Zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens wegen Zeigen eines Stinkefingers

OLG Hamm, Beschluss vom 30. Juni 2014 – II-14 WF 39/14

Mit dem Zeichen eines sog. „Stinkefingers“ verstößt ein Antragsgegner gegen die im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens eingegangene Verpflichtung, jegliche Kontaktaufnahme zum Antragsteller zu unterlassen. Ein Ordnungsgeld kann das Gericht für einen derartigen Verstoß nur dann verhängen, wenn der Antragsteller die in Frage stehende Beleidigung zur Überzeugung des Gerichts nachweisen kann.(Rn.2)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Detmold vom 11.10.2013 abgeändert.

Der Antrag des Antragstellers vom 16.8.2013 auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Antragsgegner wegen Verstoßes gegen den Vergleich vom 13.7.2011 (33 F 164/11 AG Detmold) wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen nach einem Verfahrenswert von 500 EUR zu tragen.

Gründe
1
Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

2
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vollstreckungsschuldner und Antragsgegner die ihm vorgeworfenen Verstöße gegen den Vergleich vom 13.7.2011 in dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum Mitte 2013 tatsächlich begangen hat.

3
Für diese Feststellung ist im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens – anders als es durch die Erwähnung einer „eidesstattlichen Versicherung“ in dem Androhungsbeschluss vom 24.8.2011 nahegelegt werden könnte – das Beweismaß des Vollbeweises erforderlich (vgl. OLG Hamm FÜR 2011, 232; OLG Saarbrücken FamRZ 2012, 998; KG Berlin KGR 2004, 579; Keidel/Giers, FamFG, 18. Aufl., Rn. 16a zu § 95; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., Rn. 1 zu § 891), also die aufgrund förmlicher Beweisaufnahme gewonnene volle Überzeugung des Gerichts im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, und nicht nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit wie beim Beweismaß der Glaubhaftigkeit (vgl. dazu BGH NJW 2003, 3558, Juris-Rn. 8; VersR 1976, 928, Juris-Rn. 9).

4
Die für eine volle Überzeugungsbildung regelmäßig notwendigen förmlichen Beweismittel hat der Vollstreckungsgläubiger und Antragsteller für die behaupteten Vorfälle nicht anzutreten vermocht. Vielmehr stehen sich seine eigenen Behauptungen und das Bestreiten der Vorwürfe durch den Antragsgegner schlicht gegenüber. Letzteres kann entgegen dem Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts auch nicht als unzureichend bzw. zu pauschal und deswegen unbeachtlich angesehen werden. Im Beschwerdeverfahren sind beide Beteiligten persönlich angehört worden. Dabei hat der Antragsgegner geschildert, dem Antragsteller bei keiner Gelegenheit den sog. „Stinkefinger“, also eine Faust mit nach oben gestrecktem Mittelfinger, entgegengehalten zu haben. Der Antragsteller könne hier jeweils das Halten einer Zigarette zwischen nach oben gestrecktem Zeige- und Mittelfinger missverstanden haben. Auch habe er den Antragsteller nicht angeschrien oder gerufen. Etwaige Mundbewegungen, wie sie auch dem Anwalt des Antragstellers beim Vorbeigehen an ihm bereits aufgefallen seien, könnten daraus resultieren, dass er zeitweise „Selbstgespräche“ halte. Ob die Richtigkeit dieser Schilderung unwahrscheinlicher sein mag als die Richtigkeit des Vortrages des Antragstellers, kann aufgrund der obigen Ausführungen zum Beweismaß dahingestellt bleiben. Denn die Darstellung des Antragsgegners ist jedenfalls nicht in so hohem Maße lebensfremd, dass sie allenfalls theoretische und damit unbeachtliche Zweifel am Vortrag des Antragstellers begründen könnte. Selbst die Erwägung, warum der Antragsteller bereits jahrelang die Mühen und Kosten eines Gerichtsverfahrens auf sich nehmen sollte, nur um dem Antragsgegner durch unwahre Vorwürfe zu schaden, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil auch derartige Verhaltensweisen in der gerichtlichen Praxis nicht gänzlich unbekannt sind.

5
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 87 Abs. 5 FamFG.

6
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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