Zur Amtshaftung bei Radfahrerunfall auf Umleitungsstrecke eines Radweges mit einer Fahrbahnoberfläche aus Dolomitsand im Bereich einer Kurve

OLG Hamm, Beschluss vom 11. Dezember 2019 – I-11 U 104/19

Eine mit einer Oberfläche aus Dolomitsand gestaltete Umleitungsstrecke des Ruhrtalradweges ist im Bereich einer Kurve mit einem leichten Gefälle keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle, wenn sie von einem durchschnittlich aufmerksamen und befähigten Radfahrer mit angepasster Geschwindigkeit gefahrlos passiert werden kann. Sind die Kurve und der Belag für einen Radfahrer aus größerer Entfernung erkennbar, muss auf diese Umstände auch nicht mit einem Warnschild hingewiesen werden.(Rn.26)(Rn.29)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Der Senat weist nach Beratung darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs.2 S.1 ZPO zurückzuweisen.

Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen 3 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.

Gründe
I.

1
Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt auf Schadenersatz und Schmerzensgeld nach einem Radunfall vom 08.09.2018 in Anspruch.

2
Die Klägerin befuhr am vorgenannten Tag mit ihrem Ehemann den Su.weg in T in Richtung I.see. In Höhe der X zwischen der Ystraße und der S war der zunächst asphaltierte Radweg nach einer scharfen, mit einem Umleitungsschild gekennzeichneten Rechtskurve mit einem geänderten Oberflächenbelag aus Dolomitsand versehen. Der Radweg führte nach der Rechtskurve etwa 100 m geradeaus und vollzog dann in Fahrtrichtung der Klägerin eine spitzwinkelige Linkskurve. In diesem Bereich des Radwegs ereigneten sich in den Jahren 2017 und 2018 mindestens drei Radunfälle, ein Unfall zog einen Rettungshubschraubereinsatz nach sich. Nach dem hier streitigen Unfallereignis veranlasste die Beklagte, dass vor der am Anfang der Umleitungsstrecke befindlichen Rechtskurve das Gefahrzeichen 101 („Achtung Gefahrenquelle“) mit dem Zusatzzeichen eines scharf nach rechts abknickenden Fahrbahnverlaufs aufgestellt wurde.

3
Die Klägerin befand sich nach dem 08.09.2018 wegen einer Radiusköpfchentrümmerfraktur links, einer Luxation des Ellenbogens links sowie wegen eines Abrisses des Processus coronoideus und einer radialen Bandruptur links in stationärer und nachfolgend in ambulanter ärztlicher und physiotherapeutischer Behandlung. Aufgrund der erlittenen Verletzungen war die Klägerin über mehrere Wochen an der Ausübung ihrer beruflichen, haushaltsführenden und sonstigen privaten Tätigkeiten gehindert bzw. eingeschränkt.

4
Die Klägerin hat vor dem Landgericht behauptet, sie habe den Radweg in dem nicht asphaltierten Bereich hinter ihrem Ehemann mit langsamer, den örtlichen Verhältnissen angepasster Geschwindigkeit befahren. An der Linkskurve verlaufe der Radweg zur Kurvenaußenseite abschüssig. Die Abschüssigkeit des Radwegs sei optisch nicht auf Anhieb erkennbar gewesen, da die Kurve und die Wegoberfläche aufgrund von Bauzäunen und Bewuchs sehr schlecht einzusehen gewesen seien. Dolomitsand sei deshalb zur Herstellung des frequentierten und beworbenen Radwegs jedenfalls an dieser Stelle gänzlich ungeeignet gewesen. In der Linkskurve sei sie wegen des losen Belags und der abschüssigen Oberfläche weggerutscht und zu Fall gekommen. Hätte die Beklagte auf die Gefahrenstelle aufmerksam gemacht, wäre es nicht zu dem Unfall gekommen. Die Klägerin hat die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von jedenfalls 17.500,00 EUR sowie materiellen Schadensersatz in Höhe von 3.537,48 EUR verlangt. Die Beklagte ist dem Klagebegehren entgegengetreten.Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, insbesondere wegen der die Klägerin treffenden Unfallfolgen, sowie wegen der vor dem Landgericht gestellten Anträge der Parteien wird gem. § 540 Abs.1 ZPO auf das angefochtene Urteil verwiesen.

