Zum anwendbaren Recht bei Warentransport von China nach Deutschland

OLG München, Urteil vom 12.07.2018 – 23 U 1884/17

Zum anwendbaren Recht bei Warentransport von China nach Deutschland

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut, 1 HK O 242/15, vom 13.01.2017 in der mit Beschluss vom 11.08.2017 berichtigten Fassung, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen Transportschäden geltend.

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Die Klägerin ist Versicherer der E. Holding GmbH, die E. Automotive H. GmbH mitversichertes Unternehmen.

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Die E. Automotive H. GmbH erwarb bei der I. Motoren GmbH, B., Motoren für die Heckklappen von Kraftfahrzeugen. Hergestellt wurden die Motoren von der I. Electric Works Ltd. Hongkong. Insgesamt fünf Paletten mit diesen Motoren wurden Anfang November 2013 von Hongkong per Luftfracht zum Flughafen Stuttgart und von dort zur Empfängerin, der IMS G. GmbH in Eisenbach, Deutschland, transportiert. Nachdem dort Beschädigungen an einigen der Paletten festgestellt wurden, erfolgte ein Weitertransport jedenfalls einiger Paletten zur Schadensbegutachtung zur Firma I. Motoren GmbH in Burgthann.

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Die Beklagte stellte der Klägerin Frachtkosten in Höhe von 6.339,88 Euro in Rechnung (Anlage BLD 2).

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Die Klägerin behauptet, die E. Automotive H. GmbH habe die Beklagte mit dem Transport der Motoren von Hongkong zur Fa. IMS G. GmbH beauftragt. Insgesamt seien vier Paletten während dieses Transports beschädigt worden, eine davon sei bei Ablieferung auf dem Kopf gestanden. Die Motoren aus dieser Palette seien insgesamt nicht mehr verwendbar. Aus weiteren drei Paletten seien 62 Motoren beschädigt.

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Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 31.10.2016 (Bl. 209 ff d.A.) hat die Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz als weiteren Schaden Wiegegelder in Höhe von 75,32 Euro geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 31.03.2017 hat die Klägerin die Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung und die Vernehmung der Zeugin M., deren Adresse die Klägerin nunmehr herausgefunden habe, beantragt (Schriftsatz vom 31.03.2017, S. 2, Bl. 237 d.A.).

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Die Klägerin hat in erster Instanz – ohne Berücksichtigung der Wiegegelder – beantragt:

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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.324,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 19.03.2014 zu bezahlen.

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2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltsgebührenforderungen der Rechtsanwälte xxx, …, in Höhe von 1.171,67 Euro freizustellen.

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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, der Übergang der Ansprüche der E. Automotive H. GmbH auf die Klägerin sei nicht nachgewiesen. Zudem sei die Beklagte nicht passivlegitimiert, da der Frachtauftrag jedenfalls nicht ihr erteilt worden sei. Für eine etwaige Beschädigung der Motoren, die sie bestreite, hafte sie jedenfalls nicht.

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Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, hat die mündliche Verhandlung nicht wiederöffnet und die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die E. Automotive H. GmbH die Beklagte beauftragt habe. Ein schriftlicher Auftrag liege nicht vor. Die vom Landgericht vernommenen Zeugen H., D., J. und F. hätten eine Beauftragung der Beklagten nicht bestätigt. Aus dem Ratenblatt Air Import lasse sich ebensowenig wie durch die Rechnungstellung der Beklagten an die E. Automotive H. GmbH eine Beauftragung der Beklagten ableiten. Die Haftung ergebe sich auch nicht aus § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB. Die von der Klägerin benannte Zeugin M. habe mangels Angabe einer ladungsfähigen Anschrift nicht vernommen werden können. Dies könne nicht als Beweisvereitelung der Beklagten gewertet werden, da die Zeugin nicht zu entscheidungserheblichen Punkten benannt worden sei.

