Zum Begriff des Repräsentanten im Versicherungsrecht

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.03.2012 – 8 O 2729/11

Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache allein reicht hierfür grundsätzlich nicht aus. Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln. Es braucht nicht noch hinzuzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. Übt der Dritte aber aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von einer Übergabe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen. Tritt der Repräsentant „an die Stelle“ des Versicherungsnehmers bzw. Mieters, steht damit grundsätzlich zugleich fest, dass sich dieser ein Fehlverhalten seines Repräsentanten bei der Verwaltung der versicherten Gefahr zurechnen lassen muss, wenn und soweit es auf ein solches Fehlverhalten für die Frage der Leistungspflicht des Versicherers ankommt (Rn. 21).

Gemessen daran dürfte hier in der Beauftragung des Autohauses, das Fahrzeug nach Anfordern des Fahrzeugbriefes beim Leasinggeber abzumelden, eine Repräsentantenstellung nicht anzunehmen sein. Es handelt sich um einen eng definierten Vorgang, der auf ausdrückliche Weisung des Halters des Fahrzeuges ohne eigenen Entscheidungsspielraum des Autohauses in der Sache durchzuführen war.(Rn.22)

Zur sog. GAP-Deckung in Kfz-Leasing-Verträgen (Rn.28).

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 47.965,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2010, sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.193,40 € zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.


Beschluss

Der Streitwert wird auf 48.114,84 € festgesetzt.


Tatbestand

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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Fahrzeugversicherung in Anspruch.

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Der Kläger war Halter eines Pkw BMW X5 (amtliches Kennzeichen FÜ – …), der bei der Beklagten sowohl haftplicht- als auch vollkaskoversichert war. Dem zum 07.07.2008 geschlossenen Vertrag liegen die AKB 2008 zugrunde (vgl. Anlage K 14). Es war eine Selbstbeteiligung von 150,- € vereinbart. Der Kläger ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. Das Fahrzeug war vom Kläger über die Autohaus F. GmbH in Gunzenhausen bei der BMW Leasing GmbH geleast worden. Anfang Juni 2010 befand sich das Fahrzeug zu einer Reparatur beim Autohaus F.. Der Kläger überließ das Fahrzeug dem Autohaus F. im Anschluss (u.a.) mit dem Auftrag, das Fahrzeug stillzulegen. Diese Stilllegung erfolgte durch das Autohaus F. am 14.06.2010. In der Nacht vom 16. auf den 17.06.2010 wurde das Fahrzeug vom Gelände des Autohauses F. von unbekannten Dritten entwendet. Der Kläger, der sich zu dieser Zeit im Ausland befand, wurde im Anschluss vom Autohaus F. über den Diebstahl unterrichtet. Der Wiederbeschaffungswert des entwendeten Fahrzeugs betrug zu diesem Zeitpunkt 42.800,- € netto. Mit Schreiben vom 02.07.2010 lehnte die Beklagte ihre vertragliche Einstandspflicht ab. Mit Schreiben vom 21.07.2010 forderte der Kläger die Beklagte auf, bis 30.07.2010 ihre Einstandspflicht zu erklären, was diese jedoch endgültig ablehnte.

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Der Kläger trägt vor, dass das Fahrzeug zunächst am 31.05.2010 wegen einer Reparatur an der Bremsanlage zur Firma F. verbracht worden sei. Da eine weitere erforderliche Reparatur an der Frontscheibe erst nach Eintreffen des Ersatzteils habe durchgeführt werden können, habe der Kläger das Fahrzeug am 04.06.2010 wieder abgeholt. Sodann habe er es nach Eintreffen des Ersatzteils am 09.06.2010 wieder zur Firma F. verbracht, wo es nach Abschluss der Reparatur habe abgemeldet werden sollen. Der Kläger behauptet, dass er das Autohaus F. lediglich deshalb mit der Stilllegung des Fahrzeuges beauftragt hatte, da er nur für vorübergehende Zeit beabsichtigt habe das Fahrzeug nicht zu nutzen. Dies deshalb, da es ihm darum gegangen sei, die Gesamtlaufleistung, die im Rahmen des Leasingvertrages vereinbart gewesen war, nicht zu überschreiten. Er habe zwischenzeitlich auf andere Fahrzeuge zurückgreifen wollen und können. So sei er in der Lage gewesen statt des entwendeten Fahrzeugs ein Fahrzeug seiner Tochter zu fahren, das diese nicht selbst habe nutzen können. Der Kläger meint, dass der Vertrag trotz Außerbetriebsetzung durch Stilllegung des Fahrzeuges nicht in eine Ruheversicherung im Sinne des AKB H.1. übergegangen sei, da der Diebstahl innerhalb der 14-Tages-Frist zur Wiederzulassung erfolgt sei und er außerdem im Sinne des AKB H.1.2. die uneingeschränkte Fortführung des Versicherungsschutzes verlangt habe. Aber auch im Fall einer Ruheversicherung sei der Kläger aufgrund der abgeschlossenen Vollkaskoversicherung nach AKB H.1.4 anspruchsberechtigt. Er habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, das Fahrzeug nicht wieder zuzulassen. Insbesondere habe er nicht beabsichtigt gehabt, den während der Zeit der Reparatur beim Autohaus F. gefahrenen Ersatzwagen statt des entwendeten Fahrzeuges zu erwerben. Er habe erst zweieinhalb Monate nach dem Diebstahl bei der Firma Autohaus F. ein neues Fahrzeug bestellt. Der Kläger müsse sich eine eventuelle Obliegenheitsverletzung des Autohauses F., das gegebenenfalls nicht für eine ordnungsgemäße Sicherung des Fahrzeuges nach AKB H.1.5 gesorgt habe, nicht zurechnen lassen. Das Autohaus sei nicht Repräsentant des Klägers gewesen. Er habe sich außerdem darauf verlassen können, dass das Fahrzeug beim Autohaus F. ordnungsgemäß gesichert sei. Der Kläger ist der Ansicht, dass sich die Beklagte aufgrund der Mahnung seit spätestens 01.08.2010 in Verzug befinde. Der Kläger meint, dass ihm ungeachtet eines Wiederbeschaffungswertes von 42.800,- € der gesamte von seinem Leasinggeber in Rechnung gestellte Betrag bei vorzeitiger Vertragsabrechnung von 48.114,84 € zu erstatten sei. Dies deshalb, da beim Leasinggeber eine sogenannte GAP-Deckung vereinbart worden sei. Diese habe jedoch lediglich drei Monate nach dem Schadensfall gegolten. Nachdem die Beklagte pflichtwidrig nicht (rechtzeitig) reguliert habe, sei ihm diese Differenz aufgrund der Vereinbarung mit dem Leasinggeber entgangen. Auch hierfür habe die Beklagte einzustehen.

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Der Kläger beantragt:

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Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger € 48.114,84 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. August 2010, sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.407,50 zu bezahlen.

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Die Beklagte beantragt:

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Die Klage wird abgewiesen.

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Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Versicherungsvertrag mit Abmeldung des gestohlenen Fahrzeuges am 14.06.2010 beendet worden sei. Es sei nicht richtig, dass der Kläger beabsichtigt habe, das Fahrzeug wieder zuzulassen. Das Fahrzeug sei am 17.06.2010 entwendet worden sei. Der Kläger habe sich bereits für eine Versicherung des von ihm zu Zeitpunkt der Entwendung gefahrenen Vorführwagens des Autohauses F. interessiert. Die Beklagte behauptet, dass ihr am 16.06.2010 von der Zulassungsstelle die Stilllegung des entwendeten Fahrzeuges mitgeteilt worden sei. Der Kläger könne nicht die Fortsetzung des Versicherungsvertrages verlangen, da das Fahrzeug ja entwendet worden sei. Das Fahrzeug sei im Zeitpunkt der Entwendung auf dem Gelände des Autohauses F. nicht wie im Fall einer Ruheversicherung gefordert, in einem Einstellraum oder einem umfriedeten Abstellplatz abgestellt gewesen. Die Beklagte sei deshalb außerdem nach AKB D.3 wegen Obliegenheitsverletzung leistungsfrei. Im Übrigen habe der Kläger selbst dafür sorgen müssen, dass das Fahrzeug während seiner Stellzeit beim Autohaus F. gesichert abgestellt gewesen wäre. Insofern sei dem Kläger vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen. Die Beklagte ist der Meinung, dass sie aufgrund der erforderlichen Ermittlungen zum Schadensfall nicht binnen der vom Kläger (unsubstantiiert) behaupteten GAP-Deckung habe regulieren können. Insoweit treffe sie jedenfalls kein Verschulden. Die Beklagte befinde sich nicht in Verzug, da die ihr mit Schreiben vom 21.07.2010 gesetzt Frist zu kurz bemessen gewesen sei. Zinsen könne der Kläger ohnehin allenfalls in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten bestehe nicht.

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Es wurde Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen K.. Insofern wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2011 (Gerichtsakte 44 ff.) Bezug genommen. Die Akte der Staatsanwaltschaft Ansbach (Aktenzeichen 3 UJs 32628/10) war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen. Mit Beschluss vom 08.03.2012 hat das Gericht im Einverständnis der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet, wobei die Frist zur Einreichung von Schriftsätzen auf den 23.03.2012 bestimmt war.


Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

A.

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Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf die Versicherungsleistung in Höhe von 47.965,69 € (§ 1 S. 1 VVG i.V.m. AKB H.1, A.2.3.1, A.2.2.2).

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I. Der Versicherungsvertrag ist nicht dadurch beendet worden, dass das unstreitig entwendete Fahrzeug durch seine Stilllegung außer Betrieb gesetzt wurde. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Kläger beabsichtigte, das entwendete Fahrzeug zu einem späteren Zeitpunkt wieder zuzulassen. Durch die Stilllegung wurde der Versicherungsvertrag also nicht beendet (AKB H.1.1).

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1. Der Kläger hat bei seiner informatorischen Anhörung plausibel dargelegt, wie es zu der von ihm behaupteten und nur für kürzere Zeit beabsichtigten Abmeldung des schließlich entwendeten Fahrzeuges kommen sollte. Die Angaben des Klägers waren in jeder Hinsicht nachvollziehbar und schlüssig. Dabei hat der Kläger offen sämtliche relevanten Umstände, teils auch von sich aus – wie etwa die damaligen wirtschaftlichen Schwierigkeiten seiner Firma – angesprochen.

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2. Die glaubhaften und glaubwürdigen Angaben des Klägers wurden auch durch den Zeugen K. bestätigt. Dieser konnte zwar nicht in Details, aber doch in der entscheidenden Grundausrichtung darlegen, dass der Kläger beabsichtigt hatte, sein Fahrzeug wegen bereits relativ hoher Laufleistung im Hinblick auf die vom Leasingvertrag zugelassene Gesamtlaufleistung für einige Zeit stillzulegen. Von einer dauerhaften Abmeldung sei nicht die Rede gewesen. Der Zeuge konnte auch plausibel erklären, wie es zu dem von der Beklagten als Argument für eine beabsichtigte dauerhafte Abmeldung angeführten Umstand gekommen war, wonach sich der Kläger bei der Agentur der Beklagten schon nach Versicherungskonditionen für ein neues Fahrzeug erkundigt hatte. Hintergrund war, dass der Kläger ganz generell Interesse an einem Fahrzeug der 5er Reihe „GT“ gezeigt hatte. Nachdem er aber aufgrund seiner persönlichen Bedürfnisse als Camper ein vierradgetriebenes Fahrzeug wollte, sei für ihn der Kauf des damals alleine auf dem Markt befindlichen zweiradgetriebenen Fahrzeuges BMW 5er GT nicht in Betracht gekommen. Dieser sei vom Kläger folglich erst nach Markteinführung im Herbst bestellt worden.

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3. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, wem die Beweislast für die Absicht der späteren Wiederzulassung des außer Betrieb gesetzten Fahrzeuges nach AKB H.1.1 obliegt. Zwar spricht aufgrund des Regelungszusammenhangs in AKB H.1. viel dafür, dass der Wiederzulassungswille zugunsten des Versicherungsnehmers vermutet wird (so Stadler in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB H.1 Rn. 5), sodass es am beklagten Versicherer wäre, einen fehlenden Wiederzulassungswillen zu beweisen. Aufgrund der in sich schlüssigen Angaben des Klägers und des Zeugen kann hier jedoch ungeachtet der Beweislast die volle Überzeugung eines Wiederzulassungswillens gewonnen werden.

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II. Nach AKB H.1.2 ist der Versicherungsvertrag mit der durch die Zulassungsbehörde der Beklagten mitgeteilten Außerbetriebsetzung in eine beitragsfreie Ruheversicherung übergegangen.

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1. Nachdem es unstreitig in der Folgezeit zu einer entsprechenden Mitteilung der Zulassungsbehörde nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 FZV gekommen war – zwischen den Parteien ist lediglich das Datum dieser Mitteilung streitig – ist nach AKB H.1.4 wegen des Bestehens einer Vollkaskoversicherung der Teilkaskoversicherungsschutz auch während der Ruheversicherung aufrechterhalten geblieben. Dies bedeutet, dass auch im hier unstreitigen Versicherungsfall „Entwendung“ nach AKB H.2.2 das Fahrzeug des Klägers versichert war.

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Der Eintritt der Ruheversicherung scheitert auch nicht am Vorliegen eines der beiden Ausnahmetatbestände des AKB H.1.2. So hat der Kläger schon selbst nicht behauptet, dass die (beabsichtigte) Außerbetriebsetzung weniger als zwei Wochen betragen sollte. Auch soweit der Kläger die uneingeschränkte Fortführung des bisherigen Versicherungsschutzes verlangt, kann dies den Eintritt der Ruheversicherung nicht hindern. Sämtliche vorgetragenen Fortsetzungsverlangen wurden bereits nach Eintritt des Versicherungsfalls abgegeben. Das ausdrückliche Fortsetzungsverlangen soll dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer Klarheit über die Reichweite des aktuellen Versicherungsschutzes geben. Damit ist eine Gestaltungswirkung nach Eintritt des Versicherungsfalls nicht vereinbar. Sie entspricht im Übrigen auch dem Wesen des Versicherungsvertrages, nämlich der konkreten Deckung eines Risikos, dessen Eintritt ungewiss ist. Ist der Versicherungsfall bereits eingetreten, hat sich das Risiko aber schon realisiert, so dass eine Änderung des Versicherungsschutzes bzw. Versicherungsvertrages nicht mehr möglich sein kann.

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2. Die Beklagte ist auch nicht wegen einer etwaigen Obliegenheitsverletzung des Klägers nach § 28 VVG leistungsfrei oder zu einer Kürzung der Leistungen berechtigt.

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Unstreitig liegt allerdings objektiv eine Obliegenheitsverletzung vor, da das versicherte Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Entwendung bereits stillgelegt war und entgegen AKB H.1.5 nicht entsprechend der dort normierten Anforderungen gesichert war. Das Fahrzeug wurde von dem nicht umfriedeten, nicht abgeriegelten und somit frei zugänglichen Gelände des Autohauses F. entwendet (vgl. Stadler in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB H.1 Rn. 20 f.). Diese Obliegenheit wurde allerdings nicht durch den Kläger, sondern durch das Autohaus bzw. dessen Angestellte verletzt. Das Verhalten der Mitarbeiter des Autohauses ist dem Kläger allerdings nicht zuzurechnen. Eine solche Zurechnung käme alleine nach dem Grundsatz der Repräsentantenhaftung in Betracht.

21

a) Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist (st. Rspr. BGH VersR 2012, 219). Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache allein reicht hierfür grundsätzlich nicht aus. Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung; BGH VersR 2011, 1003). Es braucht nicht noch hinzuzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat. Übt der Dritte aber aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von einer Übergabe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen (BGH VersR 1996, 1229). Tritt der Repräsentant „an die Stelle“ des Versicherungsnehmers bzw. Mieters, steht damit grundsätzlich zugleich fest, dass sich dieser ein Fehlverhalten seines Repräsentanten bei der Verwaltung der versicherten Gefahr zurechnen lassen muss, wenn und soweit es auf ein solches Fehlverhalten für die Frage der Leistungspflicht des Versicherers ankommt (BGH VersR 1996, 1229).

22

Gemessen daran dürfte hier in der Beauftragung des Autohauses, das Fahrzeug nach Anfordern des Fahrzeugbriefes beim Leasinggeber abzumelden, eine Repräsentantenstellung nicht anzunehmen sein. Es handelt sich um einen eng definierten Vorgang, der auf ausdrückliche Weisung des Halters des Fahrzeuges ohne eigenen Entscheidungsspielraum des Autohauses in der Sache durchzuführen war.

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b) Ungeachtet dessen hat der Klägervertreter zutreffend darauf hingewiesen, dass das hier in Rede stehende Handeln des Autohauses für den Kläger in Gestalt des Abmeldens des Fahrzeuges keine Übertragung der eigenverantwortlichen tatsächlichen Obhut für das Fahrzeug im Sinne einer Risikoverwaltung bedeutete. Das „Aufpassen“ auf das Fahrzeug im Sinne eines Sicherns gegen Entwenden während der Zeit der Obhut durch eine Reparaturwerkstatt begründet eine solche Risikoverwaltung nicht. Die hier im Raume stehenden Tätigkeiten im Rahmen der Vertragsverwaltung schließen allerdings eine Repräsentantenstellung ohne Hinzutreten weiterer Umstände auch für die Risikoverwaltung nicht ein (BGH VersR 2007, 673). Der Versicherungsnehmer muss sich Repräsentantenverhalten nämlich nur insoweit zurechnen lassen, als er den Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Überträgt er dem Dritten die selbstständige Wahrnehmung seiner Befugnisse nur in einem bestimmten abgrenzbaren Geschäftsbereich (hier: Abmeldung), ist die Zurechnung darauf beschränkt und kann nicht auf andere Tätigkeitsbereiche (hier: Sichern des Fahrzeugs) ausgedehnt werden (BGH aaO).

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c) Die von der Beklagten unabhängig vom Vorstehenden geforderte Obliegenheit des Klägers selbst, als Versicherungsnehmer für eine Sicherung des Fahrzeuges während der Überlassung an eine Reparaturwerkstatt zu sorgen, lässt sich AKB H.1.5 indes nicht entnehmen. Zwar spricht die Obliegenheit (natürlich) den Versicherungsnehmer selbst an. Hier war es jedoch so, dass die Abmeldung und damit der anschließende Beginn der Ruheversicherung nicht in Händen des Klägers lagen. So war vom rein zeitlichen Ablauf her gar nicht klar, zu welchem Zeitpunkt eine Abmeldung des Fahrzeuges überhaupt möglich sein würde, nachdem zuvor erst der Fahrzeugschein vom Leasinggeber angefordert werden musste.

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Ungeachtet dessen ist selbst in einem solchen Fall von einem Bestehen einer eigenen Obliegenheitsverletzung durch den Kläger selbst diesem ein zumindest grob fahrlässiges Verhalten, das jedenfalls zu einer Leistungskürzung nach AKB D.3.1 erforderlich wäre, nicht vorzuwerfen. Dem Kläger ist der insoweit ihm obliegende Beweis für ein allenfalls einfach fahrlässiges Verhalten gelungen. Kein Versicherungsnehmer muss nämlich davon ausgehen, dass ein von ihm einer Markenwerkstatt überlassenes Fahrzeug von dieser nicht hinreichend gegen Diebstahl gesichert wird – unabhängig von einer fortdauernden Zulassung des Fahrzeuges. Ein solches „enttäuschtes Vertrauen“ in eine sachgerechte Sicherung des hingegebenen Fahrzeugs könnte allenfalls als einfache Fahrlässigkeit bewertet werden.

26

Aus diesem Grund kann auch eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles nach A.2.16.1 AKB bzw. § 81 Abs. 1 VVG nicht angenommen werden.

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III. Die Beklagte ist damit dem Kläger zum Ersatz des Fahrzeugverlustes in Höhe von 47.965,69 € verpflichtet.

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Nach AKB A.2.6.1 ist der Verlust des Fahrzeuges grundsätzlich mit dem Wiederbeschaffungswert (ein Restwert ist nicht vorhanden) zu ersetzen. Dieser beträgt hier unstreitig 42.800,- €. Der Kläger hat nach A.2.3.4 der hier vereinbarten AKB, die im Übrigen den Muster-AKB 2008 entsprechen, im gegebenen Fall der vorzeitigen Aufhebung des Leasingvertrages in Folge einer Totalentwendung aber auch einen weitergehenden Anspruch auf Erstattung des Differenzbetrages zwischen dem Buchwert des mit seinem Leasinggeber vereinbarten Ablösewertes und dem Wiederbeschaffungswert (sog. GAP-Deckung). Der Buchwert beträgt ausweislich der mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 22.02.2012 vorgelegten Mitteilung der BMW Leasing unstreitig 48.115,69 €. Nachdem diese „Schadensspitze“ also bereits im streitgegenständlichen Versicherungsvertrag gedeckt ist, kommt es auf Fragen einer etwaigen Schadensersatzpflicht aufgrund nicht fristgerechter Regulierung durch die Beklagte nicht an. AKB A.2.9, wonach der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger diesen Betrag lediglich netto verlangen könnte, ist auf den mehrwertsteuerneutralen Buchwert nicht anwendbar. Abzusetzen aber ist die unstreitig vereinbarte Selbstbeteiligung in Höhe von 150,- € (AKB A.2.12).

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IV. Der Kläger hat nach §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB auch Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten. Mit Schreiben vom 02.07.2010 hat die Beklagte dem Kläger gegenüber abschließend mitgeteilt, dass wegen des (behaupteten) fehlenden Wiederzulassungswillens ein Versicherungsschutz nicht geboten werden könne. Mit dieser endgültigen und ernsthaften Leistungsverweigerung hat sich die Beklagte nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug gesetzt. Als Verzugsschaden ist somit auch die im Anschluss an diese Ablehnung erfolgte vorgerichtliche Beauftragung des Klägervertreters zu entschädigen. Die Beklagte hat deshalb dem vorsteuerabzugsberechtigten Kläger auch die aus einem Streitwert bis 50.000,- € entstandenen Gebühren des Klägervertreters in Höhe von 1.407,50 € netto (vgl. § 249 Abs. 2 S. 2 BGB; Anlage K 11), zzgl. 12,00 € Kosten für Akteneinsicht, abzgl. 226,10 € Zahlung des Rechtsschutzversicherers (§ 86 VVG), also 1.193,40 € zu erstatten.

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V. Wegen des Verzugseintritts hat die Beklagte auch die Hauptforderung nach § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen. § 288 Abs. 2 BGB ist nicht anzuwenden, da streitgegenständlich schon keine Entgeltforderung ist. Zahlungen von Versicherungsgesellschaften sind ausweislich des Erwägungsgrund (13) der dem § 188 Abs. 2 BGB zugrundeliegenden Zahlungsverzugs-Richtlinie (Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.06.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl.EG vom 8. August 2000, L 2000/35) keine solchen Entgeltforderungen (BGH NJW 2010, 440).

B.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

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