Zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch bei Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht (hier: unzulässige Vertiefung des Nachbargrundstücks)

BGH, Urteil vom 23.02.2001 – V ZR 389/99

1. Dem Besitzer eines Grundstücks kann im Falle verbotener Eigenmacht, die aus besonderen Gründen nicht nach BGB §§ 862, 858 abgewendet werden kann, ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in Geld entsprechend BGB § 906 Abs 2 S 2 zustehen. Gegenstand des Ausgleichs ist der Vermögenswert, der auf dem Recht, den Besitz innezuhaben, beruht.

2. Der Mieter eines bebauten Betriebsgrundstücks kann Ausgleich der durch die Störung des Besitzes verursachten vermögenswerten Nachteile des Gewerbebetriebs, nicht dagegen der am Gebäude entstandenen Schäden verlangen. Der Anspruch setzt nicht voraus, daß die Störung betriebsbezogen im Sinne des Schutzes des Gewerbebetriebs vor unerlaubten Handlungen ist.

3. Infolge der Besitzstörung eingetretene Ertragseinbußen sind insoweit auszugleichen, als sie während der Dauer der Beeinträchtigung des Betriebs eingetreten sind und nach der bisherigen Ertragslage angemessen erscheinen.

4. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch des Besitzers unterliegt nicht der einjährigen Ausschlußfrist des BGB § 864.

5. Dem Besitzer steht bei unzulässiger Vertiefung des Nachbargrundstücks (BGB § 909) ein Abwehranspruch wegen Besitzstörung (BGB § 862) zu.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Revision des Beklagten zu 1 gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 1. September 1999 wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagten zu 1 und zu 2 als Gesamtschuldner 60 %; weitere 40 % trägt der Beklagte zu 1 allein.

Von Rechts wegen

Tatbestand
1
Die Klägerin ist Mieterin einer Produktionshalle, die an einem Hang entlang der Grenze zum daruntergelegenen Grundstück des Beklagten zu 1 steht. Sie unterhält dort einen Betrieb für Mittel- und Niederspannungsanlagen. Am 10. Dezember 1993/27. Januar 1994 traf der Beklagte zu 1 mit der Deutschen Shell AG eine Vereinbarung über die Errichtung und anschließende Verpachtung eines Tankstellenbetriebs. In der Folgezeit vergab die Deutsche Shell AG – als bevollmächtigte Vertreterin des Beklagten zu 1 – die Architektenleistungen einschließlich Genehmigungsplanung, Bauleitung und Objektüberwachung an den Beklagten zu 2. Dieser beauftragte u.a. die G. B. GmbH mit der Bauausführung.

2
Nach Erteilung der Baugenehmigung zur Errichtung einer Shell-Station ging am 13. Juli 1995 beim Bauordnungsamt ein Nachtragsantrag ein, der u.a. die Anlegung von vier Stellplätzen an der südöstlichen Grenze zum benachbarten Hallengrundstück vorsah. Die geplanten Parkplätze sollten von der G. B. GmbH errichtet werden und bis auf etwa 1 m an die gemeinsame Grundstücksgrenze heranreichen. Am 5. September 1995 nahmen Mitarbeiter der G. B. GmbH im Bereich dieser Grenze Ausschachtungsarbeiten vor. Dabei legten sie die Fundamente der von der Klägerin genutzten Produktionshalle in voller Länge bis Unterkante der Streifenfundamente und teilweise noch darunter frei. Dadurch kam es noch am selben Tag zu einem Grundbruch am nordöstlichen Teil der Halle, der zu einem Einsturz der Außenwände und der Zwischendecke auf einer Länge von ca. 20 m führte. Das Bauordnungsamt untersagte daraufhin wegen Einsturzgefahr am 6. September 1995 die weitere Nutzung des Gebäudekomplexes. Drei Tage später stürzte auch das Hallendach ein.