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Das Landgericht hat die Klage nach persönlicher Anhörung der Klägerin abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stünden gegen die Beklagte keine Ansprüche wegen einer Amtspflichtverletzung zu. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht könne nicht festgestellt werden, im Übrigen sei von einem weit überwiegenden Mitverschulden der Klägerin auszugehen. Im Falle einer schadhaften oder gefahrgeneigten Ausgestaltung des Radwegs träfen die Beklagte nach § 9 Abs.1 S.2 u.3 StrWG NRW Ausbesserungs- oder Erhaltungspflichten, zumindest aber Warnpflichten. Eine Verletzung der vorgenannten Pflichten, insbesondere der Warnpflicht, sei im vorliegenden Fall jedoch nach den Maßstäben der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung nicht erkennbar. Die Ausgestaltung des Radwegs mit einer Oberfläche aus Dolomitsand sei für sich genommen kein objektiv verkehrswidriger Zustand. Eine Pflicht, Radwege grundsätzlich zu asphaltieren, bestehe auch dann nicht, wenn es sich um einen touristisch beworbenen Radweg handle. Eine solche Verpflichtung folge auch nicht aus dem Umstand, dass der Su.weg streckenweise asphaltiert sei, mit einem wechselnden Fahrbahnbelag habe die Klägerin rechnen müsse.

6
Zwar könne ein abhilfebedürftiger Zustand dann vorliegen, wenn sich die Fahrbahnoberfläche überraschend durch ein erhebliches Gefälle ändere und Benutzer des Weges hiermit nicht zu rechnen brauchten. Dies könne dem Sachvortrag der Klägerin aber nicht entnommen werden. Ein konkretes Bild von der behaupteten gefahrgeneigten Gestaltung des Weges habe sich die Kammer auch nach Anhörung der Klägerin nicht machen können. Die Klägerin habe nicht darlegen können, ob sich das Gefälle seitlich vom linken zum rechten Fahrbahnrand oder nach vorne hin auspräge und über welchen Streckenabschnitt die Fahrbahn mit welchem Höhenunterschied abschüssig verlaufe. Auch aus den überreichten Lichtbildern ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen besonders gefährlichen Streckenabschnitt. Die Klägerin habe auch nicht vorgetragen, in welcher Weise sie auf einen Warnhinweis reagiert hätte. Sie habe behauptet, ohnehin so langsam wie möglich gefahren zu sein. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass es auch bei Vorhandensein eines Warnhinweises zu dem Sturz gekommen sei, weil die Klägerin nicht vorgetragen habe und dies auch nicht der Lebenserfahrung entspreche, dass sie in diesem Fall abgestiegen wäre und das Fahrrad durch die Kurve geschoben hätte.In jedem Fall müsse sich die Klägerin aber schon nach ihrem eigenem Vortrag ein weit überwiegendes Mitverschulden zurechnen lassen, hinter dem ein etwaiger Verstoß der Beklagten gegen Verkehrssicherungspflichten zurücktrete. Wenn der Streckenabschnitt tatsächlich abschüssig und rutschig verlaufen sei, hätte sich die Klägerin nicht auf das erkennbare Hindernis eingestellt, sondern sich bewusst in Gefahr begeben, ohne dafür Vorsorge zu treffen, durch die Gefahr nicht zu Schaden zu kommen. Die Klägerin habe zu ihrem vorausfahrenden Ehemann Abstand halten müssen, um etwaige Hindernisse rechtzeitig zu erkennen. Die enge Linkskurve sei aus ausreichender Entfernung erkennbar gewesen. Wenn die Klägerin die Straßenoberfläche und ein etwa vorhandenes Gefälle aus der Entfernung wegen des vorhandenen Bewuchses und vorhandener Bauzäune nicht habe erkennen können, hätte sie gegebenenfalls bis zum Stillstand abbremsen müssen, um den Kurvenbereich einzusehen.Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

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Sie hält die angefochtene Entscheidung für falsch und macht Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen geltend. Dazu führt sie im Einzelnen aus:

8
Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass es sich bei ihrem Unfall nicht um einen Einzelfall gehandelt habe. Vielmehr hätten die X die Beklagte vor dem Unfall mehrfach auf die Problemstelle hingewiesen. Die Masse der sich an der streitgegenständlichen Stelle ereignenden Unfälle deute auf das Vorliegen einer erheblichen Gefahrenstelle hin.

