OLG Frankfurt am Main — Beschluss vom 15.04.2016 – 5 UF 55/15
Zum Schadensersatzanspruches eines Kindes gegen einen Elternteil, der für die Ausbildung des Kindes vorgesehenes Vermögen Dritter seinem eigenen Vermögen zuführt
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 16.12.2014 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Gießen wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 58.452,52 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist die 198X geborene Tochter der Antragsgegnerin. Sie verlangt von ihrer Mutter Schadensersatz, weil diese am 06.07.2004 zwei Sparbücher, die auf den Namen der Antragstellerin lauteten, aufgelöst hat und den Gesamtbetrag in Höhe von 58.452,52 € auf ein eigenes Konto transferierte.
Beide Sparkonten waren von der Großmutter der Antragstellerin – Frau O. – eingerichtet worden, von der auch die Geldmittel auf diesen Konten stammten. Das Sparkonto Nr. …1 lautete von vornherein auf den Namen der Antragstellerin. Das andere Sparkonto mit der Nr. …2 lautete zunächst auf den Namen der Antragsgegnerin. Die Großmutter ließ das Sparbuch jedoch im Jahr 1999 auf den Namen der Antragstellerin umschreiben. Die beiden Sparbücher befanden sich bis Ende 2003/Anfang 2004 durchgängig im Besitz der Großmutter.
Die Großmutter litt an einer vaskulären Demenz, die sich mit den Jahren verschlimmerte und spätestens im Jahr 2003 dazu führte, dass sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln konnte, weshalb für sie vom Amtsgericht F unter Geschäftsnummer 10 eine Betreuung eingerichtet und Rechtsanwältin A. aus … zur Betreuerin bestellt wurde (10 AG Gießen).
Die Großmutter hatte noch weitere Sparkonten eröffnet und unter anderem auch drei Sparbücher eingerichtet, die auf den Namen der Antragsgegnerin lauteten. Die Antragsgegnerin erwirkte von der Betreuerin die Herausgabe der drei auf ihren Namen lautenden Sparbücher und führte deshalb erfolgreich einen Herausgabeprozess beim Landgericht F (Gesch.-Nr. 11), der mit einem Anerkenntnisurteil vom 6. 11. 2003 endete, woraufhin die Betreuerin die drei auf den Namen der Antragsgegnerin lautenden Sparbücher an diese herausgegeben hat.
Ende 2003 verlangte die Antragsgegnerin über ihren damaligen Verfahrensbevollmächtigten von der Betreuerin auch die Herausgabe der beiden Sparbücher, die auf den Namen der Antragstellerin lauteten, und begründete dies mit dem Hinweis auf ihr alleiniges Sorgerecht für die damals noch minderjährige Tochter. Die Betreuerin hat die beiden Sparbücher daraufhin der Antragsgegnerin ausgehändigt, nachdem sie sich zuvor beim Jugendamt … über die Sorgerechtslage vergewissert hatte.
Am 6. 7. 2004 löste die Antragsgegnerin die beiden Sparkonten bei der Sparkasse B. auf und transferierte den jeweiligen Kontostand auf ein eigenes Konto bei einer anderen Bank.
Am 5. 12. 2005 verstarb die Großmutter O., deren Alleinerbin die Antragsgegnerin wurde.
Die Antragstellerin hatte erst im Jahr 2013 von der (früheren) Existenz der Sparbücher erfahren und sich daraufhin bei der Sparkasse B. über die Sparkonten erkundigt. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass die Sparkonten von der Antragsgegnerin am 6. 7. 2004 aufgelöst wurden.
Zum Zeitpunkt der Auflösung der Sparkonten lebte die Antragstellerin nicht mehr im Haushalt der Antragsgegnerin. Sie war im Rahmen einer stationären Jugendhilfemaßnahme in der Jugendhilfeeinrichtung D. untergebracht.
Die Antragstellerin hatte erstinstanzlich beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, an sie 58.425,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.09.2013 zu zahlen sowie ihr vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.761,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2013 zu erstatten
Die Antragsgegnerin hatte beantragt,
den Antrag der Antragstellerin zurück zu weisen.
