OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. August 2020 – 5 U 343/19
Zur Eigentumsverletzung aufgrund durch Windabdrift auf ein Erdbeerfeld gelangtes Pflanzenschutzmittel
Tenor
Die Berufung der Streithelferin und die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das am 29.05.2019 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das angefochtene Urteil und das Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ausgleich von Schäden in Anspruch, die ihm durch Windabdrift verursachte Beaufschlagung von Teilen seines Erdbeerfeldes mit dem Pflanzenschutzmittel Isoproturon entstanden sein sollten.
2
Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes in A.-C., der zu einem hohen Anteil Erdbeeranbau betreibt. Der Beklagte zu 1) ist der landwirtschaftliche Bewirtschafter der Nachbarackerparzelle des Klägers. Er baut Gurken, Spargel und Weizen an.
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Am 07.04.2014 brachte der Beklagte zu 2) als Auszubildender des Beklagten zu 1) mittels einer an einem Traktor, der bei der Streithelferin haftpflichtversichert ist, montierten Pflanzenschutzmittelspritze auf dem Weizenfeld des Beklagten zu 1) ein Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Isoproturon aus.
4
Bei der Vorerntekontrolle vom 11.04.2014 wurden zwei Proben auf dem Erdbeerfeld des Klägers genommen. Diese wiesen ausweislich der Prüfberichte vom 15.04.2014 der Labor B. GmbH einen Isoproturon-Wert von 0,52 mg/kg bzw. 0,034 mg/kg auf. Die Werte für Dimethomorph betrugen 0,13 mg/kg bzw. 0,046 mg/kg und für Iprodion 0.012 mg/kg bzw. < BG.
5
Der Kläger beauftragte den Sachverständigen D. mit der Feststellung, ob Aufwuchsschäden an den Erdbeerpflanzen, die sich auf die Vermarktung auswirken würden, vorliegen würden. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass ein Streifen erntereifer Erdbeeren mit 12 Längsreihen komplett von der Ernte auszunehmen sei und bezifferte den Schaden auf 8.930,- EUR.
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Mit Schreiben vom 07.08.2014 teilte die Streithelferin dem Kläger mit, dass die Wirkstoffe Dimethomorph und Iprodion dem Betrieb des Beklagten zu 1) nicht zugeordnet werden könnten. Es werde davon ausgegangen, dass die Kontamination durch diese beiden Stoffe bereits vor der Abdrift von Isoproturon vorgelegen habe. Somit sei der Aufwuchs bereits vor der Pflanzenschutzmaßnahme des Beklagten zu 1) nicht mehr vermarktungsfähig gewesen. Aus diesem Grund komme nur eine anteilige Beteiligung an dem Schaden in Betracht.
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Die Streithelferin ist mit Schriftsatz vom 21.07.2015 dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten zu 1) als Nebenintervenientin beigetreten. Das Landgericht hat mit Zwischenurteil vom 25.11.2015 die Nebenintervention der Streithelferin zugelassen. Die Streithelferin habe als Kfz-Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1) ein rechtliches Interesse, dem Beklagten zu 1) im vorliegenden Rechtsstreit beizutreten.
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Der Kläger hat vorgetragen, er unterliege einem Qualitätssicherungssystem ( QS ), so dass seine Erdbeeren fortlaufend beprobt würden. Ein Teil des Sprühnebels des von dem Beklagten zu 1) ausgebrachten Pflanzenschutzmittels sei durch Abdrift auf sein Erdbeerfeld geweht worden. Unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Ausbringung herrschenden Witterungsverhältnisse hätte der Beklagte zu 1) nach den Regeln der guten landwirtschaftlichen Praxis die Spritzung nicht durchführen dürfen. Es hätten Windgeschwindigkeiten von bis zu 24,076 und 25,928 km/h geherrscht, was darauf schließen lasse, dass es böig gewesen sei. Der Beklagte zu 2) sei nach seinem Ausbildungsstand noch nicht berechtigt gewesen, Pflanzenschutzmittel nach guter fachlicher Praxis auszubringen. Die vorgefundenen Wirkstoffe Iprodion und Dimethomorph würden bei dem Anbau von Gurken und Spargel benutzt. Der Beklagte zu 1) müsse demgemäß seine Pflanzenschutzspritze vielfach reinigen, wenn er den Wechsel der anzuwendenden Mittel vornehme. Erfolge diese Reinigung nicht ordnungsgemäß, bleibe ein Restfilm anhaften. Es sei daher nicht auszuschließen, dass sich noch Restbestände der Wirkstoffe Dimethomorph und Iprodion im Spritztank des Beklagten zu 1) befunden hätten, als die Isoproturon-haltige Spritzbrühe für den Einsatz im Weizen angesetzt worden sei und auf diese Weise – ungewollt – auch diese Wirkstoffe auf seine Erdbeeren gelangt seien.
9
Bei marktüblicher Abbauzeit wäre der Wirkstoffs Iprodion vor der Ernte Mitte Mai 2014 bis unter die Nachweisgrenze von 0,01 mg/kg abgebaut worden. Dann hätte er für die Vermarktungsfähigkeit der Erdbeeren keine Bedeutung mehr gehabt. Gleiches gelte für den Pflanzenschutzmittelwirkstoff Dimethomorph. Isoproturon hingegen wäre aufgrund seines langsamen Rückstandsverhalten im Zeitpunkt der Ernte nicht abgebaut gewesen.
10
Die über der zulässigen Höchstmenge von 0,01 mg/kg erfolgte Beaufschlagung mit Isoproturon habe auf seinem Acker einen Streifen von zwölf Längsreihen und 186 m erfasst, so dass die betroffenen Erdbeeren der Marke E. nicht mehr vermarktungsfähig gewesen seien. Hierdurch sei ihm ein Schaden in Höhe von 8.905,68 EUR entstanden.
11
Da die von dem Abdriftschaden belasteten Erdbeeren schon zum Zeitpunkt der Begutachtung im April 2014 eine Beaufschlagung mit Isoproturon und eine Gelbfärbung aufgewiesen hätten, seien die Erdbeeren vernichtet worden. Selbst wenn man zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass die Erdbeeren der Reihen 1-5 aufgrund der Unterschreitung der RHG unter 0,01 mg/kg noch vermarktungsfähig gewesen seien, wäre die Vernichtung aus damaliger Sicht zutreffend gewesen. Denn der Begutachtungsaufwand wäre unter Berücksichtigung von Schadensminderungsgesichtspunkten nur wenige Tage vor der bevorstehenden Ernte nicht zu leisten gewesen. Er sei der Empfehlung des Sachverständigen D. gefolgt und habe die Reihen 1-12 schon vor der Ernte ebenerdig mit dem Ackerboden gemulcht. Dies sei für ihn die einzig mögliche und richtige Entscheidung gewesen. Das Prognoserisiko treffe den Schädiger.
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Der Beklagte zu 1) hat behauptet, zum Zeitpunkt des Spritzvorgangs sei es windstill gewesen. Der Beklagte zu 2) habe die Pflanzenschutzmittelspritze so eingestellt, dass ein Besprühen anderer landwirtschaftlicher Parzellen nicht erfolgt sei. Das Spritzmittel sei von dem Beklagten zu 2) mit 3 Bar Druck aufgesprüht worden. Diejenigen Düsen, die in eine andere angrenzende Ackerfläche hätten hineinragen können, habe der Beklagte zu 2) abgeschaltet. Die Wirkstoffe Dimethomorph und Iprodion habe er, der Beklagte zu 1), nicht benutzt. Bei einer Drift hätten diese Wirkstoffe nicht von dem Weizenfeld auf die Erdbeerkultur des Klägers gelangen können.
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Der Kläger habe es unterlassen, seine Erdbeerkulturen auch zum Ende der Erntezeit zu beproben. Damit habe er gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen.