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Die von der Eigentümerin des Hallengrundstücks im Vorprozeß gegen den Bauunternehmer sowie die Beklagten zu 1 und 2 erhobene Klage auf Ersatz des Gebäudeschadens hatte nur gegen die zwischenzeitlich in Vermögensverfall geratene G. B. GmbH Erfolg.

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Im Streitfall verlangt die Klägerin im Wege der Teilklage von den Beklagten Zahlung in Höhe von 403.206,55 DM. Dem Anspruch legt sie einen „entgangenen Kostendeckungsbeitrag“ einschließlich entgangenem Gewinn in Höhe von 230.450 DM, Produktionserschwerniskosten und Mehraufwendungen durch Beeinträchtigung der Produktion in Höhe von 104.436,50 DM und 28.713 DM sowie Arbeitsaufwand für den Umzug in den wiederaufgebauten Gebäudebereich und die Räumung einer Ausweichhalle, 32.428,80 DM und 7.178,25 DM, zugrunde. Hilfsweise stützt sie den Antrag auf Produktionsausfall, Kosten der Produktionsverlagerung und Verlust an Werkzeug und Material, insgesamt 146.936,67 DM. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Hiergegen richten sich die Revisionen der beiden Beklagten, die weiterhin Klagabweisung begehren. Der Senat hat nur die Revision des Beklagten zu 1 angenommen. Die Klägerin beantragt Zurückweisung dieses Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe
I.

5
Das Berufungsgericht hält die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Klage dem Grunde nach gemäß §§ 823 Abs. 2, 909 BGB für gerechtfertigt. Es vertritt die Auffassung, der Beklagte zu 1 habe als Bauherr an einer unzulässigen Vertiefung des Nachbargrundstücks mitgewirkt und dabei der ihm als Grundeigentümer obliegenden Schutzpflicht aus § 909 BGB schuldhaft nicht genügt. Denn er habe weder das mit der Bauausführung betraute Unternehmen ordnungsgemäß beaufsichtigt noch Vorkehrungen gegen eine Beeinträchtigung der Standfestigkeit der Produktionshalle getroffen. Hilfsweise billigt das Berufungsgericht der Klägerin einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu.

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Diese Ausführungen halten der Revision nur im Ergebnis stand.

II.

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1. Mit Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 1 habe gemäß §§ 823 Abs. 2, 909 BGB für die bei der Klägerin infolge des Halleneinsturzes verursachten Schäden einzustehen. Eine auf diese Vorschriften gestützte Haftung des Beklagten zu 1 ist mangels schuldhafter Pflichtverletzung ausgeschlossen.

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Das Berufungsgericht überspannt die an einen Grundeigentümer bei der Durchführung von Vertiefungsarbeiten zu stellenden Anforderungen. Diesen trifft zwar eine eigenverantwortliche Pflicht zur Überprüfung, ob die beabsichtigte Maßnahme zu einer Beeinträchtigung der Standfestigkeit des Nachbargrundstückes führt (Senat, Urt. v. 12. Juli 1996, V ZR 280/94, NJW 1996, 3205, 3206 m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats genügt aber ein Grundstückseigentümer dieser Verpflichtung regelmäßig schon dadurch, daß er sorgfältig ausgewählte, fachkundige Architekten, Ingenieure und Bauunternehmer mit der Lösung der anfallenden bautechnischen Aufgaben und deren sachgemäßen Durchführung betraut (Senat, Urt. v. 27. Juni 1969, V ZR 41/66, NJW 1969, 2140, 2141; v. 27. Mai 1987, V ZR 59/86, NJW 1987, 2810 f (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 101, 106 ff), v. 18. September 1987, V ZR 219/85, WM 1988, 200, 203 ff; v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96, WM 1997, 2262 ff). Die sorgfältige Auswahl der mit der Planung und der Bauausführung befaßten Fachleute reicht zur Entlastung des Bauherrn und Grundeigentümers nur dann nicht aus, wenn auch für ihn erkennbar eine erhöhte Gefahrenlage gegeben war oder wenn Anlaß zu Zweifeln bestand, ob die eingesetzten Fachkräfte in ausreichendem Maße den Gefahren und Sicherheitserfordernissen Rechnung tragen würden (Senat, Urt. v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96 aaO). Derartige Umstände hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt. Es hat weder einen Auswahlfehler des Beklagten zu 1 aufgezeigt noch Feststellungen dazu getroffen, weshalb trotz der Einschaltung von Fachleuten (Architekt und Bauunternehmer) ausnahmsweise Anlaß zu einem eigenen Einschreiten des Bauherrn bestanden hätte. Das angefochtene Urteil ist daher mit der erfolgten Begründung nicht haltbar.

