LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2015 – L 6 VG 5227/14
An einem tätlichen Eingriff fehlt es, wenn unmittelbarer Zwang durch Polizeibeamte zur Abwehr von Eigengefährdung erforderlich wird und die nachfolgende Fixierung durch ärztliches Personal allein dem Wohl des Patienten bei einem Zustand hochgradiger Verwirrtheit dient.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG).
Die 1976 in Deutschland geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis). Nach einem Autounfall, bei dem sie eine leichte Schädelprellung erlitten und auch ihre Mutter verletzt wurde, woran sie sich die Schuld gab, wurde sie von Dr. N. am 01.06.2007 in das chirurgische Klinikum L. überwiesen. Aufgrund des dortigen neurologischen Konzils wurde sie wegen Verdachts auf akute Psychose bei formaler Denkstörung und paranoiden Denkinhalten stationär ins Zentrum für Psychiatrie E. (ZfP) notfallmäßig eingewiesen. Ihre Unterbringung wurde nach § 1 des Gesetzes für die Unterbringung psychisch Kranker mit Beschluss vom 06.06.2007 (Az. XIV 51/2007 L) genehmigt. Nach dem Entlassungsbericht des ZfP vom 24.06.2007 wurde eine akute schizophreniforme psychotische Störung, differentialdiagnostisch eine paranoide Schizophrenie, diagnostiziert.
Sie stellte am 18.04.2013 einen Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und beantragte zugleich die Gewährung von Leistungen nach dem OEG. In dem am 03.06.2013 nachgereichten Formularantrag berief sich die Klägerin auf ein schädigendes Ereignis am 01.06.2007, als sie Attentaten des Personals des ZfP ausgesetzt gewesen sei. In einem beigefügten Schreiben der Klägerin an die Deutsche Rentenversicherung Bund vom 15.03.2013 führte die Klägerin weiter aus, sie sei durch die Polizei und einen Klinikarzt des ZfP sowie durch das dortige Pflegepersonal an Arm- und Fußgelenken schwerst verletzt worden, weshalb sie nun in diesen Bereichen an Funktionsbeeinträchtigungen zu leiden habe. So fielen ihr unwillkürlich Sachen aus der Hand und sie stürze beim Treppensteigen. Die betreffenden Personen hätten durch die Fixierung auf der elektrischen Liege mit Arm- und Fußfesseln die Haut ihrer Hand- und Fußgelenke äußerst schlimm verbrannt, so dass sich die Haut erst nach Jahren wieder erneuert habe. Am schlimmsten aber habe sie seelisch an den Folgen der Attentate zu leiden, die sie ein Leben lang nicht werde verarbeiten können, insbesondere weil sich die angezeigten Personen während ihrer medikamentösen Bewusstlosigkeit sexuell an ihr vergangen hätten. Infolge der Beeinträchtigungen sei die Struktur ihrer Haare unkämmbar geworden, so dass sie keine Langhaarfrisur mehr tragen könne; auch ihr Hautbild habe sich verändert, sie leide seitdem an sehr trockener Haut. Sie sehe nun aus, als wäre sie vorzeitig in die Wechseljahre gekommen. Auch sei ihre Lebenserwartung verkürzt worden, evtl. sei sie bereits durch diese starken Strombelastungen an Krebs erkrankt.
Der Beklagte zog den Entlassbericht des ZfP vom 24.07.2007 bei. Danach befand sich die Klägerin dort vom 01.06. bis 06.07.2007 in stationärer Behandlung. Diagnostiziert wurde eine akute schizophreniforme psychotische Störung und als Differentialdiagnose eine paranoide Schizophrenie. Anlass der Aufnahme seien ein Stupor-ähnlicher Angstzustand und fehlende verbale Kommunikation gewesen. Es hätten wahnhafte Denkinhalte, z. B. ihre CT-Bilder würden veröffentlicht oder man sehe eine Magnetfeldtherapie in ihren Augen, und der Verdacht auf optische Halluzinationen bestanden. Die Nahrungsaufnahme und Flüssigkeitszufuhr sei unzureichend gewesen. Nach Angaben des Bruders der Klägerin habe diese am 19.05.2007 einen Verkehrsunfall mit Kopfprellung und Bewusstseinsverlust erlitten. Auch die mitfahrende Mutter sei bewusstlos geworden. Die Klägerin habe Angst gehabt, ihre Mutter könne gestorben und sie selbst daran schuld sein. Seither habe sie zunehmend an Angst gelitten. Nach einer Kombinationsimpfung am 26.05.2007 habe sie zuhause gezittert und gesagt, sie könne nicht mehr, habe seither auch nicht geschlafen. Am 01.06.2007 sei sie wegen zunehmender Verwirrtheit und stuporösem Zustandsbild hausärztlich in die Chirurgische Klinik L. eingewiesen worden, um ein subdurales Hämatom bzw. eine andere organische Ursache auszuschließen. Das dort durchgeführte CCT sowie der erhobene Neurostatus seien unauffällig gewesen. Die Klägerin sei unter der Verdachtsdiagnose einer akuten psychotischen Störung notfallmäßig ins ZfP verlegt worden. Zum psychischen Befund wurde ausgeführt, die Klägerin sei bei deutlich eingeengtem Bewusstsein und nicht prüfbarer Orientierung wach gewesen. Auf Handlungsebene sei sie teilkooperativ, die Auffassung sei teils erheblich eingeschränkt gewesen. Die Aufmerksamkeit und der Blickkontakt seien abschweifend, das Konzentrationsvermögen erheblich eingeschränkt, das Denken formal gesperrt gewesen. Die Klägerin habe einzelne Satzteile geäußert. Inhaltlich habe der Verdacht auf wahnhaftes Erleben bestanden, die Klägerin habe z. B. Getränke abgelehnt, die nicht aus geschlossenen Flaschen gestammt hätten. Die Stimmung sei ratlos, ängstlich, der Affekt starr, der Antrieb gehemmt, die Psychomotorik starr gewesen, teils Automatismen. Die Sprachproduktion sei weitgehend aufgehoben, soweit vorhanden leise, kaum moduliert, grammatisch und syntaktisch korrekt gewesen (Bl. 22 B-Akten).
Dem von Seiten des ZfP beim Amtsgericht E. gestellten Antrag auf Unterbringung der Klägerin gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Unterbringung psychisch Kranker (Unterbringungsgesetz – UbG) war das ärztliche Zeugnis des Arztes für Psychiatrie Dr. E. (ZfP) vom 04.06.2007 beigefügt. Hierin wurde nochmals dargelegt, dass die Klägerin in der Untersuchungssituation keine Fragen beantwortet, einige abgebrochene Sätze geäußert habe und Angaben zu ihrem aktuellen Befinden bzw. Behandlungseinverständnis nicht habe machen können. Die körperliche Untersuchung habe sie aktiv abgelehnt. Es sei eine akute polymorphe psychotische Störung diagnostiziert worden. Die fürsorgliche Aufnahme/Zurückhaltung sei nach ärztlichem Ermessen erforderlich, weil die Untersuchte im Sinne des § 1 Abs. 4 UbG infolge ihrer Krankheit ihr Leben und ihre Gesundheit erheblich gefährde.
Im Beisein von Dr. E. und Dr. Sch. hörte Richter am Amtsgericht Sch. am 06.06.2007 die Klägerin im ZfP zur Zulässigkeit der Unterbringung an. Eine Verständigung mit ihr war ausweislich des Anhörungsprotokolls indes zunächst nicht möglich. Als sich die Klägerin plötzlich aufrichtete und Dr. E. fragte, ob er Arzt sei, erklärte sie auf Frage von Richter am Amtsgericht Sch. ihr Einverständnis zum weiteren Aufenthalt im ZfP. Hierin sah Richter am Amtsgericht Sch. allerdings keine wirksame Einwilligungserklärung (Bl. 30 B-Akten). Mit Beschluss vom 06.06.2007 ordnete das Amtsgericht E. die Unterbringung der Klägerin bis längstens 17.07.2007 in einer für die Unterbringung psychisch Kranker anerkannten Einrichtung gemäß §§ 1 ff. UbG an. Nach dem Ergebnis der Anhörung i. V. m. den ärztlichen Zeugnissen lägen die Voraussetzungen der Unterbringung nach §§ 1 ff. UbG vor, da ohne deren Anordnung die Klägerin infolge ihrer Krankheit ihr Leben und ihre Gesundheit erheblich gefährden und eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für Rechtsgüter anderer darstellen würde sowie die Gefährdung und die Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden könne.