14
Die Streithelferin hat vorgetragen, da die Proben von dem Kläger selbst gezogen worden seien, werde bestritten, dass die Proben tatsächlich aus dem Randbereich der streitgegenständlichen Parzelle stammten. Selbst wenn die Proben aussagekräftig seien und von dem Grundstück des Klägers stammen sollten, seien – unstreitig – zwei weitere Wirkstoffe nachgewiesen worden, die nicht von dem Beklagten zu 1) stammten. Die Werte von Iprodion und Dimethomorph hätten aufgrund des Nachweises in den Erdbeeren im Rahmen des QS-Verfahrens und dessen maßgebenden Grenzwerten ebenfalls zur Ablehnung der Anlieferung geführt. Wären die Erdbeeren schon vor dem 07.04.2014 mit Dimethomorph und Iprodion kontaminiert gewesen, hätte eine weitere Kontaminierung mit Isoproturon keinen Einfluss auf die behaupteten Schäden gehabt, denn die Ware wäre bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu vermarkten gewesen. Wäre eine Kontamination nach dem 07.04.2014 erfolgt, wäre zumindest im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zu berücksichtigen, dass der Schadstoffeintrag von Iprodion und Dimethomorph spätestens am 11.04.2014 erfolgt sei.
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Die Wirkstoffe Iprodion und Dimethomorph stammten aus der Sphäre des Klägers selbst, da ein Eintrag von dritter Seite nicht möglich gewesen sei. Die Vermarktungssperre hätte nach den Bedingungen der QS-Systems explizit aufgehoben werden müssen. Dazu hätte der Kläger Proben ohne Beanstandungen in der gleichen Kultur vorlegen müssen, sog. „Freiprobe“. Dies sei nicht geschehen. Deshalb seien alle beprobten Reihen zum Zeitpunkt der zweiten Analyse am 02.04.2014 noch aus mindestens zwei Gründen, Isoproturon und Dimethomorph, gesperrt gewesen.
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Es sei offensichtlich, dass der Kläger alle kontaminierten Erdbeeren vermarktet habe und ihm kein Schaden entstanden sei.
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Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und Einholung von Sachverständigengutachten. Mit dem angefochtenen Grundurteil hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt angesehen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dem Kläger stünden dem Grunde nach Schadensersatzansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 bzw. 906 Abs. 2 BGB analog für die fehlende Vermarktbarkeit der ersten 12 Erdbeerreihen gegen die Beklagten zu. Die Belastung der Erdbeeren mit dem Wirkstoff Isoproturon habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dazu geführt, dass der Kläger die ersten 12 Erdbeerreihen nicht habe vermarkten können. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass Erdbeeren, auf denen der Wirkstoff Isoproturon mit einer Konzentration von 0,01 mg nachgewiesen werde, nicht mehr vermarktet werden dürften. Das Labor B. GmbH habe in seiner ersten Untersuchung der Proben vom 15.04.2014 festgestellt, dass die Proben zu diesem Zeitpunkt einen höheren Grenzwert aufgewiesen hätten. Dass diese Proben von der Ackerparzelle des Klägers gestammt hätten, stehe aufgrund der Aussage der Zeugin F. fest. Diese habe bekundet, dass sie die an das Labor B. versandten Proben zuvor am 11.04.2014 auf dem Acker des Klägers gezogen habe.
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Es stehe darüber hinaus fest, dass das gefundene Isoproturon auf einen Windabdrift im Zusammenhang mit der Behandlung des Weizens durch den Beklagten zu 2) zurückzuführen sei. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. G. sei das Vorhandensein des Stoffes Isoproturon auf einen Windabdrift, ausgehend von der Parzelle des Beklagten zu 1), zurückzuführen. Der Sachverständige G. habe sich einen persönlichen Eindruck von den Örtlichkeiten verschafft und unter Auswertung von Messdaten dreier Wetterstationen festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Pflanzenschutzmittelanwendung eine Windgeschwindigkeit zwischen 3,6 m/Sek und 5,1 m/Sek vorgelegen habe. Die Windrichtung habe zwischen 160 und 200 Grad variiert. Die gemessenen mittleren Windgeschwindigkeiten in Verbindung mit der Windrichtung ließen das Vorhandensein des Stoffes Isoproturon auf der Ackerparzelle des Klägers durch Windabdrift als sehr wahrscheinliche Ursache erscheinen. Der Sachverständige gehe mit 95 %iger Sicherheit von einem Ursachenzusammenhang aus. Alternative Ursachen wie etwa die Thermik oder die Überdüngung durch den Kläger habe der Sachverständige unter weitergehender Analyse nachvollziehbar ausgeschlossen. Auch das auf den angefertigten Lichtbildern zu erkennende Schadensbild lasse sich zweifellos einem Spritzmittelabdrift zuordnen.
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Das Vorhandensein des Stoffes Isoproturon habe dazu geführt, dass der Kläger die Erdbeerreihen 1 bis 12 nicht mehr habe vermarkten können. Nach der Beweisaufnahme stehe ebenfalls fest, dass die Vermarktungsunfähigkeit auf den Wirkstoff Isoproturon, nicht jedoch auf das Vorhandensein der Wirkstoffe Iprodion und Dimethomorph zurückzuführen sei, denn nach den Feststellungen des Sachverständige Dr. H. stehe fest, dass sich diese Stoffe schon zum Zeitpunkt der Probeanalysen am 15.04.2014 und 02.05.2014 teilweise nicht hätten nachweisen lassen und die nachgewiesenen Werte unterhalb der gesetzlichen Rückstandwerte von 15 mg/kg bzw. 0,7 mg/kg gelegen hätten. Auch wenn für diese Wirkstoffe aufgrund der Teilnahme des Klägers am QS-System ein erlaubter Rückstandshöchstgehalt von 0,1 mg zugrunde gelegt worden wäre, hätte sich das Vorhandensein nicht auf die Vermarktungsfähigkeit ausgewirkt. Nach den Feststellungen der Sachverständigen sei jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich zum Erntezeitpunkt ein Rückstandniveau von unter 0,01 mg/kg ergeben hätte. Der Sachverständige habe unter Anwendung der aus den Probeergebnissen berechneten Halbwertszeit festgestellt, dass die Erdbeeren der Reihen 6 bis 10 zum Erntezeitpunkt am 10.05.2014 sowohl unter günstigen als auch unter ungünstigen Bedingungen eine Isoproturon-Rückstandgehalt oberhalb von 0,01 mg/kg aufgewiesen hätten und damit für den Einzelhandel nicht vermarktungsfähig gewesen seien. Für die Erdbeerreihen1 bis 5 habe der Sachverständige festgestellt, dass der errechnete Isoproturon-Rückstandswert zum Zeitpunkt der Ernte auch unter ungünstigen Bedingungen unterhalb von 0,01 mg/kg gelegen habe und dieser Reihen grundsätzlich hätten vermarktet werden dürfen. Für die Reihen 11 und 12 habe der Sachverständige keine Feststellungen treffen können. Dies führe jedoch nicht dazu, dass der aufgefundene Wirkstoff Isoproturon für die Vermarktungsfähigkeit dieser Reihen nicht ursächlich bzw. der hierdurch entstandene Schaden nicht von dem Beklagten zu ersetzen sei. Das folge aus dem Grundsatz, dass der Schädiger das Werkstatt- oder Prognoserisiko trage. Die Zuweisung des Prognoserisikos bewirke, dass vom Schädiger solche Aufwendungen zu ersetzen seien, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Eigentümer in der besonderen Lage des Geschädigten für eine zumutbare Instandsetzung zu machen habe. Ersatzfähig seien daher auch Kosten, die ex ante als erforderlich erschienen seien, ex post jedoch erfolglos oder in Wirklichkeit nicht erforderlich gewesen seien. Diesem Grundsatz liege die allgemeine Wertung zugrunde, dass der Schädiger das Risiko zu tragen habe, wenn der Geschädigte aus ex ante Perspektive nach fundierter Analyse bestimmte Maßnahmen zur Schadensbehebung oder -vermeidung treffe, die sich aus der ex post Perspektive letztlich als nicht erforderlich herausstellen würden. Der geschädigte Kläger habe unmittelbar nach Erkennen des Schadens eine zeitnahe Beprobung seiner Ackerfläche und eine Analyse durch ein Labor in Auftrag gegeben. Zudem habe er den Sachverständigen D. beauftragt, die Notwendigkeit und den Umfang der von der Ernte auszunehmenden Erdbeerreihe zu begutachten. Der Sachverständige D. habe in seinem ausführlichen Gutachten erläutert, dass die ersten 10 Erdbeerreihen zuzüglich zwei weiterer Reihen zur Sicherheit von der Ernte auszunehmen seien. Diese Ausführungen habe auch der Sachverständige I. weitgehend bestätigt. Dem Kläger könne daher kein Vorwurf gemacht werden, dass er eine abermalige Beprobung der Reihen 1 bis 5 nach dem 28.04.2014 nicht vorgenommen oder die Reihen 11 bis 12 zur Sicherheit von der Ernte ausgenommen habe. Dies gelte gerade vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Reihen 1 bis 5 um die unmittelbar an der Nachbarparzelle angrenzenden Reihen gehandelt habe und es – jedenfalls aus Laiensicht – nachvollziehbar erscheine, dass diese aufgrund der Nähe zum Weizen von der Ernte auszunehmen seien. Die Zeugin F. habe zudem bekundet, dass die ersten Reihen optisch deutlich beschädigt gewesen seine. Die Sachverständige Dr. H. habe festgestellt, dass es zum Abbauverhalten von Isoproturon in Pflanzen keine geeigneten Studien gebe, so dass dem Kläger und dem privaten Sachverständigen eine Berechnung der Abbauzeiten und somit eine Prognose nicht möglich gewesen seien. Es sei nachvollziehbar, dass die Reihen 11 und 12 aus Sicherheitsgründen ebenfalls ausgenommen worden seien, da die Isoproturon Belastung in den Reihen 6-10 höher gewesen sei. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass die Erdbeeren in den Lebensmitteleinzelhandel hätten gelangen sollen. Es könne dem Kläger kein Vorwurf gemacht werden, dass er den sichersten Weg gewählt habe, um einen Rückruf zu verhindern.
