OLG Hamm, Urteil vom 05.07.2006 – 20 U 17/06
1. Zahlt der Unfallversicherer die Invaliditätssumme auf ein ihm vom VN und Versicherten mitgeteiltes Konto des Versicherten, tritt Erfüllung auch dann ein, wenn das Konto bei Zahlung bereits aufgelöst war, die Bank dem Versicherten die Summe aber gutbringt. Dies gilt auch dann, wenn die Bank den Zahlbetrag später mit eigenen Forderungen gegenüber dem Versicherten verrechnet (Rn.23)(Rn.24)(Rn.33)(Rn.36).
2. Die Mitteilung des Versicherten, dass ein anderer Anspruch aus der Versicherung auf ein anderes Konto zu zahlen sei, begründet keinen Widerruf der Zahlstelle für die Invaliditätsentschädigung (Rn.27).
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 02.12.2005 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages erbringt.
Gründe
I.
1
Die Klägerin ist mitversicherte Person einer von ihrem Ehemann bei der Beklagten genommenen Unfallversicherung. Dieser liegen die AUB 94 der Beklagten zugrunde, auf welche Bezug genommen wird (Bl. 96 ff. d.A.). Aufgrund eines Unfalls der Klägerin ist ein Invaliditätsanspruch in Höhe von 21.420 EUR entstanden. Die Parteien streiten darüber, ob der Anspruch durch eine im Februar 2004 vorgenommene Banküberweisung erfüllt ist und, wenn nicht, ob der Beklagte wegen der Überweisung Gegenrechte gegen die Beklagte zustehen.
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Dem liegt im Einzelnen folgender Sachverhalt zugrunde:
3
In der auf einem Formular der Beklagten erstatteten Schadenanzeige vom 19.04.2003, auf welche Bezug genommen wird (Bl. 20 ff.), gaben die Klägerin und ihr Ehemann an, dass die Entschädigung an die Klägerin überwiesen werden solle, und zwar auf deren mit Kontonummer benanntes Girokonto bei der T-Bank C. Zudem erklärte der Ehemann der Klägerin – auf die entsprechende Formularfrage -, dass er mit der Auszahlung an die Versicherte (also die Klägerin) einverstanden sei. Das Formular ist sowohl von der Klägerin als auch von ihrem Ehemann unterzeichnet.
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Im September 2003 wurde dieses Konto auf Betreiben der Klägerin aufgelöst.
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Mit Fax-Schreiben vom 07.10.2003, auf welches ebenfalls Bezug genommen wird (Anlage K 3), übersandte die Klägerin der Beklagten eine Auflistung von Behandlungs- und Arzneikosten und bat um Erstattung. Sie erklärte, dass die Beklagte für diese Kosten aufkommen müsse. Sodann heißt es in dem – allein von der Klägerin unterzeichneten – Schreiben „Meine neue Bankverbindung:“ und es folgt die Benennung eines Kontos der Klägerin bei der W-Bank C.
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Ein Mitarbeiter der Beklagten rief noch am selben oder am folgenden Tag in der Wohnung der Klägerin an. Er erreichte dort deren Ehemann und erklärte diesem, dass nach den vereinbarten Bedingungen ein Anspruch auf Ersatz von Behandlungs- und Arzneikosten von vornherein nicht bestehe. Der Ehemann der Klägerin akzeptierte dies und informierte seine Ehefrau.
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Im Februar 2004 erkannte die Beklagte den Invaliditätsanspruch an und überwies zugleich den Betrag von 21.420 EUR an die T-Bank C unter Angabe des (früheren) Girokontos der Klägerin.
8
Die T-Bank teilte der Klägerin unter dem 08.03.2004 mit, dass der Betrag dem aufgelösten Konto durch die Beklagte „gutgebracht“ worden sei und dass sie diesen mit fälligen Darlehensforderungen verrechnet habe.
9
Eine Rücküberweisung an die Beklagte lehnte die T-Bank ab.
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Die T-Bank machte dann ihre Darlehensforderungen gegen die (hiesige) Klägerin in einem Rechtsstreit vor dem LG Bielefeld geltend (3 O 275/04). Im Hinblick auf die hier in Rede stehende Überweisung der Beklagten erklärte sie den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 28.04.2005 in der Hauptsache für erledigt und teilte mit, den Überweisungsbetrag am 25.02.2004 der Klägerin gutgebracht zu haben. Die (hiesige) Klägerin erklärte, die „Verrechnung“ könne nicht als ihre Leistung auf die Darlehensschuld angesehen werde; es fehle an einer – durch die T-Bank – aufrechenbaren Forderung. Sie widersprach der Erledigungserklärung. Das Landgericht stellte in seinem – rechtskräftigen – Urteil fest, dass in Höhe des Betrages von 21.420 EUR Erledigung eingetreten sei. Zur Begründung führte es aus, dass insoweit der Darlehensanspruch durch „Verrechnung“ erloschen sei; Aufrechnungsverbote seien nicht ersichtlich.