9
Das Landgericht habe übersehen, dass die Benutzer des von der Beklagten beworbenen und ausgebauten Radwegs davon ausgehen könnten, dass dieser im Verhältnis zu Wald- oder Feldwegen besonders gesichert sei und auf Gefahrenstellen ausreichend hingewiesen werde. Ihrer Hinweispflicht sei die Beklagte erst nach dem Unfall der Klägerin durch das Aufstellen des Gefahrzeichens nachgekommen.

10
Soweit das Landgericht die Haftung der Beklagten wegen eines überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin für ausgeschlossen halte, habe es entscheidungserheblichen Vortrag übergangen. Sie habe unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Gefahrstelle, insbesondere deren Abschüssigkeit u.a. durch Bauzäune und Bewuchs nicht einsehbar gewesen und daher nicht auf Anhieb erkennbar gewesen sei. Auch der Vorwurf, sie habe ihre Fahrweise nicht den örtlichen Gegebenheiten angepasst, sei unzutreffend. Sie habe ihre Fahrweise dem veränderten Bodenbelag angepasst. Dieser sei allerdings nicht als Fahrbahnbelag für die streitgegenständliche Unfallstelle geeignet gewesen.

11
Entgegen dem angefochtenen Urteil habe sie die Gefahrenstelle auch hinreichend beschrieben. Sie habe in der Klageschrift ausgeführt, dass es sich bei der Unfallstelle um eine nach außen abfällige Kurve handle, wobei das Gefälle für Radfahrer optisch nicht erkennbar sei. Die Kurve sei nicht uneingeschränkt einsehbar gewesen, da diese durch Bauzäune und Bewuchs verdeckt gewesen sei. Sie habe deshalb die Kurve nicht schneiden können und besonders weit außen fahren müssen. Beim Durchfahren der Kurve sei sie aufgrund der abfallenden Kurve mit dem Fahrrad weggerutscht. Hätte die Beklagte mit einem entsprechenden Hinweisschild darauf hingewiesen, dass eine erhebliche gefahrgeneigte Stelle passiert werden müsse, wäre sie selbstverständlich abgestiegen und hätte das Fahrrad durch den nicht befestigten Bereich geschoben. Sie beantragt,

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unter Abänderung des angefochtenen Urteils

13
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.537,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

14
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 17.500,00 EUR jedoch nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

15
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weitere materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen, die aus dem Unfall vom 08.09.2018 auf dem Su.weg in T Z, Richtung I.see, Höhe 0straße 20, 00000 T entstanden sind und künftig entstehen werden, mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, vor allem Versicherungen oder Sozialversicherungsträger, übergehen oder übergegangen sind;

16
4. die Beklagte zu verurteilen, sie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 EUR freizustellen;

17
hilfsweise

18
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

19
Die Beklagte beantragt,

20
die Berufung zurückzuweisen.

II.

21
Die Berufung der Klägerin hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Auch eine mündliche Verhandlung, von der neue entscheidungserhebliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, ist nicht geboten, § 522 Abs.2 S.1 ZPO.

22
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die beklagte Stadt kein Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus §§ 839, 249, 253 Abs.2 BGB, Art.34 GG i.V.m. §§ 9, 9a, 47, 3 Abs.4 Nr.3 StrWG NRW zu.

23
Die Abweisung der Klage ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil das Landgericht das Vorliegen einer abhilfebedürftigen Gefahrenstelle als Ursache des behaupteten Unfallgeschehens nicht feststellen konnte. An diese Feststellungen ist der Senat gem. § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO gebunden. Die Klägerin hat auch mit der Berufung nicht schlüssig dargetan, dass sie im Bereich einer abhilfebedürftigen Gefahrenstelle gestürzt ist und die Feststellungen des Landgerichts deshalb unrichtig sind. Dies geht zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin.Das Landgericht hat Inhalt und Umfang der die Beklagte als Träger der Straßenbaulast treffende Verkehrssicherungspflicht – auch aus Sicht der Klägerin – zutreffend dargestellt.