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss dem Antrag der Antragstellerin in vollem Umfang stattgegeben.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin gem. § 1664 Abs. 1, 826 Abs. 1 BGB zur Erstattung der damaligen Kontostände von 47.606,78 € und von 10.818,74 € verpflichtet sei. Zwar sei nicht die Antragstellerin, sondern die Großmutter Inhaberin der auf den Sparbüchern verbrieften Forderungen gewesen, denn das Sparvermögen habe der Antragstellerin erst mit dem Tode der Großmutter zufließen sollen. Indem die Antragsgegnerin die Sparkonten auflöste, habe sie diese Erwerbsaussicht der minderjährigen Tochter vereitelt. Diese Erwerbsaussicht habe sich hier bereits in einer Art und Weise verdichtet gehabt, dass ihr ein selbständiger Vermögenswert beizumessen sei.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde.
Sie wendet sich gegen die Annahme des Familiengerichts, wegen der Sparbücher habe ein Vertrag zugunsten der Antragstellerin bestanden. Im Übrigen sei der Antragsgegnerin durch Aushändigung der Sparbücher von der Betreuerin die Verfügungsbefugnis über das Sparvermögen übertragen worden. Die Antragsgegnerin habe bei der Verfügung über diese Sparbücher keine Rechte der Antragstellerin wahren müssen, zumal auch die Großmutter jederzeit über das Sparvermögen hätte verfügen dürfen. Die bloße Erwerbsaussicht der Antragstellerin sei nicht geschützt. Im Übrigen behauptet sie, mit den Mitteln des Sparvermögens Ausgaben für und im Interesse der Antragsgegnerin getragen zu haben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin abzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Die von der Antragsgegnerin erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgetragenen Ausgaben, die mit den Mitteln aus den Sparkonten getätigt worden sein sollen, bestreitet die Antragstellerin.
Die Beteiligten wurden vom Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.03.2016 persönlich angehört. Die Antragsgegnerin hat eingeräumt, die Kontostände der beiden Sparbücher auf ein eigenes Konto bei der Sparkasse E. transferiert zu haben. Wegen der Angaben im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.03.2016 Bezug genommen.
II.
Die gem. §§ 58 ff., 117 Abs. 1 FamFG statthafte und zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet. Das Familiengericht hat die Antragsgegnerin zu Recht zur Leistung von Schadensersatz in der zuerkannten Höhe verpflichtet. Der Senat teilt die Beurteilung des Familiengerichts, dass die Antragsgegnerin sowohl aus § 1664 BGB als auch aus § 826 BGB zur Zahlung des von der Antragstellerin beantragten Schadensersatzes verpflichtet ist.
1. Die Antragsgegnerin hat in der Zeit der Minderjährigkeit der Antragstellerin ihre aus ihrem Sorgerecht herrührende Pflicht zur Bewahrung des Kindesvermögens verletzt, als sie das Guthaben aus den beiden auf den Namen der Antragstellerin lautenden Sparbücher auf ihr eigenes Konto transferierte und die Sparbücher auflöste, und ist deshalb gem. § 1664 BGB zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet.
Die Regelung des § 1664 BGB legt nicht nur den Haftungsmaßstab für Eltern fest, sondern sie stellt auch eine Anspruchsgrundlage dar, aufgrund derer Kinder ihre Eltern bei Pflichtverletzungen im Rahmen der Sorgerechtsausübung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können [OLG Frankfurt, FamRZ 2016, 147; OLG Bremen, FamRZ 2015, 861; Staudinger/Heilmann, Kommentar zum BGB (Bearbeitung 2016), § 1664 BGB Rn. 6].
a. Die Antragsgegnerin hat mit der Auflösung der Sparbücher gegen ihre aus dem Sorgerecht herrührende Verpflichtung verstoßen, alles zu unterlassen, was den Zufluss der beiden Sparvermögen an die Antragstellerin vereitelt.