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Über das Vermögen des Ehemanns der Klägerin war zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Insolvenzverwalter hat aber den Invaliditätsanspruch freigegeben und an die Klägerin abgetreten.
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Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin Zahlung der Invaliditätsentschädigung – nebst Zinsen – an sich begehrt. Die Überweisung an die T-Bank habe nicht zur Erfüllung geführt. Sie, die Klägerin, sei auch nicht etwa „durch Leistung“ der Beklagten bereichert.
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Die Beklagte hat gemeint, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Im Übrigen sei der Anspruch erfüllt. Jedenfalls habe die Beklagte einen Gegenanspruch aus Bereicherung.
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Die Beklagte hat Hilfswiderklage erhoben und insoweit beantragt, die Klägerin zur Zahlung von 21.420 EUR nebst Zinsen zu verurteilen (Schreibfehler im Urteil: 21.402 EUR).
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Hilfswiderklage abgewiesen. Wegen der Begründung und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
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Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz. Sie macht zudem geltend, sie habe den Gegenanspruch aus Bereicherung schon in erster Instanz hilfsweise zur Aufrechnung gestellt. Diese Erklärung wiederhole sie ausdrücklich.
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Die Klägerin verteidigt das Urteil mit der Maßgabe, dass sie nunmehr in Höhe von 3.721,74 EUR Zahlung an ihre Prozessbevollmächtigten, in Höhe von 17.500 EUR Zahlung an ihre Mutter C und im Übrigen, in Höhe von 198,26 EUR, Zahlung an sich – jeweils nebst Zinsen – begehrt.
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Sie trägt vor, sie habe am 02.12.2005 nach Urteilsverkündung eine entsprechende Abtretungsvereinbarung mit den Prozessbevollmächtigten und am 05.12.2005 eine Abtretungsvereinbarung mit ihrer Mutter getroffen.
19
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in dieser Instanz wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Ihre Behauptung, ihr Ehemann habe in dem Telefonat am 07. oder 08.10.2003 auf die neue Kontoverbindung hingewiesen, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat fallengelassen. Sie hat nur mehr geltend gemacht, ihr Ehemann habe bei dem Telefonat konkludent zum Ausdruck gebracht, dass er mit ihrem Schreiben vom 07.10.2003 einverstanden gewesen sei. Die Beklagte hat ein solches Einverständnis und eine derartige Äußerung bestritten.
II.
20
Die Berufung ist begründet.
21
1. Die Klage ist unbegründet.
22
a) Allerdings ist die Klägerin aktivlegitimiert. Der Senat nimmt hierzu auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug.
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b) Der Anspruch auf Zahlung der Invaliditätssumme von 21.420 EUR ist aber durch die von der Beklagten vorgenommene Überweisung an die T-Bank erfüllt und damit erloschen.
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Erfüllung ist eingetreten, weil der Ehemann der Klägerin als Verfügungsberechtigter (§ 12 Abschnitt I Satz 1 der vereinbarten AUB 94) sein Einverständnis mit einer Erfüllung durch Überweisung auf das genannte Girokonto bei der T-Bank erklärt hatte und dieses Einverständnis nicht wirksam widerrufen worden ist. Der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Überweisung das Girokonto bereits aufgelöst war, steht der Erfüllung nicht entgegen.
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aa) Erfüllung tritt durch eine Banküberweisung nur ein, wenn der Gläubiger oder – wie hier – der sonst Verfügungsberechtigte sein Einverständnis mit dieser Art der Erfüllung erklärt hat (vgl. nur Palandt-Grüneberg, BGB, 65. Aufl., § 362 Rn. 3). Ein solches Einverständnis hat der Ehemann der Klägerin mit der Schadenanzeige vom 19.04.2003 erklärt.
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Er hat dort ausdrücklich um Überweisung an die T-Bank gebeten. Jedenfalls bei dieser Erklärung war noch er allein verfügungsbefugt (§ 12 Abschnitt I Satz 1 der vereinbarten AUB 94) – auch wenn man annimmt, dass er zugleich für die Zukunft die Klägerin zur Verfügung über den Anspruch ermächtigte.