Gegen verschiedene Mitarbeiter des ZfP sowie gegen behandelnde Ärzte der Klägerin und Polizeibeamte waren aufgrund von entsprechenden Anzeigen der Klägerin Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, die jedoch letztlich allesamt eingestellt wurden. Der Beklagte zog die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten bei. Anlässlich ihrer Geschädigten-Vernehmung am 02.09.2011 (Bl. 13 Ermittlungsakte [E-Akte]) nahm die Klägerin Bezug auf ihr Schreiben vom 26.01.2011 an Rechtsanwalt St., mit dem sie diesen beauftragte, gegen Dr. Sch. und weiteres ZfP-Personal „wegen Misshandlung und Mißbrauchs unter Herbeiführung von medikamentöser Bewusstlosigkeit + Anbringung auf elektr. Stuhl“ Anzeige zu erstatten (Bl. 3 E-Akte). Sie berichtete in dem Schreiben, mit einem Krankenwagen vom Klinikum L. zum ZfP transportiert worden zu sein. Dort angekommen, habe Dr. Sch. sie in einen Raum mit nur einer Liege bringen lassen, wo die Krankenschwester Frau Bl. sie aufgefordert habe, sich auf die Liege zu legen. Danach habe sie sie gezwungen, eine Tablette einzunehmen, und ihre Füße und Hände mit den auf der Liege befindlichen Fesseln fixiert. Dann habe der Pfleger B. den Raum betreten und ihr Spritzen in den kleinen Finger der linken Hand, ihren Bauch und danach auf die linke Seite ihrer Hüfte gegeben. Anschließend habe er ihre Unterwäsche entfernen lassen. Sodann hätten sich alle aus dem Raum entfernt und die Tür sei von außen abgeschlossen worden. Sie habe dann gespürt, dass die Fesseln immer heißer geworden seien. Es habe angefangen, sehr stark zu schmerzen und ihre Fuß- und Handgelenke hätten gebrannt. Dann sei die Pflegerin Frau K. in den Raum gekommen. Auf ihre Bitte, die Fesseln zu lösen habe Frau K. nur gesagt, sie habe Feierabend, sei einfach rausgegangen und habe wieder abgeschlossen. Sie habe schlimme Qualen aushalten müssen und irgendwann das Bewusstsein verloren. Sie wisse nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen sei, da die Pfleger sie durch Spritzen mit Schlafmitteln in diese Dauerlage der Bewusstlosigkeit gebracht hätten. Sie wisse auch nicht, was diese mit ihr während der Zeit angestellt hätten. Nach ihrer Entlassung sei ihre Menstruation drei Monate lang ausgeblieben. Das Pflegepersonal habe zu diesem Zeitpunkt bei ihrer Familie angerufen und dort mitgeteilt, sie noch nicht zu besuchen. Sie hätten behauptet, dass sie ihre Menstruation gehabt habe und sie ihr Slipeinlagen mitbringen sollten, was aber nicht gestimmt habe, da sie ihre Menstruation regelmäßig bekommen habe und zwar nicht zu diesem Zeitpunkt. Als sie ihr Bewusstsein wieder erlangt habe, sei eine Pflegerin gekommen und habe sie laut und unfreundlich in den Duschraum gezerrt, dort eingeseift und mit der Brause nur im Unterleib bespritzt. Danach sei sie in ein anderes Z. gebracht worden. Ihre Sachen seien vom Schrank auf das Bett gelegt worden. Als sie ihre Unterhose aus dem Schrank herausgenommen habe, die sie am Tag ihrer Einweisung getragen habe, sei die voll mit eingetrocknetem Blut gewesen. Sie sei sich sicher, dass sie sich sexuell an ihr vergangen hätten. Sie sei so stark und lange unter Strom gelegt worden, dass bis heute noch die verbrannte Haut auf ihren Füßen zu sehen sei, die immer noch nicht abgeheilt sei. Dr. Sch. habe ihr angedroht, sie komme aus dem ZfP nie wieder raus, falls sie das, was ihr dort widerfahren sei, anderweitig mitteilen würde.
Ergänzend gab die Klägerin im Rahmen der Geschädigten-Vernehmung an, seit Juli 2007 seelisch und körperlich nicht mehr in der Lage zu sein, voll zu arbeiten. Sie sei zur Zeit auf Arbeitssuche. Die seelischen Erlebnisse und die noch immer anwährenden Schmerzen an den Fußgelenken machten es ihr unmöglich, einer beständigen Tätigkeit nachzugehen. Sie habe am 01.06.2007 erstmals Dr. N. aufgesucht, die sie ins Krankenhaus L. überwiesen habe. Dort sei sie nicht groß untersucht worden. Es sei veranlasst worden, dass sie noch am gleichen Tag in das ZfP komme. Dies sei gegen ihren Willen gewesen. Sie habe Dr. N. aufgesucht, weil sie sich wegen des Stresses, der durch den Unfall am 19.05.2007 verursacht worden sei, nicht wohl gefühlt habe. Sie sei dann mit Unterstützung der Polizei gegen ihren Willen ins ZfP eingeliefert worden.
Die als Zeugin vernommene Allgemeinärztin Dr. N. gab am 07.08.2012 an, die Klägerin in ihrer Praxis am 01.06.2007 um 11.00 Uhr behandelt zu haben. Zur Anamnese habe sie vermerkt, dass die Klägerin seit dem Autounfall mit Schädel-Hirn-Trauma vor zwei Wochen verwirrt sei ohne Kopfschmerz und ohne Erbrechen. Die Klägerin habe agitiert und sich nicht untersuchen lassen. Die Pupillen seien unauffällig, die Klägerin sei örtlich und zeitlich nicht orientiert gewesen. Sie habe sie ins Klinikum L. eingewiesen (Bl. 52 E-Akten).
Die ebenfalls als Zeugin vernommene Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. führte am 15.08.2012 aus, die Klägerin habe sich erstmals am 24.01.2000 in ihrer Praxis vorgestellt. Sie habe eine psychotische Episode mit paranoiden Ängsten festgestellt. Die Klägerin habe darüber geklagt, dass sie während eines Praktikums in einer Möbelfirma mit unsauberen Möbeln in Kontakt gekommen sei. Diese seien mit Bakterien versetzt gewesen. Darauf seien Spuren von sexuellen Handlungen festzustellen gewesen. In der Folge sei sie bis Februar 2000 noch neunmal wegen dieser Symptomatik bei ihr Behandlung gewesen. Sie habe die üblichen neuroleptischen Medikamente verschrieben, die die Klägerin jedoch vorzeitig gegen ärztlichen Rat abgesetzt habe. Im Jahr 2006 sei die Klägerin zweimal in ihrer Praxis gewesen, habe von Ängsten bei der Arbeit berichtet, über Mobbing am Arbeitsplatz geklagt und von ihr eine Bescheinigung wegen seelischer Behinderung gewollt. Sie habe keinen Befund einer Neurose festgestellt. Am 12.07.2007 sei die Klägerin in ihre Praxis gekommen und habe nach einem Alternativmedikament verlangt, sie habe psychisch reduziert gewirkt, jedoch ohne Psychose. Am 20.08.2007 habe die Klägerin von einem Verkehrsunfall berichtet, bei dem sie durch Fremdverschulden verletzt worden sei und ein Schleudertrauma erlitten habe. Auch habe sie darüber geklagt, psychisch nach diesem Unfall zu leiden. Am 16.10.2007 habe sich die Klägerin vorgestellt, weil sie die bisher erhaltenen Medikamente abgelehnt habe. Es habe keinerlei Behandlungsaussicht, keinerlei Krankheitseinsicht, mangelnde Behandlungsmotivation und eine ungünstige Prognose bestanden. Am 20.11.2007 habe die Klägerin in ihrer Praxis wiederum über Ängste und Unruhe geklagt und erneut Medikamente erhalten. Auch diese habe sie gegen ärztlichen Rat am 17.01.2008 reduziert. Vom 09. bis 20.04.2010 sei ein weiterer stationärer Aufenthalt der Klägerin im ZfP aufgrund der Einweisung durch Dr. J./L. erfolgt. Es sei ein Rezidiv wegen paranoider Psychose befundet worden. Am 10.05.2010 habe sich die Klägerin selbst in Begleitung ihres Bruders im ZfP wegen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes vorgestellt und sei bis zum 11.05.2010 notfallmäßig aufgenommen worden. Diagnostiziert worden sei eine paranoide Schizophrenie. Am 28.05.2010 sei die Klägerin bei ihrer Vorstellung in der Praxis hochgradig psychotisch gewesen, habe ihr blaue Flecken am rechten Unterschenkel gezeigt und behauptet, diese seien ihr im ZfP zugefügt worden. Am 16.06.2010 habe die Klägerin von ihr eine Bestätigung verlangt, dass der ZfP-Aufenthalt ausschließlich aufgrund ihres Verkehrsunfalls notwendig gewesen sei. Dabei habe sie sich allerdings nicht festlegen wollen, um welchen Aufenthalt es sich im ZfP handele. Anlässlich weiterer Vorstellungen am 28.08.2010, 23.11.2010, 14.02.2011 und 06.05.2011 habe die Klägerin angegeben, dass es ihr gut gehe, dass sie nicht krank sei und dass sie nur wegen ihres Unfalls im ZfP gewesen sei. Am 06.05.2011 sei die Klägerin letztmals in ihrer Praxis vorstellig gewesen (Bl. 58 E-Akten).
