Zum Wegfall des Maklerlohnanspruchs infolge arglistig verschwiegenen Sachmangels anstelle einer Vertragsanfechtung

BGH, Urteil vom 14.12.2000 – III ZR 3/00

Der Anspruch auf Zahlung des Maklerlohns entfällt, wenn die Wandelung des vom Makler nachgewiesenen oder vermittelten Kaufvertrags wegen eines arglistig verschwiegenen Sachmangels erfolgt, sofern infolge derselben Täuschung der Käufer auch zur Anfechtung des Kaufvertrags nach BGB § 123 berechtigt gewesen wäre.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 10. Dezember 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 6.382,50 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand
1
Die Kläger kauften am 6. Oktober 1995 ein im Bezirk N. gelegenes Hausgrundstück zum Preis von 185.000 DM und zahlten dafür an die Beklagte eine Vermittlungsprovision von 6.382,50 DM. Mit der Behauptung, das erworbene Wohnhaus weise zahlreiche, vom Verkäufer in betrügerischer Absicht verdeckte Mängel auf, erhoben sie im Mai 1996 gegen diesen Wandelungsklage. Das Landgericht gab der Klage rechtskräftig statt und führte zur Begründung aus, die Statik des Hauses sei dermaßen unzureichend, daß Einsturzgefahr bestehe. Diesen Mangel habe der beklagte Verkäufer arglistig verschwiegen.

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Im vorliegenden Rechtsstreit nehmen die Kläger die Beklagte auf Rückzahlung der Maklerprovision und Schadensersatz in einer Gesamthöhe von zuletzt 186.820,60 DM in Anspruch. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Kläger hat der Senat nur insoweit angenommen, als die Klage auch wegen eines Teilbetrags von 6.382,50 DM abgewiesen worden ist.

Entscheidungsgründe
3
Im Umfang der Annahme hat die Revision Erfolg.

I.

4
Das Berufungsgericht hat die Beklagte nicht als Vermittlerin des Kaufvertrags, sondern lediglich als Nachweismaklerin angesehen. Daß die Beklagte indessen die ihr auch in dieser Eigenschaft obliegenden Aufklärungs- und Informationspflichten gegenüber den Klägern verletzt und ihnen für den Abschluß des Kaufvertrags wesentliche Umstände verschwiegen habe, habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Die vollzogene Wandelung des zunächst wirksam zustande gekommenen Kaufvertrags beeinflusse mangels Rückwirkung den Provisionsanspruch der Beklagten nicht.

II.

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Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung insoweit stand, als es um die mit der Klage hauptsächlich geltend gemachten Schadensersatzansprüche geht. Der Senat hat aus diesem Grunde die Revision der Kläger größtenteils auch nicht angenommen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt hingegen in Höhe der gezahlten Maklerprovision von 6.382,50 DM aufgrund der Wandelung des Kaufvertrags ein Wegfall der Zahlungspflicht und damit ein Bereicherungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte in Betracht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).

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1. § 652 Abs. 1 BGB macht das Entstehen eines Provisionsanspruchs des Maklers nur vom Zustandekommen des Hauptvertrags, nicht von dessen Ausführung abhängig. Demnach schließen Umstände, die einen wirksamen Abschluß des Hauptvertrags verhindern oder ihn als von Anfang an unwirksam erscheinen lassen (Formnichtigkeit, Gesetzwidrigkeit, Sittenwidrigkeit, anfängliche objektive Unmöglichkeit, Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung) eine Provisionspflicht aus. Dagegen lassen Umstände, die ohne eine im Vertragsschluß selbst liegende Unvollkommenheit lediglich die Leistungspflichten aus dem Vertrag beseitigen (wie nachträgliche Unmöglichkeit, Kündigung, Rücktritt oder einverständliche Vertragsaufhebung), den Provisionsanspruch regelmäßig unberührt (BGH, Urteil vom 11. November 1992 – IV ZR 218/91NJW-RR 1993, 248, 249; Senatsurteil vom 20. Februar 1997 – III ZR 81/96VersR 1997, 1233; MünchKomm/Roth, BGB, 3. Aufl., § 652 Rn. 139 m.w.N.).