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bb) Das Einverständnis gilt, solange es nicht dem anderen gegenüber wirksam widerrufen wird (vgl. dazu nur Canaris, in: HGB Großkommentar, 5. Band: Bankvertragsrecht, 1. Teil, 4. Aufl., Rn. 472). Ein solcher Widerruf ist – was das Landgericht offen gelassen hat – nicht erfolgt. Dass die Klägerin in dem Schreiben vom 07.10.2003, in welchem sie um Erstattung von Behandlungs- und Arzneikosten bat, eine „neue Bankverbindung“ mitteilte, genügt für einen Widerruf vorliegend nicht.
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Dabei spricht schon wenig dafür, dass der Mitteilung objektiv überhaupt der Erklärungswert zugeschrieben werden kann, dass das Einverständnis mit einer Überweisung an die T-Bank widerrufen werde. Die Mitteilung lässt sich auch dahin verstehen, dass die Klägerin nur im Hinblick auf die nun geforderte Erstattung von Behandlungs- und Arzneikosten um Überweisung an die W-Bank bat. Das Einrichten einer „neuen“ Kontoverbindung bedeutet nicht ohne weiteres die Aufgabe eines bereits bestehenden Girokontos; auch war aus Sicht der Beklagten durchaus vorstellbar, dass die Klägerin Zahlung der Invaliditätssumme auf das eine Konto wünschte und Erstattung der Behandlungs- und Arzneikosten auf ein anderes Konto wünscht – etwa deshalb, weil die Invaliditätssumme einem besonderem Zweck dienen sollte. Außerdem musste die Klägerin, nachdem die Beklagte in dem Schadenanzeige-Formular ausdrücklich gebeten hatte, für die Überweisung der Invaliditätsleistung ein Konto anzugeben, und nachdem der Ehemann der Klägerin und diese selbst dementsprechend ausdrücklich ein Konto benannt hatten, davon ausgehen, dass die Beklagte diese Kontoverbindung datenmäßig erfasste und nach Bejahen eines Invaliditätsanspruchs auf diese Angabe zurückgreifen werde (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1998, 387). Es lag daher, wenn die Erklärung aus der Schadenanzeige widerrufen werden sollte, nahe, dies ausdrücklich zu tun, etwa dadurch, dass gebeten worden wäre, die neue Kontoverbindung auch bei der Überweisung des Invaliditätssumme zu beachten.
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Jedenfalls genügte – wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert – das Schreiben vom 07.10.2003 zum Widerruf nicht. Nach dem in der Schadenanzeige ausdrücklich abgefragten und ausdrücklich erteilten Einverständnis mit einer Überweisung an die T-Bank durfte die Beklagte erwarten, dass ein etwaiger Widerruf dieses Einverständnisses deutlich erklärt werde. Das – jedenfalls – ist, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, nicht geschehen.
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Das Schreiben vom 07.10.2003 als Widerruf ausreichen zu lassen, wäre mit dem nach Frage und Antwort in der Schadenanzeige berechtigten und auch für die Klägerin ohne weiteres erkennbaren Schutzinteresse der Beklagten nicht zu vereinbaren. Wie schon gesagt, musste auch die Klägerin davon ausgehen, dass die Beklagte die in der Schadenanzeige angegebene Kontoverbindung datenmäßig erfassen und nach Bejahen eines Invaliditätsanspruchs auf diese Angabe zurückgreifen werde. Jedenfalls daher durfte die Klägerin nicht erwarten, dass die Beklagte bei der Auszahlung der Invaliditätssumme auch das Schreiben vom 07.10.2003 beachten werde, in welchem es in erster Linie um andere, nach den vereinbarten Bedingungen nicht berechtigte Ansprüche auf Erstattung von Behandlungs- und Arzneikosten geht und in welchem auf die in der Schadenanzeige festgehaltene Anweisung, die Invaliditätssumme an die T-Bank zu überweisen, nicht Bezug genommen wird.