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Der Beklagte zu 2) habe auch widerrechtlich i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB gehandelt. Beurteilungsmaßstab sei dabei die Vorschrift des § 906 BGB. Es habe sich nicht nur um eine unwesentliche Beeinträchtigung durch von dem Nachbargrundstück ausgehende Immissionswirkungen gehandelt. Der Kläger habe 12 Reihen seiner Erdbeeren von der Ernte ausnehmen müssen und der Schaden läge nach den Schätzungen des Sachverständigen D.s in einer Größenordnung von 8.000,- EUR. Dies stelle eine wesentliche Beeinträchtigung dar. Der Kläger sei auch nicht gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Duldung dieser Beeinträchtigung verpflichtet gewesen, da sich die Beeinträchtigung nicht als Folge einer ortsüblichen Benutzung des Grundbesitzes des Beklagten zu 1) dargestellt habe und durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen hätte verhindert werden können. Zwar habe dem Beklagten zu 1) das Recht zugestanden, seinen Weizen mit dem insoweit zugelassenen Pflanzenschutzmittel zu behandeln. Eine Kontamination der Nachbarparzelle hätte jedoch verhindert werden können, wenn entsprechend der landwirtschaftlichen Praxis von einer Behandlung bei den Windverhältnissen abgesehen hätte. Die Beklagten würden die Darlegungs- und Beweislast tragen, dass sie alle wirtschaftlich zumutbaren Vorkehrungen getroffen hätten, um eine Schädigung der benachbarten Anbaufläche des Klägers zu verhindern. Ob der Beklagte zu 2) die Spitze so eingestellt habe, dass ein unmittelbarer Spritzvorgang der angrenzenden Felder ausgeschlossen gewesen sei, könne dahinstehen. Durch die Abdrift sei es jedenfalls zu einer Kontamination des benachbarten Feldes gekommen. Dass es dem Beklagten zu 1) nicht unzumutbar gewesen sei, die Behandlung auf einen windstillen Zeitpunkt zu verschieben, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Beklagte zu 2) habe auch schuldhaft gehandelt, da ihm jedenfalls ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen sei. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt richte sich vorliegend nach den Regeln der guten landwirtschaftlichen Praxis ( § 3 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 PflanzenschutzG ). Hiernach könne durch Abdrift Flora und Fauna benachbarter Flächen beeinträchtigt werden; dies sei zu vermeiden. Gegen dieses Verbot habe der Beklagte zu 2) verstoßen, indem er das Pflanzenschutzmittel bei solchen Windverhältnissen versprüht habe, die eine Abdrift ermöglicht hätten.
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Die Beklagten hätten dem Kläger als Gesamtschuldner den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Nichtvermarktung der Erdbeerreihen 1 bis 12 entstanden sei. Soweit die Beklagten behauptet hätten, dem Kläger sei kein Schaden entstanden, da er die Ernte tatsächlich vermarktet habe, handele es sich um eine Behauptung „ins Blaue“ hinein, für die keinerlei Anhaltspunkte bestünden. Der Kläger habe nachvollziehbar dargelegt, dass es für die vernichteten Erdbeeren keinen Entsorgungsnachweis gebe, da diese ebenerdig mit dem Ackerboden gemulcht worden seien. Aus diesem Grund habe es nicht der Vernehmung des Zeugen K. bedurft. Für ein Mitverschulden des Klägers sei kein Raum.
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Die Streithelferin hat mit Schriftsatz vom 06.06.2019 für die von ihr unterstützte Hauptpartei, den Beklagten zu 1), Berufung eingelegt. Der Beklagte zu 2) hat mit Schriftsatz vom 19.06.2019 ebenfalls Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 29.07.2019 ist die Streithelferin dem Rechtsstreit auch auf Seiten des Beklagten zu 2) beigetreten und hat die Berufung für beide Beklagte begründet. Auf Antrag des Beklagten zu 2) hat der Senat dessen Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.09.2019 verlängert. Mit Schriftsatz vom 03.09.2019, eingegangen am 06.09.2019, hat der Beklagte zu 2) die Berufung begründet.
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Die Streithelferin trägt vor, es sei nicht zu beanstanden, dass das Landgericht unter Würdigung der glaubwürdigen Zeugin F. davon ausgegangen sei, dass das Eigentum des Klägers durch die Kontamination mit dem für seine Kultur nicht zugelassenen Wirkstoff Isoproturon mit einer Konzentration über dem nach dem Gesetz vorgegebenen Grenzwert von 0,1 mg verletzt worden sei. Dabei habe das Landgericht jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Kontamination bei der Vorerntebeprobung am 11.04.2014 eben nicht nur mit Isoproturon, sondern auch mit Iprodion und Dimethomorph bestanden habe. Die Eigentumsverletzung habe sich nicht nur durch die Überschreitung des gesetzlichen Grenzwertes von 0,1 mg Isoproturon ergeben, sondern auch durch die Überschreitung der nach dem QS-Zertifikat vorgegebenen Grenzwerte für alle drei unzulässigen Stoffe.
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Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass nach der Beweisaufnahme feststehe, dass das gefundene Isoproturon auf eine Windabdrift im Zusammenhang mit der Behandlung des Weizens des Beklagten zu 1) durch den Beklagten zu 2) zurückzuführen sei. Diese Feststellungen habe das Landgericht pauschal auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr. G. gestützt und dessen Ausführungen zu den Messdaten dreier Wetterstationen wiederholt. Allerdings würden alle Daten von Wetterstationen stammen, die zwischen 4 und 15 km entfernt vom Erdbeerfeld des Klägers gelegen seien. Diese Daten seien daher gänzlich ungeeignet, um präzise Schlussfolgerungen zu Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Lufttemperatur sowie Luftfeuchte zu ziehen. Hinzukomme, dass bei den Daten des Labors B. die Konzentration an Isoproturon in den Reihen 1-5 deutlich geringer gewesen sei als die entsprechende Konzentration in den Reihen 6-10. Möglicherweise habe eine thermische Abdrift von einem weit entfernt liegenden Feld stattgefunden.
