Zum Anspruch einer Kosmetikerin auf Gewährung eines Gründungszuschusses

LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 28.05.2014 – L 18 AL 236/13

Zum Anspruch einer Kosmetikerin auf Gewährung eines Gründungszuschusses

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. August 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die 1984 geborene und seit Mai 2012 verheiratete Klägerin absolvierte von 2000 bis 2003 erfolgreich eine Ausbildung als Kauffrau im Einzelhandel und von 2005 bis 2007 zur Medizinischen Kosmetikerin (Abschlusszeugnis der B Berufsfachschule für Kosmetikerinnen GmbH vom 29. März 2007).

Nachdem sie vom 30. März 2007 bis 14. Juni 2007 Arbeitslosengeld (Alg) bezogen hatte, nahm sie zum 15. Juni 2007 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Kosmetikerin bei „M Kosmetik“ auf. Nach der am 30. Dezember 2008 erfolgten Geburt ihrer Tochter A befand sie sich bis 17. Januar 2010 in Elternzeit. Ab 18. Januar 2010 war die Klägerin im Kosmetik- und Friseursalon A W (W) „Studio B“ in F beschäftigt. Mit Schreiben vom 27. August kündigte W der Klägerin „fristgemäß“ zum 30. September 2012. Am 31. August 2012 meldete sich die – vom 30. August 2012 bis zuletzt 14. September 2012 krank geschriebene – Klägerin telefonisch bei der Beklagten als arbeitsuchend und gab an, an einer Selbständigkeit stark interessiert zu sein. Nachdem W mit Schreiben vom 6. September 2012 der Klägerin unter Hinweis auf ihre wegen Kündigung der Geschäftsräume durch den Vermieter erzwungene Geschäftsaufgabe zum 8. September 2012 der Klägerin zum „8. September 2012“ fristlos gekündigt hatte, teilte die Klägerin der Beklagten am 10. September 2012 telefonisch mit, sie sei voraussichtlich noch bis 14. September 2012 arbeitsunfähig. Nach eigenen Angaben musste sich die Klägerin bis 10. September 2012 entscheiden, ob sie einen Mietvertrag über die bisher von W genutzten Geschäftsräume mit dem schnellstmöglich einen Nachmieter suchenden Vermieter dieses Salons abschließen wollte. Unter dem 11. September 2012 meldete die Klägerin bei der Gemeinde F die Neugründung eines Gewerbebetriebes in der Wstraße, F mit Beginn am 18. September 2012 an. Am 14. September 2012 sprach sie gemeinsam mit ihrem Prozessbevollmächtigten bei der Beklagten vor und begehrte die Gewährung eines Gründungszuschusses (GZ) anlässlich der Aufnahme einer selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit als Kosmetikerin am 18. September 2012. Im hierauf Bezug nehmenden Beratungsvermerk der Beklagten vom selben Tag heißt es, der Klägerin sei (ein Antragsformular) „ausgeh(ändigt worden) ohne Förderzusage“. Die Klägerin habe sich vollschichtig der Arbeitsvermittlung ab 15. September 2012 regional zur Verfügung gestellt und ein Stellengesuch sei gemeinsam erstellt worden. Ferner sei eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen worden. Als gemeinsames Ziel sei die Aufnahme einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt lokal festgelegt worden. Ferner heißt es im Beratungsvermerk: „ZEV abgeschlossen, kein nächster TAV, da Selbständigkeit feststeht“.