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Die Beklagte war bei dieser Sachlage auch nicht etwa verpflichtet, unmittelbar nach Erhalt des Fax-Schreibens vom 07.10.2003 oder nach Anerkennen des Invaliditätsanspruchs bei der Klägerin nachzufragen, auf welches Konto die Invaliditätssumme zu überweisen sei. Im Übrigen würde die Annahme einer solchen Nachfragepflicht der Klägerin ohnehin nicht helfen. Angesichts der Schutzwürdigkeit der Beklagten ist es nicht etwa treuwidrig im Sinne des § 242 BGB, wenn diese sich weiterhin auf das in der Schadenanzeige erklärte Einverständnis mit einer Überweisung an die T-Bank beruft. Und ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Verletzung einer Nebenpflicht besteht schon deshalb nicht, weil der Klägerin ein – allenfalls ersatzfähiger – Vermögensschaden nicht entstanden ist: Die Klägerin ist, wie durch das in dem Rechtsstreit der T-Bank gegen die Klägerin ergangenen Urteil des Landgerichts Bielefeld feststeht, in Höhe von 21.240 EUR von einer Verbindlichkeit befreit. Die Überweisung hat ihr Vermögen – zumindest im Sinne der so genannten Differenzhypothese des Schadensrechts – um 21.240 EUR vermehrt (vgl. hierzu etwa Schimansky, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl, § 50 Rn. 10).
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Es kann nach alledem dahingestellt bleiben, ob die Klägerin durch die Erklärungen ihres Ehemanns in der Schadenanzeige wirksam ermächtigt wurde, über den Leistungsanspruch zu verfügen, oder ob der Ehemann der Klägerin die Benennung des Kontos bei der W-Bank wirksam (vgl. dazu jedoch auch die Schriftformvereinbarung in § 13 Abschnitt I Satz 1 AUB 94) genehmigte, indem er bei dem Telefonat am 07. oder 08.10.2003 – wie von der Klägerin geltend gemacht – sein Einverständnis damit zum Ausdruck brachte.
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cc) Wegen des – wie dargelegt – fortwirkenden Einverständnisses mit einer Überweisung an die T-Bank ist Erfüllung eingetreten, auch wenn zum Zeitpunkt der Überweisung das von dem Ehemann der Klägerin (und dieser selbst) genannte Girokonto bereits aufgelöst war.
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(1) Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert worden ist, erlangte die Klägerin, nachdem die T-Bank den Überweisungsbetrag nicht etwa zurücküberwiesen, sondern der Klägerin „gutgeschrieben“ hatte, einen Anspruch auf Auszahlung gegen die T-Bank gemäß §§ 681 Satz 2, 667 BGB (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 109; Canaris, a.a.O., Rn. 463; Häuser, in: Münchener Kommentar HGB, Band 5, ZahlungsV Rn. B 211; Hönn, Anm. zu AG Leutkirch i.A., WuB I D I Überweisungsverkehr 1.05).
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Schon hierdurch wurde der Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte erfüllt. Zwar hatten die Klägerin und – entscheidend – deren Ehemann sich nur mit einer Gutschrift auf dem Girokonto einverstanden erklärt. Dass dieses Konto zum Zeitpunkt der Überweisung bereits aufgelöst war, musste die Beklagte aber weder wissen noch (wie sich aus dem Vorstehenden zu bb ergibt) damit rechnen. Vielmehr muss sich die Klägerin an dem von ihr und ihrem Ehemann gesetzten Rechtsschein, dass eine Überweisung mit den genannten Empfängerangaben zur Erfüllung des Anspruchs führe, entsprechend §§ 170 ff. BGB festhalten lassen (vgl. OLG Köln, NJW 1990, 2261 unter II 1; Canaris, a.a.O., Rn. 472, 484 f.; Häuser, a.a.O., Rn. B 368). Das Risiko, welches sich daraus ergibt, dass das Girokonto bei der T-Bank mittlerweile aufgelöst war, muss die Klägerin tragen und nicht die Beklagte. Die T-Bank war die Vertragspartnerin der Klägerin und sie, die Klägerin selbst, hat die Löschung des Girokontos betrieben.