Die Vermögenssorge beinhaltet nach § 1642 BGB nicht nur die Pflicht der Eltern, das ihrer Verwaltung unterliegende Geld der Kinder nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen, sondern verbietet zugleich, das Geld der Kinder für persönliche Zwecke zu gebrauchen. Denn die elterliche Vermögenssorge ist fremdnützige Verwaltung mit dem Ziel der Bewahrung des Kindesvermögens zum Nutzen des Kindes (OLG Bremen, FamRZ 2015, 861; OLG Köln, FamRZ 1997, 1351).
aa. Allerdings hat die Antragsgegnerin mit der Auflösung der Sparkonten nicht eine bereits bestehende Forderungsinhaberschaft der Antragstellerin verletzt, denn zum Zeitpunkt der Kontenauflösung war die Antragstellerin noch nicht Inhaberin der Forderungen aus den beiden Sparbüchern. Forderungsinhaberin war damals noch die Großmutter O.
Ein Sparbuch stellt eine Schuldurkunde über den aus einer Summenverwahrung resultierenden Auszahlungsanspruch des Gläubigers gegen das Kreditinstitut dar, §§ 700 Abs. 1, 488 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es handelt sich um ein Rektapapier, bei dem das Recht am Papier dem Recht aus dem Papier folgt. Wird ein Sparbuch auf den Namen eines Dritten angelegt, ist die im Deckungsverhältnis getroffene Vereinbarung zwischen dem Zuwendenden und der Bank auszulegen.
Eröffnet ein Elternteil oder ein Großelternteil ein Sparbuch auf den Namen eines minderjährigen Kindes oder Enkelkindes und behält er die Verfügungsgewalt über das Sparbuch, ist anzunehmen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparbuchguthaben bis zu seinem Tod vorbehalten will (BGH, FamRZ 2005, 510; OLG Bremen, OLGR 2007, 693). Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die auf dieses Sparkonto eingezahlten Geldmittel von erheblichem Umfang sind und praktisch alleine von demjenigen eingezahlt wurden, der das Sparkonto eröffnet hat und das Sparbuch in Besitz behielt.
In Übereinstimmung mit dem Familiengericht geht auch der Senat davon aus, dass die Großmutter für beide Sparkonten die Verfügungsgewalt behalten wollte. Aus den Kontoeröffnungsunterlagen für das Sparbuch, das ursprünglich auf den Namen der Antragsgegnerin angelegt wurde (Bl., 56 d.A.), ergibt sich, dass die Großmutter das Sparkonto eröffnet hat und sie am 12.11.99 bewirkt hat, dass das Sparbuch auf den Namen der Enkelin umgeschrieben wurde. Dabei befand sich das Sparbuch stets in ihrem Besitz. Dies gilt auch für das andere Sparbuch, das von vornherein auf den Namen der Antragstellerin eröffnet worden war. Insoweit liegen zwar keine Kontoeröffnungsunterlagen mehr vor. Jedoch ergibt sich aus der Vollmachtsurkunde (Bl. 238 d.A.), dass die Verfügungsgewalt für dieses Konto weiterhin die Großmutter haben sollte. Einer solchen Vollmacht hätte es zwar rechtlich nicht bedurft, da sie ohnehin Forderungsinhaberin war. Dieses Vorgehen zeigt aber, dass die Verfügungsbefugnis der Großmutter über dieses Sparkonto sichergestellt sein sollte.
Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn die Großmutter bei der Anlage der Sparkonten auf den Namen der Enkelin (auch) das Ziel verfolgt hätte, die Besteuerung der Kapitalerträge aus diesen Sparkonten zu umgehen. Zwar wird teilweise vertreten, ein solches Motiv spreche für die Übertragung der Gläubigerstellung auf denjenigen, auf den das Konto lautet, weil nur dann der steuerlich bezweckte Erfolg erreicht werden kann (OLG Saarbrücken, FamRZ 2008, 2030). Dies überzeugt jedoch nicht. Denn es wird damit unterstellt, der Zuwendende habe den Willen gehabt, auf rechtskonformen Weg der Besteuerung zu entgehen. Wer aber Vermögen auf den Namen eines Dritten anlegt, um gegenüber den Finanzbehörden den Eindruck zu erwecken, es handele sich um Vermögen des Dritten – bei dem mangels sonstiger Einkünfte und der Ausschöpfung des Steuerfreibetrages die Kapitalerträge keiner Besteuerung unterliegen -, will damit nicht die tatsächliche Einräumung der Gläubigerstellung des Dritten (vgl. auch BGH, FamRZ 2004, 1349), sondern diese Stellung selbst behalten.