Die Kläger nahm ihr Gewerbe („Kosmetik & Friseursalon P “) am 18. September 2012 auf. Im Antragsverfahren betreffend die Gewährung des GZ reichte die Klägerin diverse Unterlagen ein, insbesondere eine Stellungnahme vom 1. November 2012 von der STIC Wirtschaftsförderungsgesellschaft M mbH (STIC) als fachkundiger Stelle, eine Beurteilung der Tragfähigkeit des Existenzgründungsvorhabens vom Lotsendienst M sowie einen Lebenslauf und Zeugnisse sowie einen Businessplan. Auf den unter dem 13. September 2012 gestellten Antrag der Klägerin bewilligte die Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 21. November 2012 Arbeitslosengeld (Alg) vom 15. September 2009 bis 17. September 2009 iHv 20,05 € täglich unter Zuerkennung einer Anspruchsdauer von 360 Tagen.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines GZ mit Bescheid vom 20. Dezember 2012 mit der Begründung ab, es seien ausreichend sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen als Kosmetikerin in den Stellenbörsen vorhanden. Durch einen Suchlauf am 14. September 2012 seien insgesamt neun für die Klägerin in Betracht kommende Stellen als Kosmetikerin zu finden gewesen. Gemäß den Stellenbeschreibungen seien Fähigkeiten und Kenntnisse in den Bereichen nachgefragt, die den Qualifikationsangaben und dem beruflichen Werdegang der Klägerin entsprechen würden. Im Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung der unterschiedlichen Gesichtspunkte seien eine nachhaltige Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Fall der Klägerin ebenso Erfolg versprechend wie die Förderung des Gründungsvorhabens. Unter Beachtung des Vermittlungsvorrangs nach § 4 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) sei die Förderung durch einen GZ für die dauerhafte Eingliederung der Klägerin nicht notwendig. Die Klägerin ließ mit Schreiben vom 16. Januar 2013 gegen die Ablehnung Widerspruch einlegen und trug zur Begründung vor: Sie habe sich – ebenso wie eine weitere bei W angestellte Kollegin – „in den ersten Septembertagen 2012“ für eine selbstständige Tätigkeit in ihrem Arbeitsbereich entschieden, obwohl sie nicht über die notwendigen finanziellen Mittel für eine dauerhafte Anmietung und Ausstattung des gesamten Salons verfügt hätte. Es sei ihr durch erhebliche private Darlehensmittel überhaupt erst möglich gewesen, die Grundausstattung für den Kosmetiksalon zu beschaffen. Die Bestellung dieser Ausstattung habe bereits Anfang September 2012 erfolgen müssen, aufgrund längerer Lieferzeiten. Diese besondere Situation sei der Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit bei der Beratung am 14. September 2012 mitgeteilt worden. Diese habe es selbst so eingeschätzt, dass die Versuche einer Weitervermittlung an einen anderen Arbeitgeber „eigentlich“ ausschieden und der Schwerpunkt darauf liege, dass sie schnellstmöglich alle Unterlagen einschließlich eines tragfähigen Existenzgründungskonzeptes vorlegen und auch eine Beratung beim Lotsendienst STIC durchführen sollte, um den Anspruch für den GZ zu erlangen. Es könne sein, dass beim Suchlauf der Agentur am 14. September 2012 neun in Betracht kommende Stellen gefunden worden seien. Ihr gegenüber seien aber nur einige mitgeteilt worden. Ferner sei die konkrete Lebenssituation nicht berücksichtigt worden. Durch ihre selbstständige Tätigkeit lasse sich die Betreuung ihres Kindes „optimal“ gewährleisten, was auf keinen Fall bei einer anderen Arbeitsstätte möglich gewesen wäre. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2013 als unbegründet zurück und führte aus: Beim GZ handele es sich um eine Ermessensleistung der aktiven Arbeitsförderung. Der Vermittlung in Arbeit sei nach § 4 Abs. 2 SGB III grundsätzlich Vorrang vor Gewährung von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach § 3 Abs. 2 SGB III einzuräumen. Auf dem für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsmarkt bestünden ausreichend Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Im Bereich der Agentur für Arbeit seien mindestens 19 zu besetzende Arbeitsstellen gemeldet und der Klägerin seien 3 Stellen angeboten worden. Am 14. September 2012 habe für die Klägerin bereits festgestanden, dass sie eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen wolle. Es sei deshalb nicht sinnvoll gewesen, ihr weitere Stellenangebote zu unterbreiten.