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2. Auch Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB sind mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zu 1 ausgeschlossen. Für eine Eintrittspflicht nach § 831 BGB fehlt es an der Feststellung, daß Architekt oder Bauunternehmer bei der Durchführung der Vertiefungsarbeiten – was ohnehin nur ausnahmsweise in Frage kommen kann – als weisungsabhängige Verrichtungsgehilfen des Bauherrn tätig geworden sind (vgl. BGH, Urt. v. 21. Juni 1994, VI ZR 215/93, NJW 1994, 2756, 2757 m.w.N.).

III.

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Die angefochtene Entscheidung kann jedoch aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt aufrechterhalten bleiben (§ 563 ZPO). Denn im Streitfall kommt eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht des Beklagten zu 1 auf der Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht.

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1. Die Klägerin hat ihre Klage zwar nicht ausdrücklich auf diesen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gestützt. Bei sachgerechter Auslegung ist ihr Klagebegehren aber nicht auf deliktische Ansprüche beschränkt, sondern erfaßt auch eine auf das gleiche prozessuale Ziel (Ersatz der Vertiefungsschäden) gerichtete Ausgleichsforderung nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog (Senat, Urt. v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96, aaO; Senat, BGHZ 113, 384, 390; noch offengelassen in Senat, BGHZ 111, 158, 161). Mit Recht haben die Tatgerichte daher den vorgetragenen Sachverhalt auch unter dem Aspekt einer verschuldensunabhängigen, nachbarrechtlichen Eintrittspflicht gewürdigt.

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2. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB besteht nach gefestigter Rechtsprechung regelmäßig dann, wenn von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück einwirkende Beeinträchtigungen zwar rechtswidrig sind und daher nicht, wie im gesetzlich geregelten Falle, geduldet werden müßten, der betroffene Eigentümer jedoch aus besonderen Gründen gehindert ist, solche Störungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden; der Anspruch setzt voraus, daß der Betroffene hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung übersteigen (Senat, BGHZ 90, 255, 262 f; 111, 158, 163; BGHZ 142, 227, 235; Senat, Urt. v. 12. November 1999, V ZR 229/98, NJW-RR 2000, 537). Der Ausgleichsanspruch ist nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe, für die § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unmittelbar gilt, beschränkt, sondern hat auch andere Störungen, insbesondere Schädigungen wegen einer unzulässigen Vertiefung (§ 909 BGB), um die es hier geht, zum Gegenstand (BGHZ 72, 289, 292; Senat BGHZ 85, 375, 384; 90, 255, 262).