bb. Die Antragsgegnerin hat jedoch mit der Auflösung der Sparbücher eine konkrete Erwerbsaussicht der Antragstellerin vereitelt, die sich ohne die von der Antragsgegnerin bewirkte Auflösung der Sparbücher mit dem Tod der Großmutter zum Erwerb der Forderungsinhaberschaft an den Sparkonten verwirklicht hätte.
Eine solche Erwerbsaussicht bestand hier aus dem Valutaverhältnis zwischen der Großmutter und der Enkelin. Die Großmutter wollte sicherstellen, dass das Geld mit ihrem Tode nicht in den Nachlass fällt, sondern der Enkelin zufließt. Dies ergibt sich auch aus den Angaben der Zeugin A.. Demnach hatte die Großmutter die Befürchtung, die Antragsgegnerin werde das Geld für sich ausgeben. Im Übrigen hat auch die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Beschwerdegericht eingeräumt, dass das Geld nach dem Willen der Großmutter der Enkelin zufließen sollte. Die Antragsgegnerin wusste von den beiden Sparbüchern und von dem Willen der O., dass diese Sparbücher der Antragstellerin zufließen sollen. Damit ist zumindest konkludent zwischen der Großmutter und der Enkelin – vertreten durch die sorgeberechtigte Mutter – im Valutaverhältnis ein Schenkungsvertrag geschlossen worden.
Die Vereinbarung war zwar als Schenkungsversprechen zunächst formunwirksam, da sie der notariellen Beurkundung bedurft hätte (§ 518 Abs. 1 BGB). Die Formwidrigkeit war zum Zeitpunkt der Kontenauflösung auch noch nicht durch Vollzug der Schenkung unerheblich geworden (§ 518 Abs. 2 BGB). Die Aushändigung der Sparbücher an die Antragsgegnerin stellt keine Vollziehung des Schenkungsversprechens dar. Die Betreuerin hatte bei diesem Vorgang nicht den Willen, eine Schenkung zu vollziehen, sondern hat lediglich eine Besitzübertragung an dem Legitimationspapier vorgenommen. Dabei ging es ihr nicht um eine Verfügung über die Gläubigerstellung oder um die Begründung eines materiellen Anspruchs, sondern es handelte sich ausschließlich um einen Realakt der Besitzübergabe, dem die Überlegung der Betreuerin zugrunde lag, die Antragsgegnerin könne als allein sorgeberechtigte Mutter der damals noch minderjährigen Antragstellerin den Besitz an den Sparbüchern verlangen, um den Besitz für die Minderjährige auszuüben. Eine Vollziehung der Schenkung kann auch nicht darin gesehen werden, dass die Antragsgegnerin über das Sparvermögen verfügt hat. Eine solche Vollziehung hätte nur durch die Großmutter selbst oder durch einen mit entsprechender Vollmacht ausgestatteten Vertreter erfolgen können. Die Antragsgegnerin war zum Zeitpunkt der Verfügung über das Sparvermögen nicht Vertreterin der Großmutter. Die Vermögenssorge lag bei Rechtsanwältin A. als gerichtlich mit diesem Wirkungskreis bestellte Betreuerin.