Das Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) hat auf die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. August 2013 den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2013 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendeten, könnten nach § 93 Abs. 1 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung (n.F.) zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen GZ erhalten. Die Klägerin habe am 18. September 2012 eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit als Kosmetikerin im Umfang von wöchentlich 40 bis 50 Arbeitsstunden aufgenommen. Sie habe zum Zeitpunkt des Beginns ihrer selbstständigen Tätigkeit noch einen Anspruch auf Alg für 357 Tage gehabt. Darüber hinaus habe sie durch Vorlage einer Stellungnahme der STIC als fachkundiger Stelle und einer Beurteilung der Tragfähigkeit des Existenzgründungsvorhabens vom Lotsendienst M die Tragfähigkeit ihrer Existenzgründung nachgewiesen und durch die Vorlage ihres Lebenslaufes und ihrer Zeugnisse auch ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zum Ausüben ihrer selbstständigen Tätigkeit dargelegt. Damit erfülle sie grundsätzlich die Rechtsvoraussetzungen für einen GZ für die Dauer von sechs Monaten. Die Gewährung eines GZ sei jedoch in das Ermessen der Beklagten gestellt. Die Klägerin habe deshalb lediglich einen Rechtsanspruch darauf, dass die zuständige Stelle das Ermessen pflichtgemäß ausübe. Die Beklagte habe jedoch keine ermessenfehlerfreie Entscheidung getroffen. Zur Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung habe sie sich allein auf den in § 4 SGB III geregelten Vermittlungsvorrang berufen, der auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der Arbeitsförderung – zu denen der GZ gemäß § 3 Abs. 2 SGB III zu zählen sei – gelte. Dabei habe sie jedoch nicht beachtet, dass § 4 im Verhältnis zum Berechtigten keine rechtsvernichtende oder rechtsmindernde Einwendung gegenüber den nach § 4 Abs. 1 und 2 nachrangigen Leistungsansprüchen enthalte, deren tatbestandlichen Voraussetzungen der Berechtigte erfülle. Dies ergebe sich daraus, dass die Norm eine Regelung des Verwaltungsbinnenrechtes sei, nämlich eine Handlungsanweisung an die Bundesagentur, mit welchen Prioritäten sie die ihr auferlegten Aufgaben wahrzunehmen habe. So wie die Beklagte nicht die Zahlung von Alg bereits mit der Begründung verweigern dürfe, der Arbeitslose sei vorrangig in Arbeit zu vermitteln und erst bei Erfolglosigkeit der Vermittlung sei Alg zu zahlen, verböte sich selbstverständlich auch die Bezugnahme auf den Vermittlungsvorrang im Rahmen von Ermessensentscheidungen bei Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Damit erweise sich der einzige von der Beklagten angeführte und damit das Ermessen tragende Gesichtspunkt als nicht haltbar.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen den Gerichtsbescheid und trägt vor: Es sei nicht ermessenfehlerhaft, wenn die Vermittelbarkeit in eine zumutbare versicherungspflichtige Beschäftigung als „anspruchsvernichtender“ Ermessensgesichtspunkt geprüft werde. Beim Erstgespräch am 14. September 2012 habe die Klägerin bereits die Entscheidung getroffen gehabt, eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Mit der Eingliederungsvereinbarung vom 14. September 2012 sei zwischen der Klägerin und ihr das Ziel der regionalen Arbeitsaufnahme als Kosmetikerin schriftlich festgelegt worden. Da die Erfolgsaussichten der Eigenbemühungen sowie der Vermittlungsaktivitäten zur Erlangung einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung im Rahmen einer Prognoseentscheidung für die Klägerin als günstig zu bewerten gewesen seien, sei eine Förderung durch Gewährung eines GZ nicht in Betracht gekommen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. August 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Beim Beratungsgespräch am 14. September 2012 habe die Mitarbeiterin der Beklagten entschieden, sie als Arbeitsuchende und zu vermittelnde Kosmetikerin aus dem Computersystem der Beklagten zu entfernen. Diese Mitarbeiterin habe in ihrem Computersystem zwar zuvor festgestellt, dass es einige offene Stellen als Kosmetikerin gegeben habe. Sie habe aber ihr keine dieser offenen Stellen konkret benannt, was aufgrund ihrer konkreten Situation auch keinen Sinn gemacht hätte. Die Mitarbeiterin der Beklagten habe ihr gegenüber erklärt, dass zwar kein Rechtsanspruch auf einen GZ bestehe, aber im Hinblick auf die besondere Situation ihres Wunsches, direkt von der Beschäftigung in die selbständige Tätigkeit zu wechseln, die Möglichkeit bestünde, einen solchen Zuschuss zu bekommen, wenn schnellstmöglich alle Unterlagen eingereicht würden. Zu 100 % sei ihr der GZ allerdings nicht zugesagt worden. Für ihren Prozessbevollmächtigten sei bei diesem Gespräch der Eindruck entstanden, dass die begehrte Leistung für den Fall zugesagt worden sei, dass alle geforderten Unterlagen vollständig vorgelegt würden. Sie habe wie bereits beim Erstgespräch bei der Beklagten am 14. September 2011 (gemeint: 2012) angekündigt, inzwischen eine Mitarbeiterin fest angestellt und somit ein weiteres sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis geschaffen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Verwaltungsakten der Beklagten (ein Vorgang betreffend den GZ), die Leistungsakten der Beklagten und diverse VERBIS-Ausdrucke sowie die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres mündlich bereits am 14. September 2012 gestellten Antrags auf Gewährung eines GZ.