24
Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht, die sich aus der der Beklagten gem. §§ 9, 9a, 47, 3 Abs.4 Nr.3 StrWG NRW obliegenden Straßenbaulast für den in ihrem Stadtgebiet verlaufenden Su.weg ergibt, bestimmt sich nach der Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrswegs und seiner Bedeutung. Sie lässt nicht abstrakt, sondern nur anhand der konkreten Umstände im Einzelfall bestimmen (BGH, Urt. v. 01.07.1993, Az.: III ZR 88/92). Die Beklagte hat den Radweg in einem für eine Vielzahl von Benutzern hinreichend sicheren Zustand zu erhalten und in geeigneter und objektiver zumutbarer Weise diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die zur Herbeiführung und Erhaltung eines für die Benutzer hinreichend sicheren Zustandes erforderlich sind. Hierbei ist jedoch keine absolute Gefahrlosigkeit herzustellen, weil dies mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen ist. Vielmehr muss sich der Benutzer grundsätzlich den gegebenen Verhältnissen anpassen und die Fahrbahn so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Demgegenüber ist es Sache des Verkehrssicherungspflichtigen, alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht oder rechtzeitig einzustellen vermag (vgl. BGHZ 108, 273; BGH VersR 1979, 1055; BGH NJW 1985, 1076; Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 823 Rn.221).

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Daraus folgt für die Beklagte die Verkehrssicherungspflicht, mögliche, durch die Umleitung des Radwegs geschaffene, nicht rechtzeitig erkennbare und nicht beherrschbare Gefahrenlagen entweder zu beseitigen oder auf solche Gefahrenstellen durch das Aufstellen von Verkehrsschildern eindeutig und rechtzeitig hinzuweisen.Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nach dem Vorbringen der Klägerin in erster und zweiter Instanz nicht ersichtlich, dass die Beklagte die behauptete Unfallstelle baulich anders gestalten oder aber zumindest durch Warnschilder hätte kennzeichnen müssen.1. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Radweg im Bereich der Umleitungsstrecke zu asphaltieren oder während der Baumaßnahmen dauerhaft zu schließen.

26
a) Ein Rechtssatz, dass erheblich frequentierte Radwanderwege in jedem Fall durchgängig mit einem Asphaltbelag zu versehen oder andernfalls zu sperren sind, existiert nicht. Die mit solchen Maßnahmen verbundene Kosten- und Unterhaltungslast würde das den Straßenbaulastträgern Zumutbare übersteigen (vgl. OLG Celle, Urt. v. 23.03.2005, Az.: 9 U 199/04, Tz.8); vielmehr hat der Benutzer den Weg in dem Zustand hinzunehmen, in dem er ihn vorfindet (vgl. Geigel/Wellner, Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap.14 Rn.44). Die Verwendung von verdichtetem Dolomitsand ist zur Gestaltung von Radwegen in Nordrhein-Westfalen gerichtsbekannt üblich und weit verbreitet. Der durch die zur Akte gereichten Lichtbilder dokumentierte Zustand des Su.wegs an der behaupteten Unfallstelle entsprach zum Unfallzeitpunkt, wie auch das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, der herkömmlichen und üblichen Gestaltung. Der Verkehrssicherungspflichtige kann deshalb erwarten, dass die Benutzer des Radwegs mit den von dieser Art der Radwegegestaltung verbundenen Auswirkungen auf Stabilität und Bremsverhalten vertraut sind und aus Eigenvorsorge diese Wirkungen bei Fahrmanövern beachten (vgl. OLG Celle, Urt. v. 23.03.2005, Az.: 9 U 199/04, Tz.7).

27
b) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte gehalten war, die streitgegenständliche Linkskurve mit einem Asphaltbelag zu versehen. Eine solche Verpflichtung hätte nur dann bestanden, wenn von der streitgegenständlichen Kurve anders nicht abwendbare Gefahren für den durchschnittlich aufmerksamen Benutzer ausgegangen wären. Darüber hinaus gehende Anforderungen an diese Gestaltung des Wegs bestehen auch nicht für die Unterhaltung touristisch beworbener Radwege.

