Zur Zulässigkeit einer Wildschadensersatzklage in Niedersachsen ohne behördliches Vorverfahren aufgrund Vertragsvereinbarung

AG Soltau, Urteil vom 08.11.2016 – 4 C 94/16

Zur Zulässigkeit einer Wildschadensersatzklage in Niedersachsen ohne behördliches Vorverfahren aufgrund Vertragsvereinbarung

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

4. Streitwert: 5.165,68 Euro.

Tatbestand
1
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz für einen Wildschaden an dem von ihm in Waldnähe angebauten Winterraps 2012/13 in Anspruch.

2
Der Kläger ist der Pächter von landwirtschaftlichen Flächen in der Gemarkung ooo, der Beklagte ist der Jagdpächter dieser Flächen.

3
Nachdem der Kläger dem Beklagten den Wildschaden Ende April 2013 telefonisch mitgeteilt hatte, trafen sich die Parteien vor Ort, wobei etwaige zwischen ihnen getroffene Absprachen streitig sind. Der von dem Kläger beauftragte Zeuge zzz, ein von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, hat einen Minderernteertrag für die von dem Kläger bewirtschafteten 13,5 ha in Höhe von 130,23 dt festgestellt, was unter Inansatzbringung von 35,00 Euro zzgl. 7 % Mehrwertsteuer je Tonne den von dem Kläger begehrten Schadensersatzbetrag von 4.877,11 Euro ergibt, dem die hälftigen Gutachterkosten des Zeugen zzz von 288,57 Euro aufzuschlagen sind.

4
Das Feststellungsverfahren bei der Gemeinde hat der Kläger dagegen nicht durchführen lassen, so dass ein gemeindlicher Vorbescheid für Wildschadensangelegenheiten nicht vorliegt.

5
Am 06.08.2013 erntete der Kläger die Flächen ab.

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Der Kläger trägt vor, seine Klage sei ohne die vorherige Durchführung des gesetzlichen Feststellungsverfahrens zulässig und begründet. Der Abschluss privatrechtlicher Vereinbarungen über die Verpflichtung zur Zahlung eines Wildschadensersatzes außerhalb des gesetzlichen Verfahrens sei zulässig. Der Beklagte habe anlässlich eines zwischen den Parteien am 25.04.2013 auf den von ihm, dem Kläger, gepachteten landwirtschaftlichen Flächen in der Gemarkung ooooo zustande gekommenen Treffens seine Einstandspflicht für den klägerischen Wildschaden an dem Winterraps 2012/13 dem Grunde nach anerkannt. Die Parteien hätten vereinbart, dass der Zeuge zzz als Sachverständiger für sie die Schadenshöhe im Sommer zur Erntezeit ermitteln solle, was im August 2013 erfolgt sei. Absprachegemäß hätten die Kosten des Zeugen zzz zwischen ihnen geteilt werden sollen.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.165,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2016 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

11
Der Beklagte, der die klägerische Schadensberechnung in Abrede stellt, trägt vor, die Klage sei unzulässig. Der ordentliche Rechtsweg zum angerufenen Gericht sei bei Wildschadensangelegenheiten nur dann eröffnet, wenn zuvor das Feststellungsverfahren bei der Gemeinde durchgeführt worden sei. Darüber hinaus stehe dem Kläger kein Anspruch auf Ersatz von Wildschäden zu, weil die unterlassene Anmeldung bei der Gemeinde zum Erlöschen etwaiger Ansprüche führe. Anlässlich des zwischen den Parteien am 25.04.2013 vor Ort stattgefundenen Treffens habe es weder eine Einigung über seine Einstandspflicht dem Grunde nach noch der Höhe nach gegeben, allein schon, weil die Schadenshöhe zu dieser Zeit nicht bekannt gewesen sei.

12
Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beschluss vom 01.06.2016, Bl. 42 ff. d.A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.10.2016, Bl. 57 ff. d.A., Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
13
Die Klage ist zulässig.

14
Das Amtsgericht Soltau ist auch angesichts eines Streitwertes von 5.165,68 Euro nach den §§ 1 ZPO, 23 Ziffer 2d GVG sachlich zuständig.

15
Zwar ist das bei der Gemeinde durchgeführte Feststellungsverfahren sowie der in diesem Verfahren ergangene gemeindliche Vorbescheid grundsätzlich die Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage auf Zahlung von Wildschadensersatz und steht nicht zur Disposition der Parteien. Beruft sich der Kläger, wie hier, jedoch auf eine zwischen den Parteien getroffene privatrechtliche Vereinbarung als Alternative zum formellen gesetzlichen Verfahren nach den §§ 35 BJagdG, 35 NdsJagdG, kann er aus dieser Vereinbarung auf Schadensersatz klagen, ohne dass der gemeindliche Vorbescheid als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage notwendig ist.

16
Die Klage ist jedoch nicht begründet.

17
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 4.877,11 Euro nebst Gutachterkosten in Höhe von 288,57 Euro aus einer von den Parteien getroffenen mündlichen Vereinbarung über eine entsprechende Verpflichtung des Beklagten nicht zu.

18
Dabei ist zwingend Voraussetzung, dass aus der von den Parteien getroffenen Vereinbarung deutlich hervorgeht, ein Anspruch auf Zahlung von Wildschadensersatz solle – unabhängig von einem behördlichen Vorverfahren – allein auf Grund dieser Vereinbarung bestehen.

19
Dem insoweit beweisbelasteten Kläger ist der Beweis für seine Behauptung nicht gelungen, der Beklagte habe anlässlich eines zwischen den Parteien am 25.04.2013 auf den von ihm, dem Kläger, gepachteten landwirtschaftlichen Flächen in der Gemarkung ooooo zustande gekommenen Treffens seine Einstandspflicht für den klägerischen Wildschaden an dem Winterraps 2012/13 dem Grund nach anerkannt, die Parteien hätten vereinbart, dass der Zeuge zzz für sie die Schadenshöhe im Sommer zur Erntezeit ermitteln solle, wobei die Kosten des Zeugen zzz absprachegemäß hätten hälftig geteilt werden sollen. Die Aussage des von dem Kläger benannten Zeugen zzz ist bereits unergiebig, was eine von den Parteien getroffene privatrechtliche Vereinbarung über eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz an den Kläger angeht. Der Zeuge zzz hat bekundet, der Beklagte sei bei dem ersten Termin am 25.04.2013 nicht vor Ort gewesen, so dass er seine Einstandspflicht an jenem Tag gar nicht anerkennen konnte. Der Kläger allein habe ihn damit beauftragt, den Vorgang zu begleiten. Bei einem im August 2013 stattgefundenen weiteren Treffen sei eine dritte Person anwesend gewesen, ob dies der Beklagte gewesen sei, sei für ihn, den Zeugen zzz, nicht erinnerlich. Jene dritte Person habe sinngemäß gesagt, man werde sich schon einigen. Das Verhältnis der Parteien und etwaige Absprachen zwischen ihnen könne er nicht beurteilen, er wisse weiter nichts, er habe sich auch keine weiteren Notizen über etwaige Absprachen der Parteien gemacht. Sein Auftraggeber sei allein der Kläger gewesen.

20
Vor dem Hintergrund der Aussage des Zeugen zzz bleibt der Abschluss einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien hinsichtlich der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz offen.

21
Da der Kläger den Schadensfall entsprechend den Voraussetzungen des § 34 Bundesjagdgesetz nicht binnen einer Woche bei der für das beschädigte Grundstück zuständigen Behörde angemeldet hat, ist sein Anspruch auf Ersatz des Wild- und Jagdschadens im Übrigen gemäß § 34 BJagdG erloschen.

22
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

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