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2. Zu den zuletzt genannten, nur die Durchführung des nachgewiesenen oder vermittelten Geschäfts betreffenden Umständen rechnet die ganz herrschende Meinung auch eine Wandelung des Kaufvertrags, ohne Rücksicht darauf, ob der Mangel der Kaufsache bereits bei Vertragsschluß vorgelegen hat oder erst nachträglich entstanden ist (OLG Hamburg OLGE 39, 208, 209; OLG Köln MDR 1956, 294; OLG Oldenburg RDM-Slg A 137 Bl. 13; Erman/O. Werner, BGB, 10. Aufl., § 652 Rn. 40 a.E.; Palandt/Sprau, BGB, 59. Aufl., § 652 Rn. 26; BGB-RGRK/Dehner, 12. Aufl., § 652 Rn. 13; Soergel/Lorentz, BGB, 12. Aufl., § 652 Rn. 33; Kempen, Der Provisionsanspruch des Zivilmaklers bei fehlerhaftem Hauptvertrag, 1984, S. 93 f.; im Ergebnis teilweise abweichend – bei ursprünglichen Sachmängeln könne die wirtschaftliche Gleichwertigkeit zwischen dem beabsichtigten und dem abgeschlossenen Hauptvertrag fehlen: MünchKomm/Roth, § 652 Rn. 150; Staudinger/Reuter, BGB, 13. Bearb., §§ 652, 653 Rn. 102). Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die Wandelung an die Stelle eines sonst bestehenden Anfechtungsrechts nach § 119 Abs. 2 BGB tritt, weil der Makler aus den auf die Verkäufer-Käufer-Beziehung zugeschnittenen Sonderregelungen über die Sachmängelgewährleistung in den §§ 459 ff. BGB, die in ihrem Anwendungsbereich einen Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften grundsätzlich ausschließen, keine Vorteile ziehen dürfe (OLG Braunschweig NJW 1954, 1083; OLG Karlsruhe RDM-Slg A 137 Bl. 9; Erman/O. Werner, § 652 Rn. 40; Reichel, Die Mäklerprovision, 1913, S. 67 f.; Schwerdtner, Maklerrecht, 4. Aufl., Rn. 492; im Ergebnis auch Staudinger/Reuter, §§ 652, 653 Rn. 85 f., 103 – fehlende wirtschaftliche Gleichwertigkeit; a.A. Kempen, aaO, S. 65 ff., 94).

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3. Der Senat muß diese Fragen ebensowenig entscheiden wie dazu Stellung nehmen, inwieweit ein ursprünglicher Sachmangel die wirtschaftliche Identität der beiden Geschäfte entfallen lassen kann. Eine Irrtumsanfechtung greift hier schon deswegen nicht durch, weil der Kaufvertrag einen umfassenden Gewährleistungsausschluß enthält, der auch eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums umfaßt (vgl. MünchKomm/Westermann, § 459 Rn. 85 m.w.N.). Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß spätere Einflüsse auf das rechtliche Schicksal des Hauptvertrags sich nicht auf die Maklerprovision auswirken, ist aber jedenfalls in den Fällen geboten, in denen – wie bei der arglistigen Täuschung (§ 123 BGB) – wegen desselben Mangels ein Anfechtungsrecht neben den kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften besteht und der Vollzug der Wandelung daher zugleich das aus derselben Fehlerquelle stammende, alternative Recht des Käufers, den Kaufvertrag ex tunc zu beseitigen, realisiert (vgl. auch Staudinger/Reuter, §§ 652, 653 Rn. 87 zur Ausübung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts statt der Anfechtung). Der Käufer hat bei einem solchen Sachverhalt – ohne Rücksicht auf den Gewährleistungsausschluß (§ 476 BGB) – die freie Wahl zwischen dem Verlangen nach einer Gewährleistung und der Anfechtung des Kaufvertrags (MünchKomm/Westermann, § 459 Rn. 86 m.w.N.); wofür er sich entscheidet, wird weitgehend von den ihm im Einzelfall günstigsten Rechtsfolgen abhängen. Aus der Sicht des Maklers ist diese Entscheidung rein zufällig. Es wäre willkürlich, hiervon das Bestehen seines Provisionsanspruchs abhängig zu machen. Für die Maklervergütung ist vielmehr allein maßgebend, daß der vermittelte oder nachgewiesene Vertrag wegen des „Makels der Anfechtbarkeit“ von Anfang an an einer Unvollkommenheit leidet und daran wirtschaftlich auch scheitert, vergleichbar darin denjenigen Fallgestaltungen, in denen die Vertragsparteien den Hauptvertrag mit Rücksicht auf ein Anfechtungsrecht einverständlich wieder aufheben (s. hierzu OLG Köln NJW-RR 1997, 693; OLG Celle NJW-RR 1999, 128; OLG Hamburg NJW-RR 1999, 351; Schwerdtner, aaO, Rn. 473; vgl. auch OLG Hamm NJW-RR 1991, 249 f.; Staudinger/Reuter, §§ 652, 653 Rn. 93). Eine solche Gleichbehandlung von Gewährleistung und Vertragsanfechtung setzt allerdings voraus, daß das Anfechtungsrecht noch bestand, der Käufer mithin seine Gewährleistungsrechte insbesondere noch innerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB geltend gemacht hat (vgl. Schwerdtner, aaO Rn. 492).

9
3. Im Streitfall ist nicht zu bezweifeln, daß die Kläger mit ihrer am 31. Mai 1996 erhobenen Wandelungsklage diese Jahresfrist eingehalten haben. Andererseits läßt sich revisionsrechtlich nicht sicher beurteilen, ob die Voraussetzungen einer Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung auch im übrigen vorgelegen haben. Das Berufungsgericht hat hierzu – aus seiner Sicht folgerichtig – keine hinreichenden Feststellungen getroffen; das rechtskräftige Urteil des Landgerichts im vorausgegangenen Verfahren gegen den Verkäufer, in dem das Gericht einen wesentlichen Sachmangel und eine arglistige Täuschung der Käufer über diesen Umstand bejaht hat, bindet mangels einer Streitverkündung die Beklagte nicht. Infolgedessen muß das Berufungsurteil in diesem Umfang aufgehoben und die Sache zur erneuten tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

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