Zum Anspruch auf Freigabe eines als Mietsicherheit verpfändeten Sparbuchs

AG Dortmund, Urteil vom 19.06.2018 – 425 C 376/18

Der Anspruch auf Freigabe eines verpfändeten Sparbuchs wird erst fällig, wenn dem Vermieter keine Ansprüche aus dem Mietverhältnis mehr zustehen. Das kann auch erst mehr als 6 Monate nach Mietvertragsende sein.

Der Vermieter darf sich wegen bestrittener Forderungen aus der Mietsicherheit auch nach Mietvertragsende nicht befriedigen.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Klage wird als zurzeit nicht fällig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der klagenden Partei auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 600,00 € festgesetzt.

Tatbestand
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Zwischen den Parteien bestand von 2009 bis zum 28.02.2016 ein Mietverhältnis über die Wohnung im Hause …strasse … in Dortmund.

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Die Klägerin leistete eine Mietsicherheit, die auf einem Mietkautionssparbuch bei der Sparkasse Dortmund angelegt wurde.

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Die Parteien streiten über die Berechtigung einer Nachzahlung aus einer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2015. Die Klägerin ist der Auffassung, dass diese noch nicht fällig sei.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagten zu verurteilen, gegenüber der … Dortmund die Freigabe des Kautionsguthabens auf dem Mieterkautionssparbuch nebst Zinsen zu Gunsten der Klägerin zu erklären.

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Die Beklagten werden ferner verurteilt vorgerichtliche Kosten i.H.v. 147,56 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 30.01.2018 zu zahlen.

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Die Beklagten beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie sind der Auffassung dass die Klägerin den Beklagten noch 588,03 € aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2015 schuldet.

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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zurzeit unbegründet. Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten zurzeit weder aus der Kautionsvereinbarung noch aus § 812 BGB der geltend gemachte Anspruch zu. Der Freigabeanspruch ist nach eigenem Sachvortrag der Klägerin noch nicht fällig.

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Der Anspruch des Mieters auf Rückgabe einer Mietsicherheit wird erst fällig, wenn eine angemessene Überlegungsfrist abgelaufen ist und dem Vermieter keine Forderungen aus dem Mietverhältnis mehr zustehen, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen darf (BGH NJW 2016, 3231 = NZM 2016, 762 = MietPrax-AK § 551 BGB Nr. 18 mit Anm. Börstinghaus; dazu Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 17/2016 Anm. 4; Ludley, NZM 2016, 764; Beyer, jurisPR-MietR 22/2016 Anm. 3; Burbulla, MietRB 2016, 311; Drasdo, NJW-Spezial 2016, 675; Staake, LMK 2016, 384205). Der vom BGH entschiedene Fall entspricht fast genau dem hiesigen Fall.

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Ein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution ist erst fällig, wenn dem Vermieter keine Forderungen aus dem Mietverhältnis mehr zustehen, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen darf (BGHZ 141, 160, 162, BGH NJW 2006, 1422; BGH NJW 2016, 3231 = MietPrax-AK § 551 BGB Nr. 18; so auch Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 551 BGB Rdn. 95). Der BGH hat insbesondere der Ansicht widersprochen, dass der Kautionsrückzahlungsanspruch spätestens 6 Monate nach Mietvertragsende fällig wird (BGH NJW 2016, 3231 = MietPrax-AK § 551 BGB Nr. 18). Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof erst jüngst wieder zum Leasingrecht noch einmal bestätigt (BGH NJW 2017, 1301 Rdn. 18). Danach besteht ein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution nur insoweit als feststeht, dass dem Leasinggeber keine Ansprüche mehr zustehen für die die Kaution haftet. „Dem Leasingnehmer, der eine Sicherheit geleistet hat, steht deshalb ein fälliger Anspruch auf Rückgabe der Sicherheit nicht nur erst nach zusätzlichem Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist zu, der Rückzahlungsanspruch setzt vielmehr auch voraus, dass sich das aus der Sicherungsabrede ergebende Sicherungsbedürfnis der Sache nach erledigt hat, dem Leasinggeber also keine Forderungen mehr aus dem Leasingverhältnis zustehen.“ Insofern gilt für das (Wohnraum-)Mietrecht nichts anderes (umfassend hierzu Häublein in seinem Vortrag auf dem Deutschen Mietgerichtstag abgedruckt in ZMR 2017, 445).