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Würde eine Konzentration mit Isoproturon weggedacht, bliebe immer noch eine Konzentration mit Iprodion und Dimethomorph, die beide ebenfalls eine Sperre für die weitere Vermarktung bewirkt hätten, übrig. Bei der Beprobung am 28.04.2014 sei bei den Reihen 1 und 5 ein Mittelwert mit 0,0055 mg/kg festgestellt worden. Die anderen beiden Wirkstoffe seien nicht beprobt worden. Würde zugunsten des Klägers ein rechtmäßiges Alternativverhalten unterstellt, er am 28.04.2014 auch die Stoffe Iprodion und Dimethomorph beprobt hätte, wäre das Ergebnis eindeutig gewesen. Es wären auf jeden Fall noch zertifikatsschädliche Rückstände von Iprodion und Dimethomorph in den Reihen 1-5 und in den Reihen 6-10 aufgefunden worden. Damit wäre allein wegen dieser Rückstände – auch ohne Berücksichtigung von Isoproturon – keine Möglichkeit einer „Freiprobe“ gegeben gewesen.
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Das Bestreiten eines Schadens sei nicht „ins Blaue hinein“ erfolgt. Da es sich um Umstände handele, die der Wahrnehmung der Beklagten entzogen seien, habe es sich um zulässiges Bestreiten mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO gehandelt. Zu Unrecht sei das Landgericht schließlich von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgegangen. Denn ohne auf die offensichtlichen Schwächen im Gutachten des Sachverständigen Dr. G. einzugehen, habe es einen Verstoß des Beklagten zu 2) gegen die gute fachliche Praxis wegen Ausbringens des Spritzmittels bei „solchen“ Windverhältnissen unterstellt. Es bleibe offen, welche Verwendung welchen Spritzmittels in welcher Mischung bei Verwendung welcher Düsen und welcher Düseneinstellung bei welchem Wind und Tageszeit der guten fachlichen Praxis entsprochen hätte.
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Der Beklagte zu 2) trägt vor, das Landgericht habe verkannt, dass bei den Probeentnahmen am 15.04.2014 und 11.04.2014 ( nicht ) nur der Wirkstoff Isoproturon auf den Erdbeerkulturen des Klägers in den Reihen 1 bis 10 gefunden worden sei. Außerdem seien auch die Wirkstoffe Iprodion und Dimethomorph auf den Erdbeeren vorhanden gewesen, obwohl unstreitig geblieben sei, dass der Beklagte zu 2) diese beiden Wirkstoffe weder auf dem Erdbeerfeld des Klägers noch auf die Weizenaussaat des Grundstücks des Beklagten zu 1) aufgebracht habe. Aufgrund der gesamten Pflanzenschutzmittel, die auf den Erdbeerkulturen gelastet hätten, hätten die Erdbeeren nicht in den Verkehr gebracht werden können. Das Gutachten der Sachverständigen Dr. H. sei in diesem Zusammenhang nicht ausreichend gewürdigt worden. Die Vermarktungsfähigkeit sei aufgrund der Gesamtbelastung durch die drei Pflanzenschutzmittel nicht gegeben gewesen. Hinsichtlich der Windabdriftung nehme er, der Beklagte zu 2), Bezug auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung der Streithelferin und des Beklagten zu 1). Sämtliche Ausführungen des Landgerichts seien in diesem Zusammenhang fehlerhaft. Der Sachverständige D. habe in den Reihen 6 bis 21 nichts gefunden. Der Kläger habe damit den Beweis nicht erbracht, dass durch eine Handlungsweise der Beklagten der Wirkstoff Isoproturon auf die Erdbeerfläche durch Windabdrift aufgebracht worden sei. Nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. H. sei der Wert des Wirkstoffs Isoproturon so niedrig gewesen, dass eine Vermarktungsmöglichkeit gegeben gewesen sei. Ein Anspruch aus § 906 Abs. 1 BGB sei nicht gegeben, da das Grundstück des Klägers, wenn nur unwesentlich beeinträchtigt worden sei.
28
Die Streithelferin beantragt,
29
das Grundurteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 29. 05.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
30
Die Beklagten beantragen,
31
unter Aufhebung des Grundurteils des Landgerichts Mönchengladbach vom 29.05.2019 die Klage abzuweisen.
32
Der Kläger beantragt,
33
die Berufung der Beklagten und der Streithelferin zurückzuweisen.
34
Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts und wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag.
II.
35
Die von der Streithelferin zugunsten beider Beklagten eingelegte bzw. begründete Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Gleiches gilt für die von dem Beklagten zu 2) eigenständig eingelegte Berufung. Das Grundurteil des Landgerichts war gemäß § 304 Abs. 1 ZPO zulässig und hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 823 Abs. 1, 831 BGB gegen die Beklagten zutreffend dem Grunde nach als gerechtfertigt angesehen.
1.
36
Die Berufung der Streithelferin ist zulässig. Die Einlegung der Berufung der Streithelferin erfolgte nicht in eigenem Namen, sondern wurde ausdrücklich für die von ihr unterstützte Hauptpartei, den Beklagten zu 1) eingelegt. Der Beklagte zu 1) selbst hat keine Berufung eingelegt. Somit handelt es sich um ein zugunsten der Hauptpartei eingelegtes Rechtsmittel. Zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung war die Streithelferin dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten zu 1) beigetreten. Das rechtliche Interesse ist rechtskräftig durch Zwischenurteil vom 25.11.2015 festgestellt worden. Nachdem die Streithelferin mit Schriftsatz vom 29.07.2019 dem Rechtsstreit auch auf Seiten des Beklagten zu 2) wirksam beigetreten ist, hat sie für beide Beklagten die Berufung fristgerecht begründet. Sie ist die Haftpflichtversicherung des von dem Beklagten zu 2) gesteuerten Traktors. Damit hat sie ein Interesse an dem Ausgang des Verfahrens.
37
Die Berufung des Beklagten zu 2) ist mit Schriftsatz vom 19.06.2019 form- und fristgerecht am 24.06.2019 bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Auf Antrag des Beklagten zu 2) ist die Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung vom 05.08.2019 bis zum 05.09.2019 verlängert worden. Dass die Berufungsbegründung erst am 06.09.2019 bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist, ist unschädlich. Die von der Hauptpartei eingelegte Berufung kann auch von dem Streithelfer begründet werden, § 67 Halbsatz 2 ZPO ( Zöller – Heßler, ZPO, 33. Auflage, § 520 Rd. 3 ). Die Streithelferin hat mit Schriftsatz vom 29.07.2019 für beide Beklagten die Berufung fristgerecht begründet und Anträge formuliert.
2.
38
In der Sache haben die Berufungen der Streithelferin und des Beklagten zu 2) keinen Erfolg. Der Erlass eines Grundurteils durch das Landgericht war zulässig. Dem Kläger steht wegen der Beaufschlagung von Teilen seiner Erdbeerpflanzen mit Isoproturon dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 831 BGB gegen die Beklagten als Gesamtschuldner zu.
39
Ein Grundurteil ( § 304 Abs. 1 ZPO ) darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind, und wenn nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht ( BGH, Urteil vom 06.06.2019, VII ZR 103/16, NJW-RR 2019, 982 ), für das Nachverfahren also nichts als die Feststellung der Höhe des Anspruchs übrig bleibt ( BGH, Urteil vom 29.11.2002, V ZR 40/02; BGHReport 2003, 349 ). Auch die Quote des Mitverschuldens gehört zum Grund des Anspruchs. Sie kann ausnahmsweise dem Nachverfahren vorbehalten werden, wenn das mitwirkende Verschulden des Geschädigten zweifellos nur zu einer Minderung, nicht aber zu einer Beseitigung der Schadenshaftung führen kann ( BGH, Urteil vom 25.03.1980, VI ZR ZR 61/79, NJW 1980, 1579 ).