28
Auf das Vorliegen einer solchen Gefahrenstelle kann nicht schon deshalb geschlossen werden, weil sich im Bereich der Linkskurve nach dem Behaupten der Klägerin vor dem 08.09.2018 mehrere, jedenfalls aber drei Radunfälle ereignet haben. Zur Ursache der vorangegangenen Unfälle ist nichts bekannt und wird von der Klägerin auch nicht mit Substanz vorgetragen. Es besteht kein belastbarer Anhaltspunkt dafür, dass die Unfälle auf die bauliche Gestaltung des Radwegs zurückzuführen sind und nicht auf individuellen Fahrfehlern wie eine überhöhte Geschwindigkeit, Bremsfehler, falsches Anfahren der Kurve, reine Unachtsamkeit oder auf Kollisionen mit dem Begegnungsverkehr beruhen. Derartige individuelle Fahrfehler wirken sich im Bereich einer anspruchsvolleren Streckenführung ungleich stärker aus als an anderer Stelle, ohne dass deswegen dem Träger der Straßenbaulast schon allein deshalb eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht anzulasten ist. Eine Verpflichtung, den Radweg an der streitgegenständlichen Stelle mit einem Asphaltbelag auszustatten, bestünde allenfalls dann, wenn die Kurve selbst ein starkes Gefälle aufweisen oder unmittelbar in eine Gefällstrecke münden würde, um bei der Abfahrt, während des Bremsens oder beim langsamen Hinauffahren ein kaum kontrollierbares Wegrutschen des Rades zu verhindern. Dass an der Unfallstelle ein derart erhebliches Gefälle vorhanden ist, ergibt sich indes weder aus den zur Akte gereichten Lichtbildern noch aus der Schilderung der Klägerin. Erkennbar ist lediglich, dass der Radweg sowohl in Fahrtrichtung der Klägerin als auch zum rechten Rand leicht abfällt und am äußersten rechten Rand des Wegs in der Kurve ein abschüssiger Bereich zu erkennen ist. Soweit der Radweg jedoch auf der Fahrbahn mit einer den örtlichen Gegebenheiten angepasster Geschwindigkeit benutzt wird, ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die Linkskurve nicht trotz der Oberflächengestaltung mit Dolomitsand gefahrlos zu passieren sein sollte.

29
2. Für die Beklagte bestand auch keine Verpflichtung vor der streitgegenständlichen Linkskurve durch ein Warnschild gesondert auf die Fahrbahnoberfläche und die Kurve hinzuweisen oder die Radwegbenutzer zum Absteigen anzuhalten. Soweit sich aus der Kombination von Fahrbahnoberfläche und dem Verlauf des Wegs an der hier streitigen Stelle eine Gefahrenquelle ergibt, war diese Stelle für den durchschnittlich aufmerksamen Benutzer des Radwegs weithin erkennbar und beherrschbar. Eine Kennzeichnung der Kurve ist im Übrigen auch nach dem Unfall der Klägerin nicht erfolgt, denn das später aufgestellte Gefahrzeichen weist auf die Rechtskurve und den nachfolgenden Beginn der Dolomitsandoberfläche auf der Umleitungsstrecke hin und nicht auf die hier in Rede stehende Linkskurve.

30
a) Aus den zur Akte gereichten Lichtbildern ergibt sich, dass die Linkskurve nach dem Einbiegen in die Umleitungsstrecke aufgrund des dann geraden Streckenverlaufs bei angepasster Fahrgeschwindigkeit aus größerer Entfernung rechtzeitig sichtbar ist. Ebenso konnte die Klägerin lange vor Erreichen der Linkskurve wahrnehmen, dass sich der Fahrbahnbelag geändert hat. Der Asphaltbelag mündete gerade nicht „schlagartig“ vor der Linkskurve in den mit Dolomitsand gestalteten Bereich des Radwegs. Der Radweg war vielmehr bereits kurz hinter der Einfahrt in die Umleitungsstrecke und damit beinahe 100 m vor der behaupteten Unfallstelle mit Dolomitsand ausgestattet, die Art der Oberflächengestaltung hat sich vor oder im Bereich der Kurve nicht mehr verändert.