Der Allgemeinmediziner J. W. gab anlässlich seiner Zeugenvernehmung am 15.08.2012 zu Protokoll, zwar die Klägerin bereits in den Jahren 1998/1999 behandelt, bei seinen Einträgen aber als Ersttermin den 24.05.2007 vermerkt zu haben. Die Klägerin sei als Unfallopfer gekommen und habe über Nackenschmerzen sowie Schmerzen im Bauch- und Brustbereich geklagt. Die Klägerin sei auffällig gewesen und habe offenbar noch unter Schockwirkung bezüglich des Unfalls gestanden. Er habe eine posttraumatische Belastungsstörung und Zwanghaftigkeit vermutet. Am 10.07.2007 sei die Klägerin erneut in seine Praxis gekommen. Nach dem ZfP-Aufenthalt habe sie sich seit vier Tagen wieder zuhause befunden und eine ambulante Weiterbehandlung in der Tagesklinik in L. abgelehnt. Sie habe über sich selbst ausgesagt, keine Ängste mehr zu haben und sich wohl zu fühlen, sich aber um ihre Mutter zu sorgen, die nach dem Unfall noch immer ein Hämatom auf der Stirn habe. Außerdem habe die Klägerin über schwere Arme geklagt und dass sie sich nach einer Impfung schlapp fühle. Er selbst habe vermerkt, dass die Klägerin psychisch noch immer auffällig sei. Bei der Vorstellung am 16.11.2007 habe die Klägerin über Schmerzen im Halswirbelbereich geklagt. Er habe zu ihrem psychischen Zustand notiert, dass bezüglich ihrer psychotischen Störung keine Krankheitseinsicht bestehe, dass sie zwanghafte „klebende“ Gedankengänge habe und nicht schwingungsfähig sei. Wahnhafte Vorstellungen hätten momentan nicht bestanden. Am 19.06.2008 habe er die Klägerin auf deren Wunsch an Dr. M. überwiesen. Die Klägerin habe außerdem eine Krankmeldung wegen Fußschmerzen verlangt, die aufgrund der neu erworbenen Schuhe bestanden hätten. Sie habe jedoch ihre Füße nicht zeigen wollen. Außerdem habe die Klägerin über Mobbing am Arbeitsplatz geklagt. Die nächste Vorstellung sei am 14.05.2010 erfolgt, als die Klägerin über ihre „Zwangseinweisung“ für den zweiten Aufenthalt im ZfP berichtet habe. Sie habe berichtet, dort Spritzen bekommen zu haben und seither unter trockenem Mund, belegter Zunge und gasigen Gerüchen zu leiden. Sein letzter Eintrag stamme vom 21.05.2010, als die Klägerin notfallmäßig in die Praxis gekommen sei und über schwere Atemnot geklagt habe. Er habe sich beim ZfP nach einem möglichen Betreuer erkundigt, weil die Klägerin von ihm schwer zu führen sei (Bl. 62 E-Akten).
Am 13.11.2012 wurde der Bruder der Klägerin, H. Ö., als Zeuge vernommen. Er führte aus, er habe die Klägerin zu Dr. N. gebracht, die sie in das Kreiskrankenhaus L. eingewiesen habe. Von dort sei sie in das ZfP überwiesen worden. Sie habe zunächst nicht in den Krankenwagen einsteigen wollen. Er habe dabei mitgeholfen und etwas Kraft aufgewandt. Im Krankenwagen sei sie mit den Sicherheitsgurten „gefesselt“ worden. Er selbst sei auch im Krankenwagen mitgefahren, ein Polizist habe hinten bei seiner Schwester gesessen. In R. hätten die Polizisten erklärt, dass hier ihr Zuständigkeitsbereich ende und sie die Klägerin übergeben müssten. Seine Schwester habe in einen anderen Krankenwagen umsteigen müssen. Als die Helfer im Krankenwagen sie von den Sicherheitsgurten befreit hätten, habe sie sich losgerissen und sei aus dem Auto heraus mitten auf die Straße gesprungen. Dies sei sehr gefährlich gewesen, Gott sei Dank sei aber kein Auto gekommen. Seine Schwester habe dann weglaufen wollen. Sie hätten zehn Minuten lang versucht, sie zurück in den Krankenwagen zu bekommen. Die Polizisten hätten ihr dann Handschellen verpasst. Er habe gebeten, dass sie sich zurückhalten sollten. Er habe seine Schwester in den Krankenwagen hinein hochgehoben und sie wieder auf den Sitz gesetzt. Er habe das Verhalten asozial gefunden. Als sie beim ZfP angekommen seien, sei seine Schwester dort von den Ärzten behandelt worden. Sie habe eine Spritze in das Gesäß bekommen, hierbei sei er nicht dabei gewesen, das habe ihm der aufnehmende Arzt erzählt. Er selbst sei nicht mit im BehandlungsZ. gewesen, sondern habe sich draußen im Wartebereich aufgehalten. Der Arzt sei dann zu ihm gekommen und habe ihm gesagt, dass es seiner Schwester wieder gut gehe. Diese sei dann ruhiger geworden, gesehen habe er sie in dieser Zeit aber nicht. Er habe sich im Wartebereich ca. 3 bis 4 Stunden aufgehalten, bis die Ärzte ihm gesagt hätten, er könne jetzt gehen. Er sei dann nach Hause gegangen und habe für seine Schwester Wäsche und etwas zum Essen geholt. Seine Schwester habe das Essen in der Klinik nicht essen wollen, sie habe es nicht in Ordnung gefunden. Diese habe sich von den Ärzten gedemütigt gefühlt. Sie hätten sie nicht gut behandelt. Die Behandlung hätte nicht so grob sein sollen, sondern ein bisschen netter. Es sei keine freundliche Behandlung gewesen. Auch hätten seiner Schwester die Hände von den Handschellen der Polizisten wehgetan. Namen von behandelnden Personen wisse er nicht. Ihm habe sich Dr. Sch. als aufnehmender Arzt vorgestellt, mit dem er gesprochen habe. Auf mehrfache Frage, wodurch sich die Klägerin von den Ärzten gedemütigt gefühlt habe, erklärte der Zeuge, sie habe sich erschöpft gefühlt und gesagt, nicht gut behandelt zu werden und weg zu wollen. Auch seine Eltern hätten seine Schwester dort besucht. Sein Vater habe jedoch gesagt, sie solle dableiben, bis es ihr wieder besser gehe. Seiner Schwester habe das Umfeld nicht gefallen, es seien lauter verrückte Leute dagewesen. Seine Schwester habe nicht davon berichtet, von Ärzten oder Pflegepersonal angegriffen worden zu sein. Sie habe auch nicht erzählt, irgendwann Stromstöße bekommen zu haben. Von irgendwelchen sexuellen Übergriffen habe sie auch nicht berichtet. Nach dem Unfall im Mai 2007 sei es seiner Schwester nicht gut gegangen. Sie habe eine Woche lang nicht schlafen können. Die Ärzte im Krankenhaus in L. hätten gesagt, sie müsse in die Psychiatrie nach E.. Seine Schwester habe dies nicht gewollt und gesagt, der Arzt bräuchte eher diese Behandlung (Bl. 82 E-Akten).
Das Ermittlungsverfahren gegen den angezeigten Pfleger B. wurde wegen dessen Versterbens im April 2012 mit Verfügung vom 23.10.2012 eingestellt. Nach Unterrichtung der Klägerin bedankte sich diese „für das passende Geschenk zum islamischen Opferfest“ (Schreiben vom 24.12.2012). Mit Beschluss vom 20.11.2012 stellte die Staatsanwaltschaft Freiburg die Ermittlungsverfahren gegen Dr. Sch., Dr. Sch., Dr. W., G. Bl. sowie G. K. gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) ein. Die Ermittlungen hätten die erhobenen Vorwürfe nicht erhärtet. Die Ermittlungen hätten keinerlei Hinweise ergeben, dass die von der Anzeigenerstatterin vorgebrachten Misshandlungsvorwürfe durch Ärzte bzw. Pflegepersonal des ZfP einen realen Hintergrund hätten. Aus den Patientenunterlagen ergebe sich, dass die Klägerin wahnhaftem Erleben nachgehangen habe. Auch in der dritten Woche der Behandlung im ZfP seien noch wahnhafte Verkennungen aufgetreten. Diese hätten sich unter anderem dadurch geäußert, dass die Klägerin geglaubt habe, die im ZfP angetroffenen Mitpatienten seien an dem Verkehrsunfall vom 19.05.2007 in L. beteiligt gewesen. Bereits damals hätten sich rezidivierende Satz- bzw. Gedankenabbrüche gezeigt. Die Behauptung, sie habe auf einem elektrischen Stuhl Medikamente einnehmen müssen, dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf diese wahnhaften Vorstellungen zurückzuführen sein. Soweit die Klägerin geltend gemacht habe, sie müsse im ZfP auch sexuellen Übergriffen ausgesetzt gewesen sein, habe sie selbst keinerlei Erinnerung daran. Sie habe ausdrücklich ausgeführt, nicht zu wissen, was ihr in der Zeit ihrer behaupteten Bewusstlosigkeit passiert sei. Die von der Klägerin beschuldigten Ärzte und pflegerischen Mitarbeiter des ZfP hätten zu den erhobenen Vorwürfen keine Angaben gemacht. Hierzu seien sie als Beschuldigte nach dem Gesetz auch nicht verpflichtet. Auch die Vernehmung der nachbehandelnden Ärzte sowie des Bruders der Klägerin habe keine Anhaltspunkte für einen realen Hintergrund der erhobenen Beschuldigungen ergeben. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin „es sei naheliegend, dass sie als Osmanin falsch eingeschätzt“ werde, sie sei keine „kranke Jüdin“) wies die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe mit Bescheid vom 10.12.2012 zurück.
Auf die Anzeige der Klägerin gegen den Polizeibeamten M. wegen „ungerechtfertigten Anlegens von Handschellen“ hat die Staatsanwaltschaft O. der Klägerin mit Schreiben vom 13.11.2012 mitgeteilt, dass von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 152 Abs. 2 StPO abgesehen werde, da bereits nach dem Vortrag der Klägerin erkennbar sei, dass unter jedem strafrechtlichen Aspekt Strafverfolgungsverjährung und damit ein Verfahrenshindernis eingetreten sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde mit Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 07.12.2012 zurückgewiesen. Der daraufhin gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15.01.2013 als unzulässig verworfen.
Auf die Anzeige der Klägerin gegen Dr. N. wegen Körperverletzung teilte die Staatsanwaltschaft Offenburg der Klägerin mit Verfügung vom 07.02.2013 mit, dass von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werde, da nach dem Vortrag der Klägerin erkennbar sei, dass unter jedem strafrechtlichen Aspekt Strafverfolgungsverjährung und damit ein Verfahrenshindernis eingetreten sei. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies die Generalstaatsanwalt Karlsruhe mit Bescheid vom 21.03.2013 zurück.
Der Beklagte hat des Weiteren die Behördenakte aus dem Schwerbehindertenverfahren beigezogen. In diesem Verfahren ist das von der Deutschen Rentenversicherung Bund eingeholte fachärztliche psychiatrische Gutachten von Dr. K. vom 25.05.2013 aktenkundig geworden. Nach eingehender Untersuchung der Klägerin am 24.04.2013 diagnostizierte Dr. K. eine anhaltende wahnhafte Störung. Die Klägerin sei im formalen Denken eingeengt auf die Ereignisse im ZfP, im inhaltlichen Denken bestünden wahnhafte Gedankeninhalte, dass ihr im ZfP an Fuß- und Handfesseln elektrische Stöße versetzt worden seien sowie dass sie gequält an den Fesseln verbrannt und im ZfP missbraucht worden sei.
Mit Bescheid vom 29.08.2013 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung ab, da die Ermittlungen keinerlei Hinweise auf ein konkretes Fehlverhalten der beschuldigten Personen ergeben hätten und weitere erfolgversprechende Ermittlungsansätze und objektive Beweismittel, die das Vorbringen der Klägerin bestätigen könnten, nicht vorhanden seien. Es könne daher nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2014 zurück, da eine Gewalttat nach wie vor objektiv nicht nachgewiesen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.03.2014 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 11.12.2014 hat das SG die Klage abgewiesen, da es sich nicht davon zu überzeugen vermochte, dass die Klägerin im Zusammenhang mit der stationären Unterbringung im ZfP vom 01.06. bis 06.07.2007 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe im Sinne des § 1 OEG geworden sei. Solche Angriffe seien auch nicht glaubhaft gemacht. Ärztliche Eingriffe würden grundsätzlich in der Absicht durchgeführt zu heilen und nicht, um in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf die körperliche Unversehrtheit des Patienten einzuwirken. Für die besondere Fallkonstellation des ärztlichen Eingriffs müssten deshalb – neben der Strafbarkeit als Vorsatztat – bestimmte weitere Voraussetzungen hinzukommen, bei deren Vorliegen die Grenze zur Gewalttat, also zum „vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff“, überschritten sei. Ein Patient werde dann unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des OEG zum Gewaltopfer, wenn ein als vorsätzliche Körperverletzung strafbarer ärztlicher Eingriff objektiv – also aus der Sicht eines verständigen Dritten – in keiner Weise dem Wohl des Patienten diene. Dass dies bei der Unterbringung im ZfP der Fall gewesen sei, sei bereits nicht glaubhaft gemacht, weil es auch nicht überwiegend wahrscheinlich sei, dass sich die Vorgänge so zugetragen hätten, wie klägerseitig dargestellt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Unterbringung wegen Gefahr für Leib und Leben der Klägerin gerichtlich angeordnet worden sei. Es bestünden keinerlei Hinweise auf konkretes Fehlverhalten der Ärzte und/oder des Pflegepersonals des ZfP im Zusammenhang mit dem Aufenthalt der Klägerin im Juni bzw. Juli 2007. Die behaupteten Verbrennungen an Armen und Füßen durch Stromstöße seien weder von Dr. M. noch von dem Allgemeinmediziner W. noch von dem Bruder der Klägerin bestätigt worden. Zu berücksichtigen sei, dass bei der Klägerin eine akute schizophreniforme psychotische Störung diagnostiziert worden sei. Im April 2010 sei eine weitere Behandlung im ZfP wegen eines Rezidivs einer paranoiden Psychose erfolgt und im Mai 2010 habe sich die Klägerin dann selbst im ZfP vorgestellt und sei wegen paranoider Schizophrenie aufgenommen worden. Eine anhaltende wahnhafte Störung werde auch in dem Gutachten von Dr. K. vom 25.05.2013 für die Deutsche Rentenversicherung diagnostiziert.
Die Klägerin hat am 18.12.2014 Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit der Begründung eingelegt, sie sei keine Schizophrene, nur eine Osmanin, die von Deutschen auf feige Art und Weise geschändet worden wäre.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Dezember 2014 sowie den Bescheid vom 29. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Beschädigtenversorgung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat sich zur Sache nicht eingelassen.
Im Erörterungstermin des Berichterstatters hat die Klägerin am 30.04.2015 ergänzend vorgetragen, sie sei nach dem Vorfall 2007 nicht mehr beim Arzt gewesen und könne daher die Verletzungen im Hand- und Fußbereich auch nicht dokumentieren.
Die Klägerin hat hierauf eine Bescheinigung des Facharztes für Dermatologie u. a. Dr. Z. vom 25.05.2015 vorgelegt. Hierin wird über die Untersuchung der Klägerin am 19.05.2015 berichtet, anlässlich derer sich an beiden Füßen und Unterschenkeln im Bereich der Sprunggelenke beiderseits eine normal gefärbte rosige Haut gezeigt habe. Im medialen Bereich habe jeweils eine ca. handtellergroße raue, leicht grau gefärbte hyperkeratotische Haut bestanden. Auch an beiden Fersen hätten starke Hyperkeratosen bestanden. Die Zehenzwischenräume seien mazeriert gewesen und es hätten Hautabschilferungen mit typischem Geruch im Sinne einer Keratoma sulcatum bestanden.
Der Senat hat daraufhin Dr. Z. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Er hat mit Schreiben vom 14.06.2015 unter Beifügung verschiedener Lichtbilder vorgetragen, dass sich die Klägerin am 19.05.2015 in seiner Sprechstunde vorgestellt habe. Die letzte Untersuchung und Behandlung (zuvor) sei am 30.01.2012 mit einer infizierten Wunde (anamnestisch Verbrühung) auf dem rechten Vorfuß gewesen. Bei der Vorstellung am 19.05.2015 habe die Klägerin berichtet, im Jahre 2007 einen Autounfall gehabt zu haben und ins ZfP eingewiesen worden zu sein. Dort sei sie an den Fußgelenken fixiert worden. Sie benötige jetzt eine Bescheinigung über die Narben an den Fußgelenken. Bei der Untersuchung hätten sich an beiden Sprunggelenken im medialen Bereich (Innenseite) ca. handtellergroß vermehrte Hyperkeratosen (Hornhautbildung) und eine dezente grau-weiße Verfärbung und raue Haut gezeigt. Im Außenbereich sei die Haut normal gewesen. Diese Hautveränderungen könnten nach einer mechanischen Irritation der Haut wie Fußfesselbänder entstehen, sprächen aber mehr für eine länger dauernde chronische Irritation. Es seien viele andere Ursachen möglich (trockene Haut, artefacte, Strumpfgummi, Schuhschaft, Sport). Die sichtbaren Hautveränderungen seien keinesfalls beweisend für eine Fußfixierung. Am 25.05.2015 habe die Klägerin die Bescheinigung in der Praxis abgeholt und sich am 26.05. erneut vorgestellt. Sie habe berichtet, dass damals die Hautveränderungen an den Sprunggelenken wie Verbrennungen gewesen seien und die Haut offen und blasig sowie stark schmerzend gewesen sei. Sie habe jetzt auch eine Bescheinigung für die Handgelenke gewollt. Bei deren Begutachtung habe sich beidseits eine armbandartige grau-blaue Verfärbung der Haut gezeigt, die Haut sei vergröbert und rau gewesen. Es habe sich eine vermehrte Hornhautbildung gezeigt. Diese Hautveränderungen sprächen ebenfalls für eine längere Zeit zurückliegende mechanische chronische Schädigung der Haut. Die jetzt noch sichtbaren Hautveränderungen könnten von einer mechanischen Irritation der Haut stammen. Ob es sich um Folgen einer Fixierung im ZfP handle, könne er nicht sagen, hier sollte ein Gerichtsmediziner ein Gutachten erstellen. Es hätten sich keine eindeutigen Narben im geschilderten Körperbereich gezeigt, d. h. die Verletzungen oder Verbrennungen seien nicht so stark gewesen, dass es einer ärztlichen Behandlung unbedingt bedurft hätte. Die Klägerin sei 2005 und 2012 in seiner Behandlung gewesen, wegen der Hautschädigung (2007) habe in seiner Praxis keine Behandlung stattgefunden.
Außerdem hat der Senat den Chefarzt des ZfP, Dr. Sch., sowie Dr. W. als sachverständige Zeugen zum stationären Aufenthalt der Klägerin vom 01.06. bis 06.07.2007 befragt. Diese haben mit Schreiben vom 08.07.2015 angegeben, dass eine Isolierung und Fixierung der Klägerin wegen selbstgefährdendem und bedrohlichem Verhalten am 01.06.2007 von 16.30 Uhr bis 02.06.2007 um 8.30 Uhr erfolgt sei. In diesem Zeitraum sei um 21.00 Uhr eine Entfixierung versucht worden, ebenso um 23.30 Uhr. Bei noch nicht ausreichender Besserung des Gefährdungszustandes sei die Fixierung jeweils erneuert worden, bis am 02.06.2007 um 8.30 Uhr die Fixierung und Isolierung dauerhaft habe beendet werden können. Die Isolierung und Fixierung sei ärztlicherseits angeordnet und überprüft worden. Die erneute Fixierung um 23.30 Uhr sei erfolgt, nachdem es der Klägerin gelungen sei, sich zu entfixieren. Sie sei vom Nachtdienstpfleger wegen Eigengefährdung durch ihren verworrenen Unruhezustand erneuert worden. Die medizinische Anordnung sei wegen Selbstgefährdung und bedrohlichem Verhalten geschehen. Die Klägerin habe derart ausgeprägte Denkeinschränkungen gezeigt, dass eine geordnete Kommunikation nicht möglich gewesen sei. Gerichtete Handlungen seien ebenfalls nicht möglich gewesen. Es hätten sich Hinweise auf optische Halluzinationen und wahnhaftes Erleben gezeigt. Hilfsmaßnahmen seien abgelehnt worden. Insgesamt seien die Isolierung und Fixierung als Schutzmaßnahme erfolgt, da sich die Klägerin in einem psychotischen Zustand mit Realitätsverkennung, aufgehobener Kritik- und Urteilsfähigkeit befunden habe, medizinische Hilfe abgelehnt habe und vehement von der Station zu entweichen versucht habe, bei akuter Gefährdung durch die Bewusstseinsminderung und Orientierungsstörung. Da aufgrund der ausgeprägten Unruhe und Einschränkung der Steuerungsfähigkeit davon auszugehen gewesen sei, dass die Klägerin in einem nur durch eine geschlossene Tür geschützten Bereich sich in dem Erregungszustand durch impulsives Handeln selbst gefährden oder andere Personen durch versuchte Entweichung mit aggressivem Verhalten gefährden würde, sei neben der zwangsweisen Zurückhaltung eine Isolierung und Fixierung angeordnet worden. Da eine Absprachefähigkeit nicht gegeben gewesen sei und die Klägerin dauerhaft auf Verlassen der Station gedrängt habe, sei die Isolierung, Fixierung und bei akuter Behandlungsbedürftigkeit eine Medikation mit Ciatyl Accuphase intramuskulär sowie 10 mg Diazepam intramuskulär angeordnet worden. Die Fixierung und Isolierung sei am 02.06.2007 um 8.30 Uhr dauerhaft beendet worden, da sich der Zustand durch die medikamentöse Behandlung deutlich gebessert habe. In den Unterlagen seien weder durch die behandelnden Ärzte noch durch Pfleger Spuren von der Fesselung/Fixierung dokumentiert worden. Auch die Klägerin habe in dem Zeitraum der weiteren stationären Behandlung bis zum 06.07.2007 keine Angaben zu Verletzungen gemacht. Eine Behandlung mit Stromstößen sei nicht erfolgt.
Des Weiteren hat der Senat Dr. Sch. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen, der mit Schreiben vom 21.07.2015 vorgetragen hat, dass sich die Klägerin vom 04.06. bis 06.07.2007 in seiner Behandlung als Stationsarzt der Station 36 im ZfP befunden habe. Anordnungen zu Fixierungen und Medikationen im Zeitraum vom 01. bis 03.06.2007 seien durch die involvierten ärztlichen Kollegen getroffen worden. Am 04.06.2007 habe keine Fixierung mehr bestanden. Die Klägerin habe die körperliche Untersuchung aktiv abgelehnt. Inspektorisch, d. h. durch Augenschein, seien keine wesentlichen Auffälligkeiten erkennbar gewesen. Einmalig habe die Klägerin am 26.06.2007 über Schmerzen im linken Arm geklagt, Verletzungsspuren seien auch zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar gewesen.
Die ebenfalls als Zeuginnen schriftlich vernommenen Pflegekräfte G. Bl. und G. K. haben keine Angaben zum Aufenthalt der Klägerin im ZfP im Jahr 2007 machen können (Bl. 55, 56 LSG-Akten).
Die Klägerin hat hierzu mit Schreiben vom 23.07.2015 ergänzend vorgetragen, nach ihrer Ankunft am 01.06.2007 im ZfP sei sie an den Arm- und Fußgelenken auf einer Liege fixiert worden. Der Krankenpfleger B. habe ihr daraufhin befohlen, sie solle sich ganz ausziehen. Dann habe er eine Spritze genommen und habe ihr u. a. in die Rückseite der linken Hüfte, in den oberen Brustbereich, in ihren Bauch, in den kleinen linken Finger und hinter das Ohrläppchen des linken Ohrs Spritzen verabreicht. Die Fesseln hätten danach angefangen, sich zu erhitzen, folglich hätten auch ihre Arm- und Fußgelenke gebrannt. Aufgrund dieser schlimmen Einwirkungen sei sie dann dauerhaft bewusstlos gewesen, bis sie Tage später aufgewacht sei. Sie habe nur ihre erste Fixierung mitbekommen, so dass die Behauptung unverständlich sei, sie habe versucht, sich zu entfixieren. Sie habe stärkste Stromstöße und schwerste Verletzungen erhalten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Klägerin wird auf die eingereichten Schreiben sowie die Behördenakten im OEG-Verfahren sowie die beigezogenen Verwaltungsakten aus dem Schwerbehindertenverfahren und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Gründe
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung. Der Beklagte hat daher ihren hierauf gerichteten Antrag zu Recht abgelehnt und das SG die Klage in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgewiesen.
Die Klägerin begehrt mit der hier statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG die Aufhebung der ihren Antrag ablehnenden Entscheidung sowie die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung gesundheitlicher körperlicher und seelischer Schädigungen aufgrund eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs (vgl. zur Unzulässigkeit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage auf isolierte Feststellung, Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden zu sein, BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 9 V 1/13 R – SozR 4-3800 § 1 Nr. 21). Ein entsprechendes Klage- bzw. Berufungsbegehren hat die Klägerin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Jedenfalls mit ihrem am 03.06.2013 beim Beklagten eingegangenen Formularantrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung hat sie die in § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG genannte Rechtsfolge zum Gegenstand ihres Antrages gemacht und damit zum Ausdruck gebracht, der Beklagte möge die hierfür notwendigen Voraussetzungen feststellen. Dabei ergibt sich aus dem Sachverhaltsvortrag der Klägerin, der zur Bestimmung und Auslegung des Klagebegehrens heranzuziehen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG-Komm., 11. Auflage 2014, § 123 Rdnr. 3), insgesamt, dass streitgegenständlich Angriffshandlungen in Form von Fesselungen/Fixierungen, Verabreichungen von Medikamenten und Stromstößen sowie sexuelle Misshandlungen durch Mitarbeiter des ZfP sowie Fesselungen durch die Polizei sind. Als Folge dieser Angriffe hat die Klägerin gesundheitliche Schädigungen an Händen und Füßen sowie seelische Beeinträchtigungen geltend gemacht (vgl. insbesondere ihr Schreiben vom 15.03.2013 an die Deutsche Rentenversicherung Bund). Nicht zum Gegenstand ihres bei dem Beklagten gestellten sowie im Klage- und Berufungsverfahren aufrecht erhaltenen Antrages hat die Klägerin den auf dem Einweisungs- und Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts E. vom 06.06.2007 beruhenden zwangsweisen Aufenthalt im ZfP als solchen gemacht. Ebenfalls nicht streitgegenständlich sind konkrete Leistungsansprüche, die erst dann geltend gemacht werden können, wenn die Voraussetzungen des § 1 OEG insgesamt festgestellt und das Vorliegen von Versagungsgründen nach § 2 OEG geprüft und abgelehnt worden ist. Solche, in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zu prüfenden (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 9 BVG) konkreten Leistungsanträge hat die Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt bei dem Beklagten gestellt und dieser hierüber nicht entschieden. Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, sie wolle Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegenüber den von ihr benannten Mitarbeitern des ZfP durchsetzen, geht der Senat nicht davon aus, dass die Klägerin ein entsprechendes Begehren bereits zum Gegenstand ihres sozialgerichtlichen Verfahrens machen wollte, was ohnehin nicht zulässig wäre.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält, wer im Geltungsbereich des OEG in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG.
Nach § 1 Abs. 4 OEG haben Ausländer einen Anspruch auf Versorgung, wenn sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften sind (Nr. 1) oder soweit Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften, die eine Gleichbehandlung mit Deutschen erforderlich machen, auf sie anwendbar sind (Nr. 2) oder wenn die Gegenseitigkeit gewährleistet ist(Nr. 3).
Sonstige Ausländer, die sich rechtmäßig nicht nur für einen vorübergehenden Aufenthalt von längstens sechs Monaten im Bundesgebiet aufhalten, erhalten nach § 1 Abs. 5 Satz 1 OEG Versorgung nach folgenden Maßgaben:
1. Leistungen wie Deutsche erhalten Ausländer, die sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten;2. ausschließlich einkommensunabhängige Leistungen erhalten Ausländer, die sich ununterbrochen rechtmäßig noch nicht drei Jahre im Bundesgebiet aufhalten.
Danach gehört die Klägerin, die sich als türkische Staatsangehörige seit ihrer Geburt in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis) ist, grundsätzlich nach § 1 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 OEG zum anspruchsberechtigten Personenkreis.
§ 1 Abs. 1 OEG setzt als schädigenden Vorgang einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff voraus. Grundsätzlich ist der Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG unter Bezugnahme auf seine im Strafrecht gewonnene Bedeutung in den §§ 113, 121 Strafgesetzbuch (StGB) auszulegen. Danach liegt ein tätlicher Angriff bei einer unmittelbar auf den Körper eines anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung vor (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 17). Der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG setzt über den natürlichen Vorsatz des Täters bezogen auf die Angriffshandlung hinaus eine „feindselige Willensrichtung“ voraus. Dieses – einem Angriff im Wortsinn immanente – Merkmal dient dem Opferentschädigungsrecht vor allem zur Abgrenzung sozialadäquaten bzw. gesellschaftlich noch tolerierten Verhaltens von einem auf Rechtsbruch gerichteten Handeln des Täters (BSG SozR 3800 § 1 Nr. 6). Lässt sich eine feindselige Willensrichtung im engeren Sinne nicht feststellen, kann alternativ darauf abgestellt werden, ob der Täter eine mit Gewaltanwendung verbundene strafbare Vorsatztat (zumindest einen strafbaren Versuch) begangen hat (st. Rspr. seit 1985 vgl. BSG SozR 3-3800 § 1 Nrn. 6 und 7). Anstelle einer feindseligen Absicht ist dann die Rechtsfeindlichkeit des Täters entscheidend, dokumentiert durch einen willentlichen Bruch der Rechtsordnung. Die einem Angriff innewohnende Feindseligkeit manifestiert sich insoweit durch die vorsätzliche Verwirklichung der Straftat (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 18).
Nach § 30 Abs. 16 BVG wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 BVG maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) am 10.12.2008, in Kraft getreten am 01.01.2009, erlassen. Alle Einzelheiten werden in der Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV geregelt. Danach wird als Schädigungsfolge im sozialen Entschädigungsrecht jede Gesundheitsstörung bezeichnet, die in ursächlichem Zusammenhang mit einer Schädigung steht, die nach dem entsprechenden Gesetz zu berücksichtigen ist (VG, Teil A, Nr. 1 a) und ist Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (VG, Teil C, Nr. 1 b Satz 1).
Grundsätzlich müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 OEG voll bewiesen sein. Zu den Fakten, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs geklärt („voll bewiesen“) sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung (VG, Teil C, Nr. 2 a). Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt (VG, Teil C, Nr. 2 b Satz 1 Halbsatz 1). Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vorgang (VG, Teil C, Nr. 2 c Halbsatz 1). Wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, sind nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Glaubhaftmachung i. S. des § 15 KOVVfG bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d. h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – SozR 3-3900 § 15 Nr. 4; Urteil vom 22.09.1977 – 10 RV 15/77 – BSGE 45, 9; vgl. auch Urteil vom 17.12.1980 – 12 RK 42/80 – SozR 5070 § 3 Nr. 1). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d. h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den Übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht jedoch nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Ob das Gericht die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht, obliegt nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG seiner freien richterlichen Beweiswürdigung.
Für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Schädigung ist, genügt versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (VG, Teil C, Nr. 3 a Sätze 1 und 2). Grundlage für die medizinische Beurteilung sind die von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese (VG, Teil C, Nr. 3 b Satz 1). Aus dem Umstand, dass der Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden kann, lässt sich nicht folgern, dass er darum wahrscheinlich sei. Ebenso wenig kann das Vorliegen einer Schädigungsfolge bejaht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur möglich ist (VG, Teil C, Nr. 3 d Sätze 1 und 2).
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen steht für den Senat der folgende Sachverhalt fest: Die Klägerin wurde am 01.06.2007 vom Kreiskrankenhaus L. in das ZfP überwiesen. Nach den urkundlich verwerteten und für den Senat glaubhaften polizeilichen Zeugenangaben des Bruders der Klägerin, H. Ö., der sie auf der gesamten Fahrt von L. nach E. begleitet hat, wurde die Klägerin in einem ersten Krankenwagen bis nach R. gebracht. In R. übernahmen die für den Kreis E. örtlich zuständigen Polizeibeamten die Klägerin. Im Zuge des Fahrzeugwechsels kam es zu einem Fluchtversuch der Klägerin, die jedoch wieder zurück in das Fahrzeug verbracht werden konnte. Während der Fahrt von R. zum ZfP wurden der Klägerin dann durch die Polizeibeamten Handschellen angelegt. Wie sich aus den schriftlichen Zeugenauskünften des Chefarztes Dr. Sch. sowie des Dr. W. vom 08.07.2015 ergibt, ist die Klägerin im ZfP vom 01.06.2007 um 16.30 Uhr bis 02.06.2007 um 8.30 Uhr isoliert und fixiert worden, zudem wurden ihr in diesem Zeitraum die Medikamente Ciatyl Accuphase sowie 10 mg Diazepam intramuskulär injiziert. Nach Entfixierung am 02.06.2007 um 8.30 Uhr ist es bis zur Entlassung am 06.07.2007 zu keiner weiteren Fixierung der Klägerin im ZfP gekommen.
Alle weiteren von der Klägerin erhobenen Vorwürfe haben sich hingegen nicht objektivieren lassen und sind auch nicht glaubhaft i. S. des § 15 KOVVfG. Eine Behandlung mit Stromstößen hat ausweislich der Zeugenauskünfte von Dres. Sch. und W. im ZfP nicht stattgefunden. Der Senat ist davon überzeugt, dass eine solche Maßnahme in den Krankenunterlagen ebenso dokumentiert worden wäre, wie es hinsichtlich der Isolierungen und Fixierungen sowie der Medikamentengabe tatsächlich geschehen ist, und die schriftlich vernommenen Zeugen in ihrer Auskunft vom 08.07.2015 hierüber berichtet hätten. Ganz wesentliche Bedeutung misst der Senat im Übrigen der polizeilichen Zeugenaussage des Bruders der Klägerin bei, der ausdrücklich verneint hat, dass seine Schwester ihm von einer Strombehandlung oder Angriffen durch Ärzte berichtet hat. Hiervon wäre jedoch auszugehen gewesen, wenn es eine solche Behandlung gegeben hätte, zumal wenn sie mit den körperlichen Folgen verbunden gewesen wäre, die die Klägerin jetzt geltend macht. Ihre eigenen Schilderungen hält der Senat insoweit nicht für glaubhaft. Im OEG-Verfahren hat die Klägerin keinerlei konkrete Einzelheiten zu der angeblichen Behandlung mit Stromstößen vorgetragen. Im Übrigen widersprechen sich ihre Angaben. Aus dem Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 20.11.2012 ergibt sich, dass die Klägerin im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen angegeben hat, sie habe auf einem elektrischen Stuhl Medikamente einnehmen müssen. In ihrem Schreiben an die Deutsche Rentenversicherung Bund vom 15.03.2013 hat die Klägerin hingegen angegeben, sie sei auf einer elektrischen Liege fixiert worden und „mit Stromstößen der E-Liege“ seien ihre Muskeln und Sehnen zerstört worden. In ihrem Schreiben vom 26.01.2011 an Rechtsanwalt St. hat die Klägerin zwar detailliert über das Geschehen nach ihrer Ankunft im ZfP berichtet und angegeben, sie sei aufgefordert worden, sich auf eine Liege zu legen, danach sei sie zur Einnahme einer Tablette gezwungen worden, anschließend seien ihre Füße und Hände auf der Liege festgebunden worden, dann seien ihr mehrere Spritzen gegeben worden, anschließend habe sie gespürt, dass die Fesseln immer heißer geworden seien und Fuß- und Handgelenke gebrannt hätten, bis sie schließlich bewusstlos geworden sei. Von Stromstößen hat die Klägerin hingegen nicht berichtet. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Klägerin zwar ein Brennen an den Extremitäten verspürt hat, diese Empfindung jedoch nicht auf eine Behandlung mit Stromstößen, sondern letztlich auf die Wirkung der verabreichten Medikamente oder ihren psychischen Zustand zurückzuführen ist. Wäre die Klägerin mit der Folge von Verbrennungen an Händen und Füßen unter Strom gesetzt worden, hätte sie zur Überzeugung des Senats ihren nächsten Angehörigen, insbesondere ihrem Bruder, der sie begleitet und zu späterer Zeit im ZfP besucht hat, hiervon berichtet. Der Nachweis einer Behandlung mit Stromstößen lässt sich auch nicht aufgrund entsprechender medizinischer Befunde führen. Dies steht für den Senat aufgrund der sachverständigen Zeugenauskunft des Facharztes für Dermatologie u a. Dr. Z. fest, ohne dass es einer weiteren Beweiserhebung in Form eines Sachverständigengutachtens bedurfte. Denn Dr. Z. hat als fachkundiger Mediziner die sichtbaren Hautveränderungen keinesfalls für beweisend für eine Fixierung gehalten, mehr spreche für eine längerdauernde chronische Irritation. Hinzu kommt, dass sich die Klägerin wegen der angeblichen Verbrennungen der Hände und Füße weder im ZfP noch zu einem späteren Zeitpunkt medizinisch hat behandeln lassen. Gegenüber dem Allgemeinarzt W. hat die Klägerin am 10.07.2007, also vier Tage nach ihrer Entlassung aus dem ZfP, vielmehr angegeben, sich wohl zu fühlen. Bei Dr. Z. hat sich die Klägerin erstmals 2012 wegen einer von ihr angegebenen Verbrühung des Vorfußes vorgestellt. Aus all dem muss gefolgert werden, dass es im ZfP nicht zu Verletzungen der Klägerin an Händen und Füßen gekommen ist, die die Behandlung mit Stromstößen belegen könnten.
Auch soweit die Klägerin sexuelle Misshandlungen durch Mitarbeiter des ZfP behauptet hat, ist dies nicht glaubhaft gemacht und schon gar nicht erwiesen. Die Klägerin hat selbst keine konkreten Erinnerungen an ein solches Ereignis und kann daher keine Tatsachen hierzu schildern. Die Klägerin vermutet lediglich entsprechende Übergriffe und schließt dies daraus, dass ihre Unterhose Blutspuren aufwies. Zugleich hat die Klägerin aber angegeben, dass nach Aussage des Pflegepersonals ihre Monatsblutung eingesetzt habe. Wäre die Klägerin aufgrund sexueller Misshandlungen derart verletzt worden, dass es zu massiven Blutungen im Genitalbereich gekommen wäre, ist davon auszugehen, dass die Klägerin über entsprechende Verletzungsfolgen gegenüber den Ärzten des ZfP, ihren Verwandten, die sie im ZfP besucht haben, aber auch gegenüber Ärzten außerhalb des ZfP nach dem Aufenthalt dort geklagt hätte. Dies ist jedoch nicht geschehen. Der Bruder der Klägerin hat im Rahmen seiner Zeugenaussage auf mehrfache Nachfrage, weshalb sich seine Schwester im ZfP nicht gut behandelt gefühlt habe, letztlich nur noch mitgeteilt, es sei das Umfeld gewesen, das der Klägerin nicht gefallen habe, es seien dort lauter „verrückte“ Leute gewesen. Auf die ausdrückliche Nachfrage, ob die Klägerin darüber berichtet habe, von Ärzten oder vom Pflegepersonal angegriffen worden zu sein, hat der Zeuge erklärt, dies sei nicht der Fall gewesen, sie habe auch nicht erzählt, Stromstöße erhalten zu haben. Von sexuellen Übergriffen habe sie ebenfalls nicht berichtet. Wie bereits dargelegt, hat sie sodann vier Tage nach ihrer Entlassung am 10.07.2007 gegenüber dem Allgemeinmediziner W. bekundet, sich wohl zu fühlen und keine Ängste mehr zu haben. Bei einer sexuellen Misshandlung mit schweren körperlichen Begleitverletzungen ca. fünf Wochen zuvor wäre eine solche Aussage nicht vorstellbar.
Auf der anderen Seite ist für den Senat aufgrund der fachärztlichen Stellungnahmen von Dr. M., der behandelnden Ärzte des ZfP sowie der im Rentenverfahren beauftragten Dr. K. erwiesen, dass die Klägerin seit langem an einer psychotischen Erkrankung leidet.
Dr. M. hatte bereits im Jahr 2000 eine psychotische Episode mit paranoiden Ängsten diagnostiziert und die Klägerin deshalb behandelt. Im Entlassbericht des ZfP wurde eine akute schizophreniforme psychotische Störung diagnostiziert mit wahnhaften Denkinhalten und optischen Halluzinationen. Die ambulante Anschlussbehandlung erfolgte wiederum durch Dr. M., bei der sich die Klägerin am 12.07.2007 vorstellte, die aber am 16.10.2007 eine ungünstige Prognose vermerkte, da keinerlei Behandlungsaussicht und Krankheitseinsicht bei der Klägerin bestand. Medikamentöse Behandlungsversuche brach die Klägerin gegen ärztlichen Rat ab. Ein weiterer stationärer Aufenthalt im ZfP mit der Diagnose eines Rezidivs der paranoiden Psychose erfolgte vom 09. bis 20.04.2010. Bereits am 10.05.2010 hatte sich die Klägerin selbst notfallmäßig für eine Nacht im ZfP aufnehmen lassen. Diagnostiziert wurde wiederum eine paranoide Schizophrenie. Bei der Vorstellung am 28.05.2010 bei Dr. M. war die Klägerin hochgradig psychotisch und noch am 24.04.2013 hat Dr. K. eine anhaltende wahnhafte Störung diagnostiziert. Der Senat hält diese übereinstimmenden fachärztlichen Einschätzungen für überzeugend und schließt sich der Auffassung von Dr. K. an, wonach die Misshandlungen in Form von Stromstößen und sexuellen Übergriffen ausschließlich das Produkt der wahnhaften Psychose der Klägerin sind.
Weder der Transport mit Handfesseln im Krankenwagen noch die Isolierungen/Fixierungen der Klägerin im ZfP und die Verabreichung der Medikamente am 01/02.06.2007 erfüllen die Voraussetzungen des § 1 OEG.
Zwar stellt die Anlegung der Handfesseln durch die Polizeibeamten gegen den Willen der Klägerin ein mit unmittelbarer körperlicher Einwirkung verbundener tätlicher Angriff dar. An der Rechtswidrigkeit eines polizeilichen Angriffs fehlt es jedoch, wenn sich der Angreifende auf Rechtfertigungsgründe stützen kann. Als ein solcher Rechtfertigungsgrund ist grundsätzlich das Handeln aufgrund von Amtsrechten und Dienstpflichten anerkannt (Kunz/Zellner/Gelnhausen/Weiner, OEG, 5. Auflage, § 1 Rdnr. 33; Rademacker in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 1 OEG, Rdnr. 67). Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns von Polizeibeamten gilt ein strafrechtlicher Rechtmäßigkeitsbegriff, bei dem es grundsätzlich nicht auf die Richtigkeit der Amtshandlung, sondern nur auf ihre formale Rechtmäßigkeit ankommt. Daher genügt das Vorliegen einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage, die sachliche und örtliche Zuständigkeit des handelnden Beamten zum Eingreifen, die gesetzlichen Förmlichkeiten, soweit solche vorgeschrieben sind, der vom zuständigen Vorgesetzten erteilte Auftrag und, soweit der Beamte nach eigenem Ermessen handelt, die Ordnungsmäßigkeit der Ermessensausübung (Senatsurteil vom 19.04.2012 – L 6 VG 4103/11; OLG Celle, Beschluss vom 08.07.2011 – 31 Ss 28/11 – zit. nach juris).
Ermächtigungsgrundlage für das Anlegen der Handfesseln als Maßnahme des unmittelbaren Zwangs ist § 52 Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolG). Danach darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint (Abs. 1 Satz 1). Gegen Personen darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint (Abs. 1 Satz 2). Das angewandte Mittel muss nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein (Abs. 1 Satz 3). Die Anwendungsvoraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage zur Abwehr von Gefahren für die Klägerin selbst, aber auch für die Allgemeinheit, waren erfüllt. Die Klägerin sollte aufgrund der Überweisung durch das Kreiskrankenhaus L. in das ZfP nach E. gebracht werden. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Überweisung gegen den Willen der Klägerin geschah, wobei einiges dafür spricht, dass infolge der Verwirrtheit der Klägerin für diese deren Bruder als Bevollmächtigter die maßgeblichen Einverständniserklärungen abgegeben hat. Auch die Tatsache, dass die Klägerin im Jahr 2010 aus eigener Veranlassung wiederum mit ihrem Bruder das ZfP aufsuchte und sich dort notfallmäßig hat aufnehmen lassen, spricht dafür, dass die Einweisung 2007 zunächst dem (mutmaßlichen) Willen der Klägerin entsprach. Bis zum Wechsel des Krankenwagens in R. bestand auch nicht die Notwendigkeit einer Fesselung der Klägerin, vielmehr wurden lediglich Sicherheitsgurte angelegt. Anlass für das Anlegen der Handfesseln im zweiten Krankenwagen war dann jedoch der mit erheblichen Leibes- und Lebensgefahren für sich selbst sowie für weitere Verkehrsteilnehmer verbundene Fluchtversuch der Klägerin beim Umsteigen. Wie sich aus der Zeugenaussage ihres Bruders ergibt, hatte sich die Klägerin in dem Moment losgerissen, als die Helfer im Krankenwagen sie von den Sicherheitsgurten befreit hatten. Sie war auf die Straße gesprungen und wollte weglaufen. Erst nach zehn Minuten gelang es, sie in den zweiten Krankenwagen zu verbringen. Bei einem solchen Sachverhalt musste damit gerechnet werden, dass die Klägerin bei nächster sich bietender Gelegenheit erneut versuchen würde zu fliehen. Zur Minimierung der Fluchtgefahr, aber auch für einen gefahrfreien Transport war die Anlegung der Handfesseln auch angemessen, nachdem sich die Klägerin vehement der erneuten Verbringung in den Krankenwagen widersetzt hatte und deshalb mit weiterem Widerstand während der Fahrt zu rechnen war. In formeller Hinsicht besteht kein Anlass, an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu zweifeln. Der Wechsel der Krankenwagen war gerade deshalb erforderlich, weil die Zuständigkeit der bis nach R. (Ortenaukreis) mitfahrenden Polizeibeamten an der Grenze zum nach R. beginnenden Landkreis E. endete.
Auch die ärztlicherseits im ZfP angeordnete Fixierung der Klägerin sowie die am 01./02.06.2007 erfolgte Medikamentengabe in Form von intramuskulär verabreichten Injektionen sind tatbestandlich nicht als tätliche Angriffe i. S. des § 1 OEG zu qualifizieren. Das SG hat im angefochtenen Urteil bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der Rspr. des BSG für die besondere Fallkonstellation des ärztlichen Eingriffs neben der Strafbarkeit der Vorsatztat bestimmte weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen. Denn die gesamte Tätigkeit eines Arztes wird von einem Heilauftrag i. S. des § 1 Abs. 1 Bundesärzteordnung, wonach der Arzt der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes dient, bestimmt (vgl. dazu auch § 1 Abs. 1 Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte). Ärztliche Eingriffe werden demnach grundsätzlich in der Absicht durchgeführt, zu heilen und nicht in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf die körperliche Unversehrtheit des Patienten einzuwirken. Der Senat hat sich dieser Rspr. des BSG angeschlossen. Danach müssen für die besondere Fallkonstellation des ärztlichen Eingriffs – neben der Strafbarkeit als Vorsatztat – bestimmte weitere Voraussetzungen hinzukommen, bei deren Vorliegen die Grenze zur Gewalttat, also zum „vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff“, überschritten ist. Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des OEG wird ein Patient erst dann zum Gewaltopfer, wenn ein als vorsätzliche Körperverletzung strafbarer ärztlicher Eingriff objektiv – also aus der Sicht eines verständigen Dritten – in keiner Weise dem Wohl des Patienten dient. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich der Arzt bei seiner Vorgehensweise im Wesentlichen von eigenen finanziellen Interessen leiten lässt und die gesundheitlichen Belange des Patienten hintangestellt hat. Entsprechende Anhaltspunkte für eine derartige Motivation der behandelnden Klinikärzte des ZfP sind vorliegend in keiner Weise ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus den eingeholten schriftlichen Zeugenaussagen von Dres. Sch. und W., dass das Wohl der Klägerin Anlass für die Fixierung und Verabreichung der Medikamente gewesen ist. Denn aufgrund der ausgeprägten Unruhe und Einschränkung der Steuerungsfähigkeit zum Aufnahmezeitpunkt musste davon ausgegangen werden, dass die Klägerin in einem nur durch eine geschlossene Tür geschützten Bereich sich in dem Erregungszustand, in dem sie sich zu Beginn der Fixierung befand und der auch bei den zwischenzeitlichen Versuchen der Aufhebung der Fixierung noch nicht hinreichend abgeklungen war, durch impulsives Handeln selbst gefährden würde. Darüber hinaus war auch eine Fremdgefährdung nicht auszuschließen, was die Isolierung der Klägerin rechtfertigte, die als solche jedoch ohnehin keinen tätlichen Angriff i. S. des § 1 OEG darstellte. Erst nachdem die verabreichten Medikamente Ciatyl Accuphase und Diazepam Wirkung gezeigt hatten und sich aufgrund dessen der Zustand der Klägerin am 02.06.2007 um 8.30 Uhr gebessert hatte, war eine Entfixierung möglich. Der Senat hat keine Veranlassung, an der Gefahreneinschätzung der behandelnden Ärzte zu zweifeln. Dass sich die Klägerin in einem erheblichen Erregungszustand befand, wird durch die Zeugenaussage des Bruders der Klägerin bestätigt, der von der Notwendigkeit erheblichen körperlichen Zwangs berichtet hat, um die Klägerin überhaupt in den Krankenwagen zurück zu bringen. Auch wenn die für Mitpatienten oder Mitarbeiter des ZfP aufgrund von möglichen Fluchtversuchen der Klägerin bestehenden Gefahren durch eine bloße Isolierung der Klägerin hätten eingeschränkt werden können, wäre eine solche Maßnahme als milderes Mittel ohne gleichzeitige Fixierung aufgrund der weiterhin bestehenden Gefahr einer Selbstverletzung nicht geeignet gewesen. Dass sich die Klägerin in einem Zustand hochgradiger Verwirrtheit befand, wird auch daran deutlich, dass selbst vier Tage nach Aufhebung der Fixierung die Klägerin anlässlich der Anhörung durch Richter am Amtsgericht Sch. am 06.06.2007 noch derart psychisch beeinträchtigt war, dass eine Verständigung mit ihr nicht möglich war und Richter am Amtsgericht Sch. ihr Einverständnis zur Fortsetzung des Aufenthaltes im ZfP nicht als wirksame Willenserklärung wertete. Die Klägerin hat selbst keinen Sachverhalt geschildert, aus dem sich Gründe für eine anderweitige Motivation der die Fixierung anordnenden Ärzte Dres. H. und D. ableiten ließen. Dass sich finanzielle Vorteile hieraus für die Ärzte bzw. die Klinik ergeben könnten, ist nicht ersichtlich; auch andere sachwidrige, nicht dem hippokratischen Eid entsprechende Absichten sind für den Senat nicht erkennbar. Das Vorbringen der Klägerin weist auch darauf hin, dass sie den maßgeblichen Sachverhalt nicht mehr vollständig in Erinnerung hat. So hat sie in ihrem Schreiben vom 23.07.2015 gegen die Zeugenaussagen von Dres. Sch. und W. eingewandt, nicht Dres. H. und D., sondern Dr. Sch. habe als Stationsarzt die Fixierung angeordnet, und es habe nur eine Fixierung gegeben. Dem stehen jedoch nicht nur die Zeugenaussagen von Dres. Sch. und W., sondern auch die des Dr. Sch. vom 21.07.2015 entgegen, der die Klägerin erst ab 04.06.2007 bis zu ihrer Entlassung am 06.07.2007 auf der Station 36 im ZfP behandelte. Die Klägerin war jedoch nicht nur in dieser Zeit im ZfP, sondern wurde dort außerdem vom 09.bis 20.04.2010 nach Einweisung durch Dr. J. stationär aufgrund einer diagnostizierten paranoiden Psychose behandelt und stellte sich selbst im ZfP am 10.05.2010 wegen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes vor und wurde bis zum 11.05.2010 mit der Diagnose einer paranoiden Schizophrenie notfallmäßig aufgenommen. Es ist offensichtlich, dass die Klägerin die verschiedenen Aufenthalte im ZfP nicht voneinander abgrenzen kann. Dies hat auch der behandelnde Allgemeinarzt W. in seiner polizeilichen Zeugenvernehmung vermutet und drängt sich durch die Zeugenaussage von Dr. M. auf, wonach die Klägerin am 16.06.2010 von ihr eine Bestätigung darüber verlangt hat, dass der Aufenthalt im ZfP ausschließlich wegen des Verkehrsunfalls am 19.05.2007 notwendig gewesen sei, auf Nachfrage, welchen Aufenthalt sie damit meine, sich aber nicht festlegen wollte. Gerade der Umstand, dass die Klägerin aus eigener Veranlassung am 10.05.2010 das ZfP aufgesucht hat, um sich dort behandeln zu lassen, legt überdies nahe, dass sie den dort tätigen Ärzten wohl eine gegen sie gerichtete feindselige Haltung nicht unterstellte. Anderenfalls wäre nicht nachzuvollziehen, weshalb sie sich im ZfP und nicht in einer anderen psychiatrischen Klinik hatte behandeln lassen.
Für den Senat fehlt es daher an belastbaren Tatsachen, die begründen könnten, dass und weshalb die verantwortlichen Ärzte des ZfP die sechzehnstündige Fixierung und Medikamentengabe aus anderen als dem Wohl der Klägerin dienenden Gründen angeordnet bzw. selbst vorgenommen hatten. Auch der Umstand, dass schon relativ kurzfristig um 21.00 Uhr eine erste Entfixierung versucht worden war, belegt, dass sich die Ärzte ausschließlich dem Wohl der Klägerin verpflichtet sahen und schnellstmöglich den Zustand der Fixierung aufheben wollten. Eine dem widersprechende Motivation kann dem festgestellten Sachverhalt nicht entnommen werden und ist von der Klägerin letztlich auch zu keinem Zeitpunkt begründet worden.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.