13
Das gleiche gilt im Ausgangspunkt für den hier zu beurteilenden Fall der Störung des Besitzes. Denn der Ausgleichsanspruch dient als Kompensation für den Ausschluß primärer Abwehransprüche (Senat BGHZ 68, 350, 354; 112, 283, 284; Urt. v. 7. April 2000, V ZR 39/99, NJW 2000, 2901, 2903, für BGHZ 144, 200 bestimmt), die auch dem Besitzer zustehen (§ 862 Abs. 1 BGB), und ihm einen, den Rechten des Eigentümers aus § 1004 BGB ähnlichen (statt aller: MünchKomm-BGB/Joost, 3. Aufl., § 862 Rdn. 1), Schutz gegen Störungen bieten. Der Ausgleichsanspruch tritt im Falle einer aus besonderen Gründen nicht abwehrbaren verbotenen Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) neben den Schadensersatzanspruch wegen Besitzverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB), der in der Rechtsprechung von jeher anerkannt ist (RGZ 59, 326; 170, 1, 6; BGHZ 32, 194, 204), aber ein Verschulden des Störers voraussetzt. In Anerkennung der vergleichbaren Interessenlage bei Eigentums- und Besitzstörungen hat die Rechtsprechung den gesetzlichen Ausgleichsanspruch wegen duldungspflichtiger Immissionen (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) auf den Besitzer erstreckt (Senat, BGHZ 30, 273, 280; BGHZ 92, 143, 145; zust.: Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rdn. 35; MünchKomm-BGB/Säcker, aaO, § 906 Rdn. 134; RGRK-Augustin, BGB, 12. Aufl., § 906 Rdn. 76; Staudinger/Roth, 1996, § 906 Rdn. 231). Hiervon ist sie auch bei der entsprechenden Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wiederholt ausgegangen (Senat, BGHZ 62, 361, 367; 70, 212, 220).

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3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs sind gegeben.

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a) Der Klägerin stand ein Abwehrrecht wegen unzulässiger Vertiefung des Grundstücks des Beklagten zu 1 zu. Nach überwiegender Meinung ist zur Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs aus § 909 BGB nicht nur der Eigentümer, sondern darüber hinaus der Besitzer des durch Vertiefung beeinträchtigten Grundstücks befugt (Erman/Hagen/Lorenz aaO § 909 Rdn. 4; Jauernig, BGB, 9. Aufl., § 902 Rdn. 2; RGRK-Augustin, aaO, § 909 Rdn. 8 ; Soergel/Baur, BGB, 12. Aufl., § 909 Rdn. 13; Staudinger/Roth, aaO, § 909 Rdn. 35; a.A. Palandt/Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 909 Rdn. 9). Der Senat hat die Frage bisher offengelassen (BGHZ 114, 161, 164). Er beantwortet sie nunmehr in dem Sinne, daß der Besitzer in den Schutzbereich des § 909 BGB einbezogen ist; unter den Voraussetzungen des § 909 BGB steht ihm mithin ein Abwehranspruch wegen Besitzstörung (§ 862 Abs. 1 BGB) zu. Vom Verlust der bodenphysikalischen Stütze, dem das Verbot des § 909 BGB entgegenwirken will, ist auch der Besitzer des Grundstücks betroffen. Rechtlich ist der Schutz vor unzulässiger Vertiefung mit dem Eigentum nicht in der Weise verbunden, daß der bloße Besitz ihm keine Grundlage verschaffen könnte. § 909 BGB stellt, soweit ihm gegenüber § 1004 Abs. 1 BGB eigenständige Bedeutung zukommt, klar, daß die Entziehung des stützenden Erdreichs keine lediglich negative und deshalb nicht abwehrfähige Immission darstellt (vgl. Staudinger/Roth, aaO, § 909 Rdn. 1 unter Hinweis auf Senat, BGHZ 113, 384, 388). Dies gilt auch für die Immissionsabwehr nach § 862 Abs. 1 BGB.

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b) Nach den von der Revision nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin keine Möglichkeit, die nachteiligen Einwirkungen auf die Standfestigkeit des von ihr genutzten Grundstücks rechtzeitig zu unterbinden. Für die entstandenen Beeinträchtigungen gebührt ihr daher ein angemessener Ausgleich in Geld. Dieser Anspruch richtet sich, entgegen der Ansicht der Revision, gegen den Beklagten zu 1. Denn Anspruchsgegner ist grundsätzlich der Eigentümer des unsachgemäß vertieften Grundstücks (vgl. Senat, BGHZ 101, 290, 294; 113, 384, 392; Urt. v. 26. Januar 1996, V ZR 264/94, NJW-RR 1996, 852, 853). Die Eintrittspflicht des Beklagten zu 1 besteht unabhängig davon, ob er die Ausführung der Vertiefungsarbeiten konkret in Auftrag gegeben hat oder nicht. Denn die hierbei verursachte Beeinträchtigung der Standfestigkeit des Nachbargrundstücks stellt eine adäquate Folge der von ihm als Bauherrn veranlaßten Errichtung der Tankstellenanlage dar. Nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ist nämlich in Rechnung zu stellen, daß bei Bauvorhaben solchen Ausmaßes die statischen Verhältnisse angrenzender Grundstücke tangiert werden. Dem Beklagten zu 1 war als Bauherrn und Eigentümer auch die Möglichkeit eröffnet, jederzeit auf Art und Umfang der auf seinem Grundstück durchgeführten Bauarbeiten Einfluß zu nehmen. Entsprechend den zur mittelbaren Störerhaftung entwickelten Grundsätzen (vgl. Senat, Urt. v. 30. Oktober 1981, V ZR 171/80, NJW 1982, 440; Urt. v. 7. April 2000, V ZR 39/99, aaO) rechtfertigen diese Umstände eine an die Stelle der nicht durchsetzbaren Abwehrbefugnisse tretende Ausgleichspflicht analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (Senat BGHZ 142, 66, 69 f). Ob daneben eine Haftung der Tankstellenpächterin in Betracht kommt, ist hierbei unbeachtlich, da der Beklagte zu 1 auch in diesem Falle zum Ausgleich verpflichtet bliebe (Senat, BGHZ 113, 384, 392; Erman/Hagen/Lorenz, aaO, § 906 Rdn. 35).

17
c) Der Anspruch ist auch nicht wegen Ablaufs der Ausschlußfrist des § 864 BGB erloschen. Zwar wurde die Klage erst im Jahre 1998, mithin mehr als ein Jahr nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, erhoben. Der Ausgleich der Besitzstörung in Geld liegt aber außerhalb des mit der Befristung des Abwehranspruchs verbundenen Zwecks. Der Abwehranspruch dient der Wiederherstellung der auf dem Besitz beruhenden vorläufigen Güterzuordnung. Der Ausgleich gilt den vollen oder teilweisen Wegfall dieses Schutzes ab. Das Scheitern der Abwehr findet eine Kompensation, die dem beeinträchtigten Besitzer verbleibt. Einer Befristung des hierauf gerichteten Anspruchs fehlte der innere Grund.

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4. Gegenstand des Ausgleichs der Besitzstörung in Geld ist der Vermögenswert, der auf dem Recht, den Besitz innezuhaben, beruht. Die Klägerin war aufgrund des Mietvertrags mit der Eigentümerin des Hallengrundstücks berechtigt, dieses zur Unterhaltung ihres Betriebs für Mittel- und Niederspannungsanlagen zu nutzen. Vermögenswerte Nachteile für den Betrieb, die ihre Ursache in der Besitzstörung haben, sind auszugleichen. Anders als in den Fällen, in denen ein Anspruch unmittelbar aus dem Eingriff in einen Gewerbebetrieb hergeleitet wird, bedarf es nicht der Unterscheidung zwischen betriebsbezogenen (die Grundlagen des Betriebs oder den Funktionszusammenhang der Betriebsmittel beeinträchtigenden) und anderen Störungen (zum Schadensersatz: BGHZ 55, 153; 69, 128; 86, 152). Denn die Gefahr einer haftungsrechtlichen Privilegierung des Unternehmens durch Ausgleich (bloßer) Vermögensschäden besteht hier nicht. Haftungsgrundlage ist eine gesetzliche Rechtsposition, der Besitz. Ausgleichspflichtig sind nur die Vermögensschäden, die dessen Störung nach sich zieht. Die Haftungsgrenze wird durch den rechtlich berücksichtigungsfähigen Kausalverlauf gezogen.

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5. Die vermögenswerten Betriebsnachteile der Klägerin sind nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung auszugleichen (Senat, Urt. v. 8. Juli 1988, V ZR 45/87, NJW-RR 1988, 1291 f; v. 4. Juli 1999, V ZR 48/96, aaO; v. 7. April 2000, V ZR 39/99, aaO). Sie unterscheidet sich von der Schadloshaltung darin, daß nicht, wie es § 249 Satz 1 BGB fordert, der Zustand herzustellen ist, der bestehen würde, wenn die Störung nicht eingetreten wäre. Der Ausgleich beschränkt sich vielmehr auf die Beseitigung der durch die Störung eingetretenen Vermögenseinbuße, deren Abgrenzung vom Schaden sich allerdings nicht allein durch die Ausschaltung hypothetischer Kausalverläufe herstellen läßt, sondern darüber hinaus einer wertenden Entscheidung bedarf.

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a) Als ausgleichspflichtige Einbuße des Betriebs kann der zufolge der Besitzstörung vergebliche Aufwand für die Einräumung des Nutzungsrechts in Frage kommen. Diese Kosten werden jedoch regelmäßig durch die von Gesetzes wegen eintretende Minderung des Miet- oder Pachtzinses (§§ 537, 581 Abs. 2 BGB) ausgeglichen, so daß – von Ausnahmefällen abgesehen – ein Entschädigungsanspruch insoweit entfällt (BGH, Beschl. v. 10. Juli 1986, III ZR 269/85, BGHR GG vor Art. 1, enteignender Eingriff, Entschädigung 1; BGHZ 112, 392, 396). Dem trägt die Klägerin Rechnung, denn sie stellt nicht (unmittelbar) auf frustrierte Mietaufwendungen ab.

21
b) Die Klage ist vielmehr auf einen Ausgleich von Kosten und Gewinneinbußen gerichtet, die durch den Einsturz der Produktionshalle und die damit verbundene Störung der Betriebstätigkeit hervorgerufen sind. Dies ist im Ausgangspunkt berechtigt. Bei vorübergehenden Eingriffen in den Gewerbebetrieb kann der Ausgleichsbemessung unmittelbar der während der Dauer der Beeinträchtigung eingetretene Ertragsverlust bzw. der ausgebliebene Gewinn zugrunde gelegt werden (BGHZ 57, 359, 368; Senat BGHZ 62, 361, 371; BGH, Urt. v. 3. März 1977, III ZR 181/74, NJW 1977, 1817; Senat, Urt. v. 8. Juli 1988, V ZR 45/87, WM 1988, 1730; BGH, Urt. v. 15. Mai 1997, III ZR 46/96, WM 1997, 1755, 1759; Senat, Urt. v. 7. April 2000, V ZR 39/99, aaO). Eine Zuwachsrate für künftige Gewinnerwartungen hat dabei aber außer Betracht zu bleiben, da die Entschädigung anders als ein Schadenersatzanspruch nicht an einer hypothetischen Vermögensentwicklung auszurichten ist (BGHZ 57, 359, 370; BGH, Urt. v. 26. Juni 1972, III ZR 203/68, NJW 1972, 1574; Urt. v. 3. Mai 1977, III ZR 181/74, NJW 1977, 1817). Die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Ertragseinbußen einschließlich des entgangenen Gewinnes sind daher nur insoweit auszugleichen, als sie während der Dauer der Nutzungsbeeinträchtigung angefallen sind und angesichts der bisherigen Ertragssituation des Betriebs angemessen erscheinen. Dabei ist zu gewährleisten, daß die Ertragsverluste nicht doppelt in die Entschädigungsberechnung einfließen; erforderlichenfalls ist daher zu klären, ob die von der Klägerin hilfsweise begehrten Produktionsausfallkosten nicht bereits in dem geltend gemachten „Deckungsbeitrag“ einschließlich entgangenem Gewinn enthalten sind.

22
c) Neben dem Ertragsverlust sind auch diejenigen Aufwendungen zu ersetzen, die erforderlich waren, um eine ungestörte Fortführung des Gewerbebetriebs zu gewährleisten. Denn auch solche wirtschaftlichen Nachteile sind Teil der dem Betroffenen durch die Besitzstörung abverlangten und damit auszugleichenden Vermögenseinbuße (vgl. BGH, Urt. v. 19. September 1966, III ZR 216/63, NJW 1967, 1085, 1086). Zu den ersatzfähigen Folgeschäden zählen dabei vor allem Kosten für die Verlagerung des Betriebs, Aufwendungen wegen Unbrauchbarkeit des bisherigen Inventars, Umbaukosten und Kosten für anfängliche Betriebsanlaufsschwierigkeiten (BGH, Urt. v. 27. April 1964, III ZR 136/63, WM 1964, 968, 971; Urt. v. 6. Dezember 1965, III ZR 172/64, NJW 1966, 493, 495 ff; Urt. v. 13. Juli 1967, III ZR 11/65, WM 1967, 1062, 1064). Zu ersetzen sind diese Aufwendungen allerdings nur insoweit, als sie nicht auch bei Beendigung des Mietverhältnisses angefallen wären (BGH, Urt. v. 15. November 1971, III ZR 162/69, NJW 1972, 528; BGHZ 83, 1, 6 ff). Vorliegend sind von der Klägerin aber keine Aufwendungen getätigt worden, die mit Ablauf des Mietverhältnisses ohnehin angefallen wären. Denn im Streitfall erfolgte keine Betriebsverlegung auf ein anderes Grundstück, vielmehr wurde die Produktion nach dem Vorbringen der Klägerin in wesentlichen Teilen in eine auf dem beeinträchtigten Grundstück befindliche, vor Bezug zu renovierende und neu auszustattende Ausweichhalle verlagert und nach Wiederaufbau der eigentlichen Produktionshalle in diese zurückverlegt. Die für diese Tätigkeiten angefallenen Kosten sind damit ebenso wie die zum Ausgleich von aufgetretenen Produktionserschwernissen aufgewendeten Sach- und Geldmittel dem Grunde nach ersatzfähig. Dabei darf jedoch für all diese Posten, insbesondere für Arbeiten, Einrichtungen und Zeitaufwand, nur eine Entschädigung gewährt werden, die ein billiges, angemessenes Maß nicht übersteigt (BGH, Urt. v. 27. April 1964, III ZR 136/63, WM 1964, 968; Urt. v. 6. Dezember 1965, III ZR 172/64, NJW 1966, 493). Außerdem muß gewährleistet sein, daß angefallene Kosten nicht doppelt berücksichtigt werden, insbesondere der Mieterin keine Entschädigung für den bei der Grundstückseigentümerin eingetretenen Substanzverlust zugesprochen wird (vgl. BGH, Urt. v. 19. September 1966, III ZR 216/63, NJW 1967, 1085 ff); die Klägerin kann nicht Ausgleich für Wiederherstellungsarbeiten an dem beschädigten Gebäude beanspruchen. Inwieweit die von der Klägerin angeführten Einzelpositionen nach diesen Maßstäben bei der Festsetzung des einheitlichen Ausgleichsbetrags Berücksichtigung zu finden haben, ist letztlich im Betragsverfahren zu klären, wobei die Beweiserleichterung des § 287 ZPO Anwendung findet.

23
6. Die Haftung des Beklagten zu 1 auf nachbarrechtlichen Ausgleich und des Beklagten zu 2 wegen unerlaubter Handlung ist eine gesamtschuldnerische (Senat, BGHZ 85, 375, 386).

IV.

24
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 100 Abs. 4 ZPO.

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