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Diese Voraussetzungen lagen bei Erhebung der Klage nach dem Wortlaut der Klagebegründung nicht vor.

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Daran hat sich bis zum maßgeblichen Schluss der mündlichen Verhandlung auch nichts geändert. Die Parteien streiten über die Berechtigung der Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung. Darüber ist aber im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Es fehlt schlicht an der Fälligkeit des Kautionsrückzahlungsanspruchs. Deshalb kommt es auf die Berechtigung einer Gegenforderung weder im Rahmen einer Aufrechnung noch im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts an.

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Allein deshalb war die Klage als zurzeit nicht fällig abzuweisen.

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Das Gericht weist zusätzlich daraufhin, dass die Beklagten sich wegen der vermeintlichen Forderung aus der Betriebskostenabrechnung auch nicht befriedigen dürfen.

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Der Vermieter darf nur bei unstrittigen und rechtskräftig festgestellten Ansprüchen auf die Kaution zurückgreifen. Dies hat der Bundesgerichtshof (NJW 2014, 2496 = MietPrax-AK § 551 BGB Nr. 16 m. Anm. Börstinghaus; dazu Drasdo, NJW-Spezial 2014, 449; Schach, MietRB 2014, 226; Riecke, ZMR 2014, 620) bereits für den Rückgriff des Vermieters in der Wohnraummiete auf die Mietkaution während des Bestandes des Mietverhältnisses so entschieden. Der BGH hatte damals offengelassen, ob seine Rechtsprechung auch für den Fall des Mietvertragsendes übertragbar ist (BGH NJW 2014, 2496 Rn. 13).

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Dies ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts (so auch LG Halle, NZM 2008, 685) der Fall. Die Mietsicherheit ist nur ein Sicherungs- und kein Befriedigungsmittel (so ausdrücklich Dr. Milger WImmoT 2014, 7, 15; a. A. Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 551 BGB Rdn. 100: Mietsicherheit hat auch eine Verwertungsfunktion) für den Vermieter. Es besteht (nur) eine Treuhandabrede zwischen den Parteien (BGH NZM 2012, 678 = MietPrax-AK § 551 BGB Nr. 13 m. Anm. Börstinghaus; dazu ders., jurisPR-BGHZivilR 17/2012 Anm. 3; Pfeifer, MietRB 2012, 286; Drasdo, NJW-Spezial 2012, 643; Niebling, ZMR 2012, 856). Nur durch die eine solche Beschränkung des Aufrechnungsrechts kann der Mieter vor dem Insolvenzrisiko des Vermieters geschützt werden (so auch Emmerich in: Staudinger (2018), § 551 BGB, Rdnr. 31; Milger, WImmoT 2014, 7, 15/16). Dies ergibt sich daraus, dass die Mietkaution nach der zwingenden Vorschrift des § 551 BGB vom Vermögen des Vermieters getrennt angelegt werden muss. Würde man eine Aufrechnung zulassen, würde die Verpflichtung zur insolvenzfesten Anlage entfallen, da das Guthaben dann in das sonstige Vermögen des Vermieters fallen würde. Im Falle einer Vermieterinsolvenz würde dann, wenn sich herausstellen sollte, dass die Aufrechnung unberechtigt war, der Kautionsrückzahlungsanspruch eine einfache Masseforderung darstellen (a. A. Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 551 BGB Rdn. 96, der den Gesichtspunkt der materiellen Absicherung nach Vertragsende verneint). Der Mieter ist noch nicht einmal berechtigt, in der Insolvenz des Vermieters an den vor Insolvenzeröffnung fällig gewordene Mieten ein Zurückbehaltungsrecht wegen der vertragswidrig nicht insolvenzfest angelegten Barkaution auszuüben (BGH NZM 2013, 14 = MietPrax-AK § 551 BGB Nr. 14 m. Anm. Börstinghaus; dazu Flatow, WuM 2013, 151; Siegmund, MietRB 2013, 76; Dahl, NJW-Spezial 2013, 150). Der Schutz des Kautionsrückzahlungsanspruchs des Mieters vor den Risiken einer Vermieterinsolvenz hat insgesamt in der Rechtsprechung des BGH eine ganz hohe Bedeutung (insbesondere BGH NZM 2011, 28 = MietPrax-AK § 551 BGB Nr. 11 m. Anm. Börstinghaus; dazu Horst, MietRB 2010, 349; Blank, LMK 12/2010 Anm. 1; Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 1/2011 Anm 4; Drasdo, NJW-Spezial 2011, 34; Schmid, ZMR 2011, 194; Krapf, jurisPR-MietR 6/2011 Anm. 2).