40
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist der Erlass des Grundurteils auf der Grundlage der von dem Landgericht getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei. Der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz ist nach Grund und Höhe streitig. Das Landgericht hat alle Fragen erledigt, die zum Grund gehören. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach aus §§ 823 Abs. 1, 831 BGB zu.
a)
41
Durch die Anweisung des Beklagten zu 1) an seinen Auszubildenden, den Beklagten zu 2), das Weizenfeld am 07.04.2014 mit dem Wirkstoff Isoproturon zu spritzen, und die daraufhin erfolgte Ausführung des Spritzvorgangs durch den Beklagten zu 2) ist das Eigentum des Klägers verletzt worden. Zum einen waren Teile der Erdbeerpflanzen des Klägers erheblich in ihrem Wachstum gestört, zum anderen waren die Früchte nicht vermarktungsfähig.
42
Eigentumsverletzung im Sinne dieser Vorschrift bedeutet eine derartige Einwirkung auf die Sache, dass ein adäquater Schaden eintritt, insbesondere durch Substanzverletzung, aber auch durch Entziehung der Sache, gleichgültig, ob durch tatsächliche Einwirkung oder rechtliche Verfügung, insbesondere, wenn die Sache ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen wird. Die Verletzung des Eigentums an einer Sache kann nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz, sondern auch durch eine Einwirkung auf die Nutzungs- und Verkaufsfähigkeit der Sache erfolgen ( BGH, Urteil vom 25.10.1988, VI ZR 344/97, BGHZ 105, 346; BGH, Urteil vom 21.11.1989, VI ZR 350/88, NJW 1990, 908; OLG Rostock, Urteil vom 20.07.2006, 7 U 117/04, NJW 2006, 3650 ).
43
In der Berufungsinstanz ist unstreitig, dass die Zeugin F. am 11.04.2014 auf dem Feld des Klägers Proben gezogen hat, die Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen D. geworden sind. Die Zeugin hat im Grenzbereich der benachbarten Grundstücke der Parteien die Proben entnommen. Dabei hat sie zunächst in den Reihen 1 – 5 des Grenzbereiches Proben entnommen. Eine Zweitprobeentnahme erfolgte im Bereich der Reihen 5 -10. Die Zeugin F. hat ausgesagt, dass die erste bis zweite Reihe der Erdbeeren eigentlich gar nicht mehr da gewesen sei, jedenfalls partiell. Sie seien stark braun verfärbt gewesen. Das Schadensbild habe sich über die 10. Reihe hinaus hingezogen. Es seien gelbe, jedenfalls helle Punkte auf den Blättern zu erkennen gewesen.
44
Diese von der Zeugin F. beschriebene Störung der Entwicklung der Erdbeerpflanzen stellt somit eine Eigentumsverletzung dar.
45
Darüber hinaus konnten die Erdbeeren wegen der Grenzwertüberschreitung des Wirkstoffs Isoproturon nicht vermarktet werden. Nach dem Leitfaden des Qualitätssicherungssystems dem der Kläger unterliegt, werden nach einer Höchstmengen- oder Grenzwertüberschreitung bzw. beim Nachweis eines nicht zugelassenen oder genehmigten Wirkstoffs die Ware der betroffenen Anbaufläche und die gelagerte Ware des landwirtschaftlichen Betriebes für eine weitere Vermarktung im QS-System gesperrt. Befunde < 0,010 mg/kg bleiben unberücksichtigt. Nach dem Erstbefund vom 11.04.2014 wurde die Höchstmenge von Isoproturon mit 0,034 ( Reihe 1 – 5 ) bzw. 0,52 mg/kg ( Reihe 6 – 10 ) deutlich überschritten. Die von dem Sachverständige D. veranlasste weitere Probeentnahme am 28.04.2014 ergab für die Reihen 1 – 5 noch einen Nachweis von Isoproturon in Höhe von 0,011 mg/kg. In den weiteren Reihen 6 – 21 sei zwar punktuell kein Rückstand gefunden worden, es müsse aber in Betracht gezogen werden, dass aufgrund des hohen Ausgangsbefundes dort weiterhin eine Rückstandsgefahr bestanden habe.
46
Kurz vor der Ernte am 05.05.2014 hat die Zeugin F. erneut Erdbeerproben vorgenommen. Diese betrafen nur die Reihen ab Reihe 16 und die dann noch verbleibenden 5 ha. In diesen Proben fanden sich keine Rückstände der drei streitgegenständlichen Wirkstoffe.
47
Der von der Streithelferin beauftragte Sachverständige I. hat die Ausgangswerte aus April 2014 nicht in Frage gestellt. Er hat die Ausführungen des Sachverständigen D. zu der nicht mehr bestehenden Verkaufsfähigkeit als fachlich richtig bewertet. Die Sachverständige Dr. H. kommt in ihrem Gutachten vom 10.03.2018 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die gemessenen Rückstände in den Erdbeeren zum Zeitpunkt der Analyse auf jeden Fall zu hoch gewesen seien, um eine Vermarktung zuzulassen.
48
Die Streithelferin und die Beklagte können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Erdbeeren im Zeitpunkt der Ernte wieder zu vermarkten gewesen wären und damit eine Eigentumsverletzung entfallen wäre. Der Sachverständige Dr. G. hatte sich unter der Beweisfrage 2 des Beweisbeschlusses vom 24.08.2016 mit der Frage zu befassen, ob sich das am 15.04.2014 in den Erdbeeren vorhandene Isoproturon zum Zeitpunkt der Ernte in der Zeit vom 10. – 15.05.2014 noch in den Früchten befunden habe. Er konnte in seinem Gutachten vom 12.01.2017 hierzu keine Feststellungen machen, da beim L. hierzu keine Informationen vorgelegen haben und es keine allgemeinen Untersuchungen zum Abbauverhalten des Wirkstoffes in Erdbeeren gibt.
49
Die Sachverständige Dr. H. hat sich in ihrem Gutachten vom 10.03.2018 aufgrund des Ergänzungsbeweisbeschlusses vom 20.02.2017 sodann mit dem Abbauverhalten von Isoproturon befasst. Sie hat anhand von Halbwertzeiten (Bl. 501 d.A.) ermittelt, dass nur die Erdbeeren in den Reihen 1 – 5, aber keinesfalls die Reihen 6 -10 vermarktungsfähig gewesen seien. Die berechneten Rückstandsgehalte hätten alle über dem erlaubten Rückstandshöchstgehalt gelegen.
50
Folglich liegt eine Eigentumsverletzung auch in der fehlenden Vermarktungsfähigkeit der Erdbeeren. Dies betrifft jedenfalls die Reihen 6 bis 10.
b)
51
Die Eigentumsverletzung ist auf eine Handlung des Beklagten zu 1) bzw. des Beklagten zu 2) zurückzuführen. Der Wirkstoff Isoproturon ist durch eine Handlung der Beklagten auf das Feld des Klägers gelangt. Die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Spritzvorgang vom 07.04.2014 und der oben festgestellten Eigentumsverletzung ist gegeben.
52
Unstreitig hat der Beklagte zu 1) durch den Beklagten zu 2) am 07.04.2014 gegen 16.00 Uhr seinen Weizen mit einem Pflanzenschutzmittel spritzen lassen, das den Wirkstoff Isoproturon enthielt. Die betroffenen Erdbeerkulturen befanden sich in unmittelbarer Nähe, nämlich an der Grenze zu dem Weizenfeld des Beklagten, wo der Traktor das Pflanzenschutzmittel mittels Spritzdüse ausgebracht hat. Beide Parteien schließen die Beteiligung eines Dritten aus. Der Kläger hat damit schon den Anscheinsbeweis erbracht, dass der Wirkstoff Isoproturon durch den Spritzvorgang des Beklagten auf sein Feld gelangt ist. Es wäre daher die Aufgabe der Beklagten gewesen, die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Ablaufs zu beweisen. Eine solche haben sie indes nicht schlüssig dargelegt. Aber selbst, wenn die Frage des Anscheinsbeweises anders beurteilt werden würde, hätte der Kläger den Beweis erbracht, dass das Isoproturon durch den Spritzvorgang des Beklagten auf sein Erdbeerfeld gelangt ist.