Nach § 93 Abs. 1 SGB III n.F. können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen GZ erhalten. Ein GZ kann nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III n. F. geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer erstens bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Alg hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht, zweitens der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und drittens ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeit zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt. Nach § 93 Abs. 2 Satz 2 SGB III ist zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Gemäß § 93 Abs. 3 SGB III wird der GZ nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III n. F. vorliegen oder vorgelegen hätten. Die Förderung ist ausgeschlossen (§ 93 Abs. 4 SGB III n. F.), wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nach diesem Beruf noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Voraussetzungen abgesehen werden.

Die Klägerin hatte zwar für die vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit als Kosmetikerin liegende Zeit vom 15. bis 17. März 2012 einen durch bestandskräftigen Bescheid vom 21. November 2012 begründeten Anspruch auf Alg iS eines Zahlungsanspruchs (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R = SozR 4-4300 § 57 Nr. 6) und verfügte damit auch auf der Grundlage dieses – bindenden – Bewilligungsbescheides noch über einen Restanspruch von 357 Tagen. Der Anspruch ruhte auch nicht allein im Hinblick auf § 147 Abs. 3 SGB III n. F. Die Klägerin hatte auch die Tragfähigkeit der Existenzgründung durch die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle nachgewiesen und ihre Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit dargelegt. Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III oder ein Ausschlusstatbestand liegen nicht vor. Insbesondere lässt sich – wie vom SG insoweit zutreffend ausgeführt – § 4 SGB III kein Ausschlusstatbestand entnehmen.