36
Ob der Anspruch der Klägerin gegen die T-Bank aus §§ 681 Satz 2, 667 BGB noch fortbesteht oder ob er – was nach Auffassung des Senats der Fall sein wird, da ein Aufrechnungsverbot in der Tat nicht ersichtlich ist (vgl. Canaris, a.a.O., Rn. 458a; Hönn, a.a.O.; LG Nürnberg-Fürth, WM 1977, 852, sowie die im Instanzenzug nachfolgenden Entscheidungen OLG Nürnberg, WM 1977, 1336, und BGHZ 72, 9) – durch die von der T-Bank erklärte Aufrechnung mit der Darlehensforderung erloschen ist oder ob er möglicherweise jedenfalls durch das in dem Rechtsstreit der T-Bank gegen die Klägerin ergangene Urteil des Landgerichts Bielefeld erloschen ist, kann dahinstehen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts setzt Erfüllung einer Geldschuld durch Überweisung nicht voraus, dass der Gläubiger den Geldbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält. Dies folgt schon daraus, dass nach allgemeiner Auffassung Erfüllung auch dann eintritt, wenn ein Schuldner auf das ihm benannte Girokonto des Gläubigers überweist, das Konto aber über die von der Empfängerbank mit dem Gläubiger vereinbarte Kreditlinie hinaus im Soll steht; auch in diesem Fall erhält der Gläubiger (soweit das Soll weiterhin über der Kreditlinie bleibt) den Überweisungsbetrag nicht zur freien Verfügung. Gegenteiliges lässt sich auch dem von dem Landgericht im vorliegenden Zusammenhang angeführten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23.01.1996 (WM 1996, 438) nicht entnehmen. Im dortigen Fall musste der Gläubiger aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung den erlangten Betrag nach § 816 Abs. 2 BGB an einen Dritten herausgeben. Diese Situation ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Vorliegend hat die Klägerin uneingeschränkt einen Anspruch gegen die T-Bank aus §§ 681 Satz 2, 667 BGB erlangt. Wenn sie diesen Anspruch durch die von der T-Bank erklärte Aufrechnung, wovon der Senat ausgeht, oder durch das Urteil des Landgerichts Bielefeld in dem Rechtsstreit der T-Bank gegen die Klägerin anschließend wieder „verloren“ hat, steht das der Annahme von Erfüllung nicht entgegen. Letztlich gilt auch in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin sich an dem gesetzten Rechtsschein, dass eine Überweisung mit den in der Schadenanzeige genannten Empfängerangaben zur Erfüllung führen werde, festhalten lassen muss und dass die Vorgänge „bei“ der T-Bank in den Risikobereich der Klägerin fallen.
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Offen bleiben kann auch, ob Erfüllung durch Überweisung gemäß § 362 BGB oder gemäß § 364 BGB eintritt (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 362 Rn. 9 mit Nachweisen für beide Ansichten). Auch wer § 364 BGB anwendet, muss die Klägerin an dem gesetzten Rechtsschein festhalten (vgl. Canaris, a.a.O., Rn. 467 mit Rn. 472, 484 f.).
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(2) Wegen dieses gesetzten Rechtsscheins wäre Erfüllung sogar dann anzunehmen, wenn man – anders als der Senat es tut – davon ausgehen wollte, dass ein Anspruch der Klägerin gegen die T-Bank aus §§ 681 Satz 2, 667 BGB zu keinem Zeitpunkt entstanden ist. Entweder müsste man dann zur Erfüllung genügen lassen, dass die Klägerin in Höhe des Überweisungsbetrages von einer Verbindlichkeit gegenüber der T-Bank befreit worden ist, oder man müsste die Klägerin darauf verweisen, die von der Beklagten vorliegend angebotene (S. 7 des Schriftsatzes vom 08.06.2006, Bl. 192) Abtretung von Ansprüchen der Beklagten gegen die T-Bank zu akzeptieren (vgl. dazu Canaris, a.a.O., Rn. 472).
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2. Über die Hilfswiderklage ist hiernach nicht zu entscheiden. Die Klägerin sei dazu jedoch auf Folgendes hingewiesen:
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Wenn man – anders als der Senat – Erfüllung verneint, steht der Beklagten ein (Gegen-) Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Die abweichende Beurteilung des Landgerichts vermag nicht zu überzeugen. Aus Sicht aller Beteiligten stellte die Überweisung der Beklagten eine Leistung an die Klägerin dar (vgl. auch BGHZ 98, 24; BGH NJW 1985, 2700); auch die T-Bank sah das so und schrieb daher den Überweisungsbetrag der Klägerin gut. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs weicht von dieser Beurteilung nur scheinbar ab; denn sie ist zu der anderen Frage ergangen, wer Leistungsempfänger i.S. der Abgabenordnung sei.
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Nimmt man nicht sogar an, dass die Beklagte diesen Gegenanspruch wirksam zur Aufrechnung gestellt hat (vgl. §§ 406 BGB, 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl. ferner – ein Aufrechnungsverbot verneinend – OLG Köln, OLGR Köln 2005, 543), wäre in jedem Fall die Hilfswiderklage begründet.
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III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).