53
Sowohl der vorgerichtlich von dem Kläger beauftragte Sachverständige D. als auch der von der Streithelferin hinzugezogene Sachverständige I. gehen davon aus, dass der Wirkstoff Isoproturon beim Spritzen des Weizenfeldes durch Windabdrift auf das Erdbeerfeld des Klägers gelangt ist. Der Sachverständige D. hat ausgeführt, dass die für Abdrift typischen Aufwuchsschäden auf dem Feld des Klägers böenartig – ungleichmäßig angeordnet seien. Der Sachverständige I. hat bei der Auswertung der Windmessdaten der M. / J., der Wetterstation A. und N. festgestellt, dass der Wind mit einer Mittelgeschwindigkeit von 3,30 m/ s vom Weizenfeld in Richtung Erdbeerkultur des Klägers geweht habe. Für eine direkte Verdriftung sei die Windgeschwindigkeit ausreichend gewesen. Trotz der Zunahme der Konzentration von Isoproturon mit gleichzeitiger Zunahme des Abstands vom Weizen sei aufgrund der Windsituation von einer direkten Verdriftung während der Anwendung auszugehen. Dieser Konzentrationsanstieg sei möglicherweise durch Böen entstanden. Eine indirekte Verdriftung durch thermische Einwirkungen sei nahezu ausgeschlossen. Dieses Ergebnis wird auch von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. G. bestätigt. Der Sachverständige Dr. G. hat eine Datenabfrage an die Wetterdaten und Statistiken O. des Deutschen Wetterdienstes eingeholt ( Bl. 343 d.A. ff. ). An allen drei maßgeblichen Wetterstationen habe der im Zeitpunkt der Pflanzenschutzmittelapplikation maßgebliche Windgeschwindigkeit minimal 3,6 m/Sek und maximal 5,1 m/Sek betragen. Die Windrichtung hat er in seiner Zeichnung Bl. 346 d.A. dargestellt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die gemessene mittlere Windgeschwindigkeit in Verbringung mit der Windrichtung das Vorhandensein des Stoffs Isoproturon auf der Ackerparzelle des Beklagten ( richtig Klägers ) durch Windabdrift als sehr wahrscheinlich erscheinen lassen. Ebenso wie der Sachverständige I. schließt er nach der Prüfung der Witterungsparameter zur Bildung von Thermikblasen eine Verlagerung des applizierten Wirkstoffs Isoproturon durch Warmluftblasen ( Thermik ) mit großer Wahrscheinlichkeit aus und führt das Vorhandensein dieses Stoffes auf Windabdrift zurück. Bei dieser Einschätzung ist der Sachverständige Dr. G. auch in seinem Ergänzungsgutachten vom 27.03.2018, in dem er sich in diesem Zusammenhang mit den Ergänzungsfragen der Streithelferin auseinandergesetzt hat, geblieben. Er hat ausgeführt, dass den Lichtbildern und dem dort sichtbaren Schadensbild zweifelsfrei einer Spritzmittelabdrift zugeordnet werden könne, zumal die gleichen Symptome auf den Weizenpflanzen und Wildkräutern der behandelten Weizenparzelle erkennbar seien. Unter wissenschaftlichen Bedingungen sei davon auszugehen, dass es mit 95 %iger Sicherheit zu einer Abdrift gekommen sei. Die Belastung der Erdbeerkultur allein durch Thermik halte er hingegen für ausgeschlossen. Isoproturon habe einen vergleichsweisen sehr niedrigen Dampfdruck, eine Verflüchtigung des Wirkstoffs zusammen mit aufsteigenden Luftströmungen dürfe daher keine Rolle gespielt habe.
54
Schließlich hat die Sachverständige Dr. H. in ihrem Gutachten vom 10.03.2018 ausgeführt, dass die von den Beklagten verwendeten Spritzdüsen dann abdriftarm seien, wenn sie bis zu einem Druck von 1 bar (90 % Reduktion des Abdrifts), 1,5 bar ( 75 % Reduktion ) bzw. 3 bar ( 50 % Reduktion ) verwendet würden, da die Tröpfchen dann größer seien als bei höherem Ausbringungsdruck. Es komme daher sehr darauf an, mit welchem Druck und bei welcher Fahrgeschwindigkeit das Isoproturon haltige Mittel von den Beklagten ausgebracht worden seien. Die Düsen könnten durchaus auch bei höheren Drücken als 3 bar verwendet werden, würden dann aber aufgrund der feineren Tröpfchengröße nicht mehr abdriftreduzierend wirken. Mit Schriftsatz vom 14.08.2015 haben die Beklagten noch vorgetragen, dass der Beklagte zu 2) die Pflanzenschutzmittelspritze so eingestellt hätte, dass der Spritzvorgang mit 3 bis 5 bar vorgenommen worden sei. Nach Vorlage des Gutachtens der Sachverständige Dr. H. haben die Beklagten dann behauptet, das Spritzmittel mit 3 bar aufgesprüht zu haben. Die Fahrgeschwindigkeit des Traktors haben sie nicht angegeben. Jedenfalls bestand auch bei nur 3 bar eine nur 50 %ige Reduktion des Abrifts. Da nicht bekannt ist, aus welchem Werkstoff die vom Beklagten verwendeten Düsen bestanden haben, konnte der Sachverständige Dr. G. nicht feststellen, ob bei einem Druck von 3 bar eine Verlustminderung gar nicht gegeben war.
55
Die Gesamtschau der dargelegten Umstände und der Bewertungen der einzelnen Sachverständigen lässt – sollte nicht schon von dem Anscheinsbeweis ausgegangen werden – einzig den Schluss zu, dass der Wirkstoff Isoproturon durch den Spritzvorgang der Beklagten auf das Erdbeerfeld des Klägers gelangt ist.
c)
56
Die Handlung der Beklagten ist auch kausal für die Eigentumsverletzung des Klägers geworden sein. Für die haftungsbegründende Kausalität ist entscheidend, ob zwischen dem Verhalten des Schädigers und der eingetretenen Rechtsgutsverletzung ein Ursachenzusammenhang gegeben ist. Für den Beweis der haftungsbegründenden Kausalität der Handlung des Schädigers für den Primärschaden gilt der Maßstab des § 286 ZPO. Das bedeutet, dass das Gericht nicht nur von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, sondern von der Wahrheit der behauptetet Tatsache überzeugt ist; hierfür genügt ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.
57
Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad ist unproblematisch insoweit gegeben, als durch den Spritzvorgang der Wirkstoff Isoproturon auf das Feld des Klägers gelangt ist. Die Streithelferin – nicht die Beklagten – hat jedoch in beiden Instanzen „in Erwägung gezogen“, dass die Erdbeeren schon vor dem 07.04.2014 durch die Wirkstoffe Dimethomorph und Iprodion vorgeschädigt und nicht mehr vermarktungsfähig gewesen wären. Wäre dies der Fall gewesen, hätte der Spritzvorgang zu keiner kausalen Eigentumsverletzung geführt, denn die Früchte als solche wären schon unwiederbringlich für den Markt verdorben gewesen. Im Ergebnis ist dies jedoch nicht der Fall.
58
Beide Parteien sind sich einig, dass die Wirkstoffe Dimethomorph und Iprodion nicht durch einen Dritten auf das Feld aufgebracht worden sind. Unstreitig hat der Beklagte zu 1) auch Gurken und Spargel angebaut. Der Kläger hat unwidersprochen behauptet, dass der Wirkstoff Dimethomorph zur Bekämpfung des falschen Mehltaus in der Gurke zulässiger Weise angewendet werde. Iprodion werde in Gurken zur Bekämpfung des Stängelbrands und anderen Krankheiten ebenso wie in Spargel angewandt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Pflanzenspritze, die Förderpumpe und das Gestänge nicht restlos gesäubert worden seien und die Wirkstoffe Dimethomorph und Iprodion am 07.04.2014 von den Beklagten unbemerkt mit auf das Erdbeerfeld gelangt seien.