Der Senat vermag jedoch nicht zu seiner vollen Überzeugung festzustellen, dass die Klägerin entsprechend § 93 Abs. 1 SGB III n. F. durch die Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit ihre Arbeitslosigkeit beendet hat. Insoweit ist es mangels einer entsprechenden gesetzlichen Begrenzung grundsätzlich zwar ausreichend, wenn die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit (nur) an einem Tag gegeben sind. Diese Mindestvoraussetzung erfüllt die Klägerin jedoch nicht, denn es bestehen nach dem eigenem Vorbringen und den objektiv erkennbaren Umständen durchgreifende Zweifel daran, dass die Klägerin wenigstens an einem Tag in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum von ihrer Arbeitslosmeldung am 14. September 2012 an bis zur Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit am 18. September 2012 bereit war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen und auszuüben (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nrn. 1 und 3 SGB III n.F.). Die Klägerin war spätestens Anfang September 2012 entschlossen, zum 18. September 2012 eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Für ihren Betrieb hatte sie bereits einen Mietvertrag abgeschlossen und Einrichtungsgegenstände bestellt. Unter dem 11. September 2012 hatte sie außerdem schon ihr Gewerbe angemeldet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie eingeräumt, dass es ihr Wunsch gewesen sei, direkt von der (vorherigen) Beschäftigung in die Selbständigkeit zu wechseln. Im Übrigen wäre es der Klägerin allenfalls am Montag, dem 17. September 2012 – also unmittelbar vor der Eröffnung ihres Salons – möglich gewesen, einer abhängigen Beschäftigung als Kosmetikerin nachzugehen. Hätte die Klägerin tatsächlich eine Bereitschaft zur Beschäftigungsaufnahme am 17. September 2012 erkennen lassen – was der Beratungsvermerk der Beklagten vom 14. September 2012 suggeriert –, so hätte es nahegelegen, der Klägerin sofort entsprechende Vermittlungsvorschläge auszuhändigen bzw. sie für den 17. September 2012 erneut bei der Beklagten einzubestellen bzw. ihr eine telefonische Kontaktaufnahme mit der Beklagten zwecks Abklärung von Beschäftigungsangeboten nahezulegen. Der Klägerin sind aber nach ihrem glaubhaften Bekunden am 14. September 2012 keine Vermittlungsvorschläge ausgehändigt worden und es ist auch von Seiten der Beklagten im Hinblick auf die feststehende Selbständigkeit darauf verzichtet worden, einen neuen Termin zur Arbeitsvermittlung festzulegen (vgl. Beratungsvermerk vom 14. September 2012: kein neuer TAV, da Selbständigkeit feststeht). Nach alledem drängt sich der Eindruck auf, dass die ausweislich des Beratungsvermerks vom 14. September 2012 erklärte Bereitschaft der Klägerin, ab 15. September 2012 eine abhängige Beschäftigung anzunehmen, nicht ernst gemeint war und allein bezweckte, formal die Voraussetzungen für die Bewilligung von Alg und die anschließende Gewährung eines GZ zu schaffen. Der Begriff der Arbeitslosigkeit in § 93 Abs. 1 SGB III n. F. stimmt mit der Definition im § 138 Abs. 1 SGB III n. F. überein (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. April 2014 – L 9 AS 197/13 –, juris). Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Meinung (vgl. Link, in Eicher/Schlegel, SGB III, § 93 Rn. 84) genügt im Rahmen des § 93 Abs. 1 SGB III n.F. das Vorliegen von Beschäftigungslosigkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III n. F. nicht. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Rechtsprechung zu der § 93 Abs. 1 SGB III n.F. entsprechenden Vorschrift des § 57 Abs. 1 SGB III in der bis 27. Dezember 2011 geltenden Fassung darauf hinweist, dass für das Merkmal der Beendigung von „Arbeitslosigkeit“ „grundsätzlich“ die Beschäftigungslosigkeit beendet worden sein müsse (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R –, juris, Rn. 26) lässt dies nicht den Schluss zu, dass der Begriff der Arbeitslosigkeit im vorliegenden Zusammenhang abweichend auszulegen ist. Für eine derartige engere Auslegung des Begriffes der Arbeitslosigkeit im § 93 Abs. 1 SGB III n. F. bietet der Wortlaut der Vorschrift keinen Anhalt. Sie ließe sich auch nicht mit dem Umstand, dass die Vorschrift anders als die bis zum 31. Juli 2006 geltende Vorläufernorm des § 57 Abs. 1 SGB III nicht mehr auf den Tatbestand der Vermeidung von Arbeitslosigkeit Bezug nimmt, vereinbaren.

Dementsprechend steht der Klägerin bereits deshalb kein Anspruch auf Neubescheidung zu, weil sie durch die Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit nicht entsprechend § 93 Abs. 1 SGB III n.F. ihre Arbeitslosigkeit beendet hatte.

Unabhängig hiervon erweist sich selbst bei Annahme einer Beendigung der Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die ablehnende Entscheidung der Beklagten aber auch deshalb als rechtmäßig, weil sie das ihr nach § 93 Abs. 1 SGB III zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat.

Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – und § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch) entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen Fallgruppen z.T. nicht einheitlich sind (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 2 U 1/07 R -, juris.Rn. 16). Keiner dieser Ermessensfehler liegt hier vor.