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Deshalb kann der Vermieter nur mit unstreitigen Forderungen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen sich aus der Mietsicherheit befriedigen (so ausdrücklich Frau Dr. Milger in WImmoT 2014, 7, 16).

21
Daraus folgt unter Mieterschutzgesichtspunkten, dass dem Vermieter ein Zugriff auf die Kaution auch nach Ende des Mietvertrages insofern verboten ist. Der Mieter kann dies sogar im einstweiligen Rechtschutzverfahren verhindern (LG Berlin WuM 2017, 527).

22
Daraus folgt aber im Umkehrschluss auch, dass der Mieter bei Bestehen von strittigen Forderungen keinen Kautionsrückzahlungsanspruch gegen den Vermieter hat. Zunächst müssen die Parteien darüber eine einvernehmlich oder gerichtliche Klärung herbeiführen. Solange bleibt die Mietsicherheit beim Vermieter, aber eben als Mietsicherheit und vom Vermögen des Vermieters getrennt (Dr. Milger WImmoT 2014, 7, 16). Auch das ist eine Folge des umfassenden Mieterschutzes.

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Vorliegend besteht weder eine unstreitige noch eine rechtskräftig festgestellte Forderung der Beklagten gegen die Klägerin. Etwas anderes hätte allenfalls dann gelten können, wenn die Beklagte im vorliegenden Verfahren ihre Forderung widerklagend geltend gemacht hätte. In diesem Fall hätte nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den Widerklageantrag durch Teilurteil gegebenenfalls eine Aufrechnung erfolgen können.

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Der Kläger hat auch keine Stufenklage erhoben oder eine Klage auf Abrechnung (zur Fälligkeitsvoraussetzung der Abrechnung für Kautionsrückzahlungsanspruch: OLG Karlsruhe NJW-RR 2010, 585; Zeibig, Die Mietkaution (2012), S. 244; Bieber in Münchener-Kommentar, BGB, 7. Aufl., § 551 BGB Rdn. 29), sondern direkt Freigabeklage erhoben. In diesem Fall muss er die Fälligkeit der Forderung darlegen und beweisen, um erfolgreich zu sein (Häublein ZMR 2017, 445 unter Verweis auf Zeibig, Die Mietkaution (2012), S. 250).

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Der Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten wird also erst dann fällig, wenn die Parteien sich entweder über die Höhe der Gegenforderung geeinigt haben oder wenn die Beklagte ihren Anspruch rechtskräftig tituliert hat. Da der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution erst dann zu verjähren beginnt, wenn er fällig ist, würde der Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters auch auf jeden Fall erst nach der Verjährung des Anspruchs auf Zahlung aus der strittigen Betriebskostennachzahlung des Vermieters verjähren, sodass der Mieter auch auf diese Art und Weise ausreichend geschützt ist. Solange muss die Sicherheit vom Vermögen des Vermieters getrennt angelegt werden.

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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

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Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind. Die Rechtsfrage ist durch die Entscheidung des BGH (NJW 2016, 3231 = NZM 2016, 762 = MietPrax-AK § 551 BGB Nr. 18 mit Anm. Börstinghaus) umfassend und abschließend geklärt.

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