59
Die Beklagten haben diese Behauptung nicht ausdrücklich bestritten. Sie haben nur behauptet, dass sie bei der Spritzung des Weizenfeldes die beiden genannten Wirkstoffe nicht ( aktiv ) verwendet hätten, was der Kläger im Ergebnis auch nicht behauptet hat. Sie haben aber nicht behauptet, diese Wirkstoffe noch nie verwendet zu haben. Die von ihnen vorgelegten Spritztagebücher betreffen lediglich den Anbau von Rüben und Weizen und auch nur die Zeiträume Mai / Juni 2013 sowie April / Mai 2014 und sind wenig aussagekräftig. Die Beklagten haben zudem nicht schlüssig vorgetragen, dass der Kläger schon vor dem 07.04.2014 die für Erdbeeren unzulässigen Wirkstoffe Dimethomorph und Iprodion auf sein eigenes Erdbeerfeld aufgebracht habe. Schließlich waren diese Wirkstoffe – wie noch zu erörtern sein wird – zum Zeitpunkt der Ernte bereits abgebaut und hätten einer Vermarktung nicht entgegengestanden.
60
Die haftungsbegründende Kausalität ist damit ebenfalls gegeben.
d)
61
Die Eigentumsverletzung ist auch widerrechtlich erfolgt. Die Verletzung eines nach § 823 BGB geschützten Rechtsgutes ist grundsätzlich rechtswidrig, wenn nicht ein Rechtfertigungsgrund besteht. Geht es – wie hier – um das Verhältnis von Grundstücksnachbarn, so sind die nachbarrechtlichen Sonderbestimmungen der §§ 906 ff. BGB in dem davon erfassten Regelungsbereich maßgebend dafür, ob die von dem einen auf das anderen Grundstück ausgehenden Einwirkungen rechtswidrig sind. Diese Bestimmungen entscheiden darüber, ob eine widerrechtliche deliktische Handlung gemäß § 823 BGB vorliegt oder nicht ( BGH, Urteil vom 02.03.1984, V ZR 54/83, BGHZ 90, 255 ).
62
Beurteilungsmaßstab ist vorliegend die Vorschrift des § 906 BGB. § 906 BGB regelt die Voraussetzungen unten denen der Grundstückseigentümer die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen oder „ähnlicher Einwirkungen“ dulden muss. Chemische Pflanzenschutzmittel, die auf einem Grundstück versprüht werden und dann durch den Wind oder ähnliche Ursachen auf das Nachbargrundstück gelangen, sind Einwirkungen dieser Art ( BGH, Urteil vom 02.03.1984, V ZR 54/83, BGHZ 90, 255 ). Nach § 906 Abs. 1 BGB muss der Eigentümer eine von dem Nachbargrundstück ausgehende Immissionswirkung dulden, wenn sie die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt. Die Frage, ob die Benutzung eines Grundstücks wesentlich oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird, hängt allein davon ab, in welchem Ausmaß die Benutzung nach der tatsächlichen Zweckbestimmung des Grundstücks gestört wird ( OLG Rostock, Urteil vom 20.07.2006, 7 U 117/04, NJW 2006, 3650 ). Unwesentlich ist eine Beeinträchtigung, die dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zumutbar ist ( Ermann- Wilhelmi, BGB, 15. Auflage, § 906 Rd. 17 ).
63
Zwar ist die relative Beeinträchtigung angesichts der Feldgröße von ca. 7,00 ha und der betroffenen Kulturfläche von 2.232 m² gering, aber die tatsächliche Betroffenheit des Eigentums ist nicht gering. Nach § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt eine unwesentliche Beeinträchtigung in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerten von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Eben dies war, wie oben festgestellt, vorliegend aber nicht der Fall. Der Kläger musste nicht hinnehmen, einen Teil seines Eigentums aufgrund der Überschreitung des zulässigen Grenzwertes für Isoproturon nicht nach seinen Vorstellungen vermarkten zu können.
64
Da es sich um eine nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung gehandelt hat, wäre der Kläger als Eigentümer gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB nur dann zur Duldung verpflichtet gewesen, wenn sich die Beeinträchtigung als Folge einer ortsüblichen Benutzung des Grundbesitzes des Nachbarn darstellt und von ihm nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen hätte verhindert werden können. Der Beklagte hat sein Weizenfeld mit einem für Weizen zugelassenen Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Isoproturon in landwirtschaftlich üblicher Weise bespritzt und damit ortsüblich benutzt. Der Beklagte hat aber nicht widerlegt, dass er den Windabdrift des Isoproturon auf das Erdbeerfeld des Klägers durch ihm wirtschaftlich zumutbare Vorkehrungen hätte vermeiden können. Hierzu hat der Beklagte nicht erheblich vorgetragen. Zwar hat er behauptet, diejenigen Düsen, die in eine andere angrenzende Ackerfläche hätten hineinragen können, abgestellt zu haben. Er hat aber nicht vorgetragen, dass es für seine Ernte bei den vorherrschenden Windverhältnissen am 07.04.2014 unerlässlich gewesen sei, das Pflanzenschutzmittel auszubringen und keine anderen Wind- bzw. Wetterverhältnisse abzuwarten. Auch hätte er in einem größeren Abstand zum Feld des Klägers sein Weizenfeld mit dem Spritzfahrzeug befahren können. Es bestand daher keine Duldungspflicht des Klägers.
e)
65
Der Beklagte zu 2) hat zumindest fahrlässig gehandelt, als er die Windabdrift und den Abstand zum Erdbeerfeld des Klägers bei dem Spritzvorgang nicht ausreichend berücksichtigt hat. In § 3 PflSchG ist die „gute fachliche Praxis“ geregelt. Die Einführung dieses Begriffs durch den Gesetzgeber ist zurückzuführen auf den Paradigmenwechsel von einer rein ökonomisch verstandenen Landwirtschaft hin zu einer nachhaltigen und umweltverträglichen Landwirtschaft. Vorläufer der „guten fachlichen Praxis“ bildet das Konzept der „ordnungsgemäßen Landwirtschaft“, das in älteren Gesetzen verwendet wird. Hierbei wurde ( ursprünglich ) ordnungsgemäße Landwirtschaft definiert als eine Bewirtschaftung, die dem jeweiligen agrarwissenschaftlichen Fachwissen und der landbaulichen Praxis entspricht, d.h. die ordnungsgemäße Landwirtschaft hat den fachlich begründeten agronomischen Regeln zu folgen. Zu einer ordnungsgemäßen Landwirtschaft gehört jedoch nicht nur die Einhaltung der anerkannten Regeln der Agrikultur, sondern auch die Wahrung aller einschlägigen Gesetze. Die gute fachliche Praxis ist mittlerweile in fünf Fachgesetzen ( § 3 PflSchG, § 3 Abs. 2 DüngemittelG, § 17 BundesbodenschutzG, § 5 Abs. 2 BundesnaturschutzG und § 16 Gentechnik G ) geregelt. Die Regeln der guten fachlichen Praxis sind öffentlich-rechtliche Verhaltensstandards für Landwirte ( Ehlers / Fehling / Pünder – Härtel, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 1, 4. Auflage, VI Rd. 45 ).
66
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 PflSchG i. V.m. Anhang III Nr. 3 der Richtlinie 2009/128/EG muss der berufliche Verwender auf Grundlage der Ergebnisse der Überwachung entscheiden, ob und wann er Pflanzenschutzmaßnahmen anwenden will. Solide und wissenschaftliche begründete Schwellenwerte sind wesentliche Komponenten der Entscheidungsfindung. Bei der Entscheidung über eine Behandlung gegen Schadorganismen sind, wenn möglich die für die betroffene Region, die spezifischen Gebiete, die Kulturpflanzen und die besonderen klimatischen Bedingungen festgelegten Schwellwerte zu berücksichtigen. Hierzu gehört, dass die Problematik der Abdrift geprüft und vermieden wird. Der Beklagte zu 2) wusste, dass er ein Pflanzenschutzmittel auf dem Weizenfeld des Beklagten zu 1) ausbrachte, das für Erdbeeren nicht zugelassen war. Er war daher gehalten, eine Abdrift auf jeden Fall zu vermeiden. Hierzu hätte er bei den für ihn erkennbaren Gegebenheiten das Weizenfeld in größerem Abstand zum Erdbeerfeld befahren und einen geringeren Druck der Spritzdüsen einstellen müssen.