Von einem Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall kann keine Rede sein. Die Beklagte hat ihr Ermessen ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt. Ebenso wenig liegt eine Ermessensunter- oder -überschreitung vor. Die Beklagte hat keine Rechtsfolge gesetzt, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. Sie war sich auch dessen bewusst, dass die Bewilligung des GZ in ihrem Ermessen stand und hat ihr Ermessen folglich auch nicht zu eng ausgelegt. Der Beklagten kann schließlich auch kein Ermessensfehlgebrauch vorgeworfen werden (siehe zum Ermessensfehlgebrauch zusammenfassend BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 2 U 10/10 R -, juris, Rn. 15). Indem die Beklagte darauf abgestellt hat, ob die Klägerin voraussichtlich auch ohne die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert worden wäre, hat sie einen legitimen, der Teleologie des § 93 SGB III n.F. entsprechenden Zweck verfolgt und damit ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt. Der GZ dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Insoweit ist aber der allgemeine Vorrang der Vermittlung zu beachten, so dass der GZ als Ermessensleistung – was vom SG verkannt wird – nur dann gewährt werden kann, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich ist (§ 4 Abs. 2 SGB III), d.h. wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13 -, juris, Rn. 42 mwN). Diesen normativen Vorgaben entspricht es, wenn die Beklagte, wie im Falle des Klägers geschehen, im Rahmen ihres Ermessens entscheidend darauf abstellt, ob eine möglichst nachhaltige Integration innerhalb des Alg-Bezugszeitraums realistisch ist, ob sofort oder in absehbarer Zeit Stellenangebote unterbreitet werden können oder ob Hemmnisse bestehen, die den Integrationserfolg behindern können. Die Beklagte ist auch nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Vielmehr ist ihre – als Teil einer Ermessensentscheidung nur eingeschränkt überprüfbare – Prognose, dass die Klägerin bei Inanspruchnahme der Vermittlungsbemühungen der Beklagten in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt integriert worden wäre, ohne dass hierfür die Förderung der Selbstständigkeit notwendig gewesen wäre, angesichts der von der Beklagten dargestellten und von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogenen Lage auf dem für die Klägerin in Betracht kommenden regionalen Stellenmarkt nicht zu beanstanden. Danach durfte und musste die Beklagte davon ausgehen, dass für die Kläger gute Vermittlungschancen bestanden.

Schließlich liegt auch kein Abwägungsfehler vor. Ein für die Bewilligung sprechender Gesichtspunkt, der mindestens ebenso gewichtig wäre wie der für die Ablehnung maßgebliche Gesichtspunkt der ausreichenden Vermittlungschancen der Klägerin, ist nicht erkennbar. Ein derartiger zu Gunsten der Klägerin in die Abwägung einzustellender Gesichtspunkt hätte allerdings vorgelegen, wenn die Beklagte der Klägerin die Gewährung eines GZ mündlich zugesagt (vgl. BSG SozR 4-4300 § 415 Nr. 1) oder sie sich im Wege einer Eingliederungsvereinbarung auf eine selbständige Tätigkeit der Klägerin als Eingliederungsziel festgelegt hätte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Februar 2014 – L 8 AL 1515/13 –, juris). Der Senat konnte sich freilich nicht davon überzeugen, dass eine derartige Konstellation hier vorgelegen hat. Soweit die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen lässt, ihr sei anlässlich des Beratungsgesprächs am 14. September 2012 eine aufschiebend bedingte mündliche Zusage für den Fall erteilt worden, dass alle geforderten Unterlagen vollständig vorlägen, steht dies weder mit der Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Einklang, wonach von der „Möglichkeit“ eines Zuschusses die Rede war und ihr „ein Gründungszuschuss natürlich nicht“ zugesagt worden war, noch deckt sich diese Behauptung mit dem Beratungsvermerk der Beklagten vom 14. September 2012. Danach war der Klägerin ein Antragsformular für einen GZ „ohne Förderzusage“ ausgehändigt worden. Schließlich bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich in der am 14. September 2009 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung zu einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin bekannt hatte. Die Klägerin konnte eine solche Eingliederungsvereinbarung nicht vorlegen und in dem von der Beklagten eingereichten – nicht unterschriebenen – Exemplar wird lediglich die durch Vermittlung und Beratung zu unterstützende „Arbeitsaufnahme als Kosmetikerin regional“ als Ziel genannt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

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