31
b) Aufgrund der vorbeschriebenen örtlichen Verhältnisse ist die Linkskurve für den durchschnittlich aufmerksamen und befähigten Radfahrer auch beherrschbar. Auf die bekannten Risiken, die sich durch das Befahren des mit Dolomitsand ausgestalteten Radwegs ergaben, musste sich die Klägerin einstellen. Nach dem Einbiegen in die Umleitungsstrecke hatte die Klägerin hinreichend Gelegenheit ihre Fahrgeschwindigkeit zu reduzieren und die Kurve so anzusteuern, dass sie weder in einem zu engen Radius in möglichen Begegnungsverkehr noch an den äußersten rechten, abschüssigen Kurvenrand geriet. Das Anlegen einer ebenen und befahrbaren Auslauffläche im Kurvenbereich war angesichts dieser Gestaltung des Geländes und der den Radwegebenutzern geläufigen, mit der Beschaffenheit des Weges verbundenen Risiken nicht erforderlich. Wenn ein Benutzer des Radwegs in Annäherung an die Kurve bemerkt, dass ihm das Durchfahren der Linkskurve nicht ohne weiteres möglich ist, ist er auch ohne besonderen Warnhinweis gehalten, vom Fahrrad abzusteigen und zu schieben.

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3. Dahinstehen kann für die Entscheidung dieses Falles, ob der Radweg durch Mitarbeiter der Beklagten regelmäßig und ausreichend auf seinen Zustand hin kontrolliert worden ist.Nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin aufgrund einer unzureichenden Instandhaltung des Radwegs, etwa aufgrund bestehender Unebenheiten, zu Fall gekommen ist. Dies wird von der Klägerin selbst auch nicht geltend gemacht.

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Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die streitgegenständliche Kurve wegen eingeschränkter Sichtmöglichkeiten in den Kurvenbereich hinein aufgrund von Bauzäunen oder Bewuchs eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dargestellt hat. Jedenfalls aber ist nicht mit Substanz vorgetragen, dass sich eine möglicherweise hierdurch ergebende Gefahr in dem konkreten Unfallgeschehen ausgewirkt hat.Soweit die Kurve selbst zum Unfallzeitpunkt aufgrund von Bauzäunen und Bewuchs schlecht einsehbar war, kann offen bleiben, ob der Klägerin hierdurch die Sicht auf etwaigen Begegnungsverkehr genommen worden ist oder sich die Situation für die Klägerin bei Annäherung an die Kurve so dargestellt hat, als würde der Weg unvermittelt enden. In jedem Fall hätte sie sich einer deutlich erkennbar unübersichtlichen Stelle genähert. Diese Situation wäre für die Klägerin beherrschbar gewesen, wenn sie sich der Kurve mit größter Aufmerksamkeit und so langsam genähert hätte, dass sie jederzeit gefahrlos vor Erreichen der Kurve bis zum Stillstand hätte abbremsen können.

34
Wie vorstehend bereits ausgeführt, ist nicht erkennbar und auch nicht mit Substanz vorgetragen worden, dass die Fahrbahn des Radwegs in der Linkskurve ein so starkes Gefälle nach rechts aufweist, dass Benutzer des Radwegs nahezu zwangsläufig ins Rutschen geraten und der Klägerin deswegen ein gefahrloses Passieren der Kurve nicht möglich war. Da ein gefahrenträchtiges Gefälle an dieser Stelle nicht erkennbar ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, inwieweit die Sicht auf den Kurvenbereich eingeschränkt war. Die von der Klägerin behauptete eingeschränkte Sicht im Bereich der Kurve hat jedenfalls nicht dazu geführt, dass sich die Klägerin veranlasst gesehen hat, die Kurve so weit rechts anzufahren, dass sie auf dem abschüssigen und möglicherweise durch Bewuchs verdeckten Randbereich des Wegs ins Rutschen geraten und deshalb gestürzt ist. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie sei die Kurve ungefähr mittig angefahren und dann plötzlich weggerutscht. Die Gestaltung des äußerst rechten Randbereichs des Wegs hat sich nach diesem Vortrag in dem Unfallgeschehen nicht ausgewirkt. Dass die Klägerin die Kurve aufgrund der örtlichen Gegebenheiten – wie nunmehr in der Berufung ohne jede Erklärung für den abweichenden und neuen Vortrag geltend gemacht wird – „besonders weit außen fahren“ musste, hat die Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung gerade nicht ausgeführt.

35
4. Nach alledem kann der Senat unter Berücksichtigung der Ausgestaltung der Örtlichkeiten weder nach der Unfallschilderung der Klägerin noch nach den zur Akte gereichten Lichtbildern belastbare Anhaltspunkte dafür erkennen, dass das behauptete Unfallgeschehen primär auf der Gestaltung des Radwegs beruht und nicht auf einen individuellen Fehler der Klägerin zurückzuführen ist.

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