67
Möglicherweise hätte aufgrund der Windverhältnisse an dem 07.04.2014 überhaupt kein Spitzvorgang stattfinden dürfen. Sämtliche Abwägungen hat der Beklagte zu 2) offensichtlich nicht vorgenommen, da andernfalls keine Abdrift stattgefunden hätte.
68
Der Beklagte zu 1) hat die Vermutung des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entkräftet. Hierzu fehlt sämtlicher Vortrag. Auch er hat schuldhaft gehandelt.
f)
69
Die für den Erlass eines Grundurteils erforderliche Voraussetzung, dass ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist, ist ebenfalls erfüllt.
70
Der Kläger hat vorgetragen, er habe die Erdbeeren der ersten zwölf Reihen nicht vermarket, sondern auf Rat des Sachverständigen D. untergemulcht. Die Beklagten behaupten, der Kläger habe auch die kontaminierten Erdbeeren verkauft. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich um eine Behauptung „ins Blaue hinein“ handelt. Es gibt keinerlei Indizien, dass der Kläger diese Erdbeeren tatsächlich hat pflücken lassen und sodann verkauft hat.
71
Der Umstand, dass auch die Wirkstoffe Dimethomorph und Iprodion in den Proben enthalten gewesen sind, führt nicht zu einem Entfall des Schadens. Für die Ursächlichkeit zwischen feststehender Verletzung des Rechtsguts und der Weiterentwicklung oder dem Umfang des Schadens ( haftungsausfüllende Kausalität ) gilt § 287 ZPO mit der Folge, dass hierfür der Beweis einer überwiegenden oder erheblichen Wahrscheinlichkeit genügt ( Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 10.01.2019, 7 U 74/13 ). Die Zurechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass außer dem zum Schadensersatz verpflichtenden Ereignis auch andere Ursachen zur Entstehung des Schadens beigetragen haben. Auch im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität reicht eine bloße Mitverursachung. Haben zwei Ereignisse den Schaden herbeigeführt, von denen jedes ihn auch allein verursacht hätte, sind beide im Rechtssinn ursächlich, sog. konkurrierende oder Doppelkausalität ( BGH, Urteil vom 20.02.2013, VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2021 ).
72
Die Sachverständige Dr. H. hat in ihrem Gutachten ausgeführt, dass im Jahr 2014 die geltenden Rückstandshöchstgehalte in Erdbeeren bei dem Wirkstoff Iprodion bei 15 mg/kg gemäß Verordnung ( EG ) 149/2008 und bei dem Wirkstoff Dimethomorph bei 0,7 mg/kg gemäß Verordnung ( EU ) 668/2013 gelegen hätten ( Bl. 503 ). Da die gemessenen Rückstandswerte in den Erdbeeren bereits bei den Analysen der Proben unterhalb der erlaubten Rückstandshöchstgehalte gelegen hätten, sei eine Evaluierung des Abbauverhaltens und eine Berechnung für den Erntezeitraums unerheblich. Die Erdbeeren seien bereits zum Zeitpunkt der Analyse vermarktungsfähig gewesen. Gleiches könne für den Erdbeerzeitraum angenommen werden. Dabei hat die Sachverständige Dr. H. jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger an dem QS-Verfahren teilgenommen hat. Hiermit hat sie sich dann in den Ergänzungsvotum vom 27.07.2018 beschäftigt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Rückstände von Iprodion zum Erntezeitpunkt ein Rückstandsniveau von < 0,01 mg/kg hatten. Auch bei Dimethomorph hätten die erwarteten Rückstände < 0,01 mg/kg zum erwarteten Erntezeitpunkt betragen, wobei allerdings bei einer – hypothetischen – weiteren Probeentnahme kurz vor der Ernte ein Rückstand von > 0,01 mg/ kg vorgelegen hätte. Im Hinblick auf die Bedingungen im Einzelhandel seien die Erdbeeren der Reihen 1 – 5 und 6 – 10 zum Zeitpunkt der Ernte unter Berücksichtigung der rechnerische ermittelten Wirkstoffbelastung mit Iprodion und Dimethomorph vermarktungsfähig gewesen. Diese gelte auch für Isoproturon für die Erdbeeren in den Reihen 1 – 5, bei denen allerdings in den ersten beiden Reihen die Pflanzen so nachhaltig geschädigt waren, dass sie nicht mehr vorhanden gewesen sind.
73
Damit steht fest, dass das Isoproturon für die fehlende Vermarktungsfähigkeit und den dadurch bedingten Verkaufsschaden ursächlich ist.
g)
74
Unter Berücksichtigung der zitierten Entscheidung des BGH vom 20.02.2013 wirkt es sich vorliegend auch nicht im Rahmen Mitverschuldens nach § 254 BGB aus, dass die beiden Wirkstoffe Dimethomorph und Iprodion in den Proben aus April 2014 nachgewiesen wurden. Wie bereits bei der haftungsbegründenden Kausalität erörtert, haben die Beklagten behauptet, der Kläger habe diese beiden Wirkstoffe selbst auf seinem Feld aufgebracht. Zum einen hätte dies im Hinblick auf die Rückstandswerte keine Auswirkungen. Zum anderen hätten die Beklagten darlegen und beweisen müssen, dass der Kläger diese Stoffe ausgebracht hat. Hierzu haben sie jedoch nicht erheblich vorgetragen. Es handelt sich um eine reine Vermutung.
75
Die Beklagten sind zudem der Auffassung, der Kläger sei verpflichtet gewesen, die Erdbeeren zu Beginn, während und zum Ende der Erntezeit zu beproben, um feststellen zu könne, ob die Reihen 6 – 10 weiterhin belastet gewesen wären. Auch mit diesem Einwand haben sie keinen Erfolg, denn die Sachverständige Dr. H. hat gerade festgestellt, dass die Reihen 6 – 10 auch zum Erntezeitpunkt belastet gewesen wären.
76
Ein Mitverschulden des Klägers ist somit nicht gegeben.
III.
77
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Es entspricht dem in § 101 ZPO zum Ausdruck gelangten Kostentrennungsgrundsatz, dass die Streithelferin für die Kosten des Rechtsstreits nicht haftet, weil insbesondere zwischen ihr und der unterstützten Hauptpartei ( hier: Beklagte ) kein Rechtsverhältnis besteht. Die Streithelferin kann nur ausnahmsweise eine Belastung mit Kosten des Rechtsmittels zweiter Instanz treffen, wenn sich die Hauptpartei im Berufungsrechtszug nicht, auch nicht in sonstiger Form beteiligt ( OLG Celle, Urteil vom 19.07.1995, 2 U 129/94, OLGR Celle 1996, 84 ). Vorliegend haben sich jedoch beide Beklagten an dem Rechtsstreit beteiligt. Der Beklagte zu 2) hat selbständig Berufung eingelegt. Der Beklagte zu 1) hat sich anwaltlich vertreten lassen und einen Antrag gestellt.
78
Ihre außergerichtlichen Kosten hat die Streithelferin selbst zu tragen.
79
Wird die Berufung gegen ein Grundurteil in vollem Umfang zurückgewiesen, ist nicht erst im Endurteil über die Kosten zu entscheiden. Den Beklagten sind die Kosten des Berufungsverfahrens selbst dann aufzuerlegen, wenn die Klage im Schlussurteil letztlich abgewiesen wird ( BGH, Urteil vom 29.05.1956, VI ZR 205/55, NJW 1956, 1235; Zöller- Feskorn, ZPO, 33. Auflage, § 304 Rd. 40 ).
80
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO, die es gebieten, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt.
81
Streitwert für das Berufungsverfahren: 8.930,- EUR