Da jedoch ein Widerruf der Schenkung durch die Großmutter nicht erfolgt ist, wäre die Vollziehung mit dem Tod der Großmutter gem. § 331 BGB ohne Weiteres bewirkt worden (vgl. BGH, NJW 2010, 3232, 3234 [BGH 28.04.2010 – IV ZR 73/08]). Die Antragsgegnerin hätte auch als Erbin der Großmutter den Zufluss der Forderungen aus den Sparbüchern an die Antragstellerin nicht mehr abwenden können, da sie nicht in den Nachlass gefallen wären.
b. Durch die Vereitelung der Erwerbsaussicht ist der Antragstellerin ein Schaden in Höhe der damaligen Kontostände entstanden.
aa. Das Sparvermögen konnte ihr nicht mehr zufließen, weil die Sparkasse B. mit befreiender Wirkung die Kontostände an die Antragsgegnerin ausgekehrt hat.
Eine Bank verstößt nicht gegen ihre Schutzpflicht, wenn sie ein Sparguthaben, das auf einem auf den Namen eines minderjährigen Kindes angelegten Sparbuch eingezahlt ist, an den sorgeberechtigten Elternteil auszahlt. Die Bank kann bei Vorlage des Sparbuches durch einen Elternteil des minderjährigen Kindes, auf dessen Namen das Sparbuch lautet, davon ausgehen, dass im Valutaverhältnis die Schenkung bewirkt wurde und nun das Kind Forderungsinhaber ist. Sie kann weiter davon ausgehen, dass sorgeberechtigte Eltern über das Sparguthaben im Rahmen ihrer elterlichen Sorge verfügen und kein Missbrauch der elterlichen Vertretungsmacht vorliegt (vgl. BGH, NJW 2004, 2517 [BGH 15.06.2004 – XI ZR 220/03]; OLG Frankfurt,OLGR 2003, 352). Im Außenverhältnis zur Bank ist die Vertretungsbefugnis der Eltern weder durch § 1641 BGB noch durch §§ 1795, 181 BGB eingeschränkt (BGH, a.a.O.). Ein für die Bank evidenter Missbrauch der Vertretungsmacht liegt in solchen Fällen nicht vor.
bb. Die durch einen sorgeberechtigten Elternteil bewirkte Vereitelung einer Erwerbschance des Kindes unterfällt dem Haftungsumfang des § 1664 BGB.
Dies gilt auch dann, wenn die Erwerbschance nicht zu einem Anwartschaftsrecht erstarkt ist. Gegen die Annahme eines Anwartschaftsrechts spricht, dass eine Schenkung auf den Todesfall demjenigen, zu dessen Gunsten die Schenkung erfolgen soll, zu Lebzeiten des Schenkers kein eigenes Anrecht begründet. Die Großmutter hätte zu Lebzeiten über das Geld anderweitig verfügen können, ohne dass dies einen Anspruch der Antragstellerin begründet hätte. Die Antragstellerin hatte lediglich eine Chance auf einen künftigen Erwerb (Palandt/Grüneberg, § 331 BGB Rdn. 3; Erman/Westermann, § 331 BGB Rdn. 2). Diese Erwerbsaussicht ist nicht davor geschützt, dass der Zuwendende selbst zu Lebzeiten über die Mittel anderweitig verfügt und damit die Schenkung widerruft (BGH, NJW 1982, 1807 [BGH 19.02.1982 – V ZR 234/81]).
Etwas anderes gilt jedoch, wenn nicht der Zuwendende, sondern ein sorgeberechtigter Elternteil durch eine unberechtigte Verfügung die Erwerbsaussicht vereitelt. Dann unterfällt der dadurch bewirkte Nachteil des Kindes dem Schutzbereich des § 1664 BGB.
Die Regelung des § 1664 BGB verhilft einem Kind zu einem Schadensersatzanspruch gegen seine Eltern, wenn diese bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind einen Schaden zufügen. Hierzu reicht im Bereich der Ausübung der Vermögenssorge jede für das Kind vermögensrechtlich nachteilige Folge aus, wobei die Eltern jedoch durch den in § 1664 BGB geregelten Haftungsmaßstab davor bewahrt werden, schon für jedes Verschulden einstehen zu müssen. Diese Einschränkung betrifft jedoch den Verschuldensmaßstab, nicht den objektiven Pflichtenmaßstab. Die Pflichtenanforderungen ergeben sich aus der Elternstellung.
Eltern sind nicht frei darin, über das Vermögen ihrer minderjährigen Kinder zu bestimmen, sondern sie haben die Vermögensinteressen des minderjährigen Kindes zu wahren. Darüber hinaus haben sie Vermögen, das einem Kind unentgeltlich von einem Dritten zugewendet wird, nach den Anordnungen zu verwalten, die bei der Zuwendung getroffen worden sind (§§ 1638, 1639 BGB). Da der Antragsgegnerin bekannt war, dass die Großmutter das Sparvermögen für die Antragstellerin bestimmt hatte, oblag es ihr, alles zu unterlassen, was diesen künftigen Vermögenszuwachs des Kindes verhindert. Verständige Eltern hätten unter den hier gegebenen Umständen von der für das Kind nachteiligen Verfügung über das Sparvermögen abgesehen.
c. Die Antragsgegnerin hat auch unter Berücksichtigung des Haftungsmaßstabs des § 1664 BGB die Pflichtverletzung zu vertreten. Sie hat bei der Ausübung der elterlichen Sorge nach § 1664 Abs. 1 BGB dem Kind gegenüber zwar nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anwendet. Dies entbindet sie aber nicht von einer Haftung wegen grober Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz (§ 277 BGB).
Die Antragsgegnerin hat vorsätzlich gehandelt. Sie hat Sparkonten, von denen sie wusste, dass nicht sie selbst Inhaberin der Forderungen aus den Sparbüchern ist, auf ein eigenes Konto übertragen. Sie wusste ferner, dass sie damit die Forderungen aus den Sparkonten dem Erwerb der Tochter entzieht.
Aus der Anhörung ist deutlich geworden, dass es der Antragsgegnerin darum ging, es dauerhaft zu verhindern, dass die Antragstellerin auf diese Mittel später einmal eigenständig zugreifen kann. Der Senat hat aus dem bei der Anhörung gewonnenen Eindruck keine Zweifel, dass der Antragsgegnerin die Schädigung des Vermögensinteresses der Antragstellerin bewusst war. Sie wusste, dass das Geld nach dem Willen der Großmutter in Zukunft der Antragstellerin zufließen sollte. Zum Zeitpunkt, als die Antragsgegnerin die Sparbücher auflöste, war das Verhältnis zur Antragstellerin schwer belastet. Diese hatte gegen ihre Mutter und deren damaligen Lebensgefährten massive Vorwürfe erhoben, was letztlich sogar zur Fremdunterbringung der Antragstellerin führte. In dieser Situation ging es der Antragsgegnerin darum zu verhindern, dass die Antragstellerin künftig die Gelder erhalten wird, ohne dass sie die Kontrolle über die Verwendung der Gelder behält. Es mag sein, dass die Antragsgegnerin damals erwogen hatte, mit dem Geld erforderlichenfalls die Antragstellerin künftig unterstützen zu wollen. Eine die Haftung begründende Schädigung liegt jedoch schon darin, dass sie das Geld nicht von ihrem eigenen Vermögen gesondert verwaltet hat, sondern auf ein eigenes Konto transferierte, und es dauerhaft – d.h. selbst nach Eintritt der Volljährigkeit der Tochter – von ihrer Entscheidung abhängen sollte, welche Gelder hiervon der Tochter zufließen sollen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin, wonach sie die Mittel weitgehend für Aufwendungen für die Antragstellerin verwendet habe. Abgesehen davon, dass der Vortrag der Antragsgegnerin über die Verwendung der Mittel unsubstantiiert ist – worauf bereits die Antragstellerin schriftsätzlich hingewiesen hatte und auch der Senat im Verhandlungstermin hingewiesen hat -, ist das diesbezügliche Vorbringen auch unerheblich. Denn die Antragsgegnerin hätte diese Mittel nicht zur Deckung der Aufwendungen für ihr Kind verwenden dürfen. Eltern dürfen aus dem Vermögen des Kindes keine Aufwendungen bestreiten, für die sie von dem Kind gem. § 1648 BGB keinen Ersatz verlangen können, also insbesondere nicht für solche Aufwendungen, die sie aus ihrer dem Kind gegenüber bestehenden Unterhaltspflicht (§ 1601 BGB) zu erbringen hatten (vgl. BGH, FamRZ 1998, 367).
d. Die erstinstanzlich erhobene Einrede der Verjährung greift hinsichtlich des Anspruchs aus § 1664 BGB schon deshalb nicht durch, weil dieser Anspruch der dreißigjährigen Verjährungsfrist unterliegt (Staudinger/Heilmann, § 1664 Rn. 10).
2. Der Senat sieht darüber hinaus auch den Haftungstatbestand des § 826 BGB als erfüllt an.
Die Regelung des § 1664 BGB schließt die Anwendbarkeit des § 826 BGB nicht aus. Zwar ist die Regelung des § 1664 BGB spezieller, soweit es um Pflichtverstöße geht, die ein Elternteil im Rahmen der Ausübung der elterlichen Sorge begangen hat. Dies schließt jedoch eine daneben bestehende deliktische Haftung nicht aus (Erman/Döll, § 1664 Rdn. 6), wobei allerdings bei unerlaubten Handlungen, die in Ausübung der elterlichen Sorge begangen wurden, der sich aus § 1664 BGB ergebende eingeschränkte Haftungsmaßstab des § 277 BGB zu beachten ist (vgl. BGH, FamRZ 1988, 810).
Für einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB bedarf es nicht zwingend der Verletzung einer bereits bestehenden Rechtsstellung, sondern auch die Beeinträchtigung einer tatsächlich bestehenden Erwerbsaussicht kann die Haftung begründen (Palandt/Sprau, § 826 Rdn. 3; OLG Saarbücken, NJW-RR 1987, 500). Hier hat die Antragsgegnerin sittenwidrig das Vermögen der Antragsgegnerin geschädigt, indem sie in Kenntnis ihrer fehlenden Berechtigung an den Forderungen aus den beiden Sparbüchern die Sparkonten auflöste, die Kontostände auf ein eigenes Konto transferierte und damit die Erwerbsaussicht der Antragstellerin zunichte machte.
Der Senat hat keine Zweifel daran, dass sich der Vorsatz der Antragsgegnerin auch auf die Herbeiführung des Schadens erstreckte. Sie mag zwar – wie sie im Rahmen ihrer Anhörung bekundete – erwogen haben, mit dem Geld von ihr für erforderlich erachtete Ausgaben für die Antragstellerin zu tätigen. Letztlich ging es ihr aber darum zu verhindern, dass die Antragstellerin selbst die Verfügungsgewalt über das Geld erhält, weshalb sie auch bei Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin dieser das Geld nicht zugeignet hat. Sie wollte dauerhaft selbst entscheiden, wofür die Mittel Verwendung finden. Dadurch hatte sie einen für § 826 BGB ausreichenden Schädigungsvorsatz.
Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin erst im Jahr 2013 von den Vorgängen Kenntnis erlangt, ist auch der deliktische Anspruch nicht verjährt (§§ 195, 199 BGB).
3. Die angefochtene Entscheidung ist auch bezüglich der zuerkannten Verzugszinsen und der zuerkannten außergerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Verzugszinsen für die Hauptforderung folgt der Zinsanspruch aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB, da sich die Antragsgegnerin ab 11.09.2013 in Verzug befand. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten (Geschäftsgebühr) sind aus den Gründe:n der angefochtenen Entscheidung, denen sich der Senat anschließt, zu erstatten. Der Zinsanspruch hinsichtlich dieser Anwaltskosten folgt aus § 291 BGB.
III.
Da die Beschwerde keinen Erfolg hatte, sind der Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO)
Die Wertfestsetzung folgt aus § 35 FamGKG.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Die im Zusammenhang mit § 1664 BGB erörterten Rechtsfragen sind von grundsätzlicher Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob auch die Vereitelung einer bloßen Erwerbsaussicht einen Schadensersatzanspruch nach dieser Vorschrift auslösen kann.