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Dagegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

14
Der Vertragsschluss der E. Automotive H. GmbH mit der Beklagten sei allein anhand der vorgelegten Unterlagen nachgewiesen, jedenfalls hätte die Beklagte andere Vertragsverhältnisse als aus den Anlagen ersichtlich konkret darlegen müssen. Insbesondere aufgrund der als Anlagen BLD 11 und BLD 13 vorgelegten Frachtratenvereinbarungen zwischen der E. Automotive H. GmbH und der Beklagten sowie der Rechnung BLD 2 sei von einem Vertragsschluss zwischen der E. Automotive H. GmbH und der Beklagten auszugehen. Das Landgericht habe zu Unrecht die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet und die Zeugin M. nicht vernommen.

15
Die Klägerin beantragt daher :

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1. Das Urteil des Landgerichts Landshut, 1 HK O 242/15, vom 13.01.2017 wird abgeändert. Auf die Berufung der Klägerin hin wird die Beklagte verurteilt,

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1.1. an die Klägerin 19.399,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 19.03.2014 zu bezahlen.

18
1.2. die Klägerin von Rechtsanwaltsgebührenforderungen der Rechtsanwälte xxx, …, in Höhe von 1.171,67 Euro freizustellen.

19
Vorsorglich beantragt die Klägerin, den Rechtsstreit an das Landgericht Landshut zurückzuverweisen.

20
Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

22
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

23
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugin M. Auf die Protokolle der Beweisaufnahme und mündlichen Verhandlung vom 12.07.2018 (Bl. 386 ff d.A.) und der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2018 (Bl. 352 ff d.A.) sowie die gewechselten Schriftsätze der Parteien wird ergänzend Bezug genommen.

II.

24
Die zulässige Berufung der Klägerin verbleibt in der Sache ohne Erfolg.

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1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Senat international zuständig nach Art. 33 Ziff. 1 des Montrealer Übereinkommens. Vertragsstaaten sind Deutschland und China (Koller, Transportrecht, 9. Aufl, Art. 1 MÜ Rz. 15). Beklagte ist die G. W. GmbH & Co KG mit Sitz in Deutschland. Soweit das Montrealer Übereinkommen bezüglich einzelner Schäden keine Anwendung findet (s. unten Ziff. 3.1.1.2), sind deutsche Gerichte auch nach Art. 4 Abs. 1, Art. 63 Abs. 1 EuGVVO zuständig.

26
2. Die Klageerweiterung in zweiter Instanz ist nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Ein Fall des § 533 ZPO liegt nicht vor (vgl. BGH NJW-RR 2010, S. 1286, 1287).

27
3. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die Klägerin einen Vertragsschluss zwischen der E. Automotive H. GmbH und der Beklagten nicht nachgewiesen hat.

28
3.1. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch aus §§ 425 Abs. 1, 429, 435, 453, 459 HGB zu.

29
3.1.1. Deutsches Recht ist anwendbar, soweit es um von der Klägerin eingeklagte Schadensersatzansprüche bezüglich der Palette geht, die nach Behauptung der Klägerin auf den Kopf gestellt wurde. Im Übrigen sind die vorrangigen Bestimmungen des MÜ und nur ergänzend deutsches Recht heranzuziehen.

30
3.1.1.1. Da sowohl die E. Automotive H. GmbH als auch die Beklagte ihren Sitz in Deutschland haben, findet auf das von der Klägerin behauptete Vertragsverhältnis der Parteien und die Frage, ob überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde, deutsches Recht Anwendung. Grundsätzlich kommen bei Anwendbarkeit deutschen Rechts Schadensersatzansprüche nach § 425 HGB in Betracht.

31
3.1.1.2. Gemäß Art. 18 Ziff. 4 MÜ, § 452, § 452a HGB findet allerdings das Montrealer Übereinkommen vorrangig Anwendung, soweit entweder feststeht, dass der geltend gemachte Schaden auf dem Lufttransport eingetreten ist oder der Schadensort unklar bleibt. Soweit hingegen feststeht, dass der behauptete Schaden nur auf dem Landweg, während des LKW-Transports in Deutschland eingetreten sein kann, bleibt es bei der Anwendung ausschließlich deutschen Rechts.

32
Vorliegend wurden nach dem Vortrag der Klägerin insgesamt vier Paletten beschädigt, wovon eine auf den Kopf gestellt wurde. Dass letztere Palette schon bei der Ankunft am Flughafen in Stuttgart auf dem Kopf stand, behauptet keine der Parteien. Dieser Schaden ist, sofern überhaupt, unstreitig auf dem Landweg beim Transport vom Flughafen Stuttgart zur Firma IMS G. GmbH, Eisenbach, oder während des Transports durch die Firma K. & N. von Eisenbach nach Burgthann eingetreten. Insoweit kommt daher ausschließlich deutsches Recht zur Anwendung. Hinsichtlich der anderen drei Paletten ist hingegen der Schadensort unklar und eine Beschädigung auf dem Luftweg jedenfalls nicht ausgeschlossen. Damit sind die Regelungen des MÜ bezüglich dieser behaupteten Schäden vorrangig zu beachten.

33
3.1.2. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die E. Automotive H. GmbH die Beklagte mit dem Transport von Hongkong nach Eisenbach beauftragte.

34
3.1.2.1. Die vom Landgericht vernommenen Zeugen H., D., J. und F. konnten keine Angaben dazu machen, ob im konkreten Fall die E. Automotive H. GmbH die Beklagte mit dem Transport der Motoren beauftragt habe, wie das Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung überzeugend und nachvollziehbar feststellt. Konkrete Anhaltspunkte i.S. des § 529 Abs. 1 ZPO, aus denen sich Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

35
3.1.2.2. Die vom Senat vernommene Zeugin Christina M. konnte einen Vertragsschluss zwischen der E. Automotive H. GmbH und der Beklagten ebenfalls nicht bestätigen.

36
Die Zeugin hat ausgeführt, sie sei nur im Verkauf und für die Erstellung von Angeboten, nicht aber im operativen Geschäft tätig gewesen. Zu den einzelnen Aufträgen könne sie nichts sagen (Protokoll vom 12.07.2018, S. 2, Bl. 387 d.A.). Auf Vorhalt des Frachtratenblatts Anlage BLD 13 hat die Zeugin angegeben (Protokoll S. 2 f, Bl. 387 f d.A.), E. gebe den Auftrag an den Zulieferer in Hongkong und dieser gehe dann auf G. Hongkong zu. Der Zulieferer von E. in Hongkong gebe die Sendedaten an G. Hongkong. G. in Hongkong buche sodann die Sendung basierend auf den Anforderungen der Firma E. und informiere die Kollegen von G. Deutschland. G. Hongkong rechne mit G. Deutschland die Luftfrachtraten ab. E. Deutschland zahle an G. Deutschland die Luftfrachtraten basierend auf dem Angebot, also dem Frachtratenblatt. G. Deutschland müsse an G. Hongkong dann die Luftfracht zahlen. Jedoch konnte die Zeugin nicht angeben, ob die Abläufe im konkreten Fall genauso waren (Protokoll S. 2, Bl. 378 d.A und S. 3, Bl. 388 d.A.). Zudem lässt sich auch aus diesen Abläufen nicht hinreichend sicher schließen, dass die E. Automotive H. GmbH gerade mit der Beklagten einen Vertrag geschlossen hätte. Letztlich bleibt schon unklar, ob und auf welche Weise es vor dem konkreten Transport überhaupt einen Kontakt zwischen der E. Automotive H. GmbH und der Beklagten gab.

37
Außerdem hat die Zeugin ausgeführt (Protokoll S. 3, Bl. 388 d.A.), wenn E. von einer anderen Spedition ein günstigeres Angebot erhalten hätte, hätte E. jederzeit wechseln oder aus dem Angebot „aussteigen“ können. Dies zeigt, dass die E. Automotive H. GmbH aufgrund des Frachtratenblatts auch nicht verpflichtet war, mit dem Transport sämtlicher Sendungen aus Hongkong gerade die Beklagte zu beauftragen.

38
3.1.2.3. Soweit die Klägerin erstmals in zweiter Instanz weitere Zeugen zum Beweis des Vertragsschlusses benannt hat (Schriftsatz vom 28.06.2017, S. 9, Bl. 290 d.A.), war diesem Beweisangebot nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht nachzukommen. Die Klägerin trägt nicht vor, aus welchen Gründen sie diese Zeugen nicht bereits in erster Instanz hätte benennen können. Der Rüge der Klägerin, das Landgericht hätte aufgrund der Klageerweiterung im Schriftsatz vom 31.10.2016 (Bl. 209 ff d.A.) die mündliche Verhandlung wiedereröffnen müssen, sodann hätte die Klägerin im Rahmen der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung die weiteren Zeugen benennen können, vermag der Senat nicht zu folgen. Das Landgericht war nicht verpflichtet, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Zwar sind neue Sachanträge keine Angriffs- und Verteidigungsmittel i.S. des § 296a ZPO. Wie sich aus § 256 Abs. 2, § 261 Abs. 2, § 297 ZPO ergibt, sind sie aber dennoch nach Schluss der mündlichen Verhandlung unzulässig (BGH, Beschluss vom 07.11.2017, XI ZR 529/17, juris Tz. 6; BGH, Beschluss vom 19.03.2009, IX ZB 152/08) und geben für sich gesehen auch keinen Anlass zur Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung (Bacher in BeckOK ZPO, 27. Edition, § 296 a Rz. 11). Ein Wiedereröffnungsgrund i.S. des § 156 Abs. 2 ZPO ist weder aus dem Schriftsatz vom 31.10.2016 noch aus sonstigem Vortrag der Klägerin ersichtlich.

39
3.1.2.4. Einer Einvernahme der Zeuginnen M. und L. dazu, dass es keinen Vertragsschluss zwischen der I. Electric Works Ltd. Hongkong und der G. W. Hongkong Ltd. bzw. dass es einen Vertragsschluss zwischen der Beklagten und der G. W. Hongkong Ltd. gab, war nicht veranlasst. Selbst wenn die Zeuginnen diese Beweisthemen bestätigten, stünde damit ein Vertragsschluss zwischen der E. Automotive H. GmbH und der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit fest.

40
3.1.2.5. Aus den vorgelegten Unterlagen lässt sich weder allein noch in der Gesamtschau die Überzeugung bilden, dass die E. Automotive H. GmbH die Beklagte beauftragte. Entgegen der Ansicht der Klägerin genügen die vorgelegten Dokumente auch nicht, der Beklagten eine sekundäre Darlegungslast aufzubürden oder gar eine Beweislastumkehr zulasten der Beklagten zu rechtfertigen.

41
3.1.2.5.1. Nach Art. 11 MÜ begründet der Luftfrachtbrief die widerlegbare Vermutung für den Abschluss des Vertrages. Indessen lässt sich aus den vorgelegten Luftfrachtbriefen kein Vertragsschluss der E. Automotive H. GmbH mit der Beklagten ableiten. In dem als Anlage B 2 vorgelegten „Air Waybill“ ist die E. Automotive H. GmbH an keiner Stelle erwähnt. Als Versender ist G. W. Hongkong Ltd. aufgeführt, als Empfänger die Beklagte. In dem als Anlage B 3 zur Akte gereichten „Air Waybill“ erscheint die E. Automotive H. GmbH nur unter „Marks“, aber ebenfalls weder als Versender noch als Empfänger. Als Versender ist die I. Electric Works (HK) Ltd, als Empfänger die IMS G. GmbH erwähnt.

42
3.1.2.5.2. Die als Anlagen BLD 11 und BLD 13 vorgelegten Frachtratenvereinbarungen belegen zwar, dass die Beklagte der E. Automotive H. GmbH Frachtraten für etwaige Transporte von Hongkong nach Eisenbach, Deutschland, angeboten hat. Aus diesen Dokumenten ergibt sich aber in keiner Weise ein konkreter Transportauftrag. Insbesondere war nach diesen Frachtratenvereinbarungen die E. Automotive H. GmbH noch nicht einmal verpflichtet, etwaige Transporte von Hongkong nach Deutschland bei der Beklagten (und nicht etwa bei deren Schwestergesellschaft in Hongkong) in Auftrag zu geben.

43
Aus der als Anlage BLD 2 vorgelegten Rechnung ist ersichtlich, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Transport gegenüber der E. Automotive H. GmbH nach den aus den Anlagen BLD 11 und BLD 13 ersichtlichen Frachtraten „Economy-Service“ abgerechnet hat. Dies stellt zwar ein gewisses Indiz dafür dar, dass es auch einen Vertragsschluss zwischen der E. Automotive H. GmbH und der Beklagten über den streitgegenständlichen Transport gegeben haben könnte. Indessen genügt dies weder als Beweis noch als ausreichendes Dokument, um der Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für das Gegenteil aufzubürden. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass die Beklagte und die G. W. Hongkong Ltd. demselben Konzern angehören. Daher erscheint ohne Weiteres denkbar, dass es einen Transportauftrag der E. Automotive H. GmbH an die G. W. Hongkong Ltd gegeben haben könnte und dennoch die Beklagte als deutsche Schwestergesellschaft gegenüber der deutschen Auftraggeberin abrechnet. Hierfür könnte auch die Bemerkung „Freight Collect“ in dem als Anlage B 1 vorgelegten „Shippers Letter of Instructions“ sprechen. Letztlich erscheint anhand der vorgelegten Dokumente und der Zeugenaussagen nach wie vor völlig unklar, ob es bezüglich des streitgegenständlichen Transports, abgesehen von der Rechnung BLD 2, überhaupt einen Kontakt zwischen der E. Automotive H. GmbH und der Beklagten gab.

44
3.1.2.5.3. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich aus der als Anlage B 6 vorgelegten Haftbarmachung nichts ableiten. In diesem Dokument erklärt die Beklagte, sie halte die AirBridge Cargo „zugleich im Namen und in Vollmacht unseres Auftraggebers bzw. desjenigen, den es angeht, haftbar“. Daraus lässt sich nicht schlussfolgern, die Beklagte sei selbst Vertragspartnerin eines Frachtvertrags und noch weniger, sie sei Vertragspartnerin der E. Automotive H. GmbH gewesen.

45
3.1.2.5.4. Soweit die Parteien darauf verweisen, es sei „FOB Hongkong“ vereinbart gewesen, wie aus Anlage BLD 2 (Rechnung der Beklagten an die E. Automotive H. GmbH) und aus Anlage BLD 5 (Rechnung der I. Motoren GmbH an die E. Automotive H. GmbH) ersichtlich, ergibt sich daraus nichts anderes. In den Incoterms FOB ist unter Ziff. A 3 a. festgehalten, der Verkäufer habe gegenüber dem Käufer keine Verpflichtung, einen Beförderungsvertrag abzuschließen. Wenn es der Käufer aber verlange oder es in der Handelspraxis üblich sei, könne der Verkäufer zu üblichen Bedingungen den Beförderungsvertrag auf Gefahr und Kosten des Käufers abschließen. Daraus lässt sich aber weder zwingend folgern, dass im konkreten Fall die I. Electric Works (HK) Ltd. bzw. die I. Motoren GmbH, noch dass die E. Automotive H. GmbH einen Transportauftrag erteilt hat. Was die Handelspraxis oder der Pflichtenkreis des Käufers gewesen wäre, ist dabei ohne Belang. Auch wenn die E. Automotive H. GmbH zum Abschluss des Beförderungsvertrags im Verhältnis zur Verkäuferin verpflichtet war, bedeutet dies nicht, dass sie dieser Pflicht nachgekommen ist. Dementsprechend bedarf es auch nicht der Einvernahme der von der Klägerin angebotenen Zeugin D. zum Pflichtenkreis der E. Automotive H. GmbH.

46
3.1.2.5.5. Unbehelflich ist der Verweis der Parteien auf eine „Routing Order“. Sofern ein Frachtführer mit einem Dritten einen Rahmenvertrag geschlossen hat, in dem er diesem u.a. Sondertarife für den „Empfang von Paketen“ gewährt, kann dies zum Abschluss eines Frachtvertrags mit dem Dritten führen, wenn ein Vierter dem Frachtführer auftragsgemäß (“Routing-Order“) das Gut unter Berufung auf den Rahmenvertrag übergibt (Koller Transportrecht, 9. Aufl, § 407 HGB Rz. 38). Vorliegend ist schon nicht konkret dargetan oder ersichtlich, dass die I. Electric Works (HK) Ltd. der Beklagten oder der G. W. Hongkong Ltd. unter Berufung auf die Frachtratenvereinbarung zwischen der E. Automotive H. GmbH und der Beklagten die Motoren übergeben hätte.

47
3.2. Der Klägerin kann bezüglich der Palette, die auf dem Kopf stand, keinen Schadensersatzanspruch aus sonstigen Rechtsgründen fordern.

48
Deutsches Recht ist, wie ausgeführt (s.o. Ziff. 3.1.1.), anwendbar.

49
3.2.1. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch aus § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB zu. Nach dieser Vorschrift kann der Empfänger eines beschädigten Guts die Ansprüche aus dem Frachtvertrag im eigenen Namen geltend machen. Empfänger i.S. des § 421 HGB ist derjenige, an den nach dem Vertrag zwischen Absender und Frachtführer das Gut abgeliefert werden soll (Koller, Transportrecht, 9. Aufl, § 421 Rz. 3). Die fünf Paletten mit den Motoren sollten unstreitig bei der Firma IMS G. GmbH, nicht aber bei der E. Automotive H. GmbH, abgeliefert werden.

50
3.2.2. Die Klägerin kann keinen Schadensersatzanspruch aus § 437 Abs. 1 HGB geltend machen. Nach dieser Norm haftet auch der ausführende Frachtführer auf Schadensersatz. Ausführender Frachtführer ist jedoch nur die Person, die die Ortsveränderung tatsächlich vornimmt und in deren unmittelbarer Obhut der Schaden entstanden ist (Koller, a.a.O., § 437 Rz. 6). Dass die Beklagte die tatsächliche Obhut über die zu befördernden Paletten gehabt hätte, ist von der Klägerin weder konkret dargetan noch nachgewiesen.

51
3.2.3. Ein Schadenersatzanspruch aus § 460 Abs. 2 HGB steht der Klägerin ebenfalls nicht zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Paletten im Sammelgutverkehr transportiert wurden. Die Klägerin hat schon einen Vertragsschluss zwischen ihr und der Beklagten nicht nachgewiesen und ist selbst auch nicht Empfängerin (s.o. Ziff. 3.2.1).

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3.2.4. Die Klägerin kann Schadensersatz nicht nach § 461 Abs. 1 HGB fordern, da sie weder den Abschluss eines Speditionsvertrags mit der Beklagten nachgewiesen hat noch ersichtlich wäre, dass sich die Paletten jemals in der Obhut der Beklagten befanden.

53
3.2.5. Soweit die Klägerin meint, die Beklagte habe Pflichten aus dem Speditionsvertrag nach §§ 453, 454 HGB verletzt, da die Beklagte die Klägerin nicht rechtzeitig über etwaige Rechte gegenüber dem Firma Mack informiert habe, greift dies ebenfalls nicht durch. Auch insoweit fehlt es am Nachweis eines Vertragsschlusses zwischen der Klägerin und der Beklagten.

54
3.3. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch aus Art. 18 Ziff. 1, Ziff. 4 MÜ oder Art. 45 MÜ zu. Ein Schadensersatzanspruch nach dieser Norm käme grundsätzlich nur bezüglich der drei Paletten in Betracht, die bereits am Flughafen in Stuttgart beschädigt ankamen. Insoweit fehlt es aber ebenfalls am Nachweis der Passivlegitimation der Beklagten. Die Klägerin hat weder nachgewiesen, dass die Beklagte Vertragspartnerin der E. Automotive H. GmbH (s.o. Ziff. 3.1.2.) noch dass sie ausführende Luftfrachtführerin nach Art. 45 MÜ war.

55
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 S. 1, 2, § 713 ZPO.

56
5. Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.

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