerweise zugunsten des Geschädigten hätte entschieden werden müssen (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 18. März 2021 – 4 U 51/20 –, Rn. 29 – 30, juris m.w.N.). Ausgehend von der Darstellung des Klägers hätte das Verwaltungsgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Quarantäneverfügung angeordnet